Protokoll der Sitzung vom 24.02.2000

Und der Senat: viele Sprüche, wenig Taten! – Warum setzt sich der Senat nicht endlich für die Einführung der kostendeckenden Einspeisevergütung für Solarstrom in Berlin ein? – Bundesweit stieg die Anzahl – und das sind Zahlen, Herr Strieder, die Sie ruhig einmal mit den von Ihnen genannten vergleichen können – von Photovoltaikanlagen nach der Einführung der kostendeckenden Einspeisevergütung um 900 %. Die installierte Leistung stieg um 1 600 %. – Im Vergleich hierzu ist das, was Berlin zu bieten hat, wirklich nur Krümelei.

Und man sollte nicht vergessen, dass eine Vielzahl von Arbeitsplätzen daran hängt – vom Effekt für Umwelt und Klima in diesem Zusammenhang einmal ganz abgesehen.

Herr Abgeordneter, Sie müssen dann zum Schluss kommen!

Ich komme zum letzten Satz: Die gesetzlich festzuschreibende Mindestvergütung – wir haben es heute schon gehört – soll nach dem Gesetz über erneuerbare Energien bei 99 Pfennig pro Kilowattstunde liegen. Es bliebe dann nur noch ein Differenzbetrag von ca. 30 Pfennig zu den Kosten der in einer dem Stand der Technik entsprechenden Photovoltaikanlage erzeugten Kilowattstunde. Das sind Peanuts, wenn man sich vorstellt, dass sich daraus ein kaum höherer Strompreis – es geht dann um den Bruchteil eines Pfennigs – für die Berlinerinnen und Berliner ergibt. Eigentlich bei den zurzeit niedrigen Strompreisen eine Sache, die schnell anzugehen und mit dem notwendigen politischen Willen auch zu machen sein sollte. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und den GRÜNEN]

Das Wort hat nun Herr Dr. Rogall!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Frau Greiner, seien Sie so freundlich und grüßen Sie den Kollegen Goetze: So viel positiver war er nun auch nicht gerade als Herr Berger!

Nein, ich glaube, die Große Anfrage kommt zum richtigen Zeitpunkt. Nach jahrzehntelanger unzureichender Förderung der regenerativen Energieträger hat die neue Bundesregierung die Durchsetzung dieser zukunftsfähigen Energieerzeugungssysteme endlich zur zentralen politischen Aufgabe gemacht und damit den ersten Schritt in das Solarzeitalter begangen.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Es ist doch für jeden Politiker schmerzhaft, erkennen zu müssen, dass auch noch so gut gemeinte Förderprogramme allein nicht in der Lage sind, neue Techniken auf einem Markt durchzusetzen. Entweder existieren gesellschaftliche Entwicklungen, die dafür sorgen, dass bestimmte Techniken sich von allein durchsetzen – siehe das Internet. Dann sorgt eine öffentliche Förderung nur noch für Mitnahmeeffekte. Oder diese autonome Nachfrage existiert in der Gesellschaft nicht. Dann reicht eine rein finanzielle Förderung eben nicht aus. Wenn die demokratischen Entscheidungsträger diese Techniken dennoch durchsetzen wollen, müssen sie wirksame Maßnahmen – wie das Ordnungsrecht – oder neue ökonomische Instrumente einsetzen, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Konsumenten und Produzenten verändern – siehe den Sicherheitsgurt durch die Anschnallpflicht im Auto oder Filteranlagen durch die Großfeuerungsanlagenverordnung.

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus begrüßt daher ausdrücklich diese international beispielgebenden Bundesgesetze. Erstens wird die ökologische Steuerreform eine Vielfachdividende erbringen: mehr Arbeitsplätze durch neue energieeffizientere Produkte und Anlagen und neue Arbeitsplätze durch die Verbilligung des Faktors Arbeit. – Die Sicherung der sozialen Sicherungssysteme durch die Verbreiterung der Finanzierungsbasis ist die dritte Dividende, und nicht zuletzt kommt es zu einem effizienteren Umgang mit den natürlichen Ressourcen.

[Beifall des Abg. Berger (GRÜNE)]

Zweitens ist hier das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu nennen, das den Investoren endlich eine zuverlässige Kalkulationsgrundlage und die wirtschaftliche Basis für ihre Investitionen verschaffen wird, sowie – drittens – das Gesetz zum Schutz der gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung in der allgemeinen Versorgung, zu dem Berlin einen wichtigen Impuls gegeben hat.

