Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

sparen. Logische Dinge, die nun einmal erforderlich sind, um die Menschen von Lärm zu entlasten, können Sie nicht einfach auf die Seite legen. Das können Sie uns nicht erzählen.

Herr Strieder, Sie haben sich sehr negativ über Ihre Brandenburger Kollegen geäußert. Dort wird die Koalition aber immer noch von der SPD angeführt, und ich denke nicht, dass die dort alle irre sind. Sie haben sinngemäß gesagt: Die bauen dort wie wild die Straßen bis an die Stadt heran. – Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Sie bauen das, was zwischen diesen beiden Ländern im Konsens vereinbart worden ist. Die wollen die B 96 ordentlich ausbauen. Sie waren ja im Januar beim Empfang des Bau-Industrieverbandes dabei, wo Ihr Kollege Meyer gesagt hat: Wenn Ihr überhaupt mit uns noch einmal darüber verhandeln wollt, ob wir eine Länderfusion machen, dann müssen wir Absprachen, die wir treffen, auch einhalten und das Verabredete auf den Weg und zu Ende bringen. – Es kann nicht sein, dass der eine die vierspurige B 101 bis an die Stadtgrenze heranbaut und Strieder dann sagt: Ab hier ist nichts! – Die Brandenburger sind doch nicht verrückt. Die wollen doch vielleicht auch einmal von der einen Seite Brandenburgs durch Berlin zur anderen Seite hindurch kommen, aber nicht über Tokio nach Rom fahren, um dann vielleicht einmal nach Bernau zu geraten. Sie haben die Arroganz, all diese Abstimmungen, die zwischen den beiden Ländern gelaufen sind, zu konterkarieren und die betreffenden Maßnahmen in den Sand zu setzen. So geht das nicht.

Wir werden die Fusion mit Brandenburg nicht zustande bringen, wenn Sie sich weiter so benehmen, wie Sie es beispielsweise in Sachen B 96, B 158 und B 101 in den letzten Jahren getan haben. Diese Maßnahmen waren von der Sache her klar, aber Sie erfinden immer wieder Tricks und Hinterhalte – indem Sie z. B. einen Vorschlag machen, wie wieder mal etwas verändert werden kann –, um sie zu verhindern. In dieser Hinsicht haben wir unsere Erfahrungen mit Ihnen gemacht, und da können Sie uns so schnell nicht aus dem Tritt bringen.

Herr Gaebler hat eine sehr durchwachsene Rede gehalten. Er hat mehr die FDP beschimpft, als selbst einmal seine Elemente darzulegen, wie er in Zukunft weiterkommen will. Ich kann das alles nicht verstehen. Warum? – Weil die SPD in den letzten zehn Jahren – natürlich immer unter Druck und unter viele Mühe und Aufwand – in der großen Koalition die eine oder andere Entscheidung sinnvollerweise mit uns getroffen hat. Es war also völlig daneben, was von Herrn Gaebler vorgebracht wurde.

Jetzt einmal zu den einzelnen Punkten, die auf der Tagesordnung stehen: Zur tangentialen Verbindung Nord und Ost hatte ich mich bereits klar ausgedrückt. Dass wir die TVO zu Ende bringen, davon gehe ich aus. Ansonsten können Sie sich eine Pfeife anbrennen: Da werden wir im Südosten Berlins dann einmal etwas organisieren, was Ihnen vielleicht auch nicht ganz schmecken wird.

Freie Fahrt durch das Brandenburger Tor: Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine Spur hin und eine Spur her für Pkw und auch für die Busse, die dort fahren, völlig in Ordnung ist. Alles, was weniger ist, können Sie mit uns nicht verhandeln. Das gibt mehr Verkehr, mehr Staus und mehr Behinderungen. Das können wir den Menschen, die nach Berlin kommen, nicht zumuten. Die wollen hier nicht im Stau stehen, sondern sich die Stadt anschauen.

