Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

[Beifall bei der SPD]

Niemand soll ausgegrenzt werden, und wenn ich „niemand“ sage, dann meine ich auch niemand. Die politische Antwort auf grundlegende Lebensbedürfnisse der Menschen, die Chancengleichheit der Geschlechter, Ausbildung, Arbeit, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit sind in diesem Ressort gebündelt, und darauf muss man auch eine ganzheitliche Sicht haben. Denn die Auswirkungen auf den einzelnen Menschen, wenn er seinen Arbeitsplatz verliert, liegen in vielen Bereichen: Die Gesundheit leidet, das soziale Umfeld verändert sich, die Lebensplanung wird eine andere, das Verhältnis in der Familie und der Lebensmut verändern sich. Deshalb muss man diese Politik ganzheitlich sehen.

Am Beispiel der Gesundheitspolitik kann man dies deutlich machen. Wenn über Gesundheitspolitik in dieser Stadt geredet wird, dann denken alle zur Zeit zunächst in erster Linie an die Maßnahmen zur Umsetzung des Krankenhausplans. Dies ist hochaktuell, dies macht Schlagzeilen. Wir, Herr Köppl, handeln zügig, auch wenn man es nicht sieht. In diesem Bereich – das wissen Sie auch – ist es manchmal besser, nicht über die Betroffenen, sondern mit den Betroffenen zu reden,

[Hoff (PDS): Wer tut denn das?]

und man kommt dann auch sehr viel schneller ans Ziel, nur man merkt es nicht öffentlich. Es geht im übrigen nicht darum, die AOK gegen ein besonderes Krankenhaus auszuspielen. Es geht um stabile Beitragssätze für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in dieser Stadt, um den Erhalt der Solidarität der anderen Bundesländer. Meine Erfahrung ist, dass man sich ganz schnell darüber verständigen kann, dass die Medizin im Krankenhausbereich dieser Stadt zu teuer ist und zu üppig ausgestattet. Aber jedes einzelne konkrete Bett in dieser Stadt ist unverzichtbar. – So kann man Krankenhauspolitik nicht machen, und deshalb führt kein Weg daran vorbei: Der Krankenhausplan wird umgesetzt. Der wichtigste Grundsatz bei der Umsetzung bleibt die sozial verträgliche Lösung für die Beschäftigten und die Qualität der Gesundheitsversorgung für die Menschen in dieser Stadt zu erhalten. Frau Freundl, auch da tun wir etwas für die Menschen, und ich bitte Sie einfach, mit den Beschäftigten, mit den Krankenschwestern, mit den Pflegern, mit den Ärzten, aber auch denen, die in anderen Bereichen tätig sind, bei der Nennung von Zahlen vorsichtig zu sein. Wenn Sie sagen: 7 000 bis 8 000 Arbeitsplätze, dann sind es ca. die Hälfte der noch im Gesundheitswesen Beschäftigten. Diese Zahl stimmt einfach nicht.

Die Gesunderhaltung der Bevölkerung ist für mich zentrale Richtschnur meines Handelns; denn es gilt der Grundsatz: Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Und deshalb ist Gesundheit eine wichtige Grundlage und Voraussetzung für eine eigenständige Lebensführung. Soziale Integration und Erwerbsarbeit möglichst für alle sind für mich wichtige und zukunftsfähige Strategien für eine gesundheitliche und soziale Versorgung.

Die Verbesserung der sozialen Infrastruktur, Integration ins Erwerbsleben und Gesundheitsförderung bringen kurzfristig keine Schlagzeilen. Es braucht, wie Frau Klotz richtig gesagt hat – einen langen Atem, weil man ein tragfähiges Netz knüpfen muss. Diesen Weg werden wir gehen und den Rat und die Unterstützung der sozialen und gesellschaftlichen Gruppen in dieser Stadt und auch der Opposition gern annehmen. In Berlin ist es gute Tradition, die Selbsthilfekräfte sowohl von einzelnen als auch von gesellschaftlichen Gruppen zu stärken und Eigeninitiative zu belohnen. Wir haben in den letzten Jahren mit dem Programm „Integration durch Arbeit“ aktiv gezeigt, wie man passive Transferleistungen in aktive, aktionierende Forderungen umwandeln kann, indem man Menschen Arbeit anbietet und nicht ausrechnet, was für ihren Lebensunterhalt notwendig ist. Mit dieser Investition in die Menschen spart man sehr viele Ausgaben auf der anderen Seite.

