Zweifellos gibt es gute Gründe für das neue Superressort Stadtentwicklung. So können die bisher existierenden Blockaden besser überwunden werden, vorausgesetzt, es besteht erstens der politische Wille dazu, und zweitens – was genauso wichtig ist – die Öffentlichkeit wird bei der Findung eines neuen tragfähigen Leitbildes für die Stadtentwicklung einbezogen. Beides vermissen wir bei Ihnen, Herr Strieder. Die Befürchtungen, bei dem Riesenressort handle es sich um eine große Blackbox, sind nicht unbegründet. Bis Heute sind weder die schon bestehenden Beiräte bei den Verwaltungen noch wie im Falle des Fahrgastbeirats beim Verkehrsverbund die noch zu schaffenden Gremien berufen worden.
Das Stadtforum, der vielbeschworene „Think tank“ für moderne Stadtentwicklung hat seit Herbst 1999 nicht mehr getagt. [Anhaltende Unruhe]
Entschuldigen Sie, Frau Kollegin! Ich bitte die Kollegen Abgeordneten, die im hinteren Saalbereich so lautstarke Diskussionen in großen Gruppen führen, den Raum zu verlassen oder die Gespräche zu beenden! – Danke schön! – Bitte, Frau Kollegin, fahren Sie fort!
Zur Verkehrspolitik: Der Koalitionsvertrag benennt das Leitbild einer stadt- und umweltverträglichen Mobilität. Das wollen wir auch. Aber wo, Herr Strieder, ist Ihr Leitbild, das Berlin als Stadt des öffentlichen Nahverkehrs benennt, das Berlin in die erste Reihe der europäischen Städte mit moderner, weil ökologischer, sozialverträglicher und kostengünstiger Mobilität zurückführt? Solange Projekte wie die Teltowkanalautobahn, der Innenstadtring, der Havelausbau, die Verlängerung der U 5 aufrechterhalten werden, wird es die angestrebte Verkehrswende nicht geben.
Die PDS will nicht weniger ÖPNV, sondern mehr. Sie haben unsere Unterstützung, Herr Strieder, wenn es um Straßenbahn für ganz Berlin und um die Förderung des Fahrradverkehrs geht. Wir wollen nicht, dass Mobilität verhindert wird, indem die kommunalen Straßen aus purer Not verfallen, weil das dringend benötigte Geld in Großprojekte fließt. Wir wollen nicht, dass Mobilität verhindert wird, indem die Fahrpreisspirale für öffentliche Verkehrsmittel immer weiter nach oben geschraubt wird. Die Fortsetzung dieser Preispolitik ist die Fortsetzung sozialer Ungerechtigkeit und ökologischer wie ökonomischer Unvernunft. Es reicht nicht, Herr Strieder, Presseerklärungen abzugeben und Gespräche zu führen, aber keine eigenen Lösungsvorschläge zu machen. [Beifall bei der PDS]
Es reicht nicht, auf die rechtliche Situation der Tarifgenehmigung zu verweisen. Wozu sind die Vertreter des Landes Berlin im Aufsichtsrat der BVG und des Verkehrsverbunds, wenn sie dort offenbar nur Kaffee trinken und nicht die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses durchsetzen?
Von Kostenwahrheit kann im Verkehrshaushalt keine Rede sein. Ein Beispiel: Bei der Wegedornbrücke waren im Haushaltsentwurf 6 Millionen DM als schon verbaut deklariert worden. Abgesehen davon, dass kein Mensch diese Brücke braucht, musste der Senat auf Initiative der PDS eingestehen, dass von diesen 6 Millionen DM noch nicht ein Pfennig verbaut ist, weil nämlich das dafür notwendige Grundstück noch gar nicht zur Verfügung steht. Genauso ist es bei der Tangentialverbindung Ost.
Offensichtlich ist gerade der Verkehrshaushalt ein Umschlagplatz für Geldkoffer: 60 Millionen DM für den Tiergartenstraßentunnel – bitte schön, 60 Millionen DM für nicht benötigte UBahnzüge – bitte schön. Auch die Teltowkanalautobahn ist finanzpolitisch ein Fass ohne Boden. Zur U-Bahn 5 ist schon einiges gesagt worden. Wir brauchen eine neue Verkehrspolitik auch, weil die alte die finanziellen Grundlagen für eine lebenswerte Stadt auffrisst.
