So war das der Presse zu entnehmen, Herr Over! – Gleichzeitig wissen die Experten in der Stadt, wir haben in der Stadt 30 000 arbeitslose Arbeiter im Baubereich. Für die geht keiner auf die Straße. Die haben schon längst die rote Karte bekommen.
Deshalb hat sich die SPD-Fraktion immer dafür eingesetzt, dass die Ressourcen so alloziert werden, dass ein höchstmögliches Arbeitskräftepotential beschäftigt wird. Wir fangen in diesem Bereich weitere neue Projekte an, Herr Goetze hat sie aufgeführt. Sie bringen hierbei ein richtiges Argument und fragen, ob sich die Stadt nicht in einigen Punkten überfordert. Ich sage: Haushaltsfragen sind keine Verwaltungsfragen, sondern Gestaltungsfragen. Wer diese Projekte umsetzen will, wird bei dem gegebenen Budget nicht darum herumkommen, harte Einschnitte – auch wenn sie schmerzlich sind – vorzunehmen, sowohl in der Reorganisation des Allgemeinwesens wie auch in der Deregulierung.
Das heißt, wir werden diese Stadt in vielen Bereichen, im Wohnungs- und Bauwesen, in den nächsten vier Jahren modernisieren. Wir werden deregulieren in vielen Bereichen, so dass wir die fehlenden Ressourcen woanders einsparen können. Wir werden zu einer Bodenpolitik kommen, damit wir die Fördermittel, die wir nicht haben, anderweitig auffangen können. Und wir werden in vielen Bereichen auch privatisieren. Meine Damen und Herren von der Opposition, auch hier halte ich Ihre Position zwar für verständlich,
aber zu kurz gegriffen, wie wir es in der letzten Debatte diskutiert haben. Ihre einseitige Position in Bezug auf die Privatisierung von Wohnungsbaugesellschaften, Ihre einseitige Blockierung und Ideologisierung in dem Punkt verkennt, dass wir diese Mittel benötigen,
um überhaupt Projekte wie z. B. die Bremer Höhe durchzubekommen, um die Hufeisensiedlung zu einer Genossenschaft umwandeln können. Fragen Sie doch einmal, woher die Mittel kommen!
Die Wohnungen werden bei einer Rechtsformveränderung nicht obsolet, sie sind vorhanden. Und wir werden dafür sorgen, dass die Mieterinnen und Mieter weiterhin keine Sorge um ihre Wohnungen haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke, Herr Kollege! – Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr der Kollege Cramer. Bitte schön, Herr Cramer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senat – das wissen Sie alle – schmückt sich gern damit, Verkehrskompetenzzentrum Berlins sein zu wollen.
In der Tat gibt es die Voraussetzungen für diese Verkehrskompetenz, weil die großen Industrie- oder Schienenfahrzeughersteller wie ADtranz, Siemens, Bombardier und auch die Deutsche Bahn AG ihren Konzernsitz in Berlin genommen haben. Die Voraussetzungen sind also hervorragend, Modellstadt einer zukunftsträchtigen Verkehrspolitik zu sein, zu werden.
Die Voraussetzungen sind auch deshalb gut, weil unsere Vorfahren – insbesondere vor dem Krieg – hier entscheidende Grundlagen gelegt haben. Aber seit 10 Jahren ist Verkehrspolitik im Wesentlichen mit Investitionspolitik verwechselt worden. 10 Milliarden DM sind in den öffentlichen Nahverkehr investiert worden, und die Fahrgäste sind um 20 % zurückgegangen.
Das hätten Sie billiger haben können! Deshalb ist eine Korrektur unabdingbar. [Beifall bei den Grünen]
Wir konnten einige ideologische Barrieren heute schon zur Kenntnis nehmen. Beim Etat des Innensenators hieß es plötzlich hinsichtlich der Überwachung der Temposünder: Das ist ja alles Schikane! Gleichzeitig will die BVG aber zur Überwachung der Schwarzfahrer 500 Millionen DM ausgeben – 300 Millionen DM für die Infrastruktur und 200 Millionen DM für die Automaten und was alles noch dazukommt. Das passt nicht zusammen. Auch die 450 000 DM, die der Innensenator für die Parkgebühren nicht eingenommen hat, passen nicht mit den dramatischen Tariferhöhungen bei BVG und S-Bahn zusammen. Hier müssen Sie mit einerlei und nicht mit zweierlei Maß messen!
