Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

[Atzler (CDU): Dann seid ihr auch weg!]

und erst recht nicht die Berliner Welt. Deshalb ist es richtig, dass Kontinuität greift und kein heftiges Herumrudern.

Was wir aber auf gar keinen Fall brauchen – ich denke, Frau Hildebrandt, da brauchen wir auch nicht hinter das zurückfallen, was die Frau Senatorin bereits gesagt hat –, ist die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes. Diese alte Forderung gehört end

lich in die Mottenkiste. Sie gehört nicht nur deshalb in die Mottenkiste, weil Sie genauso gut wie ich wissen, dass keine Standortentscheidung davon abhängt, wie hoch der Gewerbesteuerhebesatz ist – keine! –, sondern davon, welche Arbeitskräfte die Unternehmen vorfinden und welchen Markt sie vorfinden, für den sie Produkte und Dienstleistungen produzieren können. Aber das ist noch nicht einmal das zentrale Argument. Das zentrale Argument lautet, dass sich diese Forderung nach Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes schlicht überlebt hat, weil es inzwischen eine Einkommensteuerreform bzw.

[Wegner (CDU): Die den Mittelstand belastet!]

eine Unternehmensteuerreform, verbunden mit einer Einkommensteuerreform gegeben hat. Danach ist es so, dass der Gewerbesteuerhebesatz anrechenbar ist auf die Einkommensteuer. Damit hat sich das Problem praktisch erledigt. Es sind inzwischen alle der Ansicht, dass es wirtschaftspolitisch nichts bringt, den Gewerbesteuerhebesatz zu senken, aber dass es immer eine starke Lobbygruppe gibt, die ihn gern gesenkt haben möchte. Deswegen ist man sich in der ganzen Republik einig, dass der Gewerbesteuerhebesatz abgeschafft gehört, weil er kein wirtschaftspolitisches Instrument mehr ist. Lassen Sie uns gelassen warten, bis auch dieser Rest bundespolitisch erledigt wird und zur Geschichte gehört.

[Beifall bei den Grünen]

Kontinuität in der Wirtschaftspolitik – trotzdem muss vom Übergangssenat auch mit den Vorbereitungen begonnen werden, damit die Neuwahlen tatsächlich etwas bringen für die Stadt. Der Fall Landowsky war eben nicht nur ein politischer Skandal. Die Krise, in die er die Bankgesellschaft gestürzt hat, ist eine schwere Bedrohung für die ohnehin nach wie vor schlechte wirtschaftliche Entwicklung Berlins. In dieser Frage müssen wir uns nicht unwissender machen, als wir sind. Die Vorbereitung für eine Neuorientierung brauchen wir auch in der Mittelstandsförderung. Dort ist eben nicht alles zum Besten bestellt. Liebe Herren von der CDU, weil Sie mir so ungern glauben, zitiere ich Ihnen Lothar Späth, den ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg

[Zuruf der Frau Abg. Galland (CDU)]

und jetzigen Chef von Jenoptik. Der zieht zu Recht in diesen Monaten durch die Lande und spricht vor den Verbänden und Mittelstandsvereinigungen davon, dass die heutige Wirtschaft, dass die Wirtschaft der Wissensgesellschaft weniger geprägt ist von den Nachteilen der kleinen gegenüber den großen Unternehmen, sondern vielmehr von dem Unterschied zwischen den schnellen und den langsamen. Das hat, denke ich, auch eine Konsequenz für die Wirtschaftsförderung, und darauf sollten wir unsere Programme noch einmal überprüfen.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Die Berlin-Studie fügt hinzu – zumindet diejenigen, die am Montag am Wirtschaftsausschuss teilgenommen haben, sind übereinstimmend zu der Ansicht gekommen, dass die Anhörung sehr lohnend gewesen ist und wichtige Impulse gegeben hat, weshalb die Berlin-Studie immer wieder Anlass sein sollte hineinzusehen, um zu prüfen, inwieweit man etwas umsetzen kann –:

[Dietmann (CDU): Was machen Sie denn jetzt damit?]