Ein Kristallalisationspunkt für eine neue Verkehrspolitik für stadtverträgliche Mobilität ist der Erhalt der Berliner Verkehrsbetriebe. Je besser der öffentliche Nahverkehr funktioniert, um so weniger Mittel müssen in Straßen und Beton versinken, um so weniger Flächen müssen mit Verkehrsanlagen versiegelt werden, um so weniger Maßnahmen für Schadstoff- und Lärmreduzierung müssen ergriffen werden.
Ich habe schon darauf gewartet, wann Sie endlich anfangen, Herr Niedergesäß! – Der Erhalt der BVG und die Erhöhung ihrer Leistungskraft ist deshalb auch ein Sparbeitrag zur Haushaltsentlastung. Voraussetzung für den Erhalt der BVG sind verkehrspolitische Rahmenbedingungen, wie Parkraumbewirtschaftung, Busspuren, Ampelvorrang für Busse und Bahnen ebenso wie ein tragfähiger Unternehmensvertrag. Der geltende ist unter der Bedingung abgeschlossen worden, dass die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen schnell realisiert werden und die Linienkonzessionen für die BVG unangetastet bleiben. Sie blieben genau 2 Wochen unangetastet. Die Verkehrsverwaltung hat rechtswidrig auf Anhörungen zur Konzessionsverlängerung verzichtet und damit erst die juristische Grundlage für das dann auch tatsächlich eingeleitete Beschwerdeverfahren durch die Bahn und andere Verkehrsbetriebe geliefert. Nicht die beabsichtigte europäische Gesetzgebung ist daran schuld, sondern die Versäumnisse der Verkehrsverwaltung. Das ist der Grund, warum wir sagen, die BVG wird absichtlich in den Ruin getrieben. [Niedergesäß (CDU): So ein Unfug!]
Seit der Beschwerde der BVG-Konkurrenten sind die Konzessionen nicht wie versprochen auf 8 Jahre verlängert worden, sondern in „einstweilige Erlaubnisse“ mit einer 6-monatigen Laufzeit umgewandelt worden. Kein Verkehrsbetrieb – ob kommunal oder privat – kann seine Geschäftstätigkeit auf einer 6-monatigen Erlaubnis aufbauen. Hier ist Handlungsbedarf dringender denn je. Wir fordern zumindest die Gleichstellung der BVG mit anderen Verkehrsbetrieben.
Wir fordern energische Schritte zur Vorbereitung von fairen und berechenbaren Ausschreibungsverfahren. Dafür sind Klagen über Billiganbieter oder Huldigungen des freien Wettbewerbs nicht hilfreich. Notwendig sind landesgesetzliche Regelungen über Ausschreibungskriterien, über die Festsetzung von Qualitätsmerkmalen, über den Ausschluss von Lohn- und Sozialdumping. Dazu brauchen wir einen Nahverkehrsplan, der seinen Namen auch verdient, der die gesetzliche Grundlage für Ausschreibungen erst bietet und ein brauchbares Instrument für die Durchsetzung dieser Ziele ist, der auf die Gewinnung von Fahrgästen zielt und nicht auf deren Vertreibung.
In der Stadtentwicklungspolitik werden die Grundsatzposition des Senats deutlich. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Schwerpunktsetzung zu Gunsten der Umgestaltung der östlichen Innenstadt, zu Gunsten der Aufwertung einzelner Stadtgebiete, zur Förderung des Wohneigentums und der Stadterweiterungsprojekte nahezu unverändert ist zu Lasten der Lebensqualität anderer Stadtteile, zu Lasten der Erhaltung bezahlbarer Wohnungen. Mit der Fortführung der Planungen für den Alexanderplatz setzt der Senat ein anachronistisches Projekt fort, das den Handlungsnotwendigkeiten in dieser Stadt zuwider läuft.
[Niedergesäß (CDU): Sie wollen dort die sozialistische Leere haben! Zehnspurige Autobahnen wollen Sie haben!]
Nicht weitere Büroflächen, Einzelhandelszentren und Luxuswohnungen werden gebracht, sondern eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den Stadtteilen.
