Protokoll der Sitzung vom 12.09.2002

[Beifall bei den Grünen]

Wir wollen kurzfristige Verbesserungen am Alex durchsetzen, statt jahrzehntelanger Planungsblockaden wie am Zoofenster. Die Mittel aus den städtebaulichen Verträgen müssen kurzfristig und sinnvoll umgesetzt werden. Dafür muss der Senat mit den Akteuren, mit den Betroffenen, aber auch gerade mit den Investoren zusammen treffen und ein Konzept zur Gestaltung des Alexanderplatzes entwickeln, was jenseits von Hochhaus- und Sockelgeschossideologie liegt. Vom Alexanderplatz müssen Verbindungen in die umliegenden Quartiere geschaffen werden, vor allem zum Hackeschen Markt. Um den Platz auch außerhalb der Ladenschlusszeiten zu beleben, müssen Zwischennutzungen für kulturelle Zwecke erlaubt werden, die jetzt regelmäßig mit Verweis auf das Baurecht versagt werden.

Die denkmalgeschützten Gebäude müssen zügig saniert werden. Die Beeinträchtigungen durch Dauerbaustellen müssen vermieden werden. Vor allem müssen die Barrieren der überdimensionierten Verkehrsstraßen durch oberirdische Querungsmöglichkeiten aufgehoben werden. Alles, was wir jetzt an Defiziten am Alex haben, kann nicht weitere 10 Jahre bestehen oder bis zum Sanktnimmerleinstag währen, wenn endlich dort irgendwelche Hochhäuser errichtet werden.

Wir fordern den Senat auf, hier nicht zu warten und die nächsten Projekte anzugreifen und dabei den Alex liegen zu lassen, sondern hier zu handeln und die Defizite abzustellen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Hämmerling! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort Herr Radebold. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hämmerling! Sie machen es mir schwer, mich mit dem Problem sachlich auseinanderzusetzen,

[Wieland (Grüne): Na, aber das erwarten wir gerade! – Krestel (FDP): Aber nicht schwerer als sonst!]

weil Sie eine Reihe von Behauptungen in den Raum stellen, die – so hat es Herr Strieder vorhin nachgewiesen – nicht richtig sind.

[Unruhe – Cramer (Grüne): Wasserstadt Spandau!]

Ich erinnere Sie an eine andere Debatte – Stadt hat Gedächtnis, Stadt erinnert sich an Orte: Wenige Meter von hier entfernt gab es einen Platz, der über Jahrzehnte gar keiner war – Schießfeld –, und dieses Haus hat mit seinen Beschlüssen dafür gewirkt, dass der Potsdamer Platz ein prosperierender, moderner und urbaner Platz geworden ist. Damals haben Sie die gleiche Rede gehalten, wie heute hier. Das ist Ihr Blick nach vorne.

[Beifall bei der SPD]

Sicherlich ist es ein Problem in der Stadtentwicklung, bei den weit in die Zukunft gerichteten Prognosen immer auf der Ziellinie zu bleiben. Deshalb ist es auch nötig, dass die Politik den Mut hat, solche Beschlüsse ab und zu zu prüfen. Dieses Haus hat 1993 das Wettbewerbsergebnis von Kollhoff zum städtebaulichen Leitbild für den Alexanderplatz gemacht.

[Frau Oesterheld (Grüne): Dies war aber etwas ganz anderes als heute!]

Nein, es ist nichts anderes, aber überhaupt nicht. Wir haben ja all die Jahre dieses Projekt hier in Ausschussberatungen und im Plenum begleitet. Das ist doch nicht neu, sehr geehrte Kollegin

Oesterheld. Und Sie wissen genau, in den Koalitionsverhandlungen, die mit Ihnen zum Teil sehr weit gediehen waren, sind ganz unwesentlich andere Formulierungen, als wir sie mit der PDS hierzu vereinbart haben.

Wir hatten uns mit der PDS und Ihnen darauf geeinigt, das wir dieses Projekt überprüfen.

[Frau Oesterheld (Grüne): Allerdings!]

Das hat der Senator vorhin hier deutlich gemacht. Mit sieben Investoren sind in Einzelprojektgesprächen die Ziele der städtebaulichen Leitplanung überprüft worden, und es gab nur unwesentliche Änderungen. Das macht mich für Berlin froh, weil es heißt: Private Investoren sehen sehr wohl die Chance, diesen Platz voran zu bringen.

Ich wünsche mir, dass der Alexanderplatz diese Lebendigkeit – eine fast mythische Geschichte aus der Weimarer Zeit –, diese Urbanität wieder bekommt. Ich hoffe, dass wir heute dazu wieder Grundstücksverträge abschließen, die Planungssicherheit schaffen, dass Investoren beginnen, dort zu handeln, damit es endlich losgeht – auch mit dem Platz selbst, den wir ja alle für uns zurück gewinnen wollen. Deshalb muss es heute unsere Aufgabe sein, den Berlinern zu vermitteln, dass wir die Investoren begrüßen. Herr Strieder hat vorhin kurz auch auf die Rolle der Investoren als Arbeitgeber hingewiesen. Das ist nicht nur wichtig, aber das ist auch wichtig, dass wir sie hier willkommen heißen, damit wir bald mit Zuversicht über einen neuen Alexanderplatz gehen können und uns an dem so erfreuen, wie am Potsdamer Platz heute.

