Protokoll der Sitzung vom 12.09.2002

Hochhäuser werden kommen am Alexanderplatz. Der Bebauungsplan steht fest. Verkäufe sind getätigt worden. Es ist richtig: Auch heute werden wir wieder ein Grundstücksgeschäft haben. – Hinsichtlich der Frage, ob es so viele werden und ob der Koll

hoffsche Plan dort umgesetzt wird, habe ich erhebliche Zweifel. Vielleicht werden es fünf, vielleicht bleibt es auch bei den zwei ersten, die jetzt kommen werden – mit dem „Kaufhof“ und der „Banane“.

Hochhäuser baut man normalerweise aus Mangel an Baugrundstücken. So sind sie einmal entstanden. Man muss wohl sagen, dass es in Berlin an vielem mangelt, aber nicht an Baugrundstücken oder erschlossenem Bauland. Insofern beschneiden wir uns an dieser Stelle ein Stück weit, denn wir könnten erhebliche Flächen vermarkten, wenn wir diese Bruttogeschossflächen nicht in die Höhe, sondern in die Weite Berlins bauen würden. [Oh! von der CDU]

Berlin ist eben nicht New York, und der Alexanderplatz ist nicht Manhattan – er ist noch nicht einmal „Mainhattan“. Insofern ist zu der Antwort des Kollegen Strieder in Punkt 3 zu sagen, dass der Vergleich mit dem Frankfurter Bankenviertel erheblich hinkt. Diese Entwicklung wird so in Berlin nicht nachvollzogen werden.

[Ritzmann (FDP): Dafür werden Sie schon sorgen!]

Nicht einmal die Berliner Bankgesellschaft hat den Größenwahn zum Phallusturm entwickelt. Die haben sich dort sehr viel bescheidener gegeben.

Auch an einer anderen Stelle muss ich stark widersprechen, und zwar hinsichtlich der Ausführungen zu den Docklands: Ich muss doch sehr hoffen, dass der Alex niemals so tot und so leer sein und so viel Leerstand haben wird, wie ihn die Docklands auch heute noch haben. Ich weiß nicht, ob man für Sie, Herr Strieder, in London Potemkinsche Dörfer a` la Honecker aufgebaut hat. Ich habe da ganz andere Erfahrungen gemacht. Da werden die Bürgersteige nach Geschäftsschluss hochgeklappt. Ich weiß auch gar nicht, was Sie am Alex revitalisieren wollen – bei 150 000 Um- und Aussteigern am Tag. Selbstverständlich kann man dort viel für die Aufenthaltsqualität tun, und das werden wir gemeinsam in der rot-roten Koalition auch tun. Aber dass man ihn revitalisieren muss, sehe ich nicht. Temporäre Nutzung ist dort dringend notwendig.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das ist gerade eine doppelte Sitzpirouette! – Weitere Zurufe von den Grünen]

Das war eine doppelte Sitzpirouette, nach Aussage der Oppositionsführerin. [Heiterkeit]

Bei der Frage nach dem Spielplatz – da machen wir jetzt die dreifache – komme ich auf den Beitrag von Herrn Wellmann: Ich finde es richtig, dass man sich bei einem so zentralen Platz Überlegungen zur Aufenthaltsqualität macht. Aber ich finde es keine zentrale Frage, ob dort Basketballplätze an der Stelle erhalten werden, wo sie heute sind. Das kann nicht die Frage bei der Gestaltung des Alexanderplatzes sein.

[Abg. Wellmann (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wellmann?

Wenn er denn eine schlaue Frage stellt – ausnahmsweise –, gerne!

Ich möchte nur die schlichte Frage stellen: Sind Sie nun für die Kollhoff-Striedersche Planung oder nicht?

Ich denke, dass das auch aus meinen bisherigen Ausführungen schon sehr deutlich geworden ist,

[Heiterkeit – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

dass ich nämlich nicht für die Kollhoffsche Planung bin. Aber keine Bange, liebe Sozialdemokraten! Wir kennen die Koalitionsvereinbarung. Wir stehen zur Koalitionsvereinbarung, und da sind ja auch andere vernünftige Punkte drin

[Heiterkeit]

(A) (C)

(B) (D)

wie z. B. die polyzentrale Stadtentwicklung. Der Alexanderplatz ist nicht unbedingt ein Beitrag zur polyzentralen Stadtentwicklung, wie wir sie uns vorstellen. Die Koalitionsvereinbarung enthält auch den Hinweis auf die restriktive Genehmigungspraxis für den Einzelhandel.

An der Stelle muss ich die gleiche Kritik wie die Grünen äußern: Diese 320 000 qm Bruttoverkaufsfläche am Alexanderplatz werden voll werden, aber zum Schaden anderer Stadtbezirke. Das wird zur Verödung von jetzt entstandenen Einkaufszentren führen. Wir haben ja jetzt schon das Problem, dass einige der am Ring gelegenen Center leer fallen und dass es dort nicht funktioniert. Insofern halten wir es für zu größenwahnsinnig, was am Alexanderplatz mit 320 000 qm Bruttoverkaufsfläche geplant wird.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Doering (PDS) – Zurufe von den Grünen: Bravo! – Cramer (Grüne): Jetzt könnt ihr ja dagegen stimmen!]