Mit dem festen Willen, das Planwerk Innenstadt zum Schwerpunkt der laufenden Legislaturperiode zu machen, hält der Senat an den falschen Prioritäten der Vorjahre fest. Die Stärkung des Wohnortes Innenstadt verlangt nicht eine bedenkenlose Verdichtung in den Wohngebieten der Nachkriegszeit, sondern eine neue Auseinandersetzung mit den Verkehrsproblemen,
mit dem Zustand des öffentlichen Raumes, mit dem Defizit an Grün und der andauernden Verdrängung von Familien und Einkommensschwachen aus der Innenstadt. Für die zusätzliche Errichtung von Wohnungen bestehen durchaus Potentiale, z. B. auf dem Gelände des Stadions der Weltjugend. Setzen Sie sich, Herr Strieder, dafür ein, dass hier in Kürze ein Projekt „Autofreies Wohnen“ entsteht,
Die soziale Stadtentwicklung hat noch vor Jahresfrist jeden Vertreter von Senat und Koalition zu großen Ankündigungen inspiriert. Vom hochgestochenen Aktionsprogramm „Urbane Integration“ sind das Quartiersmanagement, die Aufhebung der Fehlbelegungsabgabe und neuerdings das von der PDS schon im Vorjahr geforderte Schulsanierungsprogramm übrig geblieben. Die Einführung des Quartiersmanagements verdeckt jedoch die Zuspitzung der sozialen Lage in der ganzen Stadt. Die PDS stellt andere Anforderung an ein Konzept der sozialen Stadtentwicklung. Das sind vor allem: bezahlbares Wohnen sichern, Einkommensschwächere vor Verdrängung schützen, lokale Beschäftigung initiieren und sichern sowie Arbeitsförderung und Stadtentwicklung verknüpfen, Entscheidungsprozesse dezentralisieren und demokratisieren,
Finanzausstattung der Bezirke aufgabengerecht verbessern, das Netz der sozialen Infrastruktur stabilisieren und ausbauen sowie öffentlichen Raum erhalten und verbessern.
Wir sind der Auffassung, dass soziale Stadtentwicklung ein zentrales Handlungsfeld der Stadtpolitik werden muss,
damit nicht durch weitere Fehlentscheidungen die Problemgebiete der Zukunft erst geschaffen werden. Die soziale Segregation, also die räumliche Trennung verschiedener Bevölkerungsschichten, wird durch die geplante Privatisierung städtischer Wohnungsbaugesellschaften forciert.
Wenn parallel die kommunale Infrastruktur zusammengekürzt wird und der öffentliche Raum verwahrlost, Herr Strieder, dann hilft auch kein Quartiersmanagement mehr.
Das Defizit der Entwicklungsgebiete hat sich allein von 1999 bis 2000 um 500 Millionen DM erhöht und beträgt gegenwärtig 1,71 Milliarden DM.
Die Maßnahmen sind materiell und finanziell vollkommen überdimensioniert. Nur wenn Teilgebiete aus den Entwicklungsbereichen entlassen, wenn begonnene Vorhaben zeitlich gestreckt und wenn noch nicht begonnene Maßnahmen neu konzipiert werden, besteht überhaupt eine Chance, dass Milliardendefizit zu begrenzen.
Mit der Kündigung des Vertrages mit dem Entwicklungsträger BAAG für Adlershof lässt der Senat erkennen, dass er den Ernst der Lage zumindest erahnt.
Im Strieder-Ressort sind allein 3,2 Milliarden DM oder knapp zwei Drittel des Gesamtetats für Altverpflichtungen aus der
Wohnungsbauförderung bis 1999 vorgesehen. Der Gesamtumfang der Altverpflichtungen beträgt 35,8 Milliarden DM, für die wir in diesem und in den nächsten 20 Jahren keine Streichungs- und Umschichtungsanträge stellen können. Wenden wir uns also gleich dem von der Koalition so geliebten und dem von uns immer kritisierten Eigentumsprogramm zu. 2 750 Eigentumswohnungen sollen gefördert werden, davon 500 im Neubau, – jetzt kommt die Neuerung – 1 750 Eigentumswohnungen durch die Förderung der Mieterprivatisierung und 500 Wohnungen durch die Förderung von Genossenschaften.
Hier schlägt die PDS-Fraktion alternativ vor, die Zahl der zu fördernden Eigenheime auf 100 Wohnungseinheiten pro Jahr zu reduzieren und die dadurch frei werdenden Mittel zu Gunsten der Bestandserwerbsförderung für Genossenschaften zur Verfügung zu stellen.
Mit der gestrigen Entscheidung des Hauptausschusses, die neu gegründete Genossenschaft Bremer Höhe aus Prenzlauer Berg bei Erwerb und Sanierung ihrer 514 Wohnungen finanziell zu unterstützen, ist ein Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. Das ist ein Beitrag zur sozialen Stadtentwicklung.