Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

Wir kommen zur

lfd. Nr. 3, Drucksache 15/400:

II. Lesung des Antrags der Fraktion der Grünen über Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Senats (Senatorengesetz – SenG), Drucksache 15/109, gemäß Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung vom 14. März 2002 und des Hauptausschusses vom 17. April 2002

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. Ich höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Artikel I und II, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Drucksache 15/109.

Die Ausschüsse empfehlen mehrheitlich die Ablehnung des Gesetzes, und zwar im Rechtsausschuss gegen die Stimmen der Fraktion der Grünen bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU und bei Nichtbeteiligung der Fraktion der FDP und im Hauptausschuss gegen die Stimmen der Fraktion der FDP und der Fraktion der Grünen bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU.

Wir kommen nun zur Abstimmung. – Wer dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Senats in der Fassung der Drucksache 15/109 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenstimmen? – Enthaltung? – Damit ist der Gesetzesantrag abgelehnt.

Die lfd. Nr. 4 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 5, Drucksache 15/416:

I. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und des Einkommensangleichungsgesetzes

Der Ältestenrat empfiehlt für die Beratung eine Redezeit von bis zu 5 Minuten pro Fraktion. – Ich höre dazu keinen Widerspruch.

Ich eröffne die I. Lesung. Wortmeldungen liegen vor. – Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Kollege Trapp.

[Goetze (CDU): Wir ziehen erst mal zurück!]

Ich höre, dass die Fraktion der CDU/CSU die Wortmeldung zurückzieht – [Zurufe]

der CDU, Entschuldigung! Ich habe zu viel Zeitung gelesen! – Die Fraktion der SPD hat das Wort begehrt und ergreift das Wort. – Frau Flesch – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorlage – zur Beschlussfassung – behandeln wir heute in I. Lesung ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die zur Senkung von Personalkosten in etwa in Höhe von 25 Millionen Euro führen werden. Das sind 25 von 500 Millionen Euro – ein ganz kleiner Schritt für den Anfang. Es müssen und werden weitere folgen.

Auch wenn die Kollegen von der CDU so plötzlich davon überrascht wurden, dass dieser Redebeitrag jetzt gerade dran ist, ich möchte immer wieder betonen: Wir haben in diesem Land Ausgaben, die 2 Milliarden § jährlich über den Einnahmen liegen. Ich glaube, inzwischen herrscht Einigkeit in diesem Hause, dass das anders werden muss. Der Pfad mag ein anderer sein, der mag unterschiedlich gesehen werden; aber dass wir diese 2 Milliarden § Ausgabenüberschuss – wenn man das so nennen kann – abbauen müssen, darüber sind wir uns alle einig, denn durch

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dieses jährliche Primärdefizit bleibt die Schuldenspirale des Landes ungebrochen. Das können und wollen wir nicht mehr hinnehmen. Die weiteren Maßnahmen, die folgen müssen, werden noch viel stärkere Eingriffe in den Personalbestand des Landes beinhalten. Wir werden noch viel intensiver diskutieren müssen, als das im Moment der Fall ist.

Aber lassen Sie uns zu den Einzelheiten dieses Gesetzentwurfes kommen. Es fängt an mit einer Verlagerung der Arbeitszeitregelung vom Gesetz in die Verordnung. Nun wissen wir alle, worum es geht, nämlich um eine Anpassung der Beamtenarbeitszeit West. Man hätte es auch im Gesetz regeln können. Ich finde es im Hinblick auf eine Fusion mit Brandenburg eigentlich sympathisch, dass wir es in einer Verordnung regeln, um uns dort anzugleichen.

In diesem Gesetz ist auch eine Kostendämpfungspauschale für das Beihilferecht enthalten. Ich weiß, es wurde und wird weiterhin diskutiert über weitere Maßnahmen zur Kostendämpfung im Beihilfebereich. Diese Koalition hat sich dafür entschieden, gerade diese Kostendämpfungspauschale zu machen, weil es uns bei einer nach Besoldungsgruppen gestaffelten Kostendämpfung der sozial ausgewogenste Weg zu sein scheint und im Hinblick auf kompliziertere Regelungen auch der pragmatischere. Mit dieser Kostendämpfungspauschale werden wir ca. 10,6 Millionen $ jährlich einsparen – wie gesagt, ein kleines Schrittchen auf dem langen Weg, aber ein notwendiges. Weitere 15 Millionen Einsparungen jährlich wird die Gleichbehandlung der Beschäftigten im Tarifkreis Ost mit denen im Tarifkreis West bringen. Letztere zahlen schon seit mehreren Jahren einen Beitrag zur Zusatzversorgung der VBL. Es wird Zeit, dass diese Ungleichbehandlung West angeglichen wird. Meine Fraktion steht seit Jahren für die Gleichbehandlung beider Tarifkreise. Wir stehen auch heute zu der allgemeinen Tarifangleichung, wie sie mit der Folge des Rausschmisses aus der Tarifgemeinschaft der Länder vorgenommen wurde. Wir wissen, wie schwierig das fiskalisch ist, wie schwierig das auch in Zukunft sein wird bei Solidaritätsverhandlungen mit dem Bund und den Ländern, aber wir sollten daran festhalten.

