Elisabeth Paus

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Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Branoner! Insbesondere die CDUFraktion! Ich habe mich auch gefragt, was diese Große Anfrage zu diesem Zeitpunkt in diesem Haus soll. Ich gehe davon aus – das ist offensichtlich unser aller Bestreben hier in diesem Haus –, dass die mittelständische Wirtschaft uns am Herzen liegt. Die CDU ist dafür bekannt, dass sie ihr am Herzen liegt. Ich ging davon aus, dass Sie diese Große Anfrage dazu nutzen wollen, sich richtig darzustellen als Mittelstandspartei CDU. Ich ging davon aus, dass Herr Steffel, Ihr Fraktionsvorsitzender, die Gelegenheit nutzt, um zu sprechen als: Dr. Frank Steffel, Unternehmer, spricht zum Mittelstand. – Das alles haben Sie nicht gemacht. Stattdessen haben Sie hier eine lahme Große Anfrage eingebracht, quälen uns alle mit der Beantwortung dieser langweiligen Uraltfloskeln, es wird ein Ritt durch die gesamte Wirtschaftspolitik gemacht, und das Ganze um 19.30 Uhr – wir hätten alle früher nach Hause gehen können.
Wir hätten uns das Ganze besser erspart.
Meine Damen und Herren, in drei Monaten lässt sich die Welt nicht verändern
und erst recht nicht die Berliner Welt. Deshalb ist es richtig, dass Kontinuität greift und kein heftiges Herumrudern.
Was wir aber auf gar keinen Fall brauchen – ich denke, Frau Hildebrandt, da brauchen wir auch nicht hinter das zurückfallen, was die Frau Senatorin bereits gesagt hat –, ist die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes. Diese alte Forderung gehört end
lich in die Mottenkiste. Sie gehört nicht nur deshalb in die Mottenkiste, weil Sie genauso gut wie ich wissen, dass keine Standortentscheidung davon abhängt, wie hoch der Gewerbesteuerhebesatz ist – keine! –, sondern davon, welche Arbeitskräfte die Unternehmen vorfinden und welchen Markt sie vorfinden, für den sie Produkte und Dienstleistungen produzieren können. Aber das ist noch nicht einmal das zentrale Argument. Das zentrale Argument lautet, dass sich diese Forderung nach Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes schlicht überlebt hat, weil es inzwischen eine Einkommensteuerreform bzw.
eine Unternehmensteuerreform, verbunden mit einer Einkommensteuerreform gegeben hat. Danach ist es so, dass der Gewerbesteuerhebesatz anrechenbar ist auf die Einkommensteuer. Damit hat sich das Problem praktisch erledigt. Es sind inzwischen alle der Ansicht, dass es wirtschaftspolitisch nichts bringt, den Gewerbesteuerhebesatz zu senken, aber dass es immer eine starke Lobbygruppe gibt, die ihn gern gesenkt haben möchte. Deswegen ist man sich in der ganzen Republik einig, dass der Gewerbesteuerhebesatz abgeschafft gehört, weil er kein wirtschaftspolitisches Instrument mehr ist. Lassen Sie uns gelassen warten, bis auch dieser Rest bundespolitisch erledigt wird und zur Geschichte gehört.
Kontinuität in der Wirtschaftspolitik – trotzdem muss vom Übergangssenat auch mit den Vorbereitungen begonnen werden, damit die Neuwahlen tatsächlich etwas bringen für die Stadt. Der Fall Landowsky war eben nicht nur ein politischer Skandal. Die Krise, in die er die Bankgesellschaft gestürzt hat, ist eine schwere Bedrohung für die ohnehin nach wie vor schlechte wirtschaftliche Entwicklung Berlins. In dieser Frage müssen wir uns nicht unwissender machen, als wir sind. Die Vorbereitung für eine Neuorientierung brauchen wir auch in der Mittelstandsförderung. Dort ist eben nicht alles zum Besten bestellt. Liebe Herren von der CDU, weil Sie mir so ungern glauben, zitiere ich Ihnen Lothar Späth, den ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg
und jetzigen Chef von Jenoptik. Der zieht zu Recht in diesen Monaten durch die Lande und spricht vor den Verbänden und Mittelstandsvereinigungen davon, dass die heutige Wirtschaft, dass die Wirtschaft der Wissensgesellschaft weniger geprägt ist von den Nachteilen der kleinen gegenüber den großen Unternehmen, sondern vielmehr von dem Unterschied zwischen den schnellen und den langsamen. Das hat, denke ich, auch eine Konsequenz für die Wirtschaftsförderung, und darauf sollten wir unsere Programme noch einmal überprüfen.
Die Berlin-Studie fügt hinzu – zumindet diejenigen, die am Montag am Wirtschaftsausschuss teilgenommen haben, sind übereinstimmend zu der Ansicht gekommen, dass die Anhörung sehr lohnend gewesen ist und wichtige Impulse gegeben hat, weshalb die Berlin-Studie immer wieder Anlass sein sollte hineinzusehen, um zu prüfen, inwieweit man etwas umsetzen kann –:
Die alte Weisheit, dass mittlere und kleinere Unternehmen der Beschäftigungsmotor für die Wirtschaft sind, das muss neu qualifiziert werden.
Es stimmt schon, es sind die kleinen und mittleren Unternehmen, aber es sind nicht per se die kleinen und mittleren Unternehmen, sondern es sind die jungen Unternehmen, die gleichzeitig klein und im Wachstum sind, die den Beschäftigungsmotor bilden. Das alte mittelständische Unternehmen hingegen, das sich in seiner Marktnische etabliert hat und über Jahre seine Größe stabilisiert, unterscheidet sich in seinen Beschäftigungseffekten eben nicht von großen Unternehmen. In der Wirtschaftsförderung sollte man darauf eingehen.
(A) (C)
(B) (D)
Es geht nicht nur darum, am Anfang Kredite und Beratungen zu unterstützen, sondern es gibt eine große Lücke in der Zeit direkt danach. Die muss nicht nur von der öffentlichen Hand gefüllt werden, da müssen wir uns auch mit den Akteuren in der Stadt unterhalten, aber die Politik sollte eben dafür sorgen, dass die Lücke geschlossen wird.
Der Vorschlag kommt jetzt.
Eine zentrale Erkenntnis ist, dass man den Unternehmen nicht nur am Anfang das Geld geben muss, sondern dass sie permanent Liquiditätsprobleme haben. Es ist nicht das Problem, dass sie in einer Krise sind, sondern gerade junge expandierende Unternehmen haben überhaupt ein Liquiditätsproblem.
Es gibt zusätzlich das Problem, das hier schon mehrmals angesprochen worden ist, nämlich Basel II, das es zusätzlich zu diesen Rating-Notwendigkeiten Schwierigkeiten für die kleinen und mittleren Unternehmen macht. Es gibt das Instrument des Micro Lending, das in verschiedenen europäischen Ländern schon eingeführt ist. Das sind Kleinstkredite, bei denen entscheidend nicht so sehr ist, zusätzliche Beratung zu machen; der wesentliche Unterschied zu den bisherigen Kreditvergabetechniken ist beim Micro Lending, dass es nicht um Bürgschaften herkömmlicher Art geht.
Man macht sich dagegen die neuen Instrumente, insbesondere die der Informationsökonomie, so zunutze, dass man auch Kleinstkredite so vergeben kann, dass man nicht zusätzlich draufzahlt, sondern sie kostenneutral vergeben kann. Das bedeutet kein zusätzliches Geld für die öffentliche Hand. Das ist einfach eine neue Kredittechnik, der die deutsche Bankenwirtschaft jedoch noch relativ skeptisch gegenübersteht.
Deswegen muss es da eine öffentliche Unterstützung geben, z. B. indem das die Investitionsbank implementiert.
Deswegen werden wir Gespräche mit der Investitionsbank führen, dass es endlich dazu kommt, dass diese Kleinstkredite in Berlin eingeführt werden.
[Beifall bei den Grünen – Beifall der Frau Abg. Merkel (SPD) – Zurufe von der CDU – Eßer (Grüne): Existenzgründungen sind ein ziemlich wichtiger Vorschlag, machen Sie sich mal sachkundig!]
Für junge Unternehmen ist es außerdem wichtig, in Netzwerke eingebunden zu sein. Das ist keine großartig neue Erkenntnis, aber dieser alten Erkenntnis müssen tatsächlich weitere Aktivitäten des Senats folgen. Es gibt zwar Existenzgründerzentren, aber das sind noch keine Netzwerke. Da muss gerade für diese jungen Unternehmen noch etwas getan werden. Dazu bedarf es eben Gesprächen mit der IHK, mit den Banken usw.
Die wird es geben, Herr Branoner, da kann ich Sie beruhigen, das ist keine Zeitungsente. Auf die Ergebnisse können Sie jetzt
schon gespannt sein. Diese Projektgruppe ist nämlich nicht nur ein Ökobonbon für die Grünen.
Berlin gehört zu den wichtigen Standorten der deutschen Umweltwirtschaft, und gleichzeitig, das hat Frau Senatorin auch gesagt, ist Berlin bisher das Bundesland in Deutschland gewesen, das die veränderten bundespolitischen Rahmenbedingungen und die neuen Möglichkeiten, die sich dadurch für die Umweltwirtschaft ergeben haben, praktisch nicht zur Kenntnis genommen hat, zum Schaden für das Land und gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen in dieser Stadt. Denn diese Branche, die Umweltwirtschaft, ist stark mittelständisch geprägt. Gerade diese Branche generiert vielfältige Beschäftigungsfelder für das Berliner Handwerk. Dem geht es, wie wir alle wissen, zum Teil besorgniserregend schlecht.
Die Umweltwirtschaft ist im Übrigen auch eine der Branchen, die von der Erweiterung der europäischen Union um die mittelund osteuropäischen Staaten in besonderer Weise profitieren könnte, gerade wegen des Nachholbedarfs in diesem Bereich in diesen Ländern. Fragt man aber die Umweltunternehmen in der Stadt, dann sind ihre Erwartungen bisher eher düster, sie stellen fest, dass sie an den Markt nicht so richtig angeschlossen sind. Hier kann der Senat unterstützend helfen.
