Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Eßer, die Zahlensystematik, die Herr Wowereit gerade angewendet hat, hat ja noch einen ganz anderen Charme als den, den Sie herausgestellt haben. Wenn er die erfolgreichen Zahlen bis 2001 nennt, dann will er offensichtlich auf die Erfolge der großen Koalition auf diesem Sektor hinweisen. Das ist doch auch mal ganz schön. Ansonsten, muss ich sagen, dass bei der Betrachtung der Medienlandschaft in Berlin der Hinweis auf die Printmedien in der Fragestellung gefehlt hat. Deshalb ist diese meines Erachtens zu kurz gekommen, was deshalb bedauerlich ist, weil es der Situation insgesamt – wie wir wissen – auch nicht gut geht. Da werden Mitarbeiter entlassen – es werden übrigens auch Verlage fusioniert –, und das ist auch ein Weniger an Meinungsvielfalt. Aber vielleicht gehört das dann in einen anderen Kontext.
Lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zu dem Medienthema machen, das uns am meisten bewegt, also die Fusion. Frau Lötzsch und Frau Ströver haben es erwähnt, aber Sie, Herr
Zimmermann, haben mich fast gerührt. Da war die SPD gerade einmal acht Nachkriegsjahre nicht an der Macht, und jetzt weinen Sie, weil ausgerechnet eine einzelne Person, nämlich Herr Landowsky, angeblich die Fusion der Sender verhindert hat. Ja, wo war denn die SPD da? Hatte Sie so wenig Einfluss, dass ein Einzelner stärker war? Oder haben Ihnen vielleicht die Argumente gefehlt?
Offensichtlich in Ermangelung einer Vision, einer Konzeption für die Entwicklung Berlins – Lösung der Haushaltsprobleme – und übrigens auch einer Perspektive für ein gemeinsames Bundeslang Berlin-Brandenburg, plant der Senat des schnellen Erfolgs wegen eine – wie wir meinen – ziemlich hastige Fusion der Sender SFB und ORB, was bislang in keinerlei Konzept oder Zusammenhang zu einem gesamten Bundesland steht. Im Gegenteil! – Wir haben es gerade bei der Darstellung der Medienlandschaft gehört. – Da werden Babelsberg und Adlershof durchaus nicht gemeinsam, sondern getrennt erwähnt. Die Diskussion ist letztes Jahr ein bisschen für Wahlkampfzwecke von der SPD instrumentalisiert worden, was unseres Erachtens die fatale Folge hatte, dass wir hier nicht zuerst über Programme und Inhalte sprechen, sondern über die Strukturen, die eine dienende Funktion hätten. Insofern hätten wir uns insgesamt eine andere Diskussion gewünscht. – Aber nun läuft das so.
Die konzeptionslose Hektik hat nämlich zur Verunsicherung geführt, und zwar nicht nur bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie anderen Betroffenen, sondern auch beim Publikum. Jedenfalls scheint es so, als sei den Gebührenzahlern bis heute ein Vorteil der Fusion nicht vermittelt worden. Dabei wird sich die Medienlandschaft dramatisch verändern, und zwar nicht nur aus technischen Gründen – Digitalisierung und dergleichen sind angesprochen worden –, sondern weil sich im öffentlich-rechtlichen Bereich durch das Ende der Gebührenperiode auch dramatische Umbrüche ergeben werden.
Vor allen Dingen deshalb unterstützt inzwischen auch die Fraktion der CDU im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Fusion. Aber unter einigen Voraussetzungen: Die Stärkung des öffentlichrechtlichen Rundfunks muss gesichert sein, und das bedeutet konkret, dass sie nicht zu einer Reduzierung der programmlichen Leistung führen darf. Dabei reden wir offen darüber, dass aus den bisherigen acht Hörfunkprogrammen beispielsweise nur noch fünf, wenn auch flächendeckende Frequenzen, zur Verfügung gestellt werden sollen. Also geht der Rest durchaus an die Privaten. Daraus folgt: Welche der bestehenden acht Hörfunkprogramme fortgeführt werden können oder sollen, das ist eine Aufgabe, die wir in Vertretung des Gebührenzahlers zu regeln haben. Ebenso müsste unseres Erachtens darauf geachtet werden, dass beim Fernsehprogramm – neben der Regionalberichterstattung – auch die Hauptstadtfunktion Berlins berücksichtigt wird.