Leistungsfähige Straßen zwischen Berlin und Brandenburg: Das hatten wir abgearbeitet. Der Ausbau der Bundesautobahn A 100 steht hier noch auf dem Programm. Da gibt es in der rotroten Koalition ein paar Probleme. Das kann ich mir schon vorstellen. Frau Matuschek will natürlich mit Gewalt verhindern, dass dieser Autobahnring dort weitergebaut wird. Warum eigentlich? [Unruhe bei der PDS]

Stellen Sie sich einmal vor, wie bauen jetzt die Autobahn, die Teltowkanal-Trasse, von draußen kommend bis an den Berliner Ring heran. Die könnten wir uns sparen, wenn wir nicht wenigstens ebenfalls die Querverbindung nach Treptow bauen. Stellen Sie doch einmal frühmorgens an das Adlergestell. Da kommt ganz

Brandenburg und wo sie noch überall herkommen, bis aus Sachsen, jeden Morgen früh zur Arbeit gefahren. In Zukunft sollen sie über diese Autobahn auf den Ring kommen und sich dann in der Stadt verteilen und nicht unbedingt über das Adlergestell 60 000 bis 70 000 Fahrzeuge, direkt an den Fensterscheiben der Leute dort vorbei.

Herr Kollege! Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Ja, ich komme zum Ende, Herr Präsident! interjection: [Cramer (Grüne): Gott sei Dank!]

Sie wollen die Menschen weiter quälen. Wir wollen, dass die Verkehre dorthin gehen, wo gar keine Menschen wohnen. So einfach ist das.

[Frau Schaub (PDS): Ach nee!]

Wenn sie jetzt die Weiterführung des A 100-Ringes sabotieren wollen, dann müssten Sie einmal eine Volksabstimmung in dem Bereich machen. Aber da fallen Sie auf die Nase. Das sage ich Ihnen heute schon.

[Beifall bei der FDP]

Da reden Sie immer von Volksabstimmungen und Beteiligungen der Menschen. Sie wollen mit Minderheiten die Massen instrumentalisieren. Das ist die linke Politik, die der ganze linke Block hier veranstalten will.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Mit uns jedenfalls nicht. Zum Ausbau des inneren Straßenrings werde ich mich hier nicht weiter äußern. Der ist sowieso verkorkst. Der funktioniert ohnehin nicht.

[Wieland (Grüne): Haha!]

Fahren Sie einmal um 10 Uhr durch die Warschauer Straße, da fahren Sie nie wieder lang. Das können Sie sein lassen. Deshalb brauchen wir auch den A 100-Ring, weil wir – –

Herr Kollege! Ich bitte Sie nochmals, zum Ende zu kommen.

Ich komme zum letzten Satz: Wir brauchen den A 100-Ring bis zur Frankfurter Allee, weil wir die Menschen vom Verkehr und Dreck entlasten wollen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Niedergesäß! Für die PDS hat nun das Wort Frau Kollegin Matuschek. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was soll man denn von dieser Debatte halten? Als Erstes kennen wir nun die drei Mantafahrer hier im Parlament: Herr von Lüdeke, Herrn Lindner und Herrn Niedergesäß.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Und der zugegebenermaßen etwas abgestandene Witz dazu heißt: Und nun eine Verkehrsmeldung: Achtung! Ein Geisterfahrer auf der Verkehrpolitik. Und dann unterhalten sich die drei Männer und sagen: Wieso nur einer? Alle! – Den Witz kennen Sie.

Frau Senftleben hat den Raum leider verlassen.

[Frau Oesterheld (Grüne): Sie weiß, warum!]

Sie weiß möglicherweise, warum.

[Cramer (Grüne): Sie schämt sich wenigstens!]

Sie redet sich hier den Mund fusselig über mehr Bildung und Förderung von Wissenschaft, und wenn es um mehr Bildung und Akzeptanz von wissenschaftlicher Erkenntnis in ihrer eigenen

Partei geht, kann man nur sagen: Oje, sie haben offensichtlich noch nicht einmal das Lesen gelernt.

[Beifall bei der Fraktion der PDS und der Fraktion der Grünen – Ritzmann (FDP): Und jetzt kommt Ihre Bildung!]

