Protokoll der Sitzung vom 12.07.2001

[Gräff (CDU): Bestimmt nur Frauen!]

Das ist ebenfalls nicht besonders neu. Außerdem geistert noch die 1 Milliarde DM durch das Land. Das ist nicht nur unseriös, sondern bringt auch eine Verunsicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Wie wollen Sie eine solche Summe ernsthaft realisieren? Alle Möglichkeiten, die wir haben, sozial verträglich Personal abzubauen, werden längst ausgenutzt. Wollen Sie betriebsbedingt kündigen, wie Sie es vor Ihrer Wahl angekündigt haben, oder gilt, was Sie nach Ihrer Wahl gesagt haben, nämlich dass betriebsbedingte Kündigungen sinnlos sind? Vielleicht klären Sie mal mit sich selbst, welcher Meinung Sie sind.

[Beifall bei der CDU]

Ein weiterer Punkt ist die Fusion der BVG. Das scheint eines Ihrer Lieblingskinder zu sein. Das ist wenigstens ein konkreter Sparvorschlag. Was würde das bedeuten? Wir haben schon jetzt ein Zuständigkeitswirrwarr: Frau Krajewski sitzt im Aufsichtsrat, Frau von Friesen ist für die Rechtsaufsicht zuständig und Herr Strieder für die verkehrspolitischen Vorgaben.

[Heiterkeit bei der CDU]

Man kann nur sagen: Die BVG ist das Stiefkind des Senats. Und jetzt wollen Sie sie auch noch mit einer weiteren Fusionsdiskussion und dem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen belasten. Die BVG braucht etwas ganz anderes, nämlich Planungssicherheit für ihre Mitarbeiter und die Geschäftsführung, damit sie ihren erfolgreichen Konsolidierungskurs fortsetzen kann. Mit dem Zusammenschluss mit der S-Bahn erreichen Sie nichts – höchstens weiteres Durcheinander und Chaotisierung.

[Beifall bei der CDU]

Sie haben keine Visionen, keine Vorstellungen, wie es weitergehen soll. Sie haben nur Versatzstücke von Haushaltskonsolidierung, und letztlich haben Sie kein Zukunftskonzept.

Mit Rot-Grün ist es immer wieder dasselbe. Wir haben ja Erfahrungen mit Übergangssenaten. Wir hatten schon einen rotgrünen. Damals hat sich der Senat mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den dringenden Problemen der Stadt: mit einer Senatorin, die dem Pilotenspiel zugetan war, mit einem Staatssekretär, der als Sonderausstattung ein Motorrad bekommen musste, und anderen Peinlichkeiten. In dieser Situation sind wir heute auch: Wir beschäftigen uns mit Senatoren, deren Prüfungen zweifelhaft sind, und mit Senatssprechern, deren Qualifikation damals für einen Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses nicht ausreichte.

Wir wollen uns aber nicht weiter mit Ihnen und Ihrem Übergangssenat beschäftigen. Ich wünsche Ihnen, Herr Wowereit, dass es für Sie bei dem kurzen Intermezzo des Übergangssenats bleibt und dass Sie sich bald wieder den schönen Dingen des Lebens zuwenden dürfen. Ich wünsche Ihnen und der Stadt, dass ab dem 21. Oktober wieder ein richtiger Regierender Bürgermeister hier im Haus ist. – Vielen Dank!

[Anhaltender Beifall bei der CDU]

Danke, Herr Kollege! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Dunger-Löper!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Normalerweise zählt es nicht zu meinen Eigenarten, meinen Vorrednern Zensuren zu erteilen.

[Gram (CDU): Dann lassen Sie es doch!]

Aber Sie haben mich herausgefordert. Ich dachte, wir seien in der Beratung des Nachtragshaushalts. Aber vielleicht habe ich mich in der Tagesordnung geirrt. In erster Linie kamen von Ihnen persönliche Diffamierungen von Senatsmitgliedern und Staatssekretären

[Beifall von Sen Dr. Körting]

bis hin zum ehemaligen Bürgermeister Schütz. Das ist nicht das Diskussionsniveau, das wir brauchen.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Aber Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Kaczmarek, haben Sie besonders dadurch unterstrichen, dass Sie sich als Vorkämpfer der Frauenbewegung hervorgetan haben. Das hatten wir bisher noch nicht gemerkt.

