Protokoll der Sitzung vom 27.09.2001

Wir werden überprüfen, ob die Art und Weise, wie Straßen angelegt werden, mit welchen Materialien und in welcher Üppigkeit sie gebaut werden, reduziert werden kann. Ich halte nichts davon, dass wir immer sagen: Die Stadt muss sparen! –, aber dann wird das meiste Geld in Beton und Kleinmosaikpflaster vergossen, anstatt es in die Schulen zu investieren.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen – Bravo! von der PDS]

Bitte schön, Herr Kollege Niedergesäß! Was sagen Sie nun?

Herr Senator Strieder! Ich hatte Sie nicht nach Ihrem Anteil an der Bankenkrise gefragt,

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

und ich hatte Sie auch nicht gefragt, warum Sie den ÖPNV in Berlin grundsätzlich kaputtmachen wollen.

[Cramer (Grüne): So viel Zeit hat er gar nicht!]

Ich hatte konkret gefragt, ob Sie die Bautätigkeit in den vier betroffenen Straßenzügen in den nächsten zwei, drei Jahren einstellen wollen und ob Sie sich überhaupt darüber im Klaren sind, was für ein Schaden Sie für dieses Entwicklungsgebiet anrichten,

[Doering (PDS): Erst mal wird doch gewählt!]

das zur Zeit auf einem guten Weg ist. Aber wenn Sie Ihren neuen Koalitionspartnern in die Augen schauen, sind Sie vielleicht auf dem richtigen Trip, denn die wollen alles, was sich hier bewegt, niedermachen.

[Heiterkeit bei der PDS]

Ist es so, dass Sie damit die Bautätigkeit für Adlershof beenden wollen?

Herr Senator Strieder – bitte schön!

Herr Abgeordneter Niedergesäß! Aus Ihrer früheren beruflichen Tätigkeit ist Ihnen bekannt, dass die Breite von Straßen davon abhängig ist, welche Verkehre auf diesen Straßen zu bewältigen sind. Und wenn in die Mitte eine 12 m breite Straßenbahntrasse eingebaut werden soll, dann wird die Straße 12 m breiter.

[Zurufe der Abgn. Niedergesäß (CDU) und Rabbach (CDU)]

Die Frage, ob eine 12 Meter breite Straßenbahntrasse gebaut werden muss, wird man ja wohl noch einmal im Lichte neuerer Entwicklungen überprüfen dürfen. Das geschieht gegenwärtig. Es macht keinen Sinn, heute zu sagen, wir bauen eine Straße mit 35 Metern, und morgen sagen wir, aber die 12 Meter, die wir für die Straßenbahn vorgesehen haben, die wir gekauft haben, wofür wir 9 Millionen DM ausgeben müssen, um Grundstücke dazuzukaufen, die bleiben dann liegen, weil die Straßenbahn nicht kommt.

[Niedergesäß (CDU): Das hätten Sie vor fünf Jahren auch schon – –]

Es gibt keine Baueinstellung, es gibt keine Verzögerung, an diesem Entwicklungsgebiet wird weitergearbeitet. Es wird mit dem öffentlichen Personennahverkehr erschlossen werden. Es stellt sich nur die Frage, ob die Investition in eine Straßenbahn gerechtfertigt ist angesichts der nicht sehr wahrscheinlichen Entwicklung zu einem großen Wohngebiet. Das ist ein Wissenschafts- und Universitäts- und Wirtschaftscampus geworden.

[Niedergesäß (CDU): Das wissen Sie seit 10 Jahren!]

Dieser Wirtschaftscampus wird gegebenenfalls auch mit Bussen erschlossen werden können, wenn sich herausstellen sollte, dass die Investition in eine Straßenbahn nicht zielführend ist. Darum geht es zurzeit.

[Störgeräusche in der Lautsprecheranlage – Niedergesäß (CDU): Da spuckt sogar schon die Anlage, wenn Sie reden!]

Danke schön, Herr Senator! – Damit hat die Spontane Fragestunde ihre Erledigung gefunden.

