Nein, nein! Nicht der Beifall ist gemeint, sondern der Text war doch nach der eigenen Aussage der Rednerin verhaltener Jubel. – Gott bewahre! Der Applaus wird nicht bewertet.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Senator Sarrazin! Was Sie geliefert haben, ist in einer Hinsicht erfreulich: Es ist eine pure, klare Zustandsbeschreibung – ungeschminkt –, und das begrüßen wir. Das ist auf jeden Fall ein deutlicher Fortschritt zu dem, was an dieser Stelle und von diesem Amt schon geäußert wurde. Es reicht allerdings nicht, zu einer Zustandsbeschreibung zu kommen, sondern die Berlinerinnen und die Berliner – und auch wir – erwarten selbstverständlich ein Aufzeigen von Wegen, wie man aus dieser Misere wieder herauskommt.
Als Erstes kritisieren wir, dass dieser Doppelhaushalt als solcher aufgestellt wird. Es ist nicht sinnvoll, gerade unter diesem Zeitdruck gleich einen Doppelhaushalt aufzustellen. Auf diese Weise ist es nicht möglich, in dem Doppelhaushalt – insbesondere was das Jahr 2003 anbelangt – strukturelle Anpassungen und Änderungen vorzunehmen. Es ist völlig klar: Wenn Sie zu diesen kommen wollen – und Sie müssen zu diesen kommen –, dann wird ein Nachtragshaushalt nötig sein. Der ist übrigens bereits angekündigt. Nach Darstellung der „Berliner Zeitung“ vom 16. April 2002 war das aus Koalitionskreisen zu erfahren. Der Nachtragshaushalt ist bereits in der Pipeline, und deshalb frage ich Sie, warum wir uns diesen Doppelhaushalt nicht sparen und gleich zwei getrennte Haushalte beschließen.
[Beifall bei der FDP – Hoff (PDS): Das nenne ich „verhaltenen Beifall“! – Zuruf von der SPD: Zaghafter Beifall!]
Schauen Sie! Ich kritisiere das Verfahren, und es gibt schon mehr Applaus als am Ende Ihrer Reden. –
Ihre Idee und Ihr Ziel ist es, zu sparen, und das ist richtig. Es ist auch richtig, wenn Sie sagen: Das Erste wo wir ansetzen, ist das Personal bzw. die Verwaltung. – Aber wenn es konkret wird wie im Unterausschuss „Stellenwirtschaft“, dann sieht es wieder düster aus. Dort ist noch kein einziges Papier bekannt geworden, was 2002 anbelangt, sondern ein Nachschieben für den 15. Mai angekündigt – also in einem Monat. Was 2003 betrifft, Herr Senator, haben Sie schon selber angesprochen, dass das ein ziemliches Wagnis ist: Sie stellen 250 Millionen $ für den Solidarpakt ein – d. h. für das hehre Ziel, mit den Gewerkschaften in diesem Bereich und in diesem Volumen zu einer Einigung zu kommen. – Wenn man aber mit Ihnen darüber diskutieren will, was Sie machen, wenn es nicht zu einer solchen Einigung kommt, erfährt man nichts. Dann weigern Sie sich, Alternativen zu diskutieren, und ich glaube auch zu wissen, warum:
Es liegt nicht daran, dass Sie die Verhandlungstaktik mit den Gewerkschaften nicht preisgeben wollen, sondern es liegt daran, dass Ihr Koalitionspartner, die PDS, nicht im Traum daran denkt, die dann einzig möglichen Alternativen wie Arbeitszeiterhöhung im öffentlichen Dienst einseitig im Bereich der Beamtenschaft und vor allem auch betriebsbedingte Kündigungen durchzusetzen.
Das haben Sie auch im Vorfeld schon angekündigt. Wenn Ihre Phantasie zu mehr reicht, dann sagen Sie es doch! Reden Sie doch im Unterausschuss und im Hauptausschuss darüber, welche Maßnahmen dann in Frage kommen, wenn Sie nicht zu dem Solidarpakt kommen! – Sie werden nicht zu dem Solidarpakt kommen. Das kann ich Ihnen gleich sagen.
Wenn Sie im Bereich Personal und Stellen zu Recht Ihren Schwerpunkt setzen und selbstverständlich auch zu Recht auf Vergleiche mit Städten wie Hamburg verweisen, dann müssen Sie auch überlegen, wo es Strukturen gibt, die es aufzubrechen gilt. Herr Sarrazin, wenn Sie sagen: Dieser Haushalt spart ein, was systemimmanent ist, dann müssen Sie heran an das System und die verkrusteten Strukturen aufbrechen. Heute fordert der Antrag der Koalitionsfraktionen unter Tagesordnungspunkt 11 den Verzicht auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe, was auch wir sehr begrüßen. Aber wenn Sie schon an die Fehlbelegungsabgabe herangehen, warum gehen Sie nicht auch gleich noch an die Zweckentfremdungsverbotsverordnung und die anderen wohnungswirtschaftlichen Vorschriften heran?
