Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Was Ihre Position zu den Hochschulverträgen betrifft, das haben Sie zum Schluss ja klar gesagt. Aber Sie haben zunächst im Wissenschaftsausschuss gesagt, Sie würden zustimmen, wenn die Hochschulen zustimmen. Die haben inzwischen zugestimmt, obwohl Sie hier das Gegenteil behaupten. Sie haben sich dann im Hauptausschuss enthalten. Heute ist also daraus eine Gegenposition geworden.

Worum geht es? In dem vom Vorgängersenat ausgehandelten Vertrag war eine Absenkung von 40 Millionen DM Basis am Ende plus 25 Millionen DM Haushaltssperre, die, wenn sie umgewandelt wäre, 65 Millionen DM Basisabsenkung gegeben hätte. Jetzt stehen am Ende 60 Millionen DM. Worüber regen Sie sich eigentlich auf, Frau Grütters?

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Sie machen Stimmung hier. Sie machen Stimmung in der Stadt

[Kittelmann (CDU): Das ist unerhört! Sie machen Stimmung in der Stadt!]

und versuchen die Hochschulen aufzuhetzen, diesen Vertrag nicht zu unterschreiben. Sie erklären hier, dass Sie gegen eine medizinische Hochschule sind. Das ist Ihr gutes Recht, man kann unterschiedliche Positionen haben. Wir haben eine Kommission und wollen eine Kommission einsetzen, die vorurteilslos, ergebnisoffen das Für und Wider für einzelne Lösungen prüft. Dann werden wir auf dieser Grundlage sachgerecht entscheiden. [Beifall bei der SPD – Kittelmann (CDU): Schuster, bleib’ bei deinen Leisten!]

Die CDU wird immer einfallsreicher und intellektueller.

[Zimmer (CDU): Sie regen uns an!]

Das ist wenigstens ein Erfolg. Sie sollten sich noch häufiger an uns orientieren! – Es wurde gesagt – darauf muss ich noch eingehen –, dass die Forderung, es seien möglicherweise über 100 Millionen DM an Einsparungen zu erzielen, völlig aus der Luft gegriffen sei. Das ist nicht aus der Luft gegriffen! Es sind

ernsthafte Fragen, die wir immer wieder an die Hochschulmedizin gestellt haben. Sie ergeben sich schlicht daraus, dass wir 1995 die Studierendenzahlen auf 60 % abgesenkt haben. Daraus erfolgen Einsparungen und Abbau von Lehrkapazität. Wenn Sie außerdem die in der Bundesdiskussion befindlichen Zahlen für die Ausstattung von Hochschulmedizinausbildung ansehen, 365 000 DM pro Jahr pro Studienplatz, gerechnet auf Anfängerzahlen, kommen Sie zu solchen Fragen. Die Zahlen, die Herr Dietl von der Charite´ in den letzten Wochen genannt hat, deuten genau diesen Punkt an. Er sagt, er braucht 220 Millionen DM für die Lehre. Wenn Sie aber die Bundeseckwerte zur Grundlage bei 400 Studierenden in Humanmedizin nehmen, sind Sie bei 140 Millionen DM. Das ist die Grundausstattung für Lehre und Forschung. Worüber wir uns zu unterhalten haben, ist die Zusatzausstattung. Niemand will an die Forschungsgelder. Niemand will an das Geld, das für den Reformstudiengang vorgesehen ist. Wir müssen aber vernünftig miteinander und mit den Hochschulen darüber reden können, was diese Stadt in dieser Lage die Ausbildung von Medizinern kosten kann und soll. Das ist der Punkt, um den es geht.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen]

Nun haben wir immer gesagt – das ist der große Erfolg in den Hochschulverträgen –, dass wir dies nicht von oben anordnen wollen, weil wir nicht über die Betroffenen hinweg, sondern mit den Betroffenen handeln wollen. Deshalb ist der wichtigste Punkt – das ist fast ein Quantensprung –, dass die Hochschulen jetzt bereit sind, in einer gemeinsamen Expertenkommission diese Fragen endlich einmal rational auszuleuchten und zu diskutieren. Wir werden ein Ergebnis bekommen, mit dem wir nachher sinnvoll arbeiten können. Wir haben in den Verträgen den Satz aufgenommen, dass die Expertenkommission im Einvernehmen mit den Hochschulen gebildet wird. Dies ist ein Zeichen des gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Ausdruck des Willens, auf beiden Seiten zu konstruktiven Ergebnissen zu kommen.