Später in der Tagesordnung werden noch weitere Vorschläge zu diesem Themenkreis diskutiert werden. Ich fürchte, wir werden alle noch sehr viel mehr Kreativität, Phantasie und Gemeinsamkeiten

[Ritzmann (FDP): Verhandlungsgeschick!]

entwickeln müssen, um den Weg zu gehen, der uns alle angeht, nicht nur die Regierung, nicht nur die Regierungskoalition, nämlich vehement die 500 Millionen § Einsparungen erreichen zu können, die wir ohne Solidarpakt erreichen wollen. – Vielen Dank! [Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Flesch! – Für die FDP hat das Wort der Kollege Ritzmann! – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Flesch, Sie haben hier das Thema richtig angesprochen. Sie haben von 2 Milliarden § Einsparungspotential oder -ziel im öffentlichen Dienst gesprochen. Da gibt es verschiedene Visionen und Herangehensweisen, die man ändern müsse. Ich gebe nur einmal einen Hinweis: Man kann auch einmal über die Verhandlungstechnik nachdenken, wie man mit Leuten spricht, wenn man gemeinsam Erfolge erzielen möchte, wie man einen Ansatz wählt, der diesen gegenüber ermöglicht, das Gesicht zu wahren, um Erfolge auch vor den eigenen Leuten darstellen zu können. Hier ist die SPD als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. interjection: [Beifall bei der FDP]

Das ist auch die Kernaussage dieses Gesetzentwurfs. Eine heiße Nadel wurde genommen, um das hier zu stricken. Dass Beamte auf eigenen Antrag auch längere Lebenszeit arbeiten dürfen sollen, ist sicherlich eine sinnvolle Idee, aber nicht das

Kernproblem, über das wir hier eigentlich reden sollten; wir haben hier eher das Problem, dass Leute zwangsläufig sozusagen in den Ruhestand versetzt werden. Deswegen greift diese Idee zu kurz. Es ist ein herausgelöster Tatbestand, der für sich allein keinen besonderen Sinn macht.

Wir haben hier bei der Erhöhung des Selbstbehalts eine Art Sonderabgabe Ost. Das kann man zum Teil sachlich herleiten. Uns interessiert, wie hoch da die Einsparungen sind; das geht aus dem Papier nicht hervor.

[Krüger (PDS): Doch! Sie müssen es auch lesen]

Ich habe es gelesen. – Sinnvoller wäre noch eine Bundesratsinitiative für die Reformen im Beihilfebereich, die auch die frei zu wählende Krankenversicherung mit einschließen, wo man auch Einsparungspotentiale gewinnen kann.

Also: Einige Anliegen sind berechtigt. Insgesamt greift es zu kurz. Aber wir sind bereit, im Ausschuss darüber zu sprechen. Dort kann man daran noch arbeiten. Und wenn es deutlich besser wird, kann man auch weiter darüber sprechen.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Ritzmann! – Der Herr Kollege Krüger hat das Wort für die PDS. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon bezeichnend, dass die größte Oppositionsfraktion dieses Hauses zu diesem Thema offensichtlich nichts zu sagen hat. interjection: [Zurufe aus der CDU]

Vielleicht erfahren wir noch in den zuständigen Ausschüssen Ihre Meinung. Es ist auch bezeichnend, dass der verehrte Kollege Ritzmann von der FDP den Gesetzentwurf, den er in der ihm eigenen Vehemenz kritisierte, offensichtlich nur sehr unzureichend gelesen hat.

Mit der Einführung von Kostendämpfungspauschalen in der Beihilfe vollzieht Berlin einen längst überfälligen Schritt. Es tut das, was andere Bundesländer, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, schon längst in ihrer Beihilfepolitik getan haben. Es ist aber nötig, weil wir hier immer wieder darüber diskutieren, inwieweit diese Koalition bei der Einführung von Sparmaßnahmen die notwendige Sorgfalt walten lässt, sehr gründlich hinzuschauen, wie das hier geschieht. In Nordrhein-Westfalen wird ein Beamter des mittleren Dienstes, Besoldungsgruppe A 7, mit zirka 100 § Kostendämpfungspauschale zur Kasse gebeten. In Berlin sind es 50 §. Dagegen wird ein Beamter des höheren Dienstes, der Spitzenbesoldungsgruppe B 4, in Berlin mit 460 § zur Kasse gebeten, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit 400 §. Hier wird sehr deutlich, dass diese Koalition und dieser Senat sehr klare Akzente bei der sozialen Staffelung der Belastung gesetzt hat.

