Und Herr Wolf? Er könnte sein Amt gar nicht erst antreten, so Herr Ritzmann, weil der fade Beigeschmack von Vetternwirtschaft schon allein dadurch entstünde, dass seine Lebensgefährtin Geschäftsführerin eines Unternehmens sei. Das war so albern, dass selbst der FDP-Landesvorsitzende Rexrodt diese Forderung nicht mittragen wollte. Er wird wissen warum,
sitzt er doch in so vielen Aufsichtsräten wie kaum ein anderer Politiker und war trotzdem Bundeswirtschaftsminister. Vielleicht will aber die FDP, dass Politiker in Regierungen nur Frauen haben dürfen, die daheim sind und kochen. Damit würde die FDP in der Tat einen guten Koalitionspartner für Edmund Stoiber abgeben, denn sein Satz „Meine Frau hat soziale Verantwortung als meine Frau in Bayern übernommen, und sie äußert sich ganz sicher nicht zur Tagespolitik.“ hat mich doch sehr beeindruckt.
[Beifall bei der PDS und der SPD – Dr. Lindner (FDP): Ich kann doch nicht für Frau Stoiber verantwortlich gemacht werden!]
Sehr geehrte Damen und Herren von der FDP! Lieber Herr Lindner! Ja, die Lebensgefährtin von Herrn Wolf arbeitet. Sie ist Geschäftsführerin eines Unternehmens und, so hört man, gelegentlich äußert sie sich sogar zur Politik. Wenn das ein Befangenheitsgrund war, dann vielleicht in den 50er Jahren, und die sind längst vorbei.
Das haben Sie inzwischen auch gemerkt, deshalb steht in Ihrem Antrag jetzt nur noch, dass Sie wissen wollen, warum Harald Wolf sich zu möglichen Interessenkonflikten geäußert hat. Das kann ich Ihnen sagen: Um unsinnigen Vorwürfen wie Ihren vorzubeugen. Aber das hat offenbar auch nicht geholfen.
Jetzt ist hier Karl Marx und das Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ angesprochen worden. Herr Steffel, zur ordentlichen Form gehört es, Sätze vollständig zu zitieren. Sie haben den zweiten Satzteil vergessen. Ich hole das nach:
Aber keine Angst, ich werde mich nicht nur auf Marx beziehen, sondern die Auseinandersetzung mit der Berliner Wirtschaft suchen und fragen, welche Vorstellungen sie hat.
Zum Zweiten: Ich glaube, Sie haben doch Betriebswirschaftsoder Volkswirtschaftslehre studiert. Ich habe hier im Westen an der Technischen Fachhochschule Wedding Betriebswirtschaftslehre studiert, und ich kann Ihnen sagen, dass Karl Marx dort selbstverständlich in jeder vernünftigen Vorlesung in Volkswirtschaftslehre eine Rolle spielt und zu Recht. Wenn Sie das nicht wissen, weiß ich nicht, woher Sie ihren Doktortitel haben.
[Beifall und Heiterkeit bei der PDS und der SPD – Dr. Steffel (CDU): Das ist das Niveau der Debatte!]
Wofür steht Harald Wolf als Senator für Wirtschaft und – das wird allzu häufig vergessen – als Senator für Arbeit und Frauen? Harald Wolf steht für Geschlechtergerechtigkeit, gerade im Wirtschaftsleben, für Gender-Mainstreaming, das mehr bedeutet als ein Schlagwort, zu dem sich alle bekennen, um ihre Ruhe zu haben, sondern als ernsthafte Querschnittsaufgabe für die Berliner Politik.
Harald Wolf steht für die Verbindung von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, wie sie zum Beispiel in den bezirklichen Beschäftigungsbündnissen stattfindet, die mit diesem Senat eine solide Finanzierung erhalten haben.
Harald Wolf steht für die Umsetzung vernünftiger Vorschläge der Hartz- Kommission, aber auch für die Weiterentwicklung der ausbaufähigen. Denn warum sollte in Berlin nicht mehr entstehen als zum Beispiel die angedachte Ich-AG. Warum können die Stadtteil- und Produktivgenossenschaften, die der Senat in seiner Koalitionsvereinbarung verabredet hat, sich nicht zu einer Wir-AG entwickeln?
Und besteht in der Wirtschaftspolitik Anlass zu Panik mit Harald Wolf? Drohen mit Harald Wolf Enteignungen und Verstaatlichungen im großen Stil oder, wie Herr Steffel befürchtet hat, ein Sparen, koste es was es wolle? Ja, es gibt einen Mentalitätswechsel in Berlin, auch in der Wirtschaftspolitik. Auch hier gilt künftig, und das muss sich Herr Steffel einmal hinter die Ohren schreiben, Realismus statt wünsch dir was. Privatisierungen sind für die PDS dabei kein Tabu, aber auch kein Dogma wie bei der FDP.