Zu einer modernen Mittelstandspolitik gehört im Übrigen auch, dass die bezirklichen Beschäftigungsbündnisse endlich nicht nur zu einer Veranstaltung ausschließlich für die Träger des zweiten Arbeitsmarktes werden, sondern es in der Stadt endlich gelingt, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik miteinander zu verzahnen.
Herr Wansner, da können Sie noch so sehr mit dem Kopf schütteln, das müssten Sie eigentlich auch mitbekommen haben,
das Trauerspiel, das es gegeben hat bei der Programmplanung, wie das nebeneinander hergelaufen ist, einerseits die Einrichtungen der bezirklichen Beschäftigungsbündnisse, andererseits die Programmplanung für Ziel 1 im Bereich der EU-Fördermittel. Das war ein Trauerspiel. Das hätte man von Anfang an besser machen, aufeinander abstimmen können. In diesem Sinn korrigierend tätig zu werden, dafür setzen wir uns ein.
Ja! – Die Förderung des Berliner Mittelstandes heißt auch, ihm zu mehr Internationalität zu verhelfen. Da muss man eindeutig feststellen, Klientelwirtschaft ist nun einmal nicht international. Weltoffenheit und Toleranz sind die wichtigsten Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes Berlin. Wir jedenfalls können für unsere Fraktion und Partei sagen, dass wir diejenige Kraft sind, die das mit aller Energie entwickeln werden. – Vielen Dank!
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Wansner (CDU): Was ist, wenn die Bauarbeiter keine Aufträge mehr haben? – Weichert (CDU): Ich mache mir große Sorgen um den Wirtschaftsstandort Berlin!]
Herr Präsident! Ich richte meine Frage an Senator Branoner. Trifft es zu, wie die „Welt“ in der vergangenen Woche berichtete, dass die nunmehr zurückgetretenen Aufsichtsratsmitglieder der Messe mit dem Hinweis gelockt worden sind, dass eine Privatisierung der Messegesellschaft angestrebt wird, obwohl dies nicht in den Koalitionsverträgen mit der SPD steht und es offensichtlich so ist, dass es darüber keinen Senatsbeschluss gibt? Wer hat dieses zu verantworten?
Herr Branoner! Können Sie den Teil aus dem „Welt“-Artikel bestätigen, in dem es heißt, dass es bereits Verhandlungen mit einem Investor gegeben hat? Können Sie mir auch sagen, wer diese Verhandlungen geführt hat? Offensichtlich war es nicht Herr Strieder, weil dieser verdeutlicht hat, eingegriffen zu haben. Dies hat dazu geführt, dass nun ein Ausschreibungsverfahren stattfindet. Wer hat Gespräche mit den Investoren zu verantworten? Hier handelt es sich um den Investor Groth, der uns allen auch im Zusammenhang mit der Bankgesellschaft und den anhängigen Prüfungen im Untersuchungsausschuss bekannt ist. Wer hat die Verhandlungen mit dem Investor Groth zu verantworten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 26. November letzten Jahres sind wir um eine Illusion ärmer. Deutschland ist n i c h t BSE-frei.
Die letzte Woche bescherte uns auch den ersten BSE-Fall in Brandenburg. Und der Markt für Rindfleisch ist praktisch zusammengebrochen. Heute ist klar, wir stehen an einem historischen Wendepunkt in der Landwirtschaft. Endlich setzt sich die Einsicht durch, dass wir in einem „Weiter so“ die eigenen existentiellen Lebensgrundlagen zerstören. Soll die Wende in der Landwirtschaft gelingen, dann wird sie weit über die Umstellung einzelner Höfe auf ökologischen Landbau und artgerechte Tierhaltung hinausgehen müssen. Denn Landwirtschaftsbetriebe sind nur noch ein kleines Rädchen innerhalb des umfassenden Agribusiness samt Chemie-, Futtermittel- und Ernährungswirtschaft. Das brauche ich nicht weiter zu erläutern, das haben Sie alle ausreichend der Presse entnommen, wenn Sie das vorher noch nicht so inhaliert hatten.
Dazu ist aber auch klar, dass Regionalisierung und Ökologisierung das Leitmotiv einer modernen Landwirtschaft sein müssen. Dies ist eine Chance und Aufgabe zugleich, und zwar auch für das Land Berlin. Man mag es zuvor für eine Kuriosität der Geschichte gehalten haben, dass Berlin als die größte Stadt Deutschlands zugleich der größte Landwirt Deutschlands ist. Jetzt ist es gerade die Chance, und zwar auch für die vier Millionen Menschen in Berlin und Brandenburg, der Umstellung auf eine regionale Versorgung mit ökologischen Nahrungsmitteln die notwendige Dynamik zu geben. Sie wissen, dass hier in der Region einiges im Argen liegt und in Berlin derzeit der Konsum an Nahrungsmitteln aus ökologischem Landbau erst bei zwei Prozent liegt. Aktuell liegt es wahrlich nicht an der mangelnden Nachfrage, sondern auch an dem mangelnden Angebot.
Aber Sie halten an Ihren Plänen von vorgestern fest, Sie wollen nach wie vor die Landwirtschaft der Stadtgüter, und das sind im Wesentlichen 12 400 Rinder, davon 6 000 Turbomilchkühe, die mehr als 42 000 Tonnen Milch pro Jahr produzieren, im Block verkaufen. Angesichts dieser Größenordnung kommt als Investor, das ist völlig klar, nur ein Großer der Nahrungsmittelindustrie in Frage. Müller Milch, Tuffi-Campina, vielleicht kennen einige das noch unter Emzett – Big Agribusiness also.
Sie von der SPD und der CDU haben hier immer das Argument gebracht, es gehe leider nicht anders, auch wenn Sie anders wollten, denn sonst würde die Milchquote für das Land Berlin verloren gehen. Auch die Senatsverwaltung für Finanzen hat dies noch einmal in ihrer Stellungnahme behauptet. Tatsache ist, das ist schlicht nicht wahr. Ich habe auf meine Nachfrage sowohl beim Bundeslandwirtschaftsministerium als auch beim für die Genehmigung von Verkäufen zuständigen Herrn Boron aus dem brandenburgischen Landwirtschaftsministerium die verbindliche Antwort erhalten, dass das nicht stimme. Herr Boron – er ist derjenige, der Ja oder Nein sagen muss – sieht kein Pro
blem darin, die Milchquote den einzelnen Stadtgütern zuzurechnen. Er sagt, für ihn sei entscheidend, dass es sich um einen eigenständigen, lebensfähigen Produktionsstandort handele. Das ist bei den zehn Stadtgütern jeweils einzeln der Fall. Damit gibt es grundsätzlich die Option, die Sie immer verneint haben, Käufer aus der ökologischen Landwirtschaft zu gewinnen und eben nicht an einen großen Investor verkaufen zu müssen.
Aber auch die Umwandlung in eine Stiftung wäre möglich. Auf jeden Fall wäre sie geboten an Stelle der Liegenschaftsgesellschaft. Auch von der Senatsverwaltung für Finanzen wird eingeräumt, die Einrichtung einer Stiftung sei möglich, nur behindere das zukünftige flexible Entscheidungen. Was ist damit gemeint? – Hieß es nicht, und wurden wir nicht durchgängig damit beruhigt, es sollten außer den jetzt herausgelösten Teilen keine weiteren Flächen verkauft werden? – Gerade dieses Argument der Senatsverwaltung spricht aus unserer Sicht für eine Stiftung. Wenn das Land Berlin nicht mehr Landwirt sein will, warum lassen Sie dann nicht Menschen, die etwas davon verstehen und das auch wollen, eine solche Aufgabe übernehmen? Es gibt bereits seit 1997 Interessenten und Anfragen zu den Stadtgütern, die bereit wären, eine Stiftung zu übernehmen. Gerade eine Stiftung, die sich den Zielen der Landschaftspflege, des ökologischen Landbaus verpflichtet, die regenerative Energien fördert, die gerade im Zusammenhang mit der Viehwirtschaft einen Sinn machen, die auch Jugend- und Ausbildungsarbeit übernehmen kann, ist sinnvoll und zukunftsfähig. Das hat z. B. die Stadt Wiesbaden gezeigt, die das schon länger als stadtpolitische Aufgabe erkannt hat, dort gibt es eine gemeinnützige GmbH – das kommt einer Stiftung sehr nahe –, die seit über zehn Jahren erfolgreich in dem Bereich produziert und inzwischen 800 Mitarbeiter in Lohn und Brot hat.
Oh!
Ich war nur verblüfft, dass sich Herr Luther das entgehen lässt, wo er doch praktisch der Einzige ist, der sich für Landwirtschaft interessiert.
Wir schon und mit uns die Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland! Und auch aus den anderen von mir genannten Gründen ist der von Ihnen geplante Verkauf an einen Großinvestor durchaus schon als fahrlässig zu bezeichnen. Es wird Sie nicht wundern, wir werden der Beschlussempfehlung nicht zustimmen.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Branoner, ich gehe nicht noch einmal auf die Frage nach den Kosten ein, aber mir hat es die Schuhe ausgezogen, als ich erfahren musste, dass erst jetzt ein Controlling eingeführt wird, das diesen Namen verdient.
Es ist noch nicht solange her – Sie haben darauf hingewiesen es war im letzten Herbst –, dass der Senat beziehungsweise die Koalitionsfraktionen nach langer Diskussion für die Landesstrukturbank der IBB die Struktur gewählt haben, die jetzt existiert, nämlich dass die IBB nach wie vor nur Abteilung der Landesbank Berlin ist und nach wie vor innerhalb der Bankgesellschaft als Berliner Landesstrukturbank operiert. Wir haben dies damals massiv kritisiert. Sie haben alle Kritik in den Wind geschlagen. Woher kommen plötzlich neue Erkenntnisse, die Sie veranlassen, den Diskussionsprozess noch einmal zu beginnen?
Ich frage den Senat:
1. Trifft es zu, dass von dem 20-Millionen-DM-Umweltfonds aus dem Bewag-Unternehmensverkauf und von dem 20-Millionen-DM-Umweltfonds aus dem GASAG-Unternehmensverkauf bisher so gut wie keine Mittel abgeflossen sind und dass auf Grund des undurchsichtigen Antrags- und Vergabeverfahrens zukunftsträchtige Berliner Firmen im Bereich regenerative Energietechnik so gut wie keine Aufträge umsetzen konnten?
