Wie sehr die Bau- und Wohnungspolitik in Berlin immer noch Inbegriff für Verschwendung, Filz und Vetternwirtschaft ist, zeigen die vielen Rechnungshofberichte, die wir in den letzten Monaten über die Entwicklungsgebiete erhalten haben. Für die dort aktiven Gesellschaften ist Berlin noch immer ein Schlaraffenland und der Landeshaushalt eine große Kasse, aus der man sich nach Belieben bedienen kann. Da werden Millionen, inzwischen Milliarden DM verpulvert. Allein im Entwicklungsgebiet Adlershof ist mittlerweile mit einem Defizit in Höhe von 1,2 Milliarden DM zu rechnen. Jahrelang hat der Senat dieser Verschwendung zugesehen. Wir meinen: Jetzt ist Schluss! Der Gesamtschaden liegt inzwischen bei rund 2 Milliarden DM, und wir vertreten die Auffassung, zumindest in Adlershof muss jetzt die rote Karte gezeigt werden. Die Verträge mit den Entwicklungsträgern dürfen nicht verlängert werden, hier wären Strafanzeigen gegen die Geschäftsführung wegen Veruntreuung wohl das bessere Mittel.
Eines der größten Finanzierungsrisiken bleibt die Krankenhauspolitik. Die Krankenhausplanung sieht die Streichung von rund 4 000 Betten und damit von rund 7 000 Stellen vor. Doch es gibt keinerlei Konzept dafür, wie das umgesetzt werden soll. Ein solcher Abbau erfordert aber ein Konzept, und er erfordert Geld, beides stellen Sie nicht bereit. Seit Jahren werden diese Strukturreformen verschoben, auch hier wieder nach dem Prinzip „Diepgen“. Leidtragende hierbei sind die Krankenhäuser. Wenn sich hieran nicht bald etwas ändert, wird es in Kürze Krankenhausschließungen geben und zwar nicht nur einzelne, sondern dutzende.
Wir wollen Ihnen heute aber auch eigene Vorschläge vorlegen. Wir wollen Ihnen zeigen, welches die ersten konkreten Schritte sein müssten, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Wir haben entsprechende Anträge gestellt, wir wollen einen Teil des Geldes umverlagern. Wir meinen, es muss etwas dafür getan werden, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Dafür wollen wir das Geld verwenden, das Sie aus dem Verkauf der Wasserbetriebe bei Seite gelegt haben, für einen sogenannten Zukunftsfonds, von dem noch keiner weiß, was konkret damit passieren soll. Wir wollen damit nicht nur die Neuverschuldung senken, sondern einen Teil investieren. Wir schlagen deshalb vor, 50 Millionen DM für die Ausstattung der Schulen mit Computer und Internetanschlüssen einzusetzen,
zusätzlich! – außerdem 40 Millionen DM für Zukunftsinvestitionen, die sich innerhalb von fünf Jahren selbst finanzieren, beispielsweise bei der Polizei, wo angeblich 700 Stellen gespart werden könnten, wenn zuvor die Technik modernisiert würde. Das sind unsere konkreten Vorschläge: Mehr Geld für Compu
terausstattung, Geld für Investitionen und ein Abfindungsfonds, mit dem der Personalabbau bei nachgeordneten Einrichtungen erleichtert werden könnte. Das sind aus unserer Sicht die konkreten Maßnahmen, die in Angriff genommen werden müssten. Wir fordern Sie auf: Stimmen Sie unseren Vorschlägen zu! Wir müssen mit den Reformen endlich beginnen, es reicht nicht nur, darüber zu reden! – Danke schön!
Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort hat nunmehr für die Fraktion der SPD der Kollege Wowereit. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befinden uns immer noch in der Haushaltsdebatte. Am Anfang meiner Rede möchte ich nicht versäumen, wie auch andere Redner es schon getan haben, Dank zu sagen. Dank zuerst an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Haushaltsberatungen vorbereitet haben. Das sind zum einen die Verwaltungen, die uns zugearbeitet haben. Ich weiß, wie schwer das teilweise ist, weil wir sehr viele Berichte angefordert haben. Da zeigt sich auch, dass Verwaltung leistungsfähig ist in dieser Stadt und nicht so schlecht, wie es immer öffentlich dargestellt wird. Hier ist die Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt worden. Dafür recht herzlichen Dank!
Ich möchte mich persönlich bei Herrn Schreiber bedanken und bei den vielen Protokollführerinnen und Protokollführern, die es in kurzer Zeit geleistet haben, die umfangreichen Inhaltsprotokolle zu erstellen. Ich weiß, dass nicht alle sie lesen, aber trotzdem, für die Interessierten ist es ganz wichtig, dass sie angefertigt werden. Das ist ein hartes Brot und es ist wieder hervorragend gelaufen. [Allgemeiner Beifall]
Die Haushaltsberatungen sind dieses Mal insgesamt geräuschloser gelaufen, das hat selbst die Opposition hier bescheinigt, und zwar nicht nur im Senat, sondern auch im Hauptausschuss.