Die Stärkung der neuen Anstalt innerhalb der ARD – wir haben das schon erwähnt – muss zumindest darin sichtbar werden, dass der Zulieferungsanteil an die ARD bei mindestens 7 % bleibt. Bisher sagt allerdings jede Darstellung der Finanzstatute, dass dieses nach dem derzeitigen Finanzierungsstand beider Anstalten – auch wenn sie dann zusammen sind – nicht geleistet werden kann – einmal unabhängig davon, dass bisher niemand den Mut hatte, über fusionsbedingte Lasten zu reden. Die Umstellung – beispielsweise simpler Logos – läuft bei anderen Sendern in zweistelliger Millionenhöhe. Für derartige Dinge ist keinerlei Vorsorge sichtbar. Die bedarfsgerechte Finanzierung – Frau Lötzsch, Sie haben Recht: Zwei Arme machen keinen Reichen, das haben wir immer betont. – ist bis heute nicht geklärt. Herr Wowereit, das ist unseres Erachtens Ihr Job, Ihre Aufgabe! Sie müssen nämlich in den Länderregierungen und in der Ministerpräsidentenkonferenz dafür sorgen, dass es nicht nur bei der Anschubfinanzierung der fusionsbedingten Lasten bleibt, sondern dass möglicherweise auch der Finanzausgleich – dieser besonderen Situation geschuldet – fortgeführt wird.
Die Struktur des neuen Senders hat sich an einer Zweiländeranstalt zu orientieren – das ist gesagt worden. Dazu gehört unseres Erachtens eine erkennbare Präsenz der Hauptstadtberichterstattung und der Wirkung der Metropole im Programm. Das ist unseres Erachtens auch ein Schwerpunkt in der Kultur. Ich finde es deshalb nicht unproblematisch, dass in dem Gesetzentwurf von mehreren Regionalstudios die Rede ist. Unabhängig davon, ob das in Perleberg oder in Cottbus ist, fordert es schließlich auch Geld.
Rundfunkrat, Verwaltungsrat und Programmausschuss müssen in ihrer Zusammensetzung natürlich die gesellschaftliche Wirklichkeit abbilden. Frau Lange, dazu gehören natürlich auch die Parteien, denn sie sind an der Meinungsbildung des Volkes beteiligt. Die SPD sollte sich mit der Kritik an dem – zugegebenermaßen – ungeschickten Verhalten der CDU-Kollegen aus Brandenburg zurückhalten. Immerhin war es dort die PDS, die die dortige SPD aufgefordert hat, mit der Heuchelei aufzuhören. Schließlich ist es ein Redakteur Ihrer Parteizeitung „Vorwärts“, der jetzt im Direktorium der Sendeanstalt sitzt – wenn das keine parteipolitische Einflussnahme ist!
Anders als die meisten Vorredner sind wir der Meinung, dass der Verwaltungsrat nach dem Vorbild anderer ARD-Anstalten als eigenes Organ zu konstituieren ist. Bei der Berufung dieser Mitglieder kann eine ganz andere Expertise gerade in finanztechnischen Fragen und Haushaltsfragen eingeholt werden, als es bei der heutigen Zusammensetzung erkennbar nämlich nicht der Fall ist. Im Übrigen, Frau Ströver, glauben wir, dass die Verbindung mit dem Rundfunkrat trotzdem gegeben ist. In den anderen ARD-Anstalten funktioniert das nämlich auch.
Zur Identifikation der Bürger – das ist nach wie vor die Hauptsache – mit ihrem Sender muss unseres Erachtens dessen Name Berlin und Brandenburg enthalten sowie auch einen Hinweis auf die spezifische Geschichte der Stadt und ihren Freiheitswillen.
RIO geht unseres Erachtens nicht, auch wenn uns vielleicht der Wettbewerb noch ein paar wunderbare Offerten machen wird. Das bezweifle ich allerdings. Es ist aber immerhin ein Stück Unterhaltung. RIO geht nicht, weil er einen Teil der Bevölkerung diskriminiert, diejenigen, die sich vielleicht nicht gerade mit dem Osten identifizieren wollen und solche, die vor allem die Teilung in Ost und West nicht immer wieder formulieren möchten.