2. Trifft es zu, dass auch die 40 Millionen DM aus dem Bewag-Förderprogramm „Energie 2000“ wegen Antragsabwicklungsproblemen bei der Investitionsbank Berlin bei weitem nicht ausgeschöpft werden konnten und nunmehr drohen, wegen Auslaufen des Programms zum Jahresende 2000 für die regenerativen Energieprojekte verloren zu sein?
Herr Senator Strieder! Man kann Sie ja fast bedauern, dass diese Erfolgsbilanz in der entsprechenden Szene für regenerative Energietechnik nicht entsprechend angekommen ist. Sie sollten vielleicht eine Informationsbroschüre auflegen, in der das dargestellt wird.
Wie erklären Sie sich angesichts Ihrer Aussage, dass alles gut laufe, folgende Aussage von Herrn Vogts, dem Vorstand der Solon AG:
Bei unserer Betriebsgründung vor vier Jahren hielten wir Berlin noch für den besten aller Standorte. Inzwischen erscheint unsere damalige Entscheidung als die denkbar schlechteste. Wenn wir nicht zahlreiche Aufträge für Bundesbauten erhalten hätten, hätten wir unseren Standort mit seinen mehr als 100 Arbeitsplätzen eventuell schon in Richtung unserer Hauptkunden nach Süddeutschland verlagern müssen.
oder die Aussage von Kollektorbau Berlin: „Der Berliner Markt ist als peinlich zu bezeichnen.“?
Sie können auch nicht umhin zuzugeben, dass in Berlin mit 7 Quadratmetern Kollektorfläche pro Tausend Einwohnern wir nach wie vor drastisch unter dem Bundesdurchschnitt von 30 Quadratmetern pro Tausend Einwohnern liegen.
Herr Strieder! Dann frage ich Sie: Stehen Sie persönlich dafür gerade, können Sie gewährleisten, dass das Vergabeverfahren transparent ist und dass tatsächlich ausgeschlossen werden kann, was als Gerücht in der Szene gehandelt wird, nämlich dass es seitens der Bewag intern schon einen definierten Nutznießer gibt für die übrig gebliebenen Mittel aus dem Programm „Energie 2000“ namens Siemens-Solar? Können Sie das definitiv ausschließen, dass es derartig intransparente Vergaben gegeben hat und geben wird?
Herr Steffel, dann gehen Sie doch einfach raus, wenn Sie es nicht noch einmal ertragen können.
Ich schaffe das schon alleine, danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Love-Parade geht 2001 in ihr zwölftes Jahr. Sie ist inzwischen zu dem jugendkulturellen Großereignis der Stadt mit einer Ausstrahlung weit über Berlin hinaus geworden,
zieht Raver und Technofreaks aus der ganzen Welt an und ist mittlerweile das touristische Zugpferd und Markenzeichen Berlins, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Und das alles entstand wieder einmal nicht wegen, sondern trotz des Berliner Senats.
Der lange Atem der großen Koalition ist ja inzwischen sprichwörtlich. Hektische Betriebsamkeit kann man ihr wirklich nicht vorwerfen. Aber 12 Jahre, finde ich, sollten genug sein, auch für den Berliner Senat, um endlich eine dauerhafte Sicherung dieses Events und eine allen Bedürfnissen gerecht werdende Lösung zu finden. Stattdessen steigt der Senat in den Wettkampfring mit der grünen Lunge Berlins, um auszutesten, wer denn wohl den längeren Atem hat – der Tiergarten oder der Senat. Das, finden wir, kann nicht sein.
(A) (C)
(B) (D)
Wir sagen: Um die Love-Parade endlich auf eine gesicherte Grundlage zu stellen, müssen wir endlich zwei Dinge klären, und das geht ganz ohne Dramatik und ohne rhetorische Schlacht, es ist einfach geboten. Zum einen sollte die Stadt endlich dokumentieren, dass es ein stadtweites öffentliches Interesse gibt, dass die Love-Parade als Großereignis zu Berlin gehört. Dazu gehört aber auch die Feststellung, dass so ein auch kommerzielles Großereignis etwas anderes ist als eine politische Demonstration.
Die Love-Parade ist keine politische Demonstration. Sie gibt sich nicht als solche, und die Organisatoren, Planetcom, verstehen sie auch nicht als eine solche, was sie deutlich demonstrieren, wenn sie z. B. die Fernseh- und sonstigen Übertragungsrechte verkaufen, wenn sie z. B. Teilnahmegebühren für Wagen von bisweilen 30 000 DM verlangen etc. Die Love-Parade ist wie der Karneval der Kulturen der Welt, wie der Kölner Karneval ein öffentlicher Umzug, der grundgesetzlich abgesichert ist auch ohne das Mäntelchen der politischen Demonstration.
Das Land Berlin und die Bezirke müssen sich nur darauf verständigen, dass sie das auch wollen. Und das stellt, denke ich, keiner in diesem Hause und kein politisch Verantwortlicher in dieser Stadt in Frage. Es muss eben einfach nur gemacht werden.
Zum Zweiten muss der Tiergarten endlich von der jährlichen Tortur entlastet werden. Auch wenn Senator Branoner in diesem Jahr alternative Routen ganz unvoreingenommen und ausführlich geprüft und schließlich verworfen hat: Das kann nicht das letzte Wort in dieser Sache gewesen sein.
Das kann es einfach deswegen nicht, weil die Bodenverdichtung im Tiergarten, weil die Zerstörung der Vegetation dort mittlerweile ein Ausmaß angenommen haben, das im Normalfall schon längst als Umweltstraftat geahndet worden wäre.
80 Güllecontainer a` 20 Kubikmeter Flüssigkeit, damit lässt sich eine Jauchegrube ganz ordentlich füllen. Aber eine Jauchegrube mitten in Berlin, direkt neben dem Sitz des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue oder neben dem Bundeskanzleramt, das kann doch nicht wirklich Ihre Zukunftsvision vom Tiergarten sein, Herr Branoner, der aber leider heute nicht anwesend ist.
Wir haben deswegen den Vorschlag unterbreitet, die LoveParade auf dem Tempelhofer Flugfeld neu zu etablieren.
Dafür gibt es viele gute Gründe, und nicht nur den, dass „Friede, Freude, Eierkuchen“ oder „One world – one future“ gut zu der Geschichte und Funktion des Tempelhofer Flughafens und dem Platz der Luftbrücke passen. Das Sicherheitsproblem, bei einem Auflauf so vieler Menschen kein unbedeutendes, wäre wegen der Großzügigkeit des Geländes keines mehr. Und ohnehin ist der Flughafen Tempelhof als Veranstaltungsort eingeführt. Katja Riemann z. B. hat ihren Geburtstag dort gefeiert. Und der Flughafen wurde sehr wohl bereits geschlossen für Veranstaltungen, z. B. beim Tag der offenen Tür und bei der Feier anlässlich der 50 Jahre der Berliner Luftbrücke. Und das war auch angesichts der Überkapazitäten an Slots an den drei Berliner Flughäfen wirklich kein Problem. So weit also unser Vorschlag. Und was passierte? – Obwohl Sie von der CDU und SPD unserer Einschätzung in der politischen Problematik im Prinzip folgen, denn von Ihnen kam ja der Vorschlag, unseren Antrag nicht etwa im Innenausschuss, wie es für die Diskussion über eine politische Demonstration angezeigt wäre, zu behandeln, sondern im Wirtschaftsausschuss und im Umweltausschuss, aber obwohl dem so ist, haben Sie von CDU und SPD sich in der Sache kein bisschen bewegt. Schlimmer, Sie haben Desinteresse zur Schau gestellt. Senator Branoner sah sich nicht einmal bemüßigt, auf
Fragen aus dem Ausschuss zu reagieren, und Herr Steffel fiel als Ausschussvorsitzendem mangels Argumenten nichts Besseres ein, als die Sitzungsleitung zu manipulieren.
Und das, obwohl sie wissen, dass in spätestens 5 Monaten die Debatte um die Rettung des Tiergartens in die nächste Runde geht. Ich finde Ihr Verhalten verantwortungslos, und als solches werden wir es auch weiterhin brandmarken. – Vielen Dank!
Herr Branoner, können Sie Zeitungsberichte bestätigen, nach denen das, was immer Grundlage der Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Belegschaft war – nämlich das Belegschaftsmodell, das die Übernahme von Aktienanteilen durch die Beschäftigten vorsieht –, vom Tisch ist?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist inzwischen ein Jahr her, da haben Sie von der SPD und der CDU es zugelassen, dass die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vollzogen wurde, wider besseres Wissen
und obwohl das Verfassungsgericht wesentliche Verkaufspreis bestimmende Teile des Vertrags für nichtig bzw. veränderungsbedürftig erklärt hat.
Genau, Sie von der Koalition haben uns damals beruhigt und versprochen, alsbald die kleinen Anpassungsnotwendigkeiten, wie Sie den Vorgang herunterspielten, Herr Steffel, nachzureichen. Das war am 29. Oktober 1999, also vor fast einem Jahr. Bis heute warten wir auf die Ergebnisse. Bis heute wird zwischen dem Land Berlin und den Investoren verhandelt.