[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Trapp (CDU) – Wolf, Harald (PDS): Der Beifall war schon besser!]
Denn dann haben Sie die Chance, auch die Wohnungsämter abzuschaffen, das ist ein Herangehen an Strukturen. Dann haben Sie nicht eine Mängelwirtschaft und eine Mängelverwaltung, sondern dann haben Sie in diesem Bereich einen systematischen Abbau der Verwaltung. Das kommt einerseits den Bürgern zugute und andererseits der öffentlichen Kasse. Das ist ein sinnvolles Herangehen, das ist Aufgabenkritik, und dieses werden wir einfordern. [Beifall bei der FDP] Keinesfalls durchgehen lassen wir, dass Sie unter dem Etikett „Privatisierungen“ beispielsweise Rechtsformen umwandeln und einen staatlichen Betrieb in eine GmbH & Co KG ändern, wie Sie das bei dem LIT vorhaben, ohne gleichzeitig genauestens zu untersuchen, welche Aufgaben beispielsweise das LIT zukünftig haben soll und was an mittelständische Unternehmen der Privatwirtschaft Berlins übergehen kann. Herr Sarrazin! Sie haben Recht, dass dieser Haushalt eine enorme konsumtive Schlagseite hat. Sie verweisen zu Recht auf die 3,8 Milliarden sächliche Verwaltungsausgaben – Ausgaben für den Schuldendienst. Selbstverständlich kann man auch auf die Gruppierungskennzahl 6 verweisen – Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahmen für Investitionen: 4,8 Milliarden. – In diesem Bereich kommen Sie nur zu einem drastischen Abbau von Zuschüssen, wenn Sie auch bereit sind, beispielsweise diese Wohnungsbaugesellschaften radikal zu veräußern. Das ist nicht nur der Weg, um zu Ihren eher etwas kümmerlichen – wie wir meinen – 600 Millionen $ an eingestellten Einnahmen aus Vermögensaktivierung zu gelangen, sondern das ist vor allem auch der Weg, Zuschüsse einzusparen. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass die Wohnungsbaugesellschaften im letzten Jahr einen Fehlbetrag von über 450 Millionen $ aufwiesen. Zum anderen haben wir im Bereich von Vivantes Zuschüsse von 230 Millionen $. Das sind also gigantische Zahlen, und die „Berliner Zeitung“ hat völlig Recht, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass das lauter potentielle Bankgesellschaften sind, mit denen wir uns hier dann bald wieder zu beschäftigen haben, wenn wir nicht radikal herangehen, diese Gesellschaften zu veräußern. [Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)] Es gibt eine zweite Möglichkeit, diese konsumtive Schlagseite zu beseitigen, und das ist das Absenken von Kosten für Soziales, und zwar vor allem dadurch, dass die eigene Wirtschaftskraft gestärkt wird. Herzlichen Dank, Herr Sarrazin, dass Sie mittlerweile auch erkannt haben, dass es in der Struktur unserer Einnahmen Probleme gibt. Anfangs hatten Sie ja gesagt, wir hätten keine Einnahmeprobleme, aber vorhin haben wir etwas anderes gehört. Ich begrüße das ausdrücklich. Doch jetzt muss man sich überlegen, wie man dazu gelangt, die Wirtschaftskraft Berlins zu erhöhen. Dazu haben wir in Ihrem Koalitionsvertrag und in dem gestern vorgelegten Entwurf eines Haushaltes nichts vorgefunden. Es findet sich darin gar nichts, wo man sagen könnte, hier werden Investitionen vorgenommen, die in die Zukunft weisen. Da ist nichts! Wir hatten uns in den vergangenen Runden hauptsächlich mit Bereichen wie Bildung, Wissenschaft und Forschung befasst. Lassen Sie uns einmal zu einem anderen Bereich kommen – Frau Spranger, Sie haben das angesprochen –, und reden wir einmal über Rechtspolitik! Herr Präsident, ich erlaube mir, hierzu aus der Koalitionsvereinbarung von Rot-Dunkelrot zu zitieren. Dort heißt es in der Präambel: Lange Verfahrensdauer, ausbleibende Vollstreckungen, langatmige Registersachen untergraben nicht nur die Akzeptanz der Justiz und das Rechtsstaatsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, sondern sind sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen zur existentiellen Bedrohung geworden. Eine stockende Justiz wird damit auch zu einem Hemmschuh wirtschaftlicher Entwicklung. – Völlig richtig! [Beifall bei der FDP – Hoff (PDS): Da können Sie noch viel lauter klatschen! – Heiterkeit]
Das haben wir auch mit entworfen in den Verhandlungen für eine Ampelkoalition. – Am Ende heißt es jetzt:
Es wird ein Sofortprogramm entwickelt und umgesetzt, das die Kommunikation innerhalb der Justiz sowie mit der Polizei verbessert und eine Erstausstattung der Gerichte – insbesondere der Geschäftsstellen – mit netzfähigen PC sicherstellt. Dieses auch die Ausstattung der Staatsanwaltschaft beinhaltende Programm ist unverzüglich zu entwickeln und zeitnah umzusetzen. Dafür wären Haushaltsmittel in Höhe von 39 Millionen $ erforderlich.