Das lag zum größten Teil daran, dass die Eckdaten des Haushalts bereits im letzten Jahr gesetzt und dass sie durch die Koalitionsverhandlungen konkretisiert worden sind.
Und dies war auch gut so. Es hätte keinen Sinn gemacht, eine Koalitionsvereinbarung abzuschließen, die sich darum gedrückt hätte, auch die wesentlichen Eckdaten des Haushalts mit festzulegen. Dann wäre der Streit in der Tat programmiert gewesen.
Frau Fugmann-Heesing hat das überhaupt gar nicht anders gesehen, lieber Kollege Wieland. Frau Fugmann-Heesing hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass man sich tatsächlich nicht um die Wahrheiten herumgemogelt hat, sondern dass sie in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen worden sind.
Diese Eckdaten sagen nach wie vor, dass es finanzpolitisch riesige Probleme gibt in dieser Stadt, die zu lösen angesagt ist. Es macht nichts, wenn man das auch beim Wort nimmt und die Probleme in dieser Stadt offenlegt. Es hilft nichts, Probleme auszusitzen und es hilft auch nicht, so zu tun, als hätten wir keine Probleme und stattdessen Zusagen zu machen – das schöne Wort „Bemühenszusage“ ist hier schon häufiger gefallen – oder zu sagen, wir vertagen alles auf das Jahr 2005, da wird es automatisch alles besser werden.
Herr Steffel hat völlig recht, dass er als etwas jüngerer Abgeordneter sagt, die junge Generation lässt es sich nicht länger gefallen, dass wir zu Lasten der künftigen Generation bequem
[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe der Abgn. Frau Oesterheld (Grüne) und Müller-Schoenau (Grüne)]
Deshalb können Haushaltsberatungen nicht nur Freude machen. Es gab Jahrzehnte in dieser Stadt, in denen diese Stadt zu über 50 Prozent vom Bund alimentiert worden ist, wo Haushaltsberatungen so nach dem Motto abliefen: Was möchtest du denn gern noch für deinen Wahlkreis haben. Herr Wieland, hätten Sie gern für Ihren Wahlkreis etwas?
So war die Mentalität in den vergangenen Jahrzehnten. Das hat teilweise dazu geführt, dass wir in der Situation sind, in der wir uns heute befinden. Es war ein mühsamer Prozess, der seit 1996 eingeleitet worden ist, auch in diesem Haus eine Sensibilität dafür zu erwecken, dass es tatsächlich nicht so weitergeht, sondern dass wir alle die Verantwortung dafür tragen, vernünftig mit den Ressourcen dieser Stadt umzugehen.
Wir haben jetzt den fünften oder eigentlich sogar sechsten, wenn man den Nachtragshaushalt des Jahres 1996 dazu zählt, Konsolidierungshaushalt, der vorgelegt worden ist. Machen wir uns doch nichts vor! Wir haben in den vergangenen Jahren Einschnitte gemacht. Das hat zu Protesten geführt; die jüngsten haben wir gestern gesehen. Aber wer hat denn wirklich geglaubt, dass diese Absenkungsraten, diese Defizitlücken so zu schließen sind, dass es keiner merkt in dieser Stadt? Wie soll denn das gehen? – Wir müssen zwangsweise harte Entscheidungen treffen, und aus meiner Sicht haben wir das noch nicht gründlich genug gemacht. Ist denn diese Stadt in den letzten vier Jahren trotz aller harten Sparbeschlüsse zusammengebrochen? Sind wir denn nicht mehr in der Lage gewesen, die dringenden Dinge in dieser Stadt zu finanzieren, wie Sozialhilfe für die Menschen, die Hilfe brauchen? Waren wir nicht in der Lage, auch ein angemessenes Angebot im Krankenhausbereich zu machen? Waren wir nicht in der Lage, auch notwendige Bauvorhaben durchzuführen? – Wir haben doch vieles auf den Weg gebracht und finanziert! Es ist doch nicht die Katastrophe in dieser Stadt ausgebrochen!