Uns liegen die Vertragsänderungen zum Teilprivatisierungsgesetz nicht vor. Bis heute darf das Abgeordnetenhaus nichts anderes tun, als teilnahmslos zuzusehen, wie Berlin sich in der selbst geschaffenen Erpressungssituation windet. Die Verträge sind für die Abgeordneten inzwischen wieder verschlossen, obwohl es angeblich eine erste kleine Änderung der Verträge gibt, die am 6. Januar verankert worden sein soll. Wir durften uns nicht durch die Einsichtnahme davon überzeugen, obwohl inzwischen erste Vertragsbrüche seitens der Investoren bekannt geworden sind. Investitionszusagen wurden nicht eingehalten. Wir wissen alle, dass gerade die Aufträge, die die Berliner Wasserbetriebe in der Region vergeben, für die kleinen und mittleren Unternehmen lebenswichtig sind. Investitionszusagen wurden zurückgenommen, obwohl klare Vertragsbrüche vorliegen. Wir durften die Verträge nicht wieder einsehen. Die klare Aussage des Berliner Verfassungsgerichtshofs im Streit vor der Abstimmung über die Verträge im Parlament, nämlich dass alle Abgeordneten und nicht, wie der Senat befand, nur die Mitglieder des Vermögensausschusses ein Recht auf Einsicht in die Verträge haben – – Der Senat pervertiert diese Rechtsprechung heute dahin gehend, dass das Verfassungsgericht nur die Einsicht vor Vertragsabschluss vorgesehen habe, nach Abschluss der Verträge gelte das nun nicht mehr. Und warum das alles? – Das liegt klar auf der Hand, für 3,1 Milliarden DM, die es am 29. Oktober praktisch cash auf die Kralle gab, kurzfristige Linderung der finanziellen Schmerzen des Berliner Haushalts, ein letzter Kraftakt aus der Ägide Fugmann-Heesing, allerdings um den Preis, dass sich Berlin in eine Erpressungssituation hineinmanövriert hat, aus der das Land bis heute nicht herausgefunden hat. Und mit jedem Monat, der weiter ins Land geht, ohne dass die Verhandlungen zwischen dem Land Berlin und den Investoren abgeschlossen werden, verschlechtert sich die Verhandlungsposition Berlins. Glaubt hier irgendjemand ernsthaft, dass Berlin die Möglichkeit hätte, durch Rückzahlung von 3,1 Milliarden DM die Teilprivatisierung im Zweifel wieder rückgängig zu machen? – Dabei will sich der Senat nicht gern kontrollieren lassen. Das verstehen die Regierungsfraktionen, und deswegen lehnen sie unseren Antrag auf Verankerung von Kontrollrechten für Parlament und Bürgerinnen und Bürger ab. So einfach – so traurig für den Zustand des Berliner Parlaments, eines der immer zahlreicher werdenden Beispiele für die zerstörerischen Wirkungen einer großen Koalition auf die parlamentarische Demokratie.
Es kann nicht sein, dass sich für den Senat die Attraktivität einer Anstalt öffentlichen Rechts darauf reduziert, dass man mit ihr Steuern sparen kann, weil sie nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Wenn es dem Senat und den Regierungsfraktionen wirklich um die Gewährleistung einer guten Ver- und Entsorgungsqualität beim Wasser zu angemessenen Preisen ginge, wenn es ihnen
(A) (C)
(B) (D)
tatsächlich um die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge auch bei geänderter Rechtsform ginge, dann müssten sie unseren Gesetzesantrag unterstützen.
Die Senatsverwaltung für Wirtschaft kann denn auch in ihrer Stellungnahme unseren Antrag nicht wirklich in der Substanz kritisieren. Die einzige Aussage, die getroffen wird, ist, dass diese Kontrollwünsche nicht wirklich notwendig seien und wir deswegen auf sie verzichten könnten. Der Berliner Senat schlittert bei jeder Privatisierung, bei jedem Unternehmensvertrag aufs Neue in den politisch tödlichen Konflikt zwischen politischen Kontrollund Gestaltungsmöglichkeiten einerseits und der Maximierung von Verkaufserlösen und Zuflüssen an den Landeshaushalt Berlins andererseits. Die langfristigen Konsequenzen dieser Politik für das Land Berlin sind katastrophal. Da die Regierungskoalition und der Senat sich anscheinend insgesamt bei dem Anspruchsgestrüpp im Zweifel immer gegen demokratische Rechte entscheiden, brauchen wir dringend eine unabhängige Kontrollinstanz im Falle der Privatisierung öffentlicher Aufgaben.
Meine Damen und Herren von SPD und CDU! Wir werden Sie nicht in Ruhe lassen. Wir werden einen solchen Antrag einbringen. Vielleicht erwacht irgendwann doch einmal Ihr parlamentarisches Gewissen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Herr Köhler! Auf Bundesebene sind wir miteinander weiter. Der Bundestag hat bereits beschlossen zum Thema, oh, Moment, zu welchem Thema? interjection: [Heiterkeit]
Ja, danke. Ist Herr Kittelmann eigentlich noch da oder ist Herr Kittelmann schon gegangen?
Der ist nach rechts gerückt? – Ah, da! Herr Kittelmann, wir beide sind uns einig, die Mitwirkung des Parlamentes sollte gestärkt werden, aber in die Knie treten lassen wir uns nicht.
Deswegen habe ich auch wirklich wenig Lust, weiterhin an dieser Kompromisslinie festzuhalten. Das Verfahren, das gestern und heute gelaufen ist, hat dem die Krone aufgesetzt. Deshalb möchte ich dazu sprechen, wo es durchaus inhaltliche Differenzen zwischen Ihnen und uns in der Frage der Regierungskonferenz in Nizza und der Positionierung der Länder gibt.
Der Titel Ihres Antrags lautet „Prioritäten der Regierungkonferenz 2000“. Es wird aber kaum über die Inhalte gesprochen. Dort, wo es dann doch geschah, wurde mit keinem Wort von Demokratisierung gesprochen, vielleicht gerade einmal von der europäische Grundrechtecharta. Die ganze Zeit wurde über das Thema Kompetenzabgrenzung und über Daseinsvorsorge geredet. Genauso steht es auch in dem Antrag, das gleiche Verhältnis spiegelt sich da wider. Was ist denn die eigentliche Philosophie Ihres Antrags? – Die Prioritäten der Regierungskonferenz
2000 können es nicht sein, weil das, was Sie hier thematisieren, kommt – zumindest derzeit – auf der Tagesordnung der Regierungskonferenz 2000 überhaupt nicht vor.
Im Gegensatz zum Regierenden Bürgermeister sprechen die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg und auch von Nordrhein-Westfalen ganz offen und machtbewusst aus, worum es bei dieser Initiative in Wahrheit geht. Ich zitiere hier einmal Herrn Clement:
Deshalb müssen die Regionen in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ihren Spielraum haben, um über die wichtigen Stellgrößen des regionalen wirtschaftlichen Erfolges in eigener Verantwortung entscheiden zu können. Nur mit einem dezentralen Europa ist ein wirklicher Wettbewerb der Regionen mit seinen motorischen Momenten und Wirkungen möglich.
Und er schließt:
Nordrhein-Westfalen ist in einer guten Position. NordrheinWestfalen ist eine der bedeutensten und stärksten Regionen Nordeuropas.
Wenn Sie das Gleiche auch von Berlin sagen können, dann haben Sie von Berlin keine Ahnung.
„Wettbewerb der Regionen“, das ist der Kern der Vorschläge zur sogenannten Kompetenzabgrenzung. Die wirtschaftlich starken Bundesländer wollen ihre Vorsprünge sichern und ausbauen. Und genau diese Politiklinie hat es bisher – zu meinem Bedauern – auch schon einigermaßen verhindert, dass es vorwärts geht mit der europäischen Integration. Sie ist verantwortlich für den eingetretenen Stillstand bei einer gemeinsam koordinierten Wirtschafts- und Finanzpolitik, bei der europäischen Beschäftigungspolitik, bei der Sozialunion oder bei der Umweltunion. Aber warum müssen Sie die Zurichtung der Regionen auf dem Wettbewerb gegeneinander so verbrämen als „Bürgernähe“ und hoch hängen als „Kompetenzabgrenzung und Daseinsvorsorge“?
Weil es offensichtlich nicht im Interesse Berlins liegt – das können Sie einfach nicht offen sagen –, eine Politik der zunehmenden Ungleichheit der Lebensverhältnisse zu forcieren. Berlin muss sowohl im eigenen unmittelbaren Interesse – wir sind gerade in den Haushaltsberatungen und man muss wirklich nur einen flüchtigen Blick auf unseren Haushalt werfen – als auch im mittelbaren Interesse, davon war heute schon die Rede, nämlich mit Blick auf die Situation der Partnerregionen und gerade im Blick auf Polen und Osteuropa handeln. Berlin muss an einer auf Ausgleich aufbauenden Integration interessiert sein, an einem solidarischen Europa und eben nicht an einer Verschärfung des Gefälles zwischen den Starken und den Schwachen.
Auch Ihr Eintreten für die Sicherung der Daseinsvorsorge stellt einen positiv besetzten Begriff in den Vordergrund, um dahinter ganz andere Absichten zu motivieren. Ich will Ihnen nur zwei aktuelle Beispiele nennen, welcher Unfug mit dem Begriff „Daseinsvorsorge“ tatsächlich betrieben wird. Wenn das Land Berlin an Öffentlichkeit und Parlament vorbei einen Monopolvertrag abschließt zu Gunsten der BSR, der Berliner Stadtreinigungsbetriebe, ist das Daseinsvorsorge? Ist das ein Beispiel für Bürgernähe und Transparenz? Muss man das gegen Brüssel verteidigen? – Ich finde Nein, meine Damen und Herren. 805 Millionen Mal Nein.
(A) (C)
(B) (D)
Selbstverständlich sind wir aus vollem Herzen für die Sicherung der Daseinsvorsorge, für Subsidiarität, aber die Kompetenzzuordnung ist hier gewiss nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr die mangelnde Rückbindung an demokratische und insbesondere parlamentarische Prozesse bei der jetzt anstehenden Reform der Institutionen der Europäischen Union.
Und die Absicherung der Berliner Bankgesellschaft als international operierende Bank mit Hilfe öffentlicher Mittel und Garantien, –
– ist das Daseinsvorsorge für die Berliner Bevölkerung?
Genau! – Nein, es handelt sich hier um eine ganz spezifische Daseinsvorsorge, um die Daseinsvorsorge für die große Koalition.
Ich hoffe, die Diskussion hier hat doch dazu geführt, dass wir es schaffen werden, den Antrag zu überweisen in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, zusammen mit dem von uns bereits planmäßig eingereichten Antrag ebenfalls zur Regierungskonferenz von Nizza. Deswegen schließe ich jetzt.
