wäre nicht weniger deutlich geworden, wenn ich am Tag der Demonstration an anderen Verpflichtungen teilgenommen hätte.
Jetzt aber ist eine Situation entstanden, in der durch meine Teilnahme und die der anderen PDS-Senatoren entweder die Regierungsfähigkeit der PDS oder aber ihre Glaubwürdigkeit als Antikriegspartei in Frage gestellt werden sollen. Natürlich ist dieser Gegensatz absurd.
Es geht – Ihnen vor allen Dingen – gar nicht mehr um das Anliegen der Friedensdemonstration oder was dort passieren wird anlässlich des Bush-Besuchs, sondern darum, der PDS und der Koalition Schaden zuzufügen. Die Koalitionäre waren sich bei Abschluss der Koalition bewusst darüber, dass es auch Differenzen in Fragen der Außenpolitik gibt. Das fanden wir nicht so erheblich angesichts der wichtigen Aufgaben, die wir hier für dieses Berlin übernehmen wollten und übernehmen und gut und richtig angegangen sind und lösen werden.
Die einen möchten den Nachweis erbringen, dass diese Koalition in einer Krise ist. Die anderen warten auf den Nachweis, dass die PDS von ihrer konsequenten Friedenspolitik abweicht. Ich stehe weder für den einen noch für den anderen Nachweis zur Verfügung. Ich lasse mich auch nicht in eine Konfrontation zu den beiden anderen PDS-Senatoren bringen. Als Senatorin will ich weder an solcher Polarisierung mitwirken, noch bin ich bereit, mich dafür instrumentalisieren zu lassen.
Ich lasse es auch nicht zu, dass meine politische Haltung lediglich an der Teilnahme an einer Demonstration gemessen wird. [Zuruf des Abg. Borgis (CDU)]
Ich bin auf Grund dieser polarisierenden Situation und der symbolischen Überfrachtung dieser Angelegenheit – und was Sie von der CDU heute geboten haben, unterstreicht das mit allem Nachdruck, dass das nur noch Symbolik ist –
zu der Schlussfolgerung gekommen, selber an der Kundgebung der Friedensbewegung nicht teilzunehmen. Diese Entscheidung ist mir schwer gefallen; das war ja auch deutlich zu merken. Aber Politik ist eben mehr als eine Mutprobe.
Ich wünsche mir, dass sehr viele Menschen dem Aufruf zu einer ebenso eindrucksvollen wie friedlichen Demonstration folgen. Leider werde ich nicht dabei sein. – Danke schön!
Danke schön, Frau Senatorin! – Das Wort zu einer Nachfrage hat der Kollege Hahn. – Bitte schön, Herr Hahn!
Frau Senatorin, Sie haben viel vorgelesen, aber meine Frage nicht beantwortet, und deswegen wiederhole ich sie: Wie können Sie es mit Ihrem Amtseid vereinbaren, dass Ihre Partei zu einer Demonstration aufruft, die erkennbar dazu führen wird, dass antiamerikanische Ausschreitungen das Ansehen Berlins schädigen werden?
Es ist ja interessant, woher Sie Ihre Erkenntnisse wohl haben. Wenn ich den Innensenator richtig verstanden habe, geht er nicht davon aus, dass von der Demonstration am Vorabend des Bush-Besuches irgendeine gewalttätige Aktivität ausgehen wird. Er geht davon aus, dass diejenigen, die zu dieser Demonstration aufrufen, für den Frieden eintreten. Da kann ich dem Regierenden Bürgermeister nur zustimmen: Menschen, die zum Frieden aufrufen, machen das auch friedlich. Für die schließt sich Gewalt aus. Und wenn es dabei andere gibt, die das anders sehen, dann werden wir das so oder so herum nicht verhindern können.
Ich finde es richtig, dass die PDS durch ihren Aufruf und durch ihre Teilnahme an dieser Demonstration mit dazu beitragen wird, dass diese Demonstration und diese Kundgebung friedlich sein wird.
[Gram (CDU): Sie tragen die Verantwortung! – Dr. Lindner (FDP): Sie bilden die Kulisse dafür! – Beifall bei der SPD]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Frage geht auch an die Senatorin für Soziales, Frau Knake-Werner. Und ich gestatte mir einen einleitenden Satz, Herr Präsident, bevor ich dann die Frage stelle.