Diese Gesetze werden dafür sorgen, dass die CO2-Minderungsbeschlüsse der Vorgängerregierung nicht Makulatur bleiben werden, wie es lange Zeit ausgesehen hat, sondern Deutschland endlich wieder eine Vorreiterrolle in der Entwicklung zukunftsfähiger Techniken übernehmen kann.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Die SPD fordert daher den Senat auf, diese und ähnliche Gesetzesvorhaben aktiv im Bundesrat zu unterstützen und, wenn es notwendig ist, durchzusetzen.

[Frau Merkel (SPD): Richtig! – Borghorst (SPD): Herr Strieder, Sie sind gefordert!]

Auch ein durchschnittlicher Berliner emittiert mit ca. 10 t CO2 im Jahr etwa viermal mehr als ein Südamerikaner, das Siebenfache eines Asiaten und gar zehnmal mehr als ein Afrikaner. Würden alle Menschen so viel CO2 emittieren wie ein Berliner, benötigten wir fünf Erden. Na dann, gute Reise, meine Damen und Herren von der CDU, auf den Mond!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Abg. Doering (PDS): Bravo!]

Nein, Frau Greiner, das gibt keine Zukunft! Wir müssen schon mit dem auskommen, was uns die Erde bietet. Und das heißt: Wir müssen die Energie effizienter nutzen und die regenerativen Energien massiv fördern.

Berlin hat bei der CO2-Minderung eine eigene Verantwortung, die nach der Aussage der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages bis zum Ende dieses Jahrhunderts 80 bis 90 % betragen muss, wollen wir die Klimaveränderung auf ein erträgliches Maß verlangsamen. Ganz stoppen können wir sie ja nicht mehr. Bei dieser Aufgabe liegen in der Stadt Licht und Schatten eng beieinander. Es sind einmal die großen Erfolge, von denen wir heute schon einiges gehört haben. Durch die Arbeit des Umweltsenators – gerade jetzt hätten Sie zuhören sollen, Herr Senator –, durch die großen Erfolge der Arbeit des Umweltsenators und der großen Koalition insgesamt ist es gelungen, eine Reihe wichtiger Maßnahmen auf den Weg zu bringen.

[Beifall bei der SPD]

Die neue Satzung der Bewag und die neuen Konzessionsverträge mit Bewag und GASAG, auf deren Grundlage Solarförderprogramme verabschiedet wurden, sind ja wohl ein vorzeigbarer Erfolg, Herr Berger. Ich kenne kein EVU in Deutschland, das in der Satzung die Durchsetzung regenerativer Energieträger als Geschäftszweck hat. Kein EVU in Deutschland hat das, Herr Berger! [Abg. Berger (GRÜNE): Na, na!]

Das haben wir gemeinsam durchsetzen können: Die Solarschule der DGS, der Aufbau von drei Solarfabriken in der Stadt, die Stützung des Solarhandwerks durch die Solarförderprogramme des Landes, vor allem aber das 1995 von allen heute im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen gemeinsam novellierte Berliner Energiespargesetz, das eine Baupflicht für thermische Solaranlagen in Neubauten einführte, auf deren Grundlage dann eine Selbstverpflichtung mit der Berliner Wirtschaft zur Einführung der Solartechnologie abgeschlossen werden konnte.

Nun werden die Ergebnisse dieser Selbstverpflichtung im ersten Jahr unterschiedlich beurteilt. Die einen – wie der Energiebeirat – bemängeln, dass nur die Hälfte der verabredeten Kollektorfläche gebaut wurde. Die anderen freuen sich über die deutliche und nicht abzuleugnende Wachstumsrate gegenüber den vorhergegangenen Jahren. Fest steht, dass die Initiative noch weit von den vertraglich vereinbarten 75 % der auszustattenden Neubauten entfernt ist. Ich glaube, man muss auch feststellen, dass mit den bisherigen Anstrengungen dieses Ziel sicher nicht zu erreichen ist.

Die SPD-Fraktion fordert daher den Senat auf, schon heute die Vorbereitungen zur Umsetzung des Gesetzes zu ergreifen, damit die Initiative der Berliner Wirtschaft an die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen mit dem Senat zu glauben beginnt und ihre Anstrengungen erhöht. Herr Strieder wird das Protokoll der Sitzung sicher nachlesen, denn diese Aufforderung betrifft ihn

besonders. Und so gut, wie wir in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben, glaube ich, wird er auch dieses Problem dann anpacken.

[Sen Strieder: Ich höre Ihnen zu, Herr Abgeordneter! – Berger (GRÜNE): Na, na!]