Die alte Weisheit, dass mittlere und kleinere Unternehmen der Beschäftigungsmotor für die Wirtschaft sind, das muss neu qualifiziert werden.

Es stimmt schon, es sind die kleinen und mittleren Unternehmen, aber es sind nicht per se die kleinen und mittleren Unternehmen, sondern es sind die jungen Unternehmen, die gleichzeitig klein und im Wachstum sind, die den Beschäftigungsmotor bilden. Das alte mittelständische Unternehmen hingegen, das sich in seiner Marktnische etabliert hat und über Jahre seine Größe stabilisiert, unterscheidet sich in seinen Beschäftigungseffekten eben nicht von großen Unternehmen. In der Wirtschaftsförderung sollte man darauf eingehen.

[Dietmann (CDU): Was heißt denn das?]

(A) (C)

(B) (D)

Es reicht zum Beispiel nicht, nur Existenzgründungen zu fördern. [Zuruf von der CDU: Was denn?]

Es geht nicht nur darum, am Anfang Kredite und Beratungen zu unterstützen, sondern es gibt eine große Lücke in der Zeit direkt danach. Die muss nicht nur von der öffentlichen Hand gefüllt werden, da müssen wir uns auch mit den Akteuren in der Stadt unterhalten, aber die Politik sollte eben dafür sorgen, dass die Lücke geschlossen wird.

[Dietmann (CDU): Was heißt das?]

Der Vorschlag kommt jetzt.

[Zuruf von der CDU: Oh, das hat ja lange gedauert!]

Eine zentrale Erkenntnis ist, dass man den Unternehmen nicht nur am Anfang das Geld geben muss, sondern dass sie permanent Liquiditätsprobleme haben. Es ist nicht das Problem, dass sie in einer Krise sind, sondern gerade junge expandierende Unternehmen haben überhaupt ein Liquiditätsproblem.

Es gibt zusätzlich das Problem, das hier schon mehrmals angesprochen worden ist, nämlich Basel II, das es zusätzlich zu diesen Rating-Notwendigkeiten Schwierigkeiten für die kleinen und mittleren Unternehmen macht. Es gibt das Instrument des Micro Lending, das in verschiedenen europäischen Ländern schon eingeführt ist. Das sind Kleinstkredite, bei denen entscheidend nicht so sehr ist, zusätzliche Beratung zu machen; der wesentliche Unterschied zu den bisherigen Kreditvergabetechniken ist beim Micro Lending, dass es nicht um Bürgschaften herkömmlicher Art geht.

[Zurufe der Abgn. Schöneberg (CDU) und Eichelberger (CDU)]

Man macht sich dagegen die neuen Instrumente, insbesondere die der Informationsökonomie, so zunutze, dass man auch Kleinstkredite so vergeben kann, dass man nicht zusätzlich draufzahlt, sondern sie kostenneutral vergeben kann. Das bedeutet kein zusätzliches Geld für die öffentliche Hand. Das ist einfach eine neue Kredittechnik, der die deutsche Bankenwirtschaft jedoch noch relativ skeptisch gegenübersteht.

[Zuruf des Abg. Dietmann (CDU)]

Deswegen muss es da eine öffentliche Unterstützung geben, z. B. indem das die Investitionsbank implementiert.

[Dietmann (CDU): Wer soll das machen?]

Deswegen werden wir Gespräche mit der Investitionsbank führen, dass es endlich dazu kommt, dass diese Kleinstkredite in Berlin eingeführt werden.

[Beifall bei den Grünen – Beifall der Frau Abg. Merkel (SPD) – Zurufe von der CDU – Eßer (Grüne): Existenzgründungen sind ein ziemlich wichtiger Vorschlag, machen Sie sich mal sachkundig!]

Für junge Unternehmen ist es außerdem wichtig, in Netzwerke eingebunden zu sein. Das ist keine großartig neue Erkenntnis, aber dieser alten Erkenntnis müssen tatsächlich weitere Aktivitäten des Senats folgen. Es gibt zwar Existenzgründerzentren, aber das sind noch keine Netzwerke. Da muss gerade für diese jungen Unternehmen noch etwas getan werden. Dazu bedarf es eben Gesprächen mit der IHK, mit den Banken usw.