Der wesentliche Punkt ist: Sie haben die Milliarden in Neubauten investiert und riskieren damit, dass die bestehenden Systeme verrotten. Sie wissen, dass die Tunnel der U-Bahnstrecken im Ostteil der Stadt, der Linien 2, 5, 6 und 8 unbedingt der Sanierung bedürfen. Und Sie alle wissen nicht, woher Sie das Geld nehmen sollen. Wir wissen, dass das Ostkreuz nur noch aus Gewohnheit steht. Wir wissen, dass seit dem Mauerbau Zugänge en masse noch immer versperrt sind und dass Sie kein Geld haben, sie zu öffnen. Deshalb sagen wir ausdrücklich: Bringen Sie erst die bestehenden Anlagen auf den Stand der Technik, bevor Sie sich an die Großprojekte wie die U 5 heranwagen können. [Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]
Aber, Herr Senator Strieder, Sie haben nicht nur eine Verantwortung für die Verkehrspolitik, sondern weil Sie den größten Investitionsetat im Haushalt haben, haben Sie auch in besonderem Maße Verantwortung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für die Haushaltssanierung, für die Senkung der Betriebs
kosten und natürlich auch für die verkehrspolitische Effizienz. Aus diesem Grunde ist es ganz unverständlich – und wir sind besonders dem Finanzsenator Kurth dankbar, dass er es öffentlich ausgedrückt hat, und auch Herr Senator Branoner hat es klar gemacht; Sie müssen nur noch Ihren Chef, den Regierenden Bürgermeister, überzeugen! –, wie man das Geld für die U 5 beschaffen will. Unsere Rechnung dagegen ist: Für denselben Investitionsbedarf können Sie statt 5 km Unvernunft im Untergrund 100 km Schienen an der Oberfläche verlegen; sie können viermal so viele Arbeitsplätze generieren; sie können die Betriebskosten um die Hälfte senken und die Arbeitslosigkeit so entscheidend bekämpfen, dass das Land Berlin weniger an Sozialkosten aufzubringen hat und die Einnahmen steigert – also eigentlich ein wunderbares Paket! Wer es hier nicht schafft, Herr Strieder, der braucht in jedem anderen Bereich überhaupt nicht erst anzutreten; denn da ist es viel schwieriger.
[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Niedergesäß (CDU): Sozialistische Utopie!]
Not macht erfinderisch. Wenn dieses Sprichwort gilt, dann müssten wir hier in Berlin ein Eldorado an Erfindungsgeist vorfinden. Hier müssten schon längst Duostraßenbahnen und Duozüge fahren. Statt Milliarden DM zu investieren, müssten wir mit Intelligenz arbeiten – Intelligenz statt Beton, das ist das Gebot der Stunde. [Beifall des Abg. Berger (Grüne)]
Sie, Herr Strieder, haben erst seit kurzem die Verantwortung und ein schweres Erbe Ihrer inkompetenten Vorgänger übernehmen müssen, die allerdings Ihre Partei auch immer wieder gestützt hat. Aber der Lackmustest für Sie ist, ob Sie die Umsetzung der Sprüche schaffen. Ihren Spruch zu den Tarifen, die sie senken wollen, damit mehr Leute mit Bus und Bahn fahren und damit die Einnahmen der Unternehmen gesteigert werden, haben wir gestützt. Nur als es dann zum Schwur kam, sind Sie umgefallen und abgetaucht.
Für Ihre Investitionspolitik ist der Lackmustest die Straßenbahn in der Leipziger Straße. Das wird Ihnen nur gelingen, wenn Sie die U 5 verhindern können. Dazu wünschen wir Ihnen Erfolg. Bei der nächsten Haushaltsberatung können wir sehen, ob Sie die Umsetzung geschafft haben oder ob hinter Ihren Sprüchen nur heiße Luft vorhanden war. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nunmehr Herr Gaebler. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hat manchmal den Eindruck, dass die Opposition alte Vorbehalte pflegt und dass sie vor allem selbst an Leistungen der Vergangenheit nicht mehr richtig anknüpfen kann. Wenn Herr Cramer seit 1989/1990 eine verfehlte Politik beklagt, kann ich nur sagen: Wir haben zusammen mit den Grünen versucht, eine andere Verkehrspolitik zu machen.