Man muss – die Kollegin Flesch hat dieses Thema schon angeschnitten – noch einmal klarstellen, dass wir hier eine Arbeit machen, vor der die große Koalition sich immer gedrückt hat. Es wurde in den vergangenen Jahren sehr viel unternommen, um Stellen abzubauen. Hier kam es auch zu erheblichen Kostensenkungen. Von 1997 bis 2000 sanken die Ausgaben für Löhne und Gehälter um eine halbe Milliarde DM. Das Problem ist bloß, dass diese Senkungen durch die Kostensteigerungen im Beihilfe- und Versorgungsbereich zu großen Teilen wieder absorbiert wurden. Jede verantwortliche Haushaltspolitik hätte hier gegensteuern müssen. Sie haben es nicht getan; wir tun es. Dieses Gesetz ist nicht nur eine notwendige, sondern eine überfällige Maßnahme. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit – insbesondere bei den Kollegen der CDU.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Krüger! – Für die Fraktion der Grünen erhält das Wort der Kollege Schruoffeneger!

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hauptproblem an diesem Gesetz ist, dass hier wiederum vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen, bevor die Gespräche mit den Gewerkschaften über einen Solidarpakt überhaupt begonnen haben. Es ist richtig gesagt worden: Man muss sich überlegen, wie man miteinander umgeht und wie man diesen Solidarpakt, der für das Land Berlin enorm wichtig ist, zu einem erfolgreichen Abschluss bringen kann. Dieses Parlament muss sich überlegen – unser Antragspaket zum Solidarpakt wird nachher noch diskutiert –, was wir als Parlament an Vorschlägen, an Diskussionsbeiträgen in diese Solidarpaktgespräche einbringen. Wozu fordern wir den Senat auf? – Aber ohne Gespräche gleich die gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen und dann in den Solidarpaktverhandlungen dazustehen und nichts mehr in der Hand zu haben, weil alles schon in außertarifvertraglichen Regelungen gesetzlich geregelt ist, finde ich problematisch.

Frau Flesch, Sie haben vorhin gesagt, wir bräuchten mehr Phantasie. Das erinnert mich an das Stichwort vom Mentalitätswechsel. Zur Phantasie und zum Mentalitätswechsel gehört ein Gesamtkonzept für den Solidarpakt. Dieses vermisse ich bei Ihnen. Und zu diesem Mentalitätswechsel gehört es auch, endlich die eigene Personalpolitik innerhalb der Berliner Verwaltung anders zu machen. Wenn Herr Böger jetzt da wäre, würde ich ihn fragen; er ist nicht da, deswegen gucke ich jetzt Herrn Körting an: Wie kann es sein, dass mit Datum vom 11. April 2002 Beamte des Landes Berlin, die einen Antrag auf unbezahlten Sonderurlaub – ohne Fortzahlung der Bezüge – stellen, vom Landesschulamt die Antwort „abgelehnt!“ bekommen mit der Begründung:

Seit April 2000 liegen die haushaltswirtschaftlichen Erfordernisse zur Gewährung von Sonderurlaub für Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht mehr vor, da die parlamentarischen Sparvorgaben erfüllt wurden.

[Heiterkeit bei den Grünen]

Solche Briefe bekommen Leute, die sagen: „Ich will raus aus der Verwaltung, ich will kein Geld mehr kosten!“ Andererseits fordert man von ihnen: „Ihr müsst euch beteiligen, Ihr müsst eure Beihilfe zum Teil selbst bezahlen.“ Damit macht man sich unglaubwürdig. Mir ist es unverständlich, wie solche Briefe im Land Berlin weiterhin geschrieben werden können.

[Beifall bei den Grünen]

Ich sage zu zwei konkreten Punkten etwas: Sie haben über die Änderungen in diesem Gesetz die Möglichkeiten zur beabsichtigten Arbeitszeiterhöhung für Beamte geschaffen. Wir glauben, dass das der falsche Weg ist. In die Solidarpaktverhandlung muss man mit einem Konzept der Arbeitszeitverkürzung – ohne oder nur mit teilweisem Lohnausgleich – gehen, mit dem Ziel, dann auch dafür Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Das wäre die Zielsetzung, nicht aber eine platte Arbeitszeiterhöhung.