Trotz dieser schönen Erfolge, die ich hier dargestellt habe, müssen wir einräumen, dass auf Grund verschiedener Ursachen längst nicht das gesamte Solarentwicklungspotential ausgeschöpft wurde und heute andere Bundesländer erheblich weiter sind als wir. Da gab es in der Vergangenheit einmal einen Bausenator, der die Förderquote für thermische Solaranlagen von 65 % auf 30 % verringerte und sich anschließend öffentlich wunderte, dass die Förderanträge so drastisch zurückgingen, dass die Mittel nicht ausgeschöpft wurden.

Ebenso verwunderlich ist doch wohl die Tatsache, dass immer noch Senatsverwaltungen existieren – ich hoffe, Herr Strieder, Sie können das heute klarstellen –, die angeblich das Landesenergieprogramm immer noch nicht mitgezeichnet haben, obwohl das nun schon seit über einem halben Jahr auf dem Tisch liegt. Nein, meine Damen und Herren, so können wir unsere selbstgesteckten Klimaziele nicht erreichen!

Wenn wir dann im Jahr 2002, dem zehnten Jahrestag der RioKonferenz mit Ihrer Hilfe, Herr Umweltsenator, Berlin als Konferenzort dieser Zehnjahrestagung „Rio 10 Jahre danach“ ausgewählt wird, dann darf der Slogan von der Solarhauptstadt Berlin nicht zum Witz verkommen, sondern muss zum Motto dieser gesamten internationalen Konferenz werden.

[Beifall des Abg. Berger (GRÜNE)]

Die SPD-Fraktion fordert daher alle Senatsmitglieder auf, eine konzertierte Aktion für die solare Hauptstadt Berlin zu verabschieden. Die Bauherren von Wohn- und Geschäftsbauten müssen endlich in die Pflicht genommen werden. Die Solarförderung muss endlich entbürokratisiert und als eigenständiges Programm geführt werden.

Die anderen Punkte muss ich mir jetzt sparen, weil ich sonst nicht mehr zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen – Drucksache 14/177 – kommen kann.

[Wieland (GRÜNE): Das wäre schade!]

Dieser Antrag verblüfft etwas. Herr Berger, Sie wissen doch: Pacta sunt servanda! Der Stromvertrag läuft nun mal bis zum Jahr 2003 und wäre nur unter hohen Vertragsstrafen kündbar. – In der Bewertung des Vertrags allerdings sollten schon alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses einig sein. Es handelt sich doch wohl um eine eklatante Fehlentscheidung des damaligen Präsidenten.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Beachten Sie bitte Ihre Redezeit, Herr Abgeordneter!

Gehen Sie, meine Damen und Herren Parlamentarierinnen und Parlamentarier und Senatorinnen und Senatoren, bei Ihrer Kaufentscheidung nur von dem Preis aus?

Herr Landowsky – oder nehme ich irgendeinen Senator –,

[Doering (PDS): Strieder!]

gehen die ihre Anzüge bei Aldi einkaufen? – Nein!

[Doering (PDS): Ich schon! – Frau Künast (GRÜNE): Gibt es ja auch nicht jeden Tag!]

Wir alle werden doch wohl zu Recht vor einer Kaufentscheidung ein Preis-Leistungs-Verhältnis anstellen, und da zählt die Qualität eben dazu. Qualität ist beim Strombezug nun einmal die Art seiner Produktion. Es ist schon unglaublich, mit welcher Naivität der Vertrag damals abgeschlossen wurde. Natürlich war das ein Signal nach außen. Was hieß es? – Liebe Stromkonzerne, kommt nach Berlin, unsere Bundesratsinitiativen zum Schutz der Bewag sind so ernst ja nicht zu nehmen, wenn wir Parlamentarier selber sagen: Strom aus Baden-Württemberg nach Berlin.

Da startet das Land Berlin für 200 Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe zu Recht große Hilfsprogramme, und bei der Bewag wird der Abbau von 5 000 Arbeitsplätzen achselzuckend hingenommen, das ist nun das Ergebnis der Strompreisliberalisierung. Da kann man nichts machen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss jetzt!

Ja! – Statt vorbildlich voranzugehen, haben wir leichtfertig ein Einfallstor für zusammengekauften Strom eröffnet, ganz zu schweigen von unserem Glaubwürdigkeitsverlust. Der letzte Punkt soll sein, dass der Vertrag eben nicht gekündigt werden kann. Was ich mir aber vorstellen kann, ist dass wir schon heute mit Verhandlungen beginnen über eine zwei- bis dreijährige Verlängerung, wenn der Lieferant sich dafür verpflichtet, ab dem Jahr 2001 die von uns, vom Abgeordnetenhaus, im September 1999 beschlossene Mindestquote für KWK und regenerativen Strom für öffentliche Einrichtungen auch für das Abgeordnetenhaus einzuhalten. Herr Präsident, zu derartigen Verhandlungen fordern wir Sie auf!