Und Harald Wolf droht auch keine Verstaatlichung von Banken an. Im Gegenteil. Schaut man sich die Bankgesellschaft Berlin an, dann wird hier eher die zügige Privatisierung nötig sein, und Harald Wolf hat sie konsequenter gefordert als manch anderer hier im Hause. Da liest man übrigens über interessante Konstellationen in der Zeitung: PDS, FDP und Grüne sagen ja und die CDU sage nein. Die CDU ist offenbar zu sehr mit sich selbst beschäftigt – Herr Müller hat das schon vorsichtig angedeutet –, um konsistente Politikkonzepte für Berlin zu erarbeiten. Deshalb flüchten Sie sich auch gern ins Mystische. Frank Steffel hat hier im Abgeordnetenhaus vor gar nicht so langer Zeit gesagt: Berlin braucht eine Sonderkonjunkturphase. Berlin braucht ein Wirtschaftswunder. Die PDS wartet nicht auf Wunder. Die PDS macht Politik, mit Harald Wolf als Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen und einer funktionierenden Koalition aus SPD und PDS, und das wird auch noch ein Weilchen so bleiben. – Ich danke Ihnen.
Danke schön, Herr Liebich. – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat nunmehr die Fraktionsvorsitzende Frau Dr. Klotz. – Bitte schön!
Wir haben am Donnerstag gegenüber dem Geschäftsführenden Ausschuss der Alternativen Liste unsere Mandate als Mitglieder im GA bzw. im Bundeshauptausschuss der Grünen niedergelegt und gleichzeitig unseren Austritt aus der Alternativen Liste erklärt. Es gibt nicht e i n e n Grund für unseren Austritt. Dieser ist zu sehen vor dem Hintergrund der Gesamtentwicklung der Grünen und der Alternativen Liste, die sich mehrheitlich und in zunehmendem Maße nicht mehr als gesellschaftliche Opposition, sondern ihre politische Zukunft allein in der Perspektive einer Regierungspartei sehen.
Die Überschrift, die ich Ihnen jetzt vortragen werde, ist jüngeren Datums. Sie stammt aus der „taz“, stand über einem Interview mit Harald Wolf und lautet: Formen der Realitätsverweigerung. Harald Wolf meint damit die Initiative Berliner Bankenskandal um Peter Grottian, der er Scheinlösungen vorwirft. So ändern sich die Zeiten.
Heute bezeichnet Harald Wolf diesen Teil der gesellschaftlichen Opposition als linke Realitätsverweigerer, die Scheinlösungen versprechen und die Populisten sind. Heute ist Harald Wolf – ein letztes Mal – der Zuchtmeister, der die PDS in der Koalition auf Linie bringt und der für die Mehrheiten sorgt: für die
Risikoabschirmung, für die Vergrößerung von Kitagruppen, für Kürzungen im Kulturbereich und für die Lohnkürzungen bei den Beschäftigten im Ostteil der Stadt.
Das ist übrigens derselbe Kollege Wolf, der anlässlich der ersten Gespräche von FDP und Grünen noch erklärte:
Die Geschwindigkeit, mit der FDP und Bündnis 90/Die Grünen ihre inhaltlichen Vorstellungen einander angleichen, ist beeindruckend.
Offenbar sind beide Verhandlungspartner bereit, ihre Verhandlungen nicht durch allzu große Prinzipienfestigkeit zu belasten. So schafft man politische Stabilität ohne Rückgrat.
Dieser Senat hält auch nicht ansatzweise das, was die ihn tragenden Parteien der Bevölkerung versprochen haben.
Der, der eigentlich angetreten war, die Wirtschaft, die Arbeit und die Frauen hier in Berlin in eine lichte Zukunft zu führen, Gregor Gysi, hat sich ja mittlerweile von der Bildfläche verdrückt. Angeblich wegen der Bonusmeilen und wegen seiner eigenen tiefgreifenden Persönlichkeitsveränderungen, die stattgefunden haben. Ich glaube aber, in Wirklichkeit, weil er das Ziel dieser Koalition, nämlich Haushaltskonsolidierung bei sozialer Gerechtigkeit, selbst nicht mehr für erreichbar gehalten hat. Gysi macht sich vom Acker und ist wieder Anwalt am Kurfürstendamm.
Das ist nichts anderes als eine ziemliche Veräppelung der Berlinerinnen und Berliner und übrigens auch der PDS-Mitglieder selbst, denn es kann die PDS den Wiedereinzug in den Bundestag kosten.
Es ist ein Drücken vor Verantwortung in schwierigen Zeiten. Und um das Kind einmal beim Namen zu nennen, es ist ein Betrug an den Wählerinnen und Wählern dieser Stadt.
Aber Gysi wäre ja nicht er selbst, wenn er das nicht noch toppen könnte. Statt sich schamvoll zurückzuziehen und darüber nachzudenken, wie sich nun seine Persönlichkeitsentwicklung weiter gestalten soll, spielt er schon wieder den großen Zampano bei der Bundestagswahl, als wäre nichts passiert. Wofür wirbt dieser Mann eigentlich? – Für Rücktritte, wenn es unangenehm wird?
Und ich muss sagen, Herr Liebich, das ärgert mich, dass Sie das hier noch als einen honorigen Schritt verkaufen wollen. Das finde ich nicht anständig.
Dieser Mann kandidiert nicht für den Bundestag, er hat sich gerade aus der Verantwortung zurückgezogen. Er hat ein Versprechen gebrochen, das er den Wählerinnen und Wählern gegeben hat, und Sie schmücken sich mit ihm für die nächste Bundestagswahl. Das ist nicht in Ordnung, das will ich hier auch in dieser Deutlichkeit sagen.