Deswegen schließe ich jetzt und bedanke mich noch einmal und hoffe, dass wir zumindest im Ausschuss die Diskussion hinbekommen, wenn wir offensichtlich auch ansonsten Schwierigkeiten haben, vernünftig miteinander umzugehen.
Ich komme zu dem Punkt.- Allein Unter
nehmen mit mehr als 25 Millionen DM Jahresumsatz haben davon profitiert. Deshalb meine Frage: Welche Maßnahmen will der Senat ergreifen, um weiteren Arbeitsplatzabbau in kleineren und mittleren Unternehmen zu verhindern, die mit dieser Liberalisierung einhergehen?
Sie hatten gesprochen von der Trennung -
Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Filz- das war bekanntlich das Lieblingsmaterial von Joseph Beuys. Er stürzte zuerst - mit dem Flugzeug im Zweiten Weitkrieg ab - und überlebte dann mit Hilfe von Filz den Krieg in Russland. Bei diesem Senat ist die Reihenfolge genau umgekehrt.
Das Thema ist die Senatspolitik zur IBB, aber es muss mir ein
fach von der Seele, und es gehört thematisch dazu: Herr Branoner, Sie sind noch anwesend. Herr Diepgen, leider in Abwesen(D) heit, und Herr Landowsky, ich möchte Ihnen gern gratulieren. Meine sportliche Anerkennung für ihren jüngsten Coup mit der BSR! Das ist wirklich ein tolles Ding, was Sie sich da geleistet haben!
Zu Beginn der Legislaturperiode haben viele gefrotzelt, dass alle anderen Parteien wohl Herrn Kurth von der CDU werden beschützen müssen. Natürlich durfte diesem Parlament dazu keine Gelegenheit gegeben werden. Natürlich gab es keine Beratung im Wirtschaftsausschuss, im Hauptausschuss, im Umweltausschuss oder irgendeine parlamentarische Beratung.
Denn es ist- ebenso natürlich - undenkbar, dass eine fachliche Debatte zu diesem Ergebnis hätte kommen können, nämlich dass es dem Land Berlin und seinen Bürgern dienlich sein könnte, Monopole auf 15 Jahre festzuschreiben. Aber Sie wollen Ihre parlamentarische Umgehungsautobahn noch weiter ausbauen!
Damit kommen wir zum nächsten Element im politischen
Gesamtkunstwerk der Koalition, nämlich der Promotion der Investitionsbank zu einer Landesstrukturbank. Gegen den Ausbau der Investitionsbank zur Landesstrukturbank sprechen hauptsächlich drei Gründe:
Erstens - es wurde schon mehrmals, mal verklausuliert, mal
offen, mal weniger offen. angesprochen -: Pleiten, Pech und Pannen. Die Investitionsbank schafft es bereits jetzt schon nicht, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Der Landesrechnungshof - er wurde heute schon erwähnt - hat kritisiert - ich zitiere aus der roten Nr. 447 des Hauptausschusses -:"lange Bearbeitungszeiten, unbefriedigende Mittelbindungen und
Abflüsse, keine optimale Beratung der Antragsteller, zu hohe Kosten, unzureichende Mittelverwendungsprüfung, schlechte Zusammenarbeit mit den Senatsverwaltungen und deren politischen Leitungen". Genau aus diesen Gründen - das wurde auch schon erwähnt wurde die Abwicklung des neuen
(A) Umweltentlastungsprogramms aus der Investitionsbank wieder herausgenommen. um- ich zitiere erneut-.,so zu transparenten Kostenstrukturen und einem marktgerechten Preis für die Projektträgerschaft" endlich zu kommen. Beispiele für die Stichhaltigkeit gibt es mehr als genug. Herr Liebich hat einige erwähnt.
Das "Schickste" finde ich immer noch, dass die IBB mit 14 Millionen DM den Bau einer Biogasanlage gefördert hat. Dass es diese Anlage nicht gab. ist nur dadurch aufgefallen,
dass der grüne Abgeordnete Hartwig Berger mit energiepolitischer Überbegeisterung sich diese Anlage einmal ansehen wollte.
Auch in der Abwicklung der Förderung für Wohnungen
sowohl im Neubau als auch im Altbau obliegen der Investitionsbank Kontrollfunktionen über Ablauf der Baumaßnahmen und Einhaltung der Vertragsbedingungen. Und die Praxis? - Bei Ver
weisen auf über zwei Jahre leer stehende geförderte Neubauprojekte - Synanon - konnte sie keinen Leerstand feststellen. Bei der Überprüfung der Einhaltung der Belegungsbindung und der Mietkonditionen im geförderten Altbau ruft die IBB lieber die Mieterberatung an und fragt mal, anstatt dies selbst zu kontrollieren. Selbst wenn sie einmal den Nachweis des Missbrauchs zulässt. wie z. B. am Fraenkelufer oder in der Admiralstraße, hatte das für die Vertragspartner keinerlei Auswirkungen. Wenn dann die Senatsverwaltung über sehr merkwürdige doppelte und dreifache Projektfinanzierungen stutzig wird, blockiert die IBB die Auf
klärung so gut wie sie kann. Deswegen ist der Senat jetzt auf die Idee gekommen, einen Rahmenvertrag mit der IBB auszuhan
deln, damit das nicht mehr vorkommt. Wir wünschen Ihnen jedenfalls viel Glück dabei, aber wir wissen alle, dass das nicht realisiert werden kann.
Der zweite Grund gegen den Ausbau der Investitionsbank zur Landesstrukturbank liegt in der grundsätzlich falschen Entwicklungsrichtung. Ich kann mich mit Herrn Borghorst, Herrn Liebich und Herrn Branoner nicht darauf verständigen, dass die Entwicklungsrichtung im Grundsatz richtig ist. Ich sage, sie ist falsch. Die verschiedenen Funktionen, insbesondere Kreditvergabe und Zuschüsse, müssten sauber getrennt werden. Wir wissen alle, eine Bank soll Kredite vergeben, aber was für Anreize gibt es für eine Bank dafür, Förderprogramme ordnungsgemäß abzuwik
keln? - Es gibt keine!
Statt das also sauber zu trennen und horizontal und damit demokratisch transparent anzuordnen, wird hier durch immer mehr
vertikale Stufungen eine Undurchsichtigkeit erzeugt. die Unkontrollierbarkeit nach sich ziehen muss. Schon jetzt entzieht sich die IBB als das Schaufenster der Berliner Wirtschaftsförderpolitik weitgehend parlamentarischer Kontrolle. Schaut man zum
Beispiel in den Beteiligungsbericht des Landes Berlin, findet man die IBB nicht. Sie steht nämlich nicht darin. Klar, sie ist eine Sonderabteilung der Landesbank Berlin. Die bestehende Konstruktion ermöglicht weder eine Erfolgskontrolle der Arbeit der IBB noch eine Einschätzung der eingegangenen Risiken. Sinn
voll und erforderlich wäre hingegen eine Struktur, wie sie Herr Branoner eigentlich angedeutete hatte. Aber Herr Branoner, dann muss man sich eben entscheiden: Will man eine Landesstrukturbank oder möchte man doch lieber die Spinne im Netz? Sie können auch auf etwas zurückgreifen. Ich zitiere aus dem von der Investitionsbank selbst in Auftrag gegebenen" Denkrahmen zur Neuausrichtung der Investitionsbank als Landesstrukturbank'' von 1997:
Dem Konzept einer Landesstrukturbank wurde entgegengehalten, dass durch den Aufbau einer Landesförderbank wertvolle Erfahrungen bisheriger Projektträger und Effizienz durch sinkenden Wettbewerbsdruck verlorengehen könnte.
Eine Netzwerkorganisation ermöglichte eine bessere Steuerung des Gesamtsystems der öffentlichen Förderung auf das
Geflecht, das bisher besteht, ist schon mehrfach hingewiesen worden-, ohne durch eine zu starke Zentralisierung die notwendige Flexibilität einzuschränken. Durch die Konzentration auf die
Kernkompetenzen der Netzwerkteilnehmer können kollektive (C) Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen erzielt werden. Das wäre die richtige Struktur.
Nun komme ich zum dritten und letzten Argument. Die Konstruktion selbst ist das Risiko. Einige von Ihnen werden es verfolgt haben: Bereits jetzt prüft die EU-Kommission, ob die Bankgesellschaft als ganze unzulässigerweise durch Vermögensübertragung des Landes Berlin staatlich subventioniert worden ist und daher wettbewerbsverzerrend agiert. Im analogen Fall, nämlich dem der West-LB, der auch durch die Presse ging, hat die EU-Kommission bereits Klage eingereicht.
ln dieser Situation eine solche Erweiterung vorzunehmen, Hol
dings zu gründen- eine Immobilien- und eine Industrieholding -, wo es - Herr Branoner weiß es sicherlich noch besser als ich einer enormen Leistung bedurfte, um das steuerrechtlich, mit der Körperschaftssteuer etc., einigermaßen einzupassen, wirft die bange Frage auf, ob die schützenden und wasserabweisenden Eigenschaften des Berliner Filzes ausreichen oder ob das Land Berlin am Ende doch im Regen steht. Wer solche Risiken sehenden Auges eingeht, wer so eklatant gegen das heutige Wissen über zukunftsgerichtete Organisationsstrukturen handelt, wer wissentlich und willentlich diese Politik- und Parlamentsferne installieren will. setzt sich selbst dem Verdacht aus. dass er ein Instrument schafft, mit dem sich möglicherweise auch ganz andere Zwecke verfolgen lassen.
Ich kann nur hoffen, dass die Berlinerinnen und Berliner dieses
politische Gesamtkunstwerk einmal nicht zu würdigen wissen und sich statt dessen so verhalten wie jene Putzfrau, die die berühmt-berüchtigte beuyssche Fettecke einfach wegputzte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wissen alle und es wurde implizit schon mehrfach angesprochen: Was Sie von CDU und SPD angesichts knapper Kassen machen wollen, ist die Nutzung einer kostengünstigen PR-Aktion für eine Sache, die nach wie vor in großen Schwierigkeiten steckt und die alle Hebel, die man für sie in Bewegung setzen kann, wirklich bitter nötig hat.