Trotzdem bin ich sicher, dass sich viele damit schlecht identifizieren können. Man sollte mit dem Namen einer gemeinsamen Anstalt solchen Versuchungen vorsichtshalber nicht erliegen. Der Sitz des Intendanten – wenigstens der Sitz einer Person –, Herr Wowereit, wenn nicht aller Mitarbeiter, gehört nach Berlin, weil es die Kraftquelle der Region ist. Daher muss der Sitz des Senders in der Metropole sein.
Zur Vorbereitung einer interessengerechten Fusion können wir uns die Benennung eines über die Parteigrenzen hinaus akzeptierten Gründungsbeauftragten durchaus vorstellen. Dem Vorwurf der Verzögerungstaktik halten wir die Aufforderung entgegen, die Hast zu begründen. Es ist unlogisch und nicht konsequent zu sagen, dass dieses bis zum 1. März 2003 erfolgen muss. Dem Zeitplan scheinen uns sachfremde Erwägungen zugrunde zu liegen. Deshalb zeigt die Debatte, dass, wenn wir uns auch in vielen Punkten einig sind, vor allen Dingen die Hektik herausgenommen werden muss. Dies muss deshalb geschehen, weil wir nur auf der Grundlage eines nachvollziehbaren und vernünftigen Finanzstatus ermitteln können, welche Form von Programmen überhaupt möglich ist. Das sagen wir hier erneut: Es ist die Hauptsache eines solchen Senders. Wir werden gemeinsam eine Rundfunkratstruktur beschließen können, die mit Sicherheit die Bedürfnisse sowohl der Stadt wie des Landes abbildet. Das Wichtigste bleibt das Programm. Ich sage Ihnen, Herr Wowereit, dass Sie sich nicht gleich ausruhen müssen.
Aber nehmen Sie sich bei dieser Senderfusion ein Vorbild bei Ihrem Kanzler und betreiben Sie sie mit ruhiger Hand! – Danke!
Vielen Dank, Frau Kollegin Grütters! – Das Wort hat jetzt für die Fraktion der PDS Frau Dr. Lötzsch. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorwurf von Hektik und Hast ist nicht richtig zu unterlegen. Wenn es einen klaren Zeitplan gibt, wenn es – wie geschehen – mehrere Anhörungen und Diskussionen gegeben hat und sich jetzt noch eine Phase der Diskussion anschließt, wie die Anregungen aus den Anhörungen in den endgültigen Text eingearbeitet werden können, ist das eine überschaubare Angelegenheit. Es ist hilfreicher, als die Fusion auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Dann wäre dies gleich wieder eine Beerdigung 1. oder 2. Klasse.
Die Forderungen des Kollegen Braun von der CDU, die sich vor allem auf die Forderungen seiner Parteikollegen im Landtag Brandenburg bezogen haben, haben einen kleinen Schönheitsfehler. Inzwischen liegt uns die Dokumentation des sogenannten Geheimpapiers, der Stichworte eines CDU-Beraters zu dem Fusionsstaatsvertrag, in gedruckter Form vor. In „epd medien“ wurde es veröffentlicht. Es ist an mehreren Stellen deutlich geschrieben worden, dass dieses und jenes getan werden solle, um Zeit zu schinden, um den Intendanten Rosenbauer zu verhindern und um in Personalfragen einen größeren Einfluss der CDU zu sichern. Das steht hier schwarz auf weiß. Das ist auf wundersame Weise – das müssen Sie in Ihrer eigenen Partei klären – in die Öffentlichkeit geraten und kann so nicht mehr einfach vom Tisch gewischt werden. Dadurch relativieren sich natürlich eine Reihe der Argumente, die Sie vorgetragen haben. Natürlich muss es ein Wirtschaftskonzept geben. Leider wird diese Forderung dadurch konterkariert, dass gerade die Fraktionskollegen der CDU aus Brandenburg geschrieben haben, dass alle diese Forderungen nur aufgeschrieben würden, um Zeit zu schinden, einen bestimmten Intendanten zu verhindern und um größeren personellen Einfluss zu gewinnen. Das ist ein Punkt, der zur Selbstdiskreditierung geführt hat. Man hätte seriös darüber diskutieren können, wenn es diese Verquickung nicht gegeben hätte.