Sie haben uns noch einmal Ihre lächerliche Forderung nach der Vorlage eines Haushaltsentwurfs für das Jahr 2002 noch vor den Wahlen vorgehalten. Ich erinnere mich an 1999. Da hatten wir die Wahlen früher, nämlich am 10. Oktober – Sie haben diesmal ja eine frühere Wahl verhindert –, und damals hatte die alte Koalition keinen Haushaltsplanentwurf vorgelegt. Ich kann das nur dahin gehend interpretieren – wenn Sie Ihre Forderung aufrechterhalten –, dass Sie meinen, dass diese Koalition nach den Wahlen fortgeführt wird, und dass Sie selbst schon die Hoffnung aufgegeben haben, nach den Wahlen in irgendeiner Form mitzuwirken. Das ist auch gut so.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Was Sie sonst noch vorgetragen haben, kann man sicher in den Bereich Geschichtsklitterung verweisen. Die Erfolge der großen Koalition wollen auch wir nicht in Frage stellen. Aber

gerade die Erfolge, die Sie aufgezählt haben – beispielsweise die Bezirksgebietsreform und die Verkleinerung des Parlaments und des Senats – stieß anfänglich auf Ihren erbitterten Widerstand. Die SPD war es, die das durchgesetzt hat.

[Beifall bei der SPD]

Zu Ihrem Stichwort Realityshow kann ich nur sagen: Die Art, wie Sie die Vorgeschichte des Nachtagshaushalts angesprochen haben, zeigt, dass Sie offensichtlich noch nicht in der Realität angekommen sind. Was Sie geliefert haben, waren Ablenkungsversuche bezüglich der Verantwortung der CDU für die Haushaltskrise des Landes, wie wir sie derzeit haben.

Nebenbei bemerkt: Wir haben keine Angst vor den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses. Dem sehen wir beruhigt entgegen. Wir haben nichts zu verbergen. Insofern warten wir ab, was dabei herauskommt. Dann sprechen wir uns hier wieder.

[Beifall bei der SPD]

Kommen wir zu den sachlichen Dingen: Wir beraten – ich hatte es eingangs erwähnt – den Nachtragshaushalt in II. Lesung. Ein solcher fällt nicht vom Himmel.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Toepfer-Kataw?

Nein, ich möchte fortfahren! – Ich komme zur Vorgeschichte des Nachtragshaushalts: Ab Januar diesen Jahres gab es erste Anzeichen für die Probleme der Bankgesellschaft. Zuerst stand dabei die Affäre um die nicht verbuchte Barspende in Höhe von 40 000 DM an Klaus Landowsky im Vordergrund, der in unheiliger Personalunion Chef der landeseigenen Hypothekenbank und Fraktionsvorsitzender der CDU war. – Leider folgt er unseren Aufführungen immer seltener. Wenn er mal zuhören würde, wäre das vielleicht gut für seinen Realitätssinn.

Wie gesagt, am Anfang des Jahres wurden die anfänglichen Andeutungen immer klarer. Es wurde klar, dass es hier nicht allein um die Übergabe einer Parteispende in den Räumen der Bank ging, die nicht ordnungsgemäß verbucht wurde, sondern dass auch das faule Kreditgeschäft der Landowsky-Berlin-Hyp mit der Aubis, dem Unternehmer, der die Spende gegeben hat – eine Rolle spielte. Bereits Mitte Februar verhängte der damalige Finanzsenator eine Haushaltssperre, die auch durch die Vorgänge bei der Bankgesellschaft begründet wurde.

Nach und nach wurde das Ausmaß der Bankenkrise deutlich. Die Andeutungen über faule Kredite verfestigten sich zusehends, die Zahlung der Dividende der Bank an das Land geriet für das Jahr 2001 zunehmend in Gefahr, was allerdings der ehemalige CDU-Finanzsenator noch lange ins Jahr hinein bestritt. Es ging dabei immerhin um 135 Millionen DM. Wie wir jetzt wissen, stellt der Ausfall der Dividende im Verhältnis zum jetzt bekannten Ausmaß der Krise nur einen sehr bescheidenen Teil des Problems, sozusagen einen Griff in die Portokasse, dar.

Die Schreckensmeldungen übertrafen sich von Tag zu Tag. Die CDU und der ehemalige Regierende Bürgermeister aber schwiegen. Scheibchenweise demontierten sich Landowsky und die CDU durch permanente Realitätsverweigerung. Gleichzeitig wurde durch etliche sich im Haushalt deutlicher zeigende Risiken klar, dass das Parlament einen Nachtragshaushalt beschließen musste, und wir haben uns dem nicht mehr in den Weg gestellt.

Am 18. Mai 2001 – ein Datum, das mir noch sehr präsent ist – war der ehemalige Finanzsenator Kurth Gast einer SPD-Fraktionsklausur zum Thema Nachtragshaushalt.