Aber gerade bei PR-Aktionen ist es sehr beliebt, einen Blick nach vorne zu tun, so etwas wie eine Vision zu entwickeln und sich nachdenklich zurückzulehnen und vielleicht einen Zwischenstand zu betrachten. In dem Sinne möchte ich jetzt reden.
Ich möchte das weder dazu nutzen, alte Messen der Auseinandersetzung neu zu lesen, noch will ich die Staffage einer Marketingpräsentation abgeben. Ich möchte vielmehr fragen: Was lernt uns das? – wie der Berliner zu sagen pflegt. Die turbulente Geschichte der Expo ist bekannt und wurde bereits erwähnt. Im Sommer 1992 fand die Abstimmung statt: 48,9 % gegen die Expo, aber eine knappe Mehrheit dafür. Seitdem Vorbereitungen der Expo ab 1994 in Public-Private-Partnership durch eine private GmbH, in der der Bund, das Land Niedersachsen, die Region Hannover und die Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Wirtschaft vertreten sind. Die Planung dieses Großprojekts hat dann verschiedenste Leute verschlissen; Geschäftsführer kamen und gingen. Gleichzeitig mussten die wirtschaftlichen Erwartungen immer wieder nach unten korrigiert werden. Ursprünglich sollte sich die Weltausstellung über einen frühzeitigen Kartenvorverkauf und über Sponsoring selbst vorfinanzieren.1997 bereits hat das Land Niedersachsen seine Bürgschaft auf eine halbe Milliarde DM erhöht, um die Illiquidität der GmbH zu verhindern. Etwa 260 000 Besucher muss die Expo im Schnitt pro Tag erreichen, um ihr Defizit auf 400 Millionen DM zu begrenzen. – Die Geschichte der Expo wurde bereits vom Abgeordneten Over ausführlich dargestellt.
Jetzt kann man es halten, wie Sie es tun, und wie es auch Herr Goetze getan hat, das Ganze einfach abbuchen unter der üblichen Mäkelei. Klar, die PDS ist die Chaospartei, und Sie hiepern nur darauf, dass die Grünen mit einstimmen, damit Sie da auch noch draufhauen können! Und am Ende können Sie uns auch noch in die Schuhe schieben, dass es so schlecht gelaufen ist, als Folge von Krawallen und wegen irgendwelcher Chaoten und grünen Spinner, und dann spielen wir wieder unser altbekanntes Spiel.
Ich könnte jetzt auch weitermachen in dem Streifen der richtigen Kritik gegenüber dem, wie sich die Expo 2000 jetzt darstellt, dass das Motto der Expo 2000, „Mensch, Natur, Technik“, sich zwar eigentlich explizit auf die Agenda 21 von Rio 1992 bezieht, aber durch die Durchführung pervertiert worden ist. Natürlich dominieren die Projekte der Großindustrie; natürlich läuft die Weiterentwicklung der Atomtechnologie auf der Expo unter Nachhaltigkeit; natürlich titelt die Chemieindustrie ihren Stand mit „Leben ist Chemie“ – das ist sicher auch richtig; jeder Mensch besteht aus Molekülen. Aber das ist doch nicht die Perspektive, die mit der Agenda 21 angedacht war.
Gleichzeitig können Sie mir vorhalten, und ich kann auch hochhalten, dass die Expo – wie die Diskussion hier auch zeigt – ebenfalls ein Beitrag zur Nachhaltigkeitsdebatte ist und dass – wenn auch stärker am Rande – Raum geschaffen wurde für die Themen der Agenda, von der Ökologisierung der Landwirtschaft über tolle Projekte für ökologisches und energiebewußtes Wohnen in der Nähe des Ausstellungsprojektes, Ferropolis in Sachsen-Anhalt bis zu vorbildlichen Projekten in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Nur leider: Ein wirklich ausstrahlendes Projekt in Berlin kann ich nicht nennen.
Es gibt auch kein Konzept von Berlin zur Expo 2000. Die Chancen für ein integriertes Nutzungskonzept Berlin-Hannover wurden z. B. bei der S-Bahntechnik vertan – weitere Beispiele wurden schon genannt. Da fallen mir – wie Ihnen, Herr Branoner – auch nur die tollen Bettenkapazitäten und Freizeitmöglichkeiten in Berlin ein. Auch Herr Borghorst stellte zu Recht das Thema „Tourismus“ in den Vordergrund seines Beitrags. Hinterher kam ein bisschen von Nachhaltigkeit, aber das zentrale Pro
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jekt, das Berlin zur Expo 2000 beizutragen hat, ist „Tourismus“. Aber es wurde in keiner Weise ein Wort darauf verschwendet, inwieweit der Tourismus Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Im Vergleich zum Anspruch der Expo 2000 trifft auf Berlin das Wort von Ihnen zu, Herr Branoner: „Berlin ist ein Vorort von Hannover.“
Wichtig sind mir aber zwei andere Punkte. Denn die üblichen Durchsetzungsprozesse der Industrie- und Wirtschaftsinteressen sind nichts Neues. Dass sich das im Prozess so erwiesen hat, können wir jetzt alle beklagen, aber das hätten wir auch schon vorher gewusst. Entsprechend haben wir auch versucht, zu agieren und andere Eckpfeiler zumindest hineinzusetzen. Mir ist wichtig, heute festzuhalten: Man kann jetzt schon sagen, dass die Expo – grundsätzlich nicht Expo 2000 Hannover oder irgendeine andere Expo, sondern grundsätzlich dieses Konzept, Großprojekt Weltausstellung als internationale technologischer Leistungsschau – jenseits von links und rechts und von politischer Debatte nicht mehr zeitgemäß ist. Deshalb ist es solch ein finanzieller Absturz und haben wir hinterher die entsprechenden finanziellen Lasten von der öffentlichen Hand zu tragen.
Warum ist das so? – Wir verbinden die Weltausstellung z. B. mit der Tour Eiffel oder mit dem Atomium in Brüssel. Die Weltausstellung war ein Instrument, ein Projekt des Industriezeitalters. Dort wurden neue Technologien, neue Entwicklungen und Großobjekte vorgestellt. Selbst wenn man – wie verstärkt die CDU – dieser Technologieorientierung anhaftet, ist es trotzdem relativ uninteressant, sich gemeinsam Mikrochips oder genbiologische Labors anzuschauen, sondern dann will man etwas anderes. Deshalb macht es auch Sinn, den Freizeitpark in Hannover entsprechend auszuweisen und das Konzept in der Richtung zu verändern. Nichtsdestotrotz ist es so, dass diese technologische Leistungsschau im Sinne von „Wir stellen da große Dinge hin“ einer Industriegesellschaft entspricht, aber nicht mehr dem, was wir jetzt haben, nämlich der Wissens- und Informationsgesellschaft. Dafür brauchen wir andere Konzepte. Das ist nicht nur eine Frage der Technologie, sondern die ganze Frage des Umbaus der Gesellschaft, die ganze Frage neuer Arbeitsformen und neuer Formen von Dezentralisierung, mit Abflachung in der Hierarchie in den Unternehmen – das ist auch der CDU ein Begriff, nehme ich an. Das durchzieht alle politischen Felder und die gesamte Gesellschaft. Und deswegen funktionieren Großprojekte nicht, die versuchen, die neue Gesellschaft im kleinen Kosmos, auf 500 ha, darzustellen. Das Geld dafür ist in den Sand gesetzt.
Der zweite wichtige Punkt: Die Abkehr von der Agenda 21 und Hinwendung zur Industrieschau, gepaart mit Freizeitpark, kann man einerseits in der Auseinandersetzung mit dem Triumph des Kapitals erklären. Ich bin mir aber trotzdem sicher: Würde die Bundesrepublik, auch die rot-grüne Regierung, dieses Projekt heute neu starten, würde die Vision von damals unter dem Motto: Umwelt und Technologien gehen zusammen; und wir diskutieren das ganze Umweltthema und das Thema „Klimaschutz“ allein unter der Frage: wie schaffen wir es alles herunterzufahren, den Ressourcenverbrauch vermindern usw. –, das ist nicht die Debatte, die wir heute im Gespür haben.
Jetzt höre ich Sie von der CDU schon sagen: Das ist klar, deswegen gehen die Grünen jetzt zugrunde, weil die grünen Themen „out“ sind. Etwas anderes ist der Fall. In der Shell-Jugendstudie liest man ganz deutlich, dass für die jungen Leute nach wie vor das Umwelt- und auch das Klimaschutzthema an zentraler Stelle stehen. Sie stehen sogar über dem Thema „Arbeitslosigkeit“. Aber die Frage ist: Wie präsentieren wir das? Wie führen wir die Debatte heute? Da müssen wir alle gemeinsam noch wesentlich weiter kommen. Da ist der Ansatz ein richtiger, heute anders als Anfang der 90er Jahre, als Kritik zum Industriezeitalter, nur darauf zu setzen, dass die Industrie und auch die Landwirtschaft entsprechend ökologisiert werden müssen und die gesamte Gesellschaft auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden muss. Das Umweltthema ist wesentlich komplexer. Das Umweltthema ist nämlich eins der Regulation von Systemen und nicht nur des Naturhaushaltes, sondern der Gesellschaft insgesamt. Der ganze Komplex der Regulation, der Neuordnung der sozialökologischen Gesellschaft geht weit über das hinaus, was man unter „3-Liter-Auto“ oder unter „Wasserstoffantrieben“ und der
In diesem Sinne möchte ich die Debatte nach vorne bringen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat muss auch ich sagen, es ist zumindest oberflächlich betrachtet beachtlich, was Berlin an Programmen und Aktivitäten zur Unterstützung von Existenzgründungen inzwischen aufgebaut hat. Ich möchte sogar behaupten, das Feld der Existenzgründer – allerdings fehlen dabei nach wie vor wieder einmal die Existenzgründerinnen – ist tatsächlich das einzige Feld, das Sie, Herr Branoner, von Ihrem Vorgänger Herrn Pieroth einigermaßen bestellt übernommen haben.
