Protokoll der Sitzung vom 27.09.2001

nimmt bewusst jahrelange Verzögerungen dieses größten Infrastrukturprojektes der neuen Bundesländer in Kauf.

[Beifall bei der CDU – Niedergesäß (CDU): Das ist der Hauptschuldige!]

Wer Fluggastgebühren von fast 20 DM pro Passagier will, um die Einnahmen des Landes kurzfristig zu erhöhen, wird niemals einen national und international wettbewerbsfähigen Flughafen bekommen.

[Beifall bei der CDU]

Und wer öffentlich – ich sage das ausdrücklich noch einmal – mit dem einzigen verbliebenen Konsortium spricht, gefährdet leichtfertig den Verhandlungserfolg des größten Infrastrukturprojektes für die ganzen neuen Bundesländer in diesem Jahrzehnt.

[Beifall bei der CDU – Bravorufe von der CDU]

Rot-Rot und Rot-Grün sind offenkundig nicht in der Lage oder gar nicht daran interessiert, dieses wichtigste Zukunftsprojekt für die Region Berlin-Brandenburg zügig zu realisieren. Herr Regierender Bürgermeister, wir erwarten von allen Parteien, die in Berlin Regierungsverantwortung anstreben, dass sie sich vorbehaltlos zum Großflughafen „Berlin Brandenburg International“ im Interesse der Menschen bekennen.

[Beifall bei der CDU]

Wir erwarten dann aber auch, dass sich die großen Fluggesellschaften zu Berlin bekennen –

[Doering (PDS): Die Lufthansa!]

insbesondere die Lufthansa, die nicht nur in Berlin geboren wurde, sondern auch eine nationale Verpflichtung gegenüber der deutschen Hauptstadt hat.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der PDS]

Auch die Bundesregierung muss ein intensives Interesse an einem leistungsfähigen Hauptstadtflughafen haben, denn allein durch die Anwesenheit von Bundesregierung und Bundesparlament in Berlin hat das internationale Interesse an Berlin – Gott sei Dank! – enorm zugenommen.

Dieser Großflughafen, dieses internationale Drehkreuz „Berlin Brandenburg International“ wird dann nicht nur das Tor zum Osten und in die Welt, sondern auch das Tor in die Zukunft sein. Es wird Zehntausende Arbeitsplätze für lange Jahre und Jahrzehnte in der Region schaffen. Dieser Flughafen wird der gesamten Region kräftige Wachstumsimpulse geben und den Tourismus deutlich ankurbeln. Er wird vor allem aber Berlin ein neues geopolitisches Gewicht verschaffen. Wer ernsthaft an der Schaffung neuer Arbeitsplätze in Berlin und an der Ansiedlung neuer Unternehmen in Berlin interessiert ist, wer an der Zukunft und dem Wohlstand auch unserer Kinder interessiert ist, der muss klar bekennen: Ja zur Privatisierung, Ja zur Fertigstellung 2007 und Ja zum Großflughafen „Berlin Brandenburg International“ am Standort Schönefeld.

[Beifall bei der CDU – Bravorufe von der CDU]

Danke, Herr Dr. Steffel! – Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Gaebler. – Bitte schön, Herr Kollege!

[Gram (CDU): Jetzt hören wir: „Ja, aber – möglicherweise auch nicht“!]

Warten Sie einmal ab, wer hier „vielleicht“ und „Ja, aber“ sagt. Das kennen wir von Ihnen schon.

[Gram (CDU): Ich will klare Aussagen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung zu meinem Vorredner: Herr Steffel, es ist ja schön, dass Sie reisen und auch die Zeit zum Reisen nach Brüssel finden, aber diese Brüssel-Reise hätten Sie sich eigentlich sparen können, denn alles, was Sie hier über die Erkenntnisse erzählten, die Sie dort gewonnen haben, wissen wir schon längst.

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Zimmer (CDU): Davon merkt man aber nichts! – Weitere Zurufe von der CDU]

Das haben wir hier schon breit diskutiert. Es war überhaupt keine Notwendigkeit, dafür extra nach Brüssel zu fahren. Das ist auch dem Senat bekannt. Und wenn Sie Herrn Diepgen, der ja noch vor nicht allzu langer Zeit die Verantwortung für dieses Flughafenprojekt trug und zu dem Sie vielleicht noch einen gewissen Kontakt haben, mal gefragt hätten, hätte er Ihnen sicherlich auch weitergeholfen.

[Zurufe von der CDU]

Für die SPD-Fraktion ist die schnelle Realisierung des Flughafens „Berlin Brandenburg International“ am Standort Schönefeld dringend geboten. An erster Stelle stehen für uns wirtschaftliche Gründe. Das derzeitige Flughafensystem mit drei Flughäfen ist nicht geeignet, nationale und internationale Flugverbindungen in größerem Umfang nach Berlin zu holen. Wir wikkeln mit – sage und schreibe – sechs Start- und Landebahnen an drei Standorten ein vergleichsweise niedriges Passagieraufkommen ab. Das ist wirtschaftspolitisch, verkehrspolitisch und strukturell nicht zu verantworten. Nur mit der Bündelung der Flugbewegungen in der gesamten Region an einem Standort wird Berlin einen leistungsfähigen und hauptstadtgerechten Flughafen bekommen.