Aktive Arbeitsmarktpolitik ist in dieser Stadt unverzichtbar. Sie hat auch in diesem Haushalt einen hohen Stellenwert. Über 70 000, 80 000 Menschen haben durch die aktive Arbeitsmarktpolitik die Chance erhalten, ihre Erfahrungen einzubringen, sich zu qualifizieren, eine Chance, die ohne eigenes Verschulden durch die Strukturbrüche in dieser Stadt im Arbeitsmarkt ohne Förderung nicht möglich war. Ganz nebenbei erfüllen sie noch wichtige Aufgaben für die soziale Infrastruktur besonders im Ostteil der Stadt. Deshalb wird aktive Arbeitsmarktpolitik immer einen hohen Stellenwert haben.

[Beifall der Frau Abg. Thieme-Duske (SPD)]

Wir haben weiter wichtige Aufgaben im Bereich der Ausbildung zu erfüllen. Wir haben gemeinsam mit den Gewerkschaften, mit den Unternehmen, dem Jugendsofortprogramm der Bundesregierung, der neuen Gemeinschaftsinitiative Ost und

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unseren landeseigenen Ausbildungsprogrammen die Grundlage dafür gelegt, dass wir jedem Jugendlichen, der es möchte, einen Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung anbieten können.

[Beifall bei der SPD]

Für die Ausbildungsplatzförderung stehen insgesamt 114 Millionen DM im Haushalt zur Verfügung. Berufliche Integration und Stärkung der Orientierungsfähigkeit bei jungen Menschen ist eine Investition in die Zukunft. Im übrigen können wir das 110Millionen-DM-Programm zur Schulsanierung und Sportstättensanierung noch um einiges erhöhen, wenn wir es mit einem Beschäftigungsprogramm für junge Menschen verbinden. Dies haben wir vor.

[Beifall bei der SPD]

Ich will aber auch noch eine Bemerkung machen, weil ich glaube, bei allen finanziellen Mitteln, die wir zur sozialen Integration zur Verfügung stellen, geht es nicht ohne die Mithilfe der Berlinerinnen und Berliner, der Vereine, der Verbände der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der kirchlichen Gemeinschaften. Jeder muss sich in dieser Stadt verpflichtet fühlen, Integrationpolitik zu machen, solidarisch zu leben und Hilfe zu leisten. Ich glaube, dies kann kein Haushalt ersetzen.

[Beifall bei der SPD]

Eine weitere gemeinsame Verantwortung, die wir in dieser Stadt übernehmen wollen, ist die Bekämpfung von Gewalt. Meine Kollegin Frau Neumann hat bereits ausführlich über das Programm BIG – Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt – gesprochen. Ich kann mich dem voll anschließen. Ich will unterstützend sagen, dass Frauenpolitik in dieser Stadt nicht allein Aufgabe meiner Verwaltung sein kann. Frauenpolitik, gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Lebensbereichen ist Aufgabe des gesamten Senats.