Nein, wenn Sie mich schon so fragen, dann ist es so, dass nach § 51 Abs. 4 der Geschäftsordnung die Anfrage ohne Begründung vorzutragen ist.
Ich frage Sie, Frau Knake-Werner, weshalb haben Sie das Auslaufen des Vertragsverhältnisses mit der Firma InfraCart/ SodexhoCart über das Chipkartensystem nicht dazu genutzt, endlich dieses diskriminierende Chipkartensystem abzuschaffen und Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge bar auszuzahlen, wie es von einer großen Mehrheit dieses Hauses seit Jahren gefordert wird, von den Grünen, der PDS und eigentlich auch einer Mehrheit in der SPD?
Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Sie haben Recht, das Abgeordnetenhaus hat mich mit großer Mehrheit aufgefordert, – und da hieß es ganz genau – zu prüfen, für welche Fallgruppen – Menschengruppen – das bestehende System des Leistungsbezugs nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Rahmen des rechtlichen Ermessens so ausgestaltet werden kann, dass Leistungen in Form von Bargeld gezahlt werden können.
Ich hatte zu prüfen – und das habe ich auch getan –, und bei dieser Prüfung hat sich herausgestellt, dass es sowohl unterschiedliche Rechtsauffassungen in meinem Haus gibt und dass es offensichtlich auch sehr unterschiedliche Rechtsauffassungen und auch eine unterschiedliche Praxis in den anderen Bundesländern gibt. Zum Beispiel werden Barleistungen in Hamburg, in Bremen und in Teilen von Nordrhein-Westfalen erbracht, ich glaube, auch in Sachsen-Anhalt. Ob das weiter so bleibt, wird sich herausstellen.
Es bezieht sich dabei auf die Leistungsberechtigten nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtungen. Angesichts dieser Situation habe ich folgende politische Entscheidung getroffen: Ich habe entschieden, dass das Chipkartensystem zugunsten von Barleistungen außerhalb von Erstaufnahmen aufgegeben wird.
Diese Umgestaltung erfordert allerdings eine politische Debatte ebenso wie eine verwaltungsinterne organisatorische Vorbereitung. Vor diesem Hintergrund wurde der Vertrag zwischen der Chipfirma und der zentralen Leitungsstelle für Asylbewerber zum jetzigen Zeitpunkt nicht gekündigt. Er wird zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt. Das sieht dann ganz praktisch so aus: Es hätte zum 30. März – das wissen Sie natürlich – gekündigt werden müssen. Bis zu dieser Zeit war unsere Prüfung noch nicht abgeschlossen und noch keine Einigkeit hergestellt. Deshalb haben wir zu dem Zeitpunkt nicht gekündigt. Was wir aber zu diesem Zeitpunkt erreicht haben – das will ich noch einmal ausdrücklich unterstreichen –, ist, dass es zwei Veränderungen bei dem Chipkartensystem geben wird.
Die erste Veränderung ist die, dass künftig das Geld, das in einem Monat nicht ausgegeben wird, auf die weiteren Monate übertragbar ist. Das gab es bisher nicht, das Geld ist dann verfallen.
Das zweite ist, dass der Chipkartenunternehmer, der Vertragspartner, sich bereit erklärt hat, eine Billigkette in das Einkaufsangebot mit aufzunehmen.
Unter diesen Bedingungen läuft jetzt der Vertrag ab 30. Juni ein Jahr weiter. Wir werden ihn dann zum nächstmöglichen Termin kündigen und werden dann Barleistungen zahlen.
Es handelt sich um einen Personenkreis – um das auch noch einmal zu sagen – von 2 400 Personen, die in unserer Verantwortung, also in der Verantwortung der Senatsverwaltung und des LAGeSo sind. Auf die Bezirke haben wir diesbezüglich keine Einwirkungsmöglichkeiten, die entscheiden das autonom.
Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass sich die Koalitionspartner auch einig sind und wir uns dann darauf verlassen können?
Was Sie richtig verstanden haben und was Sie auch wissen, ist, dass das Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit diesen Beschluss gefasst hat und wir auch weiterhin die politische Debatte darüber führen und ich zunächst einmal gesagt habe, welche politische Entscheidung ich treffe.