Wir kommen nunmehr zur

lfd. Nr. 1 A:

Aktuelle Stunde zum Thema „Schnellstmögliche Realisierung des internationalen Single-Airports in Schönefeld für die Region Berlin-Brandenburg“

In der ersten Rednerrunde stehen 10 Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Herr Cramer hat für die Fraktion der Grünen das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der neue rot-grüne Senat hält sich an den Konsensbeschluss, der im Mai 1996 vom damaligen Bundesverkehrsminister Wissmann, dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Stolpe und dem Berliner Regierenden Bürgermeister Diepgen unterschrieben wurde. Demnach soll Schönefeld zum Single-Airport ausgebaut, Tempelhof spätestens mit Rechtskraft der Planfeststellung und Tegel mit Fertigstellung des Schönefeld-Ausbaus geschlossen werden. Nach dem rot-schwarzen Gezerre über das zukünftige Luftverkehrskonzept gibt es nun wieder Berechenbarkeit, Klarheit und Einigkeit im Senat.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Gelächter bei der CDU]

Da lachen Sie. Bekanntlich waren Sie von der CDU ja vom Konsensbeschluss abgerückt. Sie forderten die Offenhaltung von Tegel und Tempelhof. Sie sind deshalb zum größten Risiko für die Schließung der innerstädtischen Flughäfen geworden.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Zudem stellen Sie damit unter Beweis, dass pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten – für Sie nicht gilt.

Neue Töne kamen, neben einer Berliner Einzelmeinung, auch aus Brandenburg. Ministerpräsident Stolpe rückte die Forderung nach einem Großflughafen in die Nähe von Größenwahn. Recht hat er. Denn er übernahm nicht nur die bündnisgrüne Position, auch CDU-Minister Wissmann spottete schon damals über das „Märchenschloss.“ Herr Steffel, denken Sie nach, bevor Sie gleich lospoltern. Denn auch Herr Wissmann hatte Recht. Ihre Vorstellung vom Berliner Großflughafen ist nämlich der reine Größenwahn.

Die zentrale Frage ist aber doch die, ob das erwartete Fluggastaufkommen, mit dem sich ein Großflughafen rechnet, auch tatsächlich eintrifft. Im Geschäftsjahr 2000 schrieben zwei der drei Flughäfen tiefrote Zahlen. Während Tegel einen Gewinn von 114 Millionen DM erwirtschaftete, verzeichnete Tempelhof ein Minus von 21 Millionen und Schönefeld sogar ein Minus von 56 Millionen DM. Nicht nur die Schulden der Bankgesellschaft, auch die der beiden Flughäfen zahlen die Berliner Steuerzahler. Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir mit dem Single-Airport in

(A) (C)

(B) (D)

Schönefeld nicht nur die Bevölkerung in Pankow und Spandau, in Tempelhof und Lichtenberg vom Fluglärm befreien, sondern alle Berlinerinnen und Berliner auch von einer schweren Finanzlast.

[Beifall bei den Grünen und der SPD – Niedergesäß (CDU): Ihr wollt die Bohnsdorfer niedermachen!]

Deshalb: Die CDU-Vorstellung von drei Flughäfen in dieser Region ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch nicht zu verantworten.

Wir vergessen aber auch nicht die Menschen in Schönefeld, die durch den neuen Flughafen zusätzlich belastet werden. Deshalb wollen wir in Schönefeld den Lärmschutz verbessern und das Nachtflugverbot durchsetzen. Was in Frankfurt am Main real existiert, darf in Schönefeld nicht unmöglich sein.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Rabbach (CDU): Ihr macht doch einen Eiertanz!]