Ich möchte noch auf einen zweiten Punkt eingehen. Es geht um den Rundfunkrat und die Vertretung gesellschaftlicher Gruppen im Rundfunkrat. Sicher wird es nie einen Rundfunkrat geben, mit dem alle zufrieden sind. Wir werden sicherlich heftige Diskussionen darüber haben, ob die gesellschaftlichen Gruppen, die letztendlich vorgesehen sind, für den Rundfunkrat auch die wesentlichen sind. Man sollte sich vielleicht auch einmal überlegen, ob wir nicht auch Bürger, die die Gebührenzahler zu vertreten haben, in den Rundfunkrat schicken können, die sich auch wirklich Zeit nehmen und diese auch haben, fernzusehen und Radio zu hören, also die wirklichen Zuschauer und Zuhörer sind.
Wenn es jetzt aber heißt, Frau Ströver, dass keine Parteienvertreter vorgesehen sein sollen, keine Abgeordneten, sollten wir auch ehrlich bei der Sache bleiben. Wir wissen doch, wer dabei ist. Wenn Sie als Fraktion der Grünen sagen, Sie schicken keine Parteienvertreter, frage ich mich, wo die Ferne bleibt, wenn Sie Ihren Fraktionspressesprecher in den Rundfunkrat entsenden. Er ist natürlich kein Abgeordneter. Aber als Fraktionspressesprecher ist er doch ziemlich nahe an der Politik.
Sie haben diese Forderung schon lange aufgestellt. Sie versuchen in der Öffentlichkeit immer den Eindruck zu erwecken, als hätten Sie das längst vollzogen. Das ist nicht der Fall. Wir können uns aber gern darüber noch einmal freundschaftlich verständigen.
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen. Die Fusion – das ist bereits von mehreren angesprochen worden – berührt in hohem Maß die Rechte der Mitarbeiter. Es ist wirklich eine Fehleinschätzung, Herr Kollege Lindner, zu sagen, dort wäre ein Ausstattungsvorsprung, der abgebaut werden müsse. Wenn wir hier über Ausstattungsvorsprünge sprechen, die Berlin hat, sind doch sicher andere Bereiche gemeint und nicht die Mitwirkungsrechte von Mitarbeitern.
Wir haben diesbezüglich einen Dissens. Ich will Ihnen nur einmal die Definition von Ausstattungsvorsprüngen aus meiner Sicht etwas näher bringen.
Ja, das belebt auch das politische Geschäft. Das ist auch sehr schön! Was nicht schön ist, weil es noch nicht geregelt ist – wozu wir uns auch verständigen müssen –, ist, dass beide Rundfunkanstalten nur deshalb so gut funktionieren, weil sie auch eine hohe Zahl von freien Mitarbeitern beschäftigen. Die Zahl der freien Mitarbeiter ist im Verhältnis zu den festangestellten Mitarbeitern gestiegen. Diese Beschäftigung können wir per Gesetz nicht regeln. Wir müssen aber in der Diskussion im Eigeninteresse des neuen Senders eine Lösung finden, die die wertvolle Arbeit dieser Kollegen auch absichert. Ich hoffe, dass es uns gemeinsam gelingen wird! – Herzlichen Dank!
Herr Dr. Lindner schenkt Zeit. Herzlichen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit beantwortet und besprochen. Die Aktuelle Stunde hat ihre Erledigung gefunden.
Zum Antrag über die Fusion von SFB und ORB Drucksache 15/462 bittet die antragstellende Fraktion der Grünen um Überweisung in den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medienpolitik, worüber ich jetzt abstimmen lasse. – Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es von der Fraktion der CDU. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
II. Lesung des Antrags der Fraktion der Grünen über Gesetz zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes, Drucksache 15/153, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 10. April 2002
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf Artikel I und II, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Drucksache 15/153.
Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung empfiehlt mehrheitlich – gegen die Stimmen der Fraktion der Grünen – die Ablehnung des Gesetzes.
Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Ich lasse abstimmen. Wer dem Gesetz zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes in der Fassung der Drucksache 15/153 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Das ist die Mehrheit! – Stimmenthaltungen? – Der Gesetzesantrag ist damit abgelehnt.