Ich bin der Senatsverwaltung, aber auch den Hochschulen sehr dankbar, dass sie diesen konstruktiven Beitrag in den Verhandlungen geleistet haben und auch bereit sind, in den nächsten Monaten und Jahren – bis September 2002 soll die Kommission zu Ergebnissen kommen – diesen konstruktiven Weg weiterzugehen. Wir werden diesen Weg mitbegleiten und unseren Beitrag dazu leisten, dass Hochschule, Forschung und Wissenschaft den Platz in der Stadt behalten, den die Stadt für ihre Zukunft, für ihre wirtschaftliche Zukunft braucht. – Danke!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen]

Vielen Dank, Herr Schuster! Bevor Herrn Nolte das Wort gebe, möchte ich noch etwas anmerken. Wir befinden uns im Jahr des Ehrenamtes. Ich freue mich, auf der Tribüne eine A b o r d n u n g der weit über die Grenzen unserer Stadt bekannten B l a n k e n b u r g e r F r e i w i l l i g e n F e u e r w e h r z u b e g r ü ß e n. Viele von ihnen haben ihr Leben lang ehrenamtlich gearbeitet. Das verdient die Anerkennung des ganzen Parlaments!

[Beifall]

Herzlich willkommen hier im Preußischen Landtag! – Herr Nolte, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir bei der Rede von Frau Grütters vorgestellt, wie sie die Hochschulverträge hier als Wissenschaftssenatorin präsentiert hätte, die sie einmal werden wollte, und ein solches Vertragsergebnis, die Hochschulverträge mit Zustimmung der Universitäten, dem Abgeordnetenhauses vorgestellt hätte. Die Rede wäre sicherlich anders ausgefallen. Insofern kann man nur der amtierenden Wissenschaftssenatorin zu diesem Ergebnis gratulieren!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Niedergesäß (CDU): Sie tanzen nur einen Sommer!]

Bevor ich zu einigen Zielsetzungen des Nachtragshaushalts Stellung nehme, möchte ich noch zwei Vorbemerkungen anführen. Herr Kaczmarek, Sie hatten in Ihrer Rede die Erwartung geäußert, dass SPD, Grüne und PDS in den Mittelpunkt ihrer Reden die Bankenkrise und die Verantwortung der CDU dafür stellen werden. Herr Kaczmarek, das ist nicht nötig! Jeder Berliner weiß inzwischen, dass Filz, Vetternwirtschaft und Selbstbedienungsmentalität führender Vertreter der CDU zur Bankenkrise geführt haben und dass die Haushaltssituation durch dieses Verhalten führender Vertreter der CDU verschärft worden ist. [Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CDU]

Es gibt einen zweiten Punkt, der mich irritiert. Herr Steffel versucht immer wieder, den Berlin zu verdeutlichen, er habe Sorge um die Stadt. Dies steht aber im Gegensatz zu seinem Verhalten, wenn ich sehe, welche Teilnahme er bei einer Nachtragshaushaltsberatung im Abgeordnetenhause demonstriert. Er war nur einmal kurz anwesend, als der haushaltspolitische Sprecher der CDU gesprochen hat, und glänzte ansonsten durch Abwesenheit. Auch als die Finanzsenatorin gesprochen hat, war er nicht da. [Wansner (CDU): Er ist doch da!]

Jetzt ist er zufällig mal anwesend. – Möglicherweise übt er ansonsten die neue Rolle des First Gentleman von Katja Steffel aus. Sie vergleichen ihn hier immer mit Bill Clinton. Das ist dann möglicherweise seine Rolle.

[Gewalt (CDU): Wo ist denn der Regierende Bürgermeister?]

Sorge um die Stadt und Angst vor Rot-Grün ist bei der größten Oppositionsfraktion jedenfalls nicht erkennbar, wenn der Fraktionsvorsitzende während der Haushaltsdebatte durch Abwesenheit glänzt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS und den Grünen – Niedergesäß (CDU): Fragen Sie doch einmal, wo Ihre Senatoren sind!]

Meine Kollegin Frau Dunger-Löper hat bereits erwähnt, dass im Nachtragshaushalt noch einmal 90 Millionen DM eingespart wurden. Damit die Zukunftsfähigkeit Berlins gesichert ist und die Lebenschancen der Menschen nicht gefährdet werden, wird mit dem Nachtragshaushalt der Konsolidierungskurs fortgesetzt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Friederici?

Den kenne ich gar nicht! Bitte sehr! Dann lerne ich ihn jetzt kennen.

[Beifall bei der SPD – Heiterkeit]

Bitte, Herr Friederici, Sie haben das Wort!