Da gab es auch gute Grundlagen, die bis heute halten. Und diese Politik wollen wir jetzt auch fortsetzen unter der Ägide von Senator Strieder. [Beifall bei der SPD]
Zu Frau Matuschek: Sie haben die Stadt des ÖPNV eingefordert. Sie rennen da einmal wieder offene Türen ein, um eines meiner Lieblingsbilder zu verwenden.
Sie dürfen sich nicht täuschen lassen; Herr Werthebach ist nicht Verkehrssenator, und wenn er heute im „Landespressedienst“ verkündet, Berlin sei die Hauptstadt der Autofahrer, ist dies altes Denken in der Tradition der Herren Haase, Klemann und Schmitt.
Die Wahrheit ist aber: Berlin hat – bezogen auf die Einwohner – den niedrigsten Pkw-Bestand aller deutschen Großstädte.
Dies ist kein Standortnachteil, sondern eine Chance für einen zukunftsfähigen, zivilisierten Stadtverkehr, für eine stadtverträgliche Mobilität. Berlin als Hauptstadt der intelligenten Mobilität – das ist unsere Vision. Und der vorliegende Haushalt setzt dafür die Eckpunkte. [Beifall bei der SPD]
Wir haben im Haushalt eine klare Prioritätensetzung. Da das vielen wegen der vielen Seiten nicht ganz klar ist, habe ich einmal zusammengerechnet: Wir geben für den Straßenbereich aus dem Kapitel 12 den Betrag von 189 Millionen DM aus, davon 90 Millionen DM für Neubau, der Rest ist Sanierung. Für den ÖPNV geben wir 427 Millionen DM an Investitionen aus. Davon ist etwa ein Viertel für Sanierung. Wer sagt, hier seien die Schwerpunkte falsch gesetzt, dürfte eigentlich zumindest nicht aus Ihren Reihen kommen. Wir finden sie hier richtig gesetzt und wollen auch, dass das so umgesetzt wird.
Dies ist der höchste Betrag der letzten zehn Jahre. Dabei sind auch für die ÖPNV-Beschleunigung 20 Millionen DM eingeplant. Herr Strieder hat 50 km Busspur für dieses Jahr angekündigt. Das wird er auch umsetzen. Für die Beschaffung neuer Fahrzeuge, mit denen auch gleichzeitig Arbeitsplätze bei ADtranz gesichert werden, sind 60 Millionen DM vorgesehen. Die Bestellleistungen für Verkehr im Bereich BVG, S-Bahn und Regionalbahn betragen noch einmal 1 276 Millionen DM. Das ist wesentlich mehr als der gesamte Kulturetat, der 900 Millionen DM umfasst. Ich möchte wirklich darauf hinweisen, dass wir schon die ÖPNV-Stadt sind, wir können dieses noch weiter ausbauen und wollen das auch tun.
Zur Hauptstadt der intelligenten Mobilität gehört eine moderne Verkehrsrechnerzentrale, ein Verkehrsmanagement, das den Namen auch verdient, ein Infosystem im ÖPNV, das Pünktlichkeit und Anschlusssicherung und andere wichtige Sachen sichert. Das ist auf den Weg gebracht, das wird in den nächsten zwei Jahren umgesetzt und wird dann auch zu deutlicher Komfortsteigerung im ÖPNV und in der Abstimmung Individualverkehr – ÖPNV führen.
Wir werden neue Tramabschnitte in Betrieb nehmen, drei allein in diesem Jahr. Dafür ist auch in den Haushaltsberatungen noch gesichert worden, dass die Warschauer Brücke termingerecht in Betrieb gehen kann.
Das sind alles Sachen, die diese Koalition geleistet hat, für die wir eigentlich einmal Anerkennung von Ihnen erwarten könnten.