Herr von Lüdeke, indem Sie an diesen Runden-Tisch-Veranstaltungen nicht teilnehmen, entziehen Sie sich auch der Bildungsmöglichkeit. Im Übrigen sind dort auch Erkenntnisse solcher renommierten Einrichtungen wie der Daimler-Benz-Stiftung oder der BMW-Mobilitätsforschung durchaus gang und gäbe, zu diskutieren. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Sie können sich gern der Bildung verweigern, aber auch solche Erkenntnisse sind an Ihnen wohl vorbeigegangen. Ich versuche es dann hier noch einmal, einige Rahmenprobleme zu benennen, die die Mobilitätspolitik Berlins tatsächlich lösen muss.

Da ist zunächst einmal eine Revision der Grundannahmen, was die Bevölkerungentwicklung, Beschäftigungszahlentwicklung und auch räumliche Verteilung und Stadtstrukturen anbelangt. Das ist im Flächennutzungsplan revidiert worden. Die Revision der Prognosen von Anfang der 90er Jahre bezogen auf die Verkehrsentwicklung vollzieht sich gerade auch in diesem Gremium Runder Tisch Verkehr und wird sich im StEP Verkehr niederschlagen.

Die Anzahl der in Berlin gemeldeten Kfz, möglicherweise sehr zu Ihrer Verwunderung, ist seit 1993 konstant bei circa 1,3 Millionen Fahrzeugen. Und trotz räumlicher Unterschiede besitzen in Berlin nach wie vor die Hälfte aller Berliner Haushalte kein Auto.

[Ritzmann (FDP): Und was ist mit der anderen Hälfte?]

Das sind die Leute, die Sie offensichtlich nicht vertreten wollen: die Hälfte aller Berliner Haushalte. Die Anzahl der Kfz pro Kopf der Bevölkerung in Berlin liegt weit unter den vergleichbaren Zahlen anderer bundesdeutscher Städte. Das ist kein Makel, das ist eine Chance. In Berlin kommen – und das sagte auch Herr Gaebler – auf ein Auto ca. 67 qm Fläche. In München nur 45 qm.

[Niedergesäß (CDU): Das ist ja ein toller Vergleich!]

Den Berliner Autofahrern geht es offenbar im Vergleich zu den Münchnern hervorragend.

Das Land Berlin hat seit 1991 sage und schreibe mehr als 3 Milliarden $ für Straßenbau und Straßenunterhaltung ausgegeben, aber nur 1,9 Milliarden $ an Kraftfahrzeugsteuer eingenommen.

[Ritzmann (FDP): Was haben wir denn im ÖPNV eingenommen?]

Die Einnahmen aus der Kfz-Steuer sinken kontinuierlich, während der Unterhaltungsbedarf der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur aus Landesmitteln nicht mehr gedeckt werden kann. Das ist offensichtlich ein strukturelles Problem, das wir lösen müssen.

Auch in den Nahverkehr wurde investiert, jedoch leider ohne den erhofften Erfolg, und die Frage, ob die falschen Maßnahmen gefördert wurden oder die Anreize für den individuellen Autogebrauch die positiven Wirkungen des Nahverkehrs nivelliert oder sogar zunichte gemacht haben, darüber können wir gern diskutieren. Vorläufig müssen wir konstatieren, dass eine nennenswerte Verlagerung von der Straße auf Bahn-, Bus und Radverkehr leider nicht stattgefunden hat.

[Mleczkowski (FDP): Na, warum wohl!]

Wie in anderen Bereichen der Stadtentwicklung müssen wir leider auch konstatieren, dass ganze Gruppen der Bevölkerung bei der Wahrnahme ihrer Bedürfnisse, in diesem Fall der Mobilitätsbedürfnisse, eingeengt und behindert werden. Das betrifft besonders Kinder und Jugendliche, Seniorinnen und Senioren, Fußgängerinnen und Fußgänger und deren Interessen als Verkehrsteilnehmer sind in der bisherigen Verkehrspolitik der großen Koalition nur mangelhaft aufgegriffen worden, wenn nicht sogar ignoriert worden.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt von der FDP?

(A) (C)