Herr Abgeordneter, ich habe angesichts der Kritik an Herrn Steffel, er sei nicht hier gewesen, die Frage an Sie, wo sich aktuell der Regierende Bürgermeister befindet.

[Hoff (PDS): Der hat mehr zu tun als Ihr Frank Steffel!]

Wir debattieren um den Nachtragshaushalt. Dabei können nicht immer der Regierende Bürgermeister u n d die Finanzsenatorin anwesend sein.

[Gelächter]

Herr Friederici! Meine Position ist: Wenn sich Herr Steffel Tag und Nacht um die Stadt sorgt, wäre es gut, wenn er sich das, was die Finanzsenatorin hier in ihrer Verantwortung für die Stadt ausführt, anhören würde. Herr Steffel, nun lesen Sie es nach, das ist auch ganz schön.

Schwerpunkt des Haushaltes 2001 war die Bildungspolitik, verbunden mit Wissenschaft, Forschung und Kultur. Daran ändert auch der Nachtragshaushalt nichts. Im Gegenteil, er bekräftigt diese Schwerpunktsetzung noch einmal.

Zur Bildungspolitik gehört vorrangig die Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Schulen und Hochschulen. Aber auch die Volkshochschulen und Musikschulen, die Kindertagesstätten und Jugendeinrichtungen gehören dazu.

[Beifall bei der SPD]

Schon der Senat hatte mit der Beibehaltung der Zuweisung von 500 Stellen als Vertretungsstellen für dauererkrankte Lehrer sowie die zusätzliche Bewilligung von 60 Stellen zur Absicherung der Integration behinderter Kinder in der Sekundarstufe I beschlossen.

Die Koalitionsfraktionen haben darüber hinaus auch den Einstieg in die Frequenzabsenkung der Klassen mit einem Ausländeranteil von über 40 % vereinbart. In allen ersten Klassen der Grundschulen und in allen 7. Klassen der Oberschulen mit einem solchen Ausländeranteil werden die Klassenfrequenzen ab Beginn des Schuljahres 2001/2002 um zwei Schüler abgesenkt.

[Beifall der Frau Abg. Neumann, Eveline (SPD)]

Damit hat die Koalition trotz des engen Zeit- und Finanzrahmens einen klaren Schwerpunkt in der Bildungspolitik gesetzt. Im Jahr 2001 sind zusätzliche Mittel in Höhe von 800 000 DM vorgesehen.

Der Nachtragshaushalt gibt ein deutliches Signal an die Berliner. Die Koalition spart nicht an der Jugend. Die Koalition spart für die Jugend. Die Bildungs-, Jugend- und Familienpolitik der Koalition gibt der Stadt eine Zukunftsperspektive. Wir investieren in Köpfe und nicht in Beton. Wir werden Vorhandenes pflegen, bevor wir Neues bauen. Erst der Konsolidierungskurs und die bildungspolitische Priorität gemeinsam geben die Möglichkeit, Berlin als Stadt des Wissens und als soziale Stadt zu gestalten.

Chancengleichheit ist das Leitprinzip unserer Bildungspolitik. Eine Gesellschaft, die tatenlos zusieht, wenn über 12 % der Jugendlichen keinen Schulabschluss erreichen, ist weder gerecht, noch nutzt sie die gesellschaftlichen Potentiale. Deshalb ist es auch aus wirtschaftlichen Gründen wichtig, in den Teilen der Stadt, in denen diese Probleme deutlich werden, Chancengleichheit zu sichern, Begabungen zu fördern und Wettbewerb anzuregen. Die Senkung der Klassenfrequenzen ist ein richtiger Schritt in dieser Richtung.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Wolf (PDS) – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Familien bedürfen der positiven Unterstützung durch die Politik insbesondere bei der Gewährleistung der Vereinbarkeit von Familie, Berufstätigkeit und Familienarbeit. Der Nachtragshaushalt nimmt keine Veränderung an der Finanzierung der Kindertagesstätten in kommunaler oder freier Trägerschaft vor. Alle Eltern, die das wünschen, können wie bisher die Bildungs- und Betreuungsangebote der Berliner Kitas für ihre Kinder in Anspruch nehmen. Es bleibt Aufgabe der Bildungspolitik, in den kommenden Jahren auch angesichts der immer flexibleren Arbeitszeiten der Eltern die ganztägigen Betreuungsangebote an Schulen und Kindertagesstätten auszubauen. Nur so werden wir ein Klima schaffen, dass jungen Menschen mehr Mut zur Familie macht.