Ende des Zitates aus der Märchenstunde bei den Gebrüdern Strieder und Gysi! Denn gestern haben wir erfahren, dass gar nichts von diesen 39 Millionen $ auf den Weg gebracht ist. Herr Benneter: Vor einer Woche standen Sie im Casino und haben der versammelten Anwaltschaft des Anwaltvereins noch etwas von diesen 39 Millionen $ erzählt, und gestern hören wir im Hauptausschuss, dass es nichts, aber auch gar nichts davon gibt.
Nein, das ist nicht falsch. Dann zeigen Sie mir doch einmal, Herr Kollege Wolf, unter welchen Titeln in dieser Erstausstattung die IT-Ausrüstung eingestellt ist. Sie gibt es nicht.
Herr Kollege Lindner! Nehmen Sie mit mir zur Kenntnis, dass wir gemeinsam den Anwälten nicht das „Blaue vom Himmel“ versprochen haben, sondern ihnen gesagt haben, wie wichtig wir es finden, dass hier ein Anfang gemacht wird. Wenn Sie jetzt in den Haushaltsplan hineingucken, dann hat die Senatsverwaltung für Justiz hier 2,5 Millionen vorgesehen, um endlich zu beginnen, das Amtsgericht Tiergarten und das Kriminalgericht auszustatten. Sind Sie so nett und nehmen das zur Kenntnis und machen mich nicht dafür verantwortlich,
Herr Benneter, 2,5 Millionen! Und dann vor einer Woche von den 39 Millionen aus Ihrem Koalitionsvertrag zu berichten!
Herr Kollege Benneter, nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass das bei den Adressaten einer solchen Botschaft natürlich so ankommt, dass hier tatsächlich 39 Millionen zur Verfügung gestellt werden. Und wenn in diesem Koalitionspapier auch noch von einem Sofortprogramm die Rede ist, dann ist es durchaus dürftig, wenn man gerade man 2,5 Millionen $ einstellt.
Aber lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zur Verfassungswidrigkeit des Haushaltes sagen. Auch da war es sehr erfrischend, was gestern im Hauptausschuss passierte: Während der Kollege Wolf sich noch krampfhaft bemühte, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts herbeizureden,
hat der Herr Sarrazin ganz ungeschminkt zugegeben, dass es hier nur die Wahl gibt zwischen Illegalität oder Illiquidität. Das ist gestern das Resümee gewesen.
Es gibt zwei Möglichkeiten, an so ein Problem heranzugehen: Entweder passt man die Realitäten dem Gesetz an oder das Gesetz den Realitäten. Da hat der Herr Senator Sarrazin ganz klar erklärt, er kann nicht wie er will, sonst würde er drastisch die Beamtengehälter kürzen oder was auch immer machen, jedenfalls dann irgendwann zu einem Haushalt kommen, der mit Artikel 87 Abs. 2 VvB konform ist.
Da das aber nicht geht, bleibt eigentlich nur die Möglichkeit übrig, die der Kollege Zimmer auch schon angesprochen hat, dann muss man sich überlegen – und das ist eine Sache der Regierung, die nicht in der Lage ist, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen –, ob man die Berliner Verfassung dieser Haushaltslage, diesem Haushalt anpasst.
Was aber nicht geht und was wirklich eine Zumutung ist, – – Sie sagen, dass ist unglaublich: Dann stellen Sie doch einen verfassungskonformen Haushalt hin, Herr Wolf. Das ist, was uns am Allerliebsten wäre. Das ist doch klar.
Was aber nicht geht, ist, dass Sie dauerhaft einen illegalen, einen rechtswidrigen, einen verfassungswidrigen Zustand zementieren wollen. Das werden wir nicht hinnehmen, und wir werden hier auch weiterhin aufzeigen, welche Wege es gibt, insbesondere die Strukturen aufzubrechen.
Sie sind dazu nicht in der Lage. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, 39 Millionen $, die Sie versprochen haben, für ein wenig IT-Ausstattung bereitzustellen. Wie wollen Sie da in die Lage kommen, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um Berlin wieder nach vorn zu bringen. – Vielen Dank!