[Beifall bei der SPD]

Dies ist ein wichtiger Standortfaktor für die Stadt im Wettbewerb der Regionen in Europa und weltweit. Mit dem Flughafen verbinden sich Tausende von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen – direkt und indirekt. Das ist entscheidend für die Entwicklung Berlins und der Berliner Wirtschaft. Wer diese Chancen negiert oder leichtfertig zerredet, verunsichert Investoren und Wirtschaftsunternehmen und schadet der Region, schadet den Menschen in Berlin und Brandenburg.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Der Flugverkehr und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen sind bereits jetzt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Stadt. Mehr als zehntausend Arbeitsplätze sind es zurzeit, und ein Beispiel ist dabei auch die Deutsche Lufthansa, die gerade eher negativ erwähnt wurde. Sie beschäftigt nämlich zurzeit im Konzernbereich 4 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin und Brandenburg, darunter übrigens auch viele ehemalige Interflug-Beschäftigte. Die Lufthansa hat nach der Wende ein erhebliches Engagement in Berlin gezeigt, und das sollte bei allem aktuellen Ärger über einzelne Flugverbindungen auch hier entsprechend gewürdigt werden.

[Beifall bei der SPD]

Neben den wirtschaftlichen gibt es aber auch stadtpolitische Gründe. Flughäfen in dichtbebauten Stadtgebieten wie Tegel und Tempelhof sind nicht zeitgemäß.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Die von ihnen ausgehenden Belastungen betreffen weite Teile des Stadtgebietes mit mehr als 300 000 Bewohnerinnen und Bewohnern. Insbesondere der Flughafen Tempelhof ist zudem sicherheitstechnisch nicht mehr zu verantworten.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Im Umfeld des Flughafens Tempelhof gibt es keine Flächen für Notlandungen, und die Start- und Landebahnen enden direkt an Wohnhäusern. Das Unglück am Himmelfahrtstag hat die Risiken auf tragische Weise deutlich gemacht. Die Einflugschneisen über der Neuköllner Altstadt tragen zur sozialen Entmischung bei und entwerten damit viele Bemühungen zur Stabilisierung der Sozialstruktur vor Ort. Deshalb muss der Flughafen Tempelhof zeitnah geschlossen werden, sobald die Ausbauplanungen für Schönefeld rechtskräftig sind, und der Flughafen Tegel ist mit Inbetriebnahme des neuen Flughafens BBI am Standort Schönefeld zu schließen.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Einen Flugverkehr ohne Belastungen für die Bewohner umliegender Gemeinden und Stadtteile wird es nicht geben können. Wir wollen aber im Rahmen des Flughafenkonzeptes für die Region bei Sicherstellung eines funktions- und wettbewerbsfähigen Flughafens die Zahl der Betroffenen und die Auswirkungen auf diese so gering wie möglich halten.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für Schönefeld ist im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens und durch die Flughafenorganisation sicherzustellen, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, um die Belastungen für die Anwohner möglichst gering zu halten. Dazu zählen vor allem Lärmschutzmaßnahmen, angemessene Entschädigungen sowie Beschränkungen für Flugzeuge, die nicht den neuesten Imissionsgrenzwerten entsprechen.

Wenn an dieser Stelle der Ruf nach dem Standort Sperenberg laut wird, ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Berliner SPD hat lange gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden wie der Industrie- und Handelskammer für Sperenberg gekämpft. Dies wurde im Wissen um die Probleme des Standorts Schönefeld von einer unheiligen Allianz aus CDU, Grünen und PDS verhindert.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Im Interesse der Region – –

[Zurufe von der CDU]

Jawohl! – Im Interesse der Region haben wir uns der Mehrheit gebeugt, um dieses wichtige Investitionsvorhaben nicht weiter zu verzögern. Grundlage dafür war der so genannte Konsensbeschluss über den alleinigen Standort Schönefeld – um den Begriff „Single“ einmal richtig in der Muttersprache zu erläutern –, der die Schließung der beiden anderen Flughäfen zwingend vorsieht. Wer diesen Konsensbeschluss aufkündigt, verlässt die Geschäftsgrundlage für den Ausbau in Schönefeld und schreibt faktisch das bestehende Flughafensystem mit allen seinen Mängeln fest. Wer jetzt wieder mit Sperenberg anfangen will, verschiebt den Flughafenneubau auf den Sankt Nimmerleinstag und vergibt damit die Chance für Berlin und für die Region.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Dass sollte sich vor allem die PDS vor Augen führen. Gysis bunte Truppe zeigt sich beim Thema Flughafen in der Öffentlichkeit als regierungsunfähig, schwankend zwischen Populismus und Realitätsverweigerung. Der Spitzenkandidat der PDS, Herr Gysi, der auch schon einmal sagte, Berlin brauche keinen Großflughafen, sagt in der „Morgenpost“ vom 25. September 2001:

Eine Stadt wie Berlin braucht einen Großflughafen.

Frau Matuschek, verkehrspolitische Sprecherin der PDS-Fraktion hat hier im Parlament und in der Öffentlichkeit mehrfach darauf hingewiesen, dass Berlin eigentlich gar keinen Flughafen braucht, [Frau Michels (PDS): Was?]

auf keinen Fall aber einen Großflughafen. Was also will die PDS? Keinen Flughafen für alle? – Mit zukunftsfähiger Politik hat das jedenfalls nichts zu tun.

[Beifall bei der SPD und den Grünen]