Ein Blick in die Förderfibel der IBB zeigt ein immenses Angebot: Existenzgründungen im Allgemeinen werden gefördert, Investitions- und Finanzierungshilfen auch speziell für umweltorientierte Vorhaben, Beratungshilfen, Förderung für Forschung und Entwicklung – das alles wurde hier bereits vorgetragen – und eben auch Programme aus dem Bereich der Arbeitsmarktpolitik und der Beschäftigungsförderung. Nur leider – und das haben Sie, Herr Branoner, in Ihren Ausführungen auch nicht entkräften können – haben Sie, Herr Branoner, deutlich versagt in der Weiterentwicklung des Programms für Existenzgründer und Existenzgründerinnen. Da fehlt mir in der Tat ihr Faible für Innovatives. Wo ist das in diesem Bereich? – Zum Zweiten liegen Welten zwischen dem bedruckten Papier der Förderfibel und der Wirklichkeit, in der sich Existenzgründer und Existenzgründerinnen befinden.
Ich fange mit Letztgenanntem an. Ich habe es gerade erwähnt, es gibt Dutzende von Programmen, und, Herr Branoner, Sie haben sie auch noch einmal gepriesen. Harte Wirklichkeit ist es aber, dass die ERP-Kredite rückläufig sind, und es ist harte Wirklichkeit, dass sage und schreibe 150 Gründungen aus der Arbeitslosigkeit von der Seite des Senats gefördert werden – und das bei 270 000 Arbeitslosen aktuell.
Dann legen Sie sogar ein kleines Programm zur Unterstützung von Unternehmensgründungen von Frauen auf. Eine Umfrage Ihres eigenen Hauses zeigt jedoch, dass Frauen, die sich selbstständig machen, dies zu über 50 Prozent komplett aus privaten Mitteln tun. Das ist grundsätzlich etwas Positives, aber sie tun es, weil sie entnervt sind. Sie tun es ohne Fördermittel, ohne öffentlich gestützte Bankkredite und sogar ganz ohne Bankkredite, sie tun es völlig privat finanziert, weil sie sich ansonsten die Hacken abgelaufen und von allen Seiten negative Bescheide bekommen haben. Trotz alledem entscheiden sie sich dazu, es dennoch privat zu tun. Das ist kein dienstleistungsfreundliches Angebot an diejenigen in der Stadt, die Existenzen gründen wollen.
Es wurde bereits gesagt: Existenzgründerinnen sind die besseren Existenzgründer, bei der Zahl der Konkurse liegen sie deutlich unter dem Durchschnitt und der Kapitalbedarf ist wesentlich geringer. So gesehen könnte mit wenig Kosten ein hoher Nutzen für die Stadt erreicht werden und ich verstehe nicht, weshalb sich der Senat darauf beschränkt, es bei 150 Förderungen zu belassen, zumal es sich bei diesen 150 nicht ausschließlich um Existenzgründerinnen handelt, sondern dieses Programm bereits lange auch für Existenzgründer geöffnet ist.
Es würde mich einmal interessieren, weshalb ich niemanden kenne – und ich habe mich wirklich bemüht –, der oder die Erfolg dabei hatte, kurzfristig Unterstützung aus dem Liquiditätsfonds zu bekommen. Ich weiß, der Liquiditätsfonds ist nicht eigens dafür geschaffen worden, aber er ist doch formal und sinnvollerweise dafür auch offen. Gerade junge Unternehmen haben nicht mit Solvenz-, sondern mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Es ist wirklich nicht einzusehen, dass das Geld immer schon weg ist und der Fonds für diese Zielgruppe nicht geöffnet ist.
Das zentrale Problem jedoch liegt ganz woanders. Ich höre inzwischen unisono immer und überall das Gleiche: um es einmal betriebswirtschaftlich auszudrücken: der Vertriebsweg der Finanzierungsangebote, das ist der Schwachpunkt. Auch von der CDU-Fraktion wurde bereits darauf hingewiesen. Ich würde
sogar sagen, was dort passiert, grenzt an oder überschreitet sogar die Sittenwidrigkeit. Was ist gemeint? – Der normale Weg zu einer öffentlichen Förderung oder einem öffentlichen Kredit ist der über eine Privatbank, freundlicherweise auch Hausbank geheißen. Nun wissen wir seit langem Zweierlei: Zum einen, Kleinkredite für Existenzgründungen sind für Banken uninteressant und deshalb gibt es auch diese vielen öffentlichen Programme, trotzdem ist es nach wie vor so, dass die Kosten der Bearbeitung für die Banken unattraktiv sind, weshalb gerade Kleinstgründungen immer wieder Probleme haben, zum anderen befinden sich die Berliner Geschäftsbanken immer noch im Überlebenskampf, verursacht durch ihre Altlasten, die faulen Kredite, die sie immer noch in den Portfolios haben aus der völlig überzogenen Immobilieneuphorie Anfang der 90er Jahre. Wozu führt das? – Es führt dazu, dass die Hausbanken ein hohes Interesse daran haben, natürlich möglichst gesicherte, aber vor allem auch teure Kredite zu vergeben. Wie erreichen sie das? – Es kommt jemand zu ihnen, erzählt, er wolle eine Existenz gründen und fragt nach einem Kredit. Dazu sagt die Bank Ja, verweist auch auf die öffentlichen Fördermöglichkeiten, bittet darum, ein Formular auszufüllen und schickt dieses auf den Weg. Anschließend wartet der Existenzgründer und bereitet alles andere vor, um die Existenz wirklich gründen zu können. Die Bank jedoch stellt das Geld nicht bereit, der Existenzgründer wartet und irgendwann ist die Existenzgründung gefährdet. In dieser Situation schlägt die Hausbank zu und in dieser quasi Erpressungssituation für den Existenzgründer sagt sie den Kredit zu, aber oftmals zu deutlich schlechteren Konditionen als denen, die sich die Existenzgründer vorgestellt haben. So gehen sie gleich mit einer entsprechend höheren Belastung in die Existenzgründung.
Der Senat ist nicht für das Geschäftsgebaren aller Berliner Hausbanken verantwortlich. Aber ich ziehe aus dem eben Geschilderten die Schlussfolgerung, dass die direkten Möglichkeiten zu erweitern sind. Es gibt inzwischen ein Institut für Existenzgründer, das auch direkt angelaufen werden kann bei der IBB, aber der normale Weg ist eben ein anderer. Zumindest sollte man dieses Institut stärker publik machen, damit die Geschäftsbanken zu einem anderen Geschäftsgebaren gezwungen werden. Zum Zweiten ist es leider auch so, dass eine der häufig genannten Hausbanken die Berliner Landesbank bzw. die Sparkassen sind. Es tut mir leid, Herr Liebich, da kann ich ihre Erfahrungen nicht teilen, denn meine Erfahrung ist eine ganz andere. – Im Übrigen ist das auch kein Pluspunkt für die Sparkassen in der aktuellen Diskussion um die Abschaffung der Gewährträgerhaftung. – So hat die Landesbank Berlin jüngst zwei Prozesse wegen sittenwidrigen Verhaltens klar verloren und muss sich nun mit einer Schadensersatzklage in Höhe von 1,5 Millionen DM auseinander setzen. Da ist von Seiten des Senats noch einiges zu tun.
Ich habe Sie so verstanden, dass Sie sagten, es sei ein Widerspruch, es ginge nicht zusammen. Gut, dann habe ich Sie vielleicht missverstanden. – Jedenfalls finde ich es doch bezeichnend und noch einmal hervorzuheben, dass bei den Zahlen, die Sie zum Existenzgründungen genannt haben, Neukölln beispielsweise an der Spitze liegt. Neukölln ist auch ein Industriegebiet. Das ist richtig, aber ich nehme an, dass es auch damit zu tun hat, dass da lokale Beschäftigungspolitik gegriffen hat.
Das glaube ich aber weniger.
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Das eine Beispiel ist der lokale Beschäftigungspakt in Neukölln, der auch EU-gefördert wird, ein anderes Beispiel ist für mich Jugend-LOK. Jugend-LOK verfolgt auch einen ganzheitlichen Ansatz. Da geht es darum, Existenzgründungen für junge Leute zu fördern. Da ist es geschafft worden, Beratung aus einer Hand und vor Ort zu machen. Das alte Problem ist nach wie vor sonst nicht gelöst, die notwendigen Ansprechpartner zu bündeln. Ich glaube auch nicht, dass die IBB der große Hoffnungsträger dabei ist, Licht in das Förderdunkel zu bringen mit einer Bündelung. Ich finde es wesentlich sinniger, stärker vor Ort zu arbeiten. Hier ist Jugend-LOK ein hervorhebenswertes, positives Beispiel. Sie leisten in der Zusammenarbeit mit dem Bezirk kontinuierliche Beratung, haben gemeinsam mit dem Bezirk einen Gewerberaummietspiegel entwickelt und unterstützen Existenzgründer bei der Suche nach Gewerberäumen, indem sie diese Räume vorher erfassen. Damit leisten sie einen wesentlichen Beitrag, um Existenzgründungen möglich zu machen.
Der wesentliche Ansatz ist aber Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik mit Existenzgründungsförderung zu verbinden. Man muss von der bisherigen Trennung wegkommen, die es auch in den Ressorts Wirtschaft und Arbeit gibt. Das ist schon okay so, aber die entsprechend unterschiedlichen Logiken, die sich reduzieren lassen auf die eine Seite CDU-Unternehmer. Die Hoffnung der CDU, dass alle Existenzgründer, die es demnächst geben wird, geborene CDU-Mitglieder sind, kann ich nicht teilen.
Das hat etwas mit der veränderten Situation zu tun, aus der heraus die Menschen heute eine Existenz gründen. Auf der einen Seite ist die alte klassische Geschichte: Jeder Unternehmer ist der junge, dynamische CDU-Unternehmer aus entsprechend abgesicherten Verhältnissen, der kann auch eine Bürgschaft mitbringen. Auf der anderen Seite – so das Bild der Koalition – stehen die mit persönlichen Defiziten behafteten ehemaligen oder auch Noch-SPD-Wähler und Arbeitslose. Für sie muss man individuelle, spezifische Programme stricken.
Oh! – Zu dieser Trennung passt auch das Hickhack der Fachverwaltungen. Da gibt es die Wirtschaftsverwaltung, die die klassischen CDU-Unternehmer fördert; und da gibt es die Arbeitsverwaltung, die auf dem ESF-Topf sitzt, die überlegt, welche Untergruppe es noch gibt, die gezielt gefördert werden muss.