[Frau Oesterheld (Grüne): Wollen wir einmal eine Wette abschließen: Der Alexanderplatz wird wie das Zoofenster!]

Vielen Dank, Herr Kollege Radebold! – Für die CDU hat das Wort Herr Kollege Wellmann. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinter der Großen Anfrage der Grünen steht ja nichts anderes als die Skepsis, ob die Kollhoff-Planung für den Alexanderplatz in Frage kommt oder ob sie nicht verwirklicht werden soll. Nur, mir fällt auf, dass die Fragen, die Sie stellen, Frau Hämmerling, eigentlich vollkommen nebensächlich sind. Das sind Buchhalterfragen. Wenn das Berliner Parlament diese Planung diskutiert, dann sollten wir uns hier nicht mit einzelnen Klauseln aus dem Kaufvertrag beschäftigen

[Beifall des Abg. Radebold (SPD) – Frau Dr. Klotz (Grüne): Bloß nicht mit Geld!]

oder mit der hochwichtigen Frage, wer irgendeine Planungsstraße mit welchem Anteil finanziert. Das Thema verlangt eine ernsthafte Befassung. Und was Sie hier präsentieren, ist nun wirklich zu kleinteilig und wird dieser baulichen Aufgabe, um die es hier geht, überhaupt nicht gerecht.

[Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU) – Wieland (Grüne): Das hat Landowsky auch immer erzählt, „Stunde der Buchhalter“! Wer nicht rechnet, macht Schulden!]

Das Parlament hat den Bebauungsplan hier beschlossen im Jahr 2000. Und die Umsetzung haben Herr Strieder und Herr Stimmann politisch zu verantworten. Und wenn es jetzt irgendwann einmal zu finanziellen Schwierigkeiten kommt, dann mag sich irgendwann einmal der Haushaltsausschuss oder meinetwegen der Rechnungshof damit beschäftigen, aber das können wir nicht im Vorfeld klären.

[Cramer (Grüne): Zahlt der Steuerzahler, wie bei der Bank!]

Ja, die Bank, jetzt kommt wieder Ihr Reflex, Herr Cramer, ich weiß ja. Sie müssen sich einmal freimachen, sonst wird das so eine zwanghafte Fixierung für Sie. Das ist ein Problem. Die hat ja Benneter auch schon, diese zwanghafte Fixierung, immer wenn etwas schlecht ist, ruft er laut „Landowsky“. Das fällt auf.

[Over (PDS): Ist aber nicht falsch, oder? – Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Mich interessiert in dem Zusammenhang, was politisch wirklich wichtig ist und ob es eine Alternative zu dieser Kollhoff-Planung gibt. Zunächst gucke ich mir den heutigen Zustand des Platzes an. Nach meiner Auffassung ist der Begriff „Platz“ schon völlig fehl am Platz.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Niedergesäß (CDU): Wüste!]

Der heutige Alexanderplatz ist alles andere als ein Platz. Er ist das, was sich die Herren Spießbürger in Ulbrichts Politbüro unter Metropole vorgestellt haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das musste damals schiefgehen, weil denen jeder Maßstab fehlte. Ulbricht war bekanntlich weder in Paris, noch in Rom, noch in Madrid oder Barcelona.

[Brauer (PDS): Nicht einmal in Paris 1933? – Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS) – Weitere Zurufe von der PDS]

Sein Vorbild, das er vor Augen hatte, war Minsk, bestenfalls Moskau, als er seine Schneise für die Aufmärsche plante, die spätere Karl-Marx-Allee, und nichts anderes.

Dann zur Architektur. Herr Wieland und Frau Kollegin Klotz, in Ihrer Anfrage sprechen Sie ja etwas aufgesetzt von den „Zeugnissen der klassischen Sozialistischen Moderne“,

[Wieland (Grüne): Zitat Flierl!]

als ob sich Klassik und DDR-Sozialismus nicht ausschließen würden. Das ist ein unvereinbares Gegensatzpaar, Herr Kollege.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Wieland (Grüne): Das ist die „Sozialistische Moderne“, das gehört zusammen! – Zuruf der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

Ich muss auch gestehen, dass mir beim Anblick dieser Bauten eher Wolf Siedlers Wort von der sozialistischen Notdurftarchitektur in den Sinn kommt.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Wieland (Grüne): Niedergesäß hat aber immer mitgebaut!]

Na ja, wer da mitgebaut hat, wissen wir nicht, die Familie Flierl war da möglicherweise mit allerlei befasst und muss das verantworten,

[Frau Dr. Hiller (PDS): Vor allem die Mutter! Witzig!]

da muss Herr Flierl einmal seinen Herrn Vater fragen, was der zu verantworten hat. [Zuruf von der PDS]

Jedenfalls spiegelt sich die seelische Öde von Honeckers und Ulbrichts Sozialismus original in diesem Platz. Das ist ein perfekter Spiegel, der sich in diesem Platz gefunden hat.

[Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU) – Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

Ja, Herr Brauer, Sie haben romantische Gefühle, ich weiß, Jugendfestspiele,