[Zurufe von der CDU]

Auch im Sinne der Unterstützung von modernen kleinen Unternehmen begrüße ich ausdrücklich die Einrichtung einer Projektgruppe Ökologie und Ökonomie unter der Leitung von Frau Romberg in der Senatsverwaltung für Wirtschaft unter Frau von Friesen. [Zurufe von der CDU]

Die wird es geben, Herr Branoner, da kann ich Sie beruhigen, das ist keine Zeitungsente. Auf die Ergebnisse können Sie jetzt

schon gespannt sein. Diese Projektgruppe ist nämlich nicht nur ein Ökobonbon für die Grünen.

[Zurufe der Abgn. Wansner (CDU), Eichelberger (CDU) und Dietmann (CDU)]

Berlin gehört zu den wichtigen Standorten der deutschen Umweltwirtschaft, und gleichzeitig, das hat Frau Senatorin auch gesagt, ist Berlin bisher das Bundesland in Deutschland gewesen, das die veränderten bundespolitischen Rahmenbedingungen und die neuen Möglichkeiten, die sich dadurch für die Umweltwirtschaft ergeben haben, praktisch nicht zur Kenntnis genommen hat, zum Schaden für das Land und gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen in dieser Stadt. Denn diese Branche, die Umweltwirtschaft, ist stark mittelständisch geprägt. Gerade diese Branche generiert vielfältige Beschäftigungsfelder für das Berliner Handwerk. Dem geht es, wie wir alle wissen, zum Teil besorgniserregend schlecht.

Die Umweltwirtschaft ist im Übrigen auch eine der Branchen, die von der Erweiterung der europäischen Union um die mittelund osteuropäischen Staaten in besonderer Weise profitieren könnte, gerade wegen des Nachholbedarfs in diesem Bereich in diesen Ländern. Fragt man aber die Umweltunternehmen in der Stadt, dann sind ihre Erwartungen bisher eher düster, sie stellen fest, dass sie an den Markt nicht so richtig angeschlossen sind. Hier kann der Senat unterstützend helfen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall der Frau Abg. Flesch (SPD)]

Zu einer modernen Mittelstandspolitik gehört im Übrigen auch, dass die bezirklichen Beschäftigungsbündnisse endlich nicht nur zu einer Veranstaltung ausschließlich für die Träger des zweiten Arbeitsmarktes werden, sondern es in der Stadt endlich gelingt, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik miteinander zu verzahnen.

[Oh! von der CDU – Wegner (CDU): Wie denn?]

Herr Wansner, da können Sie noch so sehr mit dem Kopf schütteln, das müssten Sie eigentlich auch mitbekommen haben,

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Nein!]

das Trauerspiel, das es gegeben hat bei der Programmplanung, wie das nebeneinander hergelaufen ist, einerseits die Einrichtungen der bezirklichen Beschäftigungsbündnisse, andererseits die Programmplanung für Ziel 1 im Bereich der EU-Fördermittel. Das war ein Trauerspiel. Das hätte man von Anfang an besser machen, aufeinander abstimmen können. In diesem Sinn korrigierend tätig zu werden, dafür setzen wir uns ein.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Würden Sie zum Schluss kommen, Frau Paus?

Ja! – Die Förderung des Berliner Mittelstandes heißt auch, ihm zu mehr Internationalität zu verhelfen. Da muss man eindeutig feststellen, Klientelwirtschaft ist nun einmal nicht international. Weltoffenheit und Toleranz sind die wichtigsten Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes Berlin. Wir jedenfalls können für unsere Fraktion und Partei sagen, dass wir diejenige Kraft sind, die das mit aller Energie entwickeln werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Wansner (CDU): Was ist, wenn die Bauarbeiter keine Aufträge mehr haben? – Weichert (CDU): Ich mache mir große Sorgen um den Wirtschaftsstandort Berlin!]

Schönen Dank, Frau Paus! – Das Wort hat nun der Kollege Atzler zu einer Kurzintervention – bitte schön!