Gern wird in der Debatte immer auf London verwiesen. Übersehen wird dabei jedoch, dass dort jährlich 130 Millionen Fluggäste gezählt werden, in Berlin mit etwa 13 Millionen nur ein Zehntel. Für einen Großflughafen mit Drehkreuzfunktion ist die märkische Region einfach zu dünn besiedelt. Mit den 50 Millionen Fluggästen in Frankfurt am Main kann sich Berlin ebenfalls nicht messen. Dort umfasst der Einzugsbereich mit 20 Millionen Einwohnern das Vierfache von Berlin und Brandenburg. Leere Slots, dort heiß begehrt, werden hier wie Sauerbier angeboten. Während von Frankfurt pro Woche 600 interkontinentale Ziele direkt angeflogen werden, sind es in Berlin lediglich 30. Der Umsteigeverkehr in Frankfurt liegt bei 60 %, in Berlin bei 3 %. Hinzu kommt, dass in Berlin 60 % aller Flüge Kurzstreckenflüge unter 600 km sind, die sukzessive durch die Fertigstellung der schnellen Eisenbahnstrecken reduziert werden. Trotz alledem: Bündnis 90/Die Grünen wollen ebenso wie die SPD einen leistungsfähigen Flughafen und die Einbindung Berlins in den internationalen Flugverkehr.

Entscheidend für die Leistungsfähigkeit eines Flughafens ist die Kapazität der Abfertigungsanlagen. Sie liegt in Schönefeld derzeit nur bei 4 Millionen Fluggästen pro Jahr. Die 800 000 jährlichen Fluggäste in Tempelhof lassen sich deshalb schon heute nach Schönefeld verlagern, weil dieser Airport nur zu einem Drittel ausgelastet ist.

[Niedergesäß (CDU): Unmöglich, was Sie da reden!]

Im Flächennutzungsplan, Herr Niedergesäß, der 1994 für Gesamtberlin im Abgeordnetenhaus unter der Federführung von CDU und SPD beschlossen wurde, ist Tempelhof schon nicht mehr als Flughafen enthalten.

[Niedergesäß (CDU): Das war ein Fehler!]

Bis auf die CDU wollen ihn auch alle Parteien schließen. Für die Nachnutzung der Fläche hat Senator Strieder ein Konzept entwickelt, das auf die jahrzehntelange Funktion als Flughafen Rücksicht nimmt. Der „Park der Luftbrücke“ behält die Weite und Offenheit des Tempelhofer Feldes, wodurch auch der stadtklimatische Faktor gesichert wird. Die neue Parkanlage wird die Lebensfähigkeit in Nord-Neukölln und in Tempelhof entscheidend verbessern.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Kaczmarek (CDU): Ein Luftschloss, mehr nicht!]

Es wird nicht möglich sein, in der dünn besiedelten Region von mehreren Standorten aus Direktflüge über den Atlantik anzubieten, die sich wirtschaftlich rechnen. Da es weder ein nationales, geschweige denn ein europäisches Luftverkehrskonzept gibt, bleiben nur zwei Alternativen: Kooperation der Flughäfen miteinander oder mörderische Konkurrenz gegeneinander, die zu Lasten der Steuerzahler und der Sicherheit der Fluggäste ausgetragen würde. Wir wollen die Kooperation, wobei das wichtige Bindeglied die Bahn ist. Die Verkehrsanbindung der Flughäfen ist deshalb von größter Bedeutung.

[Niedergesäß (CDU): Keiner fliegt öfter als Cramer!]

In Schönefeld wird die Integration des zukünftigen TerminalBahnhofs in das Eisenbahnnetz so realisiert, dass der Flughafen von allen Himmelsrichtungen mit der Schiene erreichbar ist. Auch die Anreise wird optimiert. Wie im Londoner Bahnhof Paddington Station wird es auch am Lehrter Bahnhof einen VollCheck-in für alle Airlines geben, so dass in Zukunft die Flugreise am Lehrter Bahnhof und nicht am 25 km entfernten Flughafen beginnt.

Ein überdimensioniert ausgebauter Flughafen in der märkischen Region hätte zur Folge, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssten, um möglichst viele Menschen in möglichst viele Flugzeuge zu bekommen, damit der Flughafen wirtschaftlich rentabel ist. Dies stünde aber in eklatantem Widerspruch zu den ökologischen Anforderungen, zu denen sich die Bundesregierung, die Bundesländer und auch die Stadt Berlin hinsichtlich der CO2-Reduzierung verpflichtet haben.