Wir sollten dazu kommen, diese Logik bei den Existenzgründungen umzudrehen und statt zu fragen, welche fünf Mitarbeiter der Verwaltung sich noch ein neues Programm aushirnen sollen, die Leute zu fragen, auch die jungen Leute zu fragen, was sie eigentlich machen wollen. Von der Seite ist auszugehen und die Verwaltung eher als Dienstleister zu entdecken und vor allem Initiativen vor Ort zu stärken.
Das muss beraten und begleitet werden.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Herr Branoner! Frau Schöttler, die leider nicht da ist!
Bei der Gestaltung der Modellregion Berlin-Brandenburg gibt es doch Möglichkeiten. Bei uns Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten wurde noch einmal thematisiert, dass die Bezirke gerne diese lokale Beschäftigungspolitik zu einem lokalen Beschäftigungspakt aufgreifen möchten. Und da sehe ich eben auch – und das gibt es in Neukölln ja schon mit der Gründerzahl entsprechenden Möglichkeiten, Existenzgründungen vor Ort zu unterstützen, und Jugendlok macht das Gleiche auch schon in Friedrichshain. Also bei der Entscheidung – –
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Knapp 200 Meter Luftlinie von hier im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages läuft gerade die dreitägige Anhörung von Wirtschaftsverbänden, Kirchen, Gewerkschaften und wissenschaftlichen Sachverständigen zur Steuerreform 2000. Und es zeigt sich: Der Einstieg in eine strukturelle Reform der Unternehmensbesteuerung, wie sie der Entwurf der rot-grünen Bundesregierung vorsieht, ist gelungen.
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Und es zeigt sich: Die CDU ist nicht nur wegen Bimbes, wegen Spendensumpf und Korruption am Boden, die CDU ist auch zusehends isoliert, weil ihre Vorschläge einfach von ihrer inhaltlich-fachlichen Substanz her nicht überzeugen.
Vordergründig die Idealisierung des Familienpatriarchen der der Personengesellschaft vorsteht, um im Hintergrund die Rentiers wie Krupp und Flick und wie sie alle heißen zu befriedigen, das hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mit einem modernen, wettbewerbsfähigen und leistungsfähigen Steuersystem zu tun; das ist original das System Kohl, und deswegen wenden sich ja selbst die Wirtschaftsverbände zu Recht von Ihnen ab, meine Damen und Herren von der CDU.
Die Grünen können es verschmerzen, dass die SPD jetzt die Lorbeeren erntet für ein Steuerkonzept, das sie in wesentlichen Teilen von den Grünen übernommen hat.
Einkommensteuereingangs- und Spitzensteuersätze von 15 und 45 %, Anhebung des Grundfreibetrages auf 15 000 DM etc. – alles bündnisgrüne Vorschläge, die jetzt in dem Gesetzentwurf verankert sind.
Allerdings, wir Bündnisgrünen haben uns immer für niedrige Sätze bei einer Verbreiterung der Steuerbasis ausgesprochen. Und das ist nicht nur eine haushalterische Frage, Stichwort Gegenfinanzierung, sondern das ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Aber wiewohl ich Lust verspüre, gerade hier in die inhaltliche Debatte der Reform einzusteigen, Thema soziale Gerechtigkeit, ist das hier nicht der Ort. Wir sind hier nicht der Deutsche Bundestag, wir sind hier das Abgeordnetenhaus von Berlin.
55 Milliarden DM Nettoentlastung ist einfach illusorisch. Schon die vom Senat geschätzten Mindereinnahmen von 1,2 Milliarden DM jährlich – das ist quasi die Notwendigkeit, jedes Jahr eine GSW zu verkaufen, und wir haben sie wirklich nur einmal –, also diese geschätzten Mindereinnahmen bei dem vorliegenden Entwurf der Bundesregierung mit einem Entlastungsvolumen von 44 Milliarden DM, und wir haben die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs auch noch vor uns, sind praktisch nicht zu schultern. Da verwundert es nicht angesichts dieser Situation, dass Herr Kurth seltsam verstummt ist. Das hilft uns nur leider nicht weiter. Wiewohl wir von Bündnis 90/Die Grünen nun wirklich die Finanzmisere der Stadt nicht zu verantworten haben, sondern auch sie das Ergebnis vor allem der von Gigantomanie geleiteten und in den Sand gesetzten verfehlten Politik der CDU ist, können wir diesem Dilemma Ihrer Partei nicht einfach voller Schadenfreude zusehen. Deswegen formuliert unser Antrag die Notwendigkeit einer stärkeren Gegenfinanzierung der geplanten Steuerreform und der Absicherung der Landes- und kommunalen Finanzierung. Mit Freude haben wir auf der Suche nach in Frage kommenden Steuerschlupflöchern festgestellt, dass zumindest in einem Punkt eine echte Annäherung an bündnisgrüne Vorstellungen auch von der CDU möglich ist,
nämlich bei der Umwandlung der Kilometerpauschale in eine verkehrsträgerunabhängige Entfernungspauschale. Das ist ein vernünftiger Ansatz, das wird von den CDU-regierten Ländern in ihrem Entwurf so vorgetragen. Das unterstützen wir. Daran sollten wir anknüpfen. Unser Antrag führt weitere Sondertatbestände auf, zum Teil sind sie auch aus dem Entwurf der CDUregierten Länder übernommen, und weitere. Insbesondere möchte ich noch hervorheben den Punkt Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen für Unternehmen. Wir finden, eine Besteuerung in Höhe von 10 bis 20 % ist angemessen. Eine Steuerbefreiung wäre wirklich international ohne Vergleich. Diese dadurch zusätzlich entstehenden Mindereinnahmen von 5 Milliarden DM sind nicht notwendig und haben ja auch negative strukturelle Konsequenzen, wie wir es jetzt angesichts der Fusion von Deutscher Bank und Dresdner Bank vor Augen haben.
Also der Appell: Lassen Sie uns konstruktiv über unseren Antrag diskutieren. Nehmen Sie insbesondere von den Regierungsfraktionen unser Angebot an und lassen uns in dieser Weise aktiv werden für das Land Berlin. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht kennt der eine oder andere von Ihnen den Film „Wir können auch anders“. Meine Damen und Herren von CDU und SPD, genau dieses Motto möchte ich Ihnen hier heute anempfehlen. Die Sondersitzung des Abgeordnetenhauses nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe im vergangenen Oktober konnte ich seiner Zeit von dort oben, von der Tribüne aus, verfolgen. Ich konnte – besser gesagt: ich musste – dabei wahrnehmen, dass die Regierungsfraktionen ihre parlamentarischen Kontrollrechte offenbar lieber von der Regierung ausüben lassen, als sie selbst wahrzunehmen. Ich musste anhören, wie Herr Böger – damals noch kein Senatsmitglied – sagte, er vertraue dem Senat.
Mit dieser Begründung verzichteten dann die Fraktionen der CDU und der SPD darauf, Einsicht in die Privatisierungsverträge zu nehmen. Sie verzichteten darauf, sich selbst eine Meinung über das Vertragswerk zu bilden. Sie verzichteten damit auf ihr originäres Recht der demokratischen Kontrolle der Regierung. Stattdessen erhielt der Senat einen Blankoscheck ausgestellt. Nahezu so etwas, als wären Parlament und Regierung ja eh eins und die Gewaltenteilung in diesem Punkt aufgehoben. Verzicht in Ehren, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der SPD, aber das Parlament hat nicht nur das Recht, das Parlament hat die verdammte Pflicht, seine Kontrollfunktion wahrzunehmen.
Denn in Fragen der Demokratie darf nicht der Satz gelten: „weniger ist mehr“, sondern gerade was die parlamentarische Kontrolle angeht, muss die Maxime vielmehr sein: Es kann nicht genug sein. Als Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Opposition möchten wir uns Ihrem Demokratieverzicht ausdrücklich nicht anschließen, sondern umgekehrt dafür Sorge tragen, dass wir unsere demokratischen Kontrollrechte nicht deswegen verlieren, weil die Mehrheit in diesem Hause großzügig auf ihre Rechte verzichten will.
Deswegen haben wir dem Gesetzentwurf über demokratische Kontrollrechte bei den teilprivatisierten Wasserbetrieben eingebracht. – So weit zu dem Grund unseres Antrags.
Wir fordern in unserem Gesetzentwurf auch nichts Unmögliches – im Gegenteil. Wir befinden uns bei unserer Forderung in wirklich guter Gesellschaft, nämlich in der des Berliner Verfassungsgerichtshofs. Der Verfassungsgerichtshof hat mitnichten erklärt, dass Ihr Modell verfassungsrechtlich so einwandfrei ist, wie Sie es immer gern darstellen wollen. Das Urteil ist vielmehr mit zahlreichen Auflagen gespickt, ohne die Ihr Modell an der
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Berliner Verfassung scheitern würde. Deswegen befindet sich der Senat auch bereits in dem Prozess, ein Gesetzgebungsverfahren einleiten zu wollen. So hat er es zumindest angekündigt. Das muss auch einmal deutlich gesagt werden.
Der Verfassungsgerichtshof verlangt z. B., dass die Privatisierungsverträge nicht als Geheimakten des Senats behandelt werden dürfen. Er hat die Auflage erteilt, dass alle Abgeordneten – und nicht nur diejenigen des Vermögensausschusses – Zugang zu den Verträgen erhalten müssen. Das legt unser Gesetzentwurf in § 7 d unter Einsichtsrechten fest. Ohne dieses Einsichtsrecht, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, scheitert Ihr Modell an der Verfassung.
Ihr Modell scheitert auch, wenn Sie nicht sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörde über die Wasserbetriebe nicht nur die Tätigkeit der Wasserbetriebe nach Recht und Gesetz prüft, nein, sie muss auch ihre Kontrollaufgabe auf die Verträge erstrecken. Auch das legt unser Gesetzentwurf fest. In § 7 sind die Aufgaben der Rechtsaufsichtsbehörde, wie es der Verfassungsgerichtshof verlangt, neu beschrieben.