[Beifall bei der SPD]

Zum Abschluss will ich noch einmal ganz deutlich machen, dass die soziale Integration aller Bürgerinnen und Bürger für den Senat eine ebenso zukunftsweisende Aufgabe und Herausforderung ist wie die wirtschaftliche Standortverbesserung, der Ausbau der Wissenschafts- und Kulturmetropole sowie Weltoffenheit und Fremdenfreundlichkeit als Markenzeichen für Berlin. Soziale Infrastruktur, soziale Gerechtigkeit in einer Stadt sind knallharte Standortfaktoren. Wir gewinnen die Zukunft nur mit den Menschen, nicht gegen ihre Interessen. Ich bitte Sie: Stimmen Sie dem Haushalt 11 und 18 zu!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön, Frau Senatorin! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zuerst lasse ich zum Einzelplan 11 abstimmen über den Änderungsantrag der PDS aus Drucksache 14/301-11. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Letzeres war die Mehrheit. Enthaltungen? – Mit Mehrheit abgelehnt.

Wer nun dem Einzelplan 11 unter Berücksichtigung der Änderungen des Hauptausschusses aus Drucksache 14/301 und der Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses gemäß Drucksache 14/302, hier die Nummern 43 bis 45 und 76, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das reicht.

[Heiterkeit]

Die Gegenprobe! – Das waren weniger als zuvor. Enthaltungen? – Keine Enthaltungen; mit Mehrheit so beschlossen.

Wer dem Einzelplan 18 unter Berücksichtigung der Änderungen und der Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses, Drucksachen 14/301 und 14/302, hier die Nrn. 72 bis 74, zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Danke! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei Gegenstimmen der Opposition und ohne Enthaltungen so angenommen.

Über die eingangs erwähnten Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 14/301-3 – Einzelplan 11 betreffend – und Drucksache 14/301-5 – Einzelplan 18 betreffend –, lasse ich unter dem Einzelplan 29 abstimmen.

Dann rufe ich auf

Einzelplan 12 – Bauen, Wohnen und Verkehr –

hierzu:

1. Änderungen des Hauptausschusses nach Drucksache 14/301

2. Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses nach Drucksache 14/302, Nrn. 45 bis 54 und 75

Hierzu sind auch die Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksachen 14/301-1, 14/301-4 und 14/301-5 aufgerufen. [Unruhe]

Dazu erbitte ich die besondere Aufmerksamkeit des Herrn Bausenators! Gespräche, die ich störend empfinde, können auch außerhalb des Plenarsaals stattfinden. Das gilt auch für die Senatoren für Bauwesen und für Wirtschaft. –

[Beifall bei der PDS]

Wenn die Gespräche unterbleiben, wird es hier nämlich auch leiser.

Ich rufe auch auf

Einzelplan 14 – Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie –

hierzu:

Änderungen des Hauptausschusses nach Drucksache 14/301

Hierzu ist auch der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Drucksache 14/301-5 aufgerufen. Zu beiden Einzelplänen liegt weiterhin ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 14/301-12, vor.

Wortmeldungen liegen mir vor. Für die Fraktion der PDS hat Frau Abgeordnete Matuschek das Wort. Bitte, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Strieder! Es kribbelt wohl – was?

[Sen Strieder: Nein – warum?]

Deswegen brauchten Sie wohl so lange, um sich zu sammeln.

Erstmals haben wir ein Senatsressort dieser Zusammensetzung. Es sollte eigentlich „SenVWBUS“ – Verkehr, Wohnen, Bauen, Umwelt, Stadtentwicklung – heißen, aber es heißt jetzt „Stadtentwicklung“. Das weckt Hoffnungen.

Senator Strieder ist immer noch glücklich, dass ihm der Coup mit dem Posten als Supersenator geglückt ist, auch wenn er dafür die nicht unumstrittene, aber unbestritten kompetente Finanzsenatorin aus dem Rennen werfen musste. Zwar musste er inzwischen die Zeitbomben aus dem Bau- und Verkehrsbereich – Stichworte: Entwicklungsgebiete, U-Bahnfinanzierung, Wohnungsbaugesellschaften – verantworten und dabei erkennen, dass das „bisschen Bauverwaltung“ ein recht merkwürdiges Eigenleben führt, aber er hat es geschafft, vom Überbausenator zum Bausenator zu werden und damit die Ohnmacht und Finanzschwäche seines früheren Ressorts hinter sich zu lassen.