[Kaczmarek (CDU): Der arme Kerl!]

Er verkündete uns dort noch lauthals, dass die Bankenkrise sich ohne große Belastungen für den Berliner Haushalt regeln ließe. Zwei Tage später platzte die Bombe durch den Bericht des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen. Die Schließung der Bankgesellschaft drohte. Nur durch eine Eigenkapitalerhöhung

war die Bankgesellschaft Berlin noch zu retten. Der Senat verpflichtete sich dazu – und das war auch richtig, Alternativen gab es schon allein wegen der 16 000 Beschäftigten nicht, und auch, um das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Berlin nicht weiter zu schädigen. Schieflage, Desaster, Super-GAU waren die am häufigsten gebrauchten Worte, mit denen die Presse, die Öffentlichkeit und auch dieses Haus hier versuchten, den passenden Ausdruck für das Ausmaß der Bankenkrise zu finden.

Das durch den Landowsky-Skandal und die Bankenkrise verursachte Haushaltsloch beträgt 6 Milliarden DM. Man muss es sich immer mal wieder vor Augen führen: 6 Milliarden DM, eine Größenordnung, die immerhin unvorstellbare 15 % des gesamten Landeshaushaltes ausmacht. Noch immer verharmloste die CDU die Lage, in der sich das Land Berlin befand. Ich will es noch einmal deutlich machen, was 6 Milliarden DM bedeuten: 6 Milliarden DM Verschuldung bedeuten einen Anstieg der täglichen Zinslasten, die mit 11 Millionen DM schon groß genug sind, um fast 1 Million DM pro Tag. Es übertrifft die Größenordnung der gesamten geplanten Vermögensaktivierung dieses Jahres. Der Zukunftsfonds, dem Sie so hinterhertrauern, hätte mit diesem Geld zwanzigmal aufgefüllt werden können – zwanzigmal der Zukunftsfonds, das ist eine Größenordnung, die man sich auf der Zuge zergehen lassen muss.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Es ist auch schlimm, dass die Konsolidierungserfolge der letzten Jahre, die unstreitig vorhanden waren und die eine wesentliche Legitimation für die große Koalition in Berlin dargestellt hatten, durch diese Krise und die Handlungsunfähigkeit der CDU darin zunichte gemacht wurden. Es wurde deutlich, dass mit dieser CDU kein Staat zu machen ist.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Der Entwurf des ursprünglichen Nachtragshaushalts, den Herr Kurth noch eingebracht hat, sollte lediglich die inzwischen auf immerhin eine dreistellige Millionensumme aufgetürmten Risiken absichern. Mit dem Bankenskandal bekam der Nachtragshaushalt eine völlig neue Dimension. Die Abgabe einer Patronatserklärung des Landes war notwendig und musste durch den Haushaltsgesetzgeber abgesichert werden. Die Netto-Kreditaufnahme beträgt nunmehr statt der angestrebten 3,6 Milliarden DM 9,6 Milliarden DM und ist damit auf einem Stand, wie es vor dem Beginn des Konsolidierungskurses durch die ehemalige SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing Mitte der 90er Jahre üblich war.

Diese neue oder auch alte Dimension der Verschuldung erfordert ein ernsthaftes Umdenken.

Einen letzten Versuch, die angeschlagene große Koalition zu retten, torpedierte die alte CDU-Riege mit der Vorlage einer dünnen – Herr Kaczmarek, jetzt können Sie ruhig einmal zuhören –, schnell zusammengeschusterten Liste mit mehr oder weniger stichhaltigen Sparvorschlägen – zum Teil handelte es sich bereits um Beschlüsse dieses Hauses –, die in mehreren Versionen zuerst der Presse und dann dem Koalitionspartner vorgelegt wurden. Ein ernsthafter Sparwille oder gar die Fähigkeit, Strukturentscheidungen für die Zukunft unserer Stadt zu treffen, waren hier wirklich nicht erkennbar.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Die alte CDU-Mehrheit im Senat hat den Entwurf für den Nachtragshaushalt noch am 12. Juni verabschiedet, ein Entwurf, der nicht mehr dem politischen Willen der Koalition entsprach. Es war unabdingbar, dass der neu gewählte Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit in nur 10 Tagen eine Nachschiebeliste vorlegte, die drei Dinge dokumentiert: den unbedingten Sparwillen, Klarheit und Wahrheit in der Haushaltspolitik und den Vorrang für die Bildungspolitik bei der Konsolidierung der Stadt.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]