Das zeigt andererseits auch wieder, dass es a) verantwortungsvoll war, dass es b) aber auch sicherlich noch nicht das Ende ist. Viele sagen: „Wir sind am Ende der Fahnenstange angelangt.“ [Zurufe von den Grünen]
Nein, da sind wir noch nicht – auch mit der Sparpolitik nicht, lieber Herr Müller-Schoenau! Wir haben noch einen großen Weg hinter uns zu legen. Wir haben in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt, dass bis zum Jahr 2009 die Konsolidierung erfolgt sein soll in der Weise, dass wir dann zu dem Punkt gekommen sind, dass Ausgaben und Einnahmen sich decken – ohne die Vermögensaktivierung und ohne die Netto-Kreditaufnahme. Erst im Jahr 2009 – bis dahin verschulden wir uns weiter, das darf keiner übersehen. Und das bedeutet das tägliche Ansteigen von Zinszahlungen, die wir leisten müssen. Was könnten wir heute alles machen mit über 4 Milliarden DM Zinsen, die wir für die angehäuften Schulden zahlen müssen? –
Wir würden doch über den Wissenschafts-Kultur-Etat gar nicht in dieser Art und Weise diskutieren! Den gesamten Etat könnten wir damit finanzieren – die indirekte Verschuldung aus der Wohnungsbauförderung der letzten Jahrzehnte gar nicht mit eingerechnet! Deshalb gibt es zu dem Konsolidierungskurs, den Frau Fugmann- Heesing hier begründet hat, keine Alternative, und ich bin froh darüber, dass Herr Kurth als der Amtsnachfolger diesen Weg auch konsequent weitergehen will.
Vieles ist erreicht worden, aber vieles wird auch noch zu tun sein. Und daran müssen wir uns alle beteiligen.
Wir haben immer noch die Situation, dass wir teilweise so tun, dass der öffentliche Bereich dieser Stadt abgeschottet ist von der Realität außerhalb des öffentlichen Bereichs. Wir tun immer noch so, als ob wir in einer Traumwelt leben, wenn wir über bestimmte Maßnahmen auch im öffentlichen Dienst reden, was in der Privatwirtschaft mittlerweile gang und gäbe ist.
Es kann nicht mehr so bleiben. Das ist doch nicht zur Schikane der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst! Man muss einmal erkennen, was in Privatbetrieben, bei den Banken, bei anderen großen Einrichtungen passiert: Dort explodieren die Personalkosten, und man muss darauf antworten; dort werden intelligente Lösungen zusammen mit den Personalvertretungen gefunden, wie man im Interesse des Unternehmens etwas gestaltet, was nicht mehr auf dem alten Standard sein kann. Und wenn wir die Verwaltung des Landes Berlin als öffentliches Unternehmen betrachten, ist es dringend notwendig, dass der Unternehmensvorstand für den öffentlichen Dienst, der Innensenator Werthebach, sich mit den Gewerkschaften an einen Tisch setzt und darüber nachdenkt: Wie kann ich es erreichen, dass die einzige Antwort zur Begrenzung der Personalkostensteigerung nicht immer Stellenstreichen ist? Wie können wir Personalkosten reduzieren? Wir wollen keine Stellenstreichung, wir wollen Personalkostenreduzierung.
Dann gibt es auch keine Diskussion mehr über betriebsbedingte Kündigungen. Betriebsbedingte Kündigungen können nur das letzte Mittel sein. Und wenn es nicht gelingt, uns allen die starren Barrieren des Beamtenrechts, des Tarifrechts im öffentlichen Dienst zu überwinden, dann wird das Unternehmen Verwaltung zwangsläufig früher oder später in Konkurs gehen müssen.
Warum wird denn über so viele Ausgründenden diskutiert, ob das bei den ehemaligen Eigenbetrieben der Fall ist oder in anderen Bereichen? – Doch nur deshalb, weil wir uns offensichtlich selbst mit unseren Strukturen eine Schlinge um den Hals gelegt haben, aus der wir uns ganz schwer befreien können. Das liegt aber nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern es liegt zum größten Teil an den Führungskräften. Da muss man anfangen, und da muss auch mehr Mut da sein.
Und deshalb, Herr Werthebach: Sie müssen endlich den Mut haben, das, was wir seit Jahren fordern, den Solidarpakt im öffentlichen Dienst, auch anzugehen. Und das auch mit Gewerkschaften, die zu erkennen geben, dass sie bereit sind, auch harte Maßnahmen mitzumachen, wenn es im Interesse der Sache ist und wenn dadurch etwas erreicht werden kann, worauf wir alle dringend angewiesen sind: dass junge Menschen wieder den Zugang zum öffentlichen Dienst bekommen. Wir können es nicht mehr weiter hinnehmen, dass Generationen vom öffentlichen Dienst ferngehalten werden. Wir brauchen die neuen Ideen; wir brauchen die bessere Ausbildung und die Innovationen, die auch durch jüngere Generationen im öffentlichen Dienst einen Modernisierungsschub hervorrufen, den wir uns alle dringend wünschen.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Cramer (Grüne): Aber es geht um die Arbeitszeitverlängerung!]
Aussitzen hilft da nichts mehr; es ist ein Gesamtkonzept erforderlich. Wir hatten Anhörungen dazu schon in der letzten Legislaturperiode. Man kann einiges in dieser Hinsicht machen. Es gibt Vorbilder, wie man es sozialverträglich machen und wie man tatsächlich alle mit auf den Weg nehmen kann.