Wie gesagt, aus unserer Sicht ist das eine Hinterlassenschaft der großen Koalition. Deswegen wundert es mich auch gar nicht, dass die CDU in Treue zu den Entwürfen eines Ihnen geistig verwandten Baudirektors steht. Das ist in dieser Frage nicht verwunderlich. [Zurufe von der CDU]

Nein! Hier kam die Forderung auf, dass wir mit langfristigen Konzepten die Zukunft gestalten. Herr Strieder, da möchte ich Ihnen schon mit auf den Weg geben: Hochhäuser baut man nicht nur aus Mangel an Baufläche, sondern Hochhäuser baut man auch aus Mangel an Kreativität. Konzernzentralen, die sich sozusagen nur in einem Phallusbau mit der Stadtsilhouette im Hintergrund anständig vermarkten können, fehlt es auch an Kreativität. Prestigebauten können heute anders aussehen,

[Czaja (CDU): Wie das Karl-Liebknecht-Haus!]

können modern, kreativ und stadtverträglich sein. Wie gesagt, das hat sogar die Berliner Bankgesellschaft geschafft, die ansonsten nicht viel geschafft hat. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Wort hat Herr Schmidt von den Freien Demokraten. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst habe ich bei den Ausführungen von Herrn Strieder schon vermutet, er habe sein Manuskript verwechselt. Ich würde mir wünschen, dass auch in der Verkehrspolitik die Einsicht soweit reift, dass man sich bei den Planungen an den Bedürfnissen der Zukunft orientieren sollte und dass das nicht nur bei einzelnen und dann beliebigen Projekten geschieht.

[Beifall bei der FDP – Abg. Czaja (CDU): Jetzt wird wieder gut Wetter gemacht! – Zuruf von der CDU: Over kniet vor Strieder! – Weitere Zurufe]

Doch schaut man sich den Alexanderplatz im heutigen Zustand an, wird schnell klar, dass der Platz große Defizite hat, keine klare Struktur aufweist und Richtung Karl-Marx-Allee vollkommen ins Leere läuft. Er lädt nicht zum Verweilen ein. Hier ist eine Qualitätsverbesserung dringend notwendig. Die Stadt muss regelrecht erst an den Platz herangeholt werden. Dabei bietet selbstverständlich die gute Situation hinsichtlich des ÖPNV-Anschlusses eine geeignete Grundlage, um den Platz weiterzuentwickeln.

Die Art, diese Planung zu hinterfragen, wie es mit der Großen Anfrage der Grünen geschehen ist, teilen wir nicht. Inzwischen haben die Investoren einen Rechtsanspruch auf Umsetzung der Bauvorhaben, und gerade in der heutigen Lage Berlins ist es wichtig, Investitionen an dieser Stelle zu sichern.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Doch schauen wir uns auch die Situation des Einzelhandels in der Stadt an! Nach dem Wegfall der Berlinförderung ist die Kaufkraft stark zurückgegangen. Schwere Zeiten sind für den Einzelhandel angebrochen. Die große Koalition hatte sich damals – gegen Bestrebungen der FDP – nicht auf die Innenstadtentwicklung konzentriert, sondern sich vorwiegend für die Subzentren eingesetzt. Dabei hätte gerade nach der Überwindung der Teilung der Stadt der Innenstadtbereich Priorität haben müssen. Deshalb kann man zu Recht die Frage stellen: Woher soll eigentlich die Kaufkraft für die 240 000 qm an Einzelhandelsfläche kommen? – Diese Frage wurde auch vor der Sommerpause im Stadtentwicklungsausschuss gestellt, und Herr Senator Strieder gab darauf eine einfache und doch sehr verblüffende Antwort: Von Touristen! – Ganz klar: Die Touristen haben bislang in Berlin nichts eingekauft und warten nur darauf, dass der Alexanderplatz mit den ganzen Geschäften fertig wird, um dann dort ihr liebes Geld zu lassen.

Zwar nehmen die Besucherzahlen Berlins eine erfreuliche Entwicklung, aber das wird den Einzelhändlern am Alexanderplatz schließlich wenig nutzen. Ich weiß zwar nicht, wie Herr Senator Strieder seinen Urlaub verbringt, ich jedenfalls verbringe ihn eher weniger bei der Schnäppchenjagd im Wal-Mart zum Sommeroder Winterschlussverkauf. Die Touristen kommen vor allem nach Berlin, um sich hier die Sehenswürdigkeiten anzusehen. Von den Shopping-Touren der Touristen profitiert nur ein einziges Segment des Einzelhandels, und in diesem existieren bereits zahlreiche Angebote für die Touristen in der Stadt. Die Kaufkraft für die zusätzlichen Quadratmeter Fläche wird zum großen Teil von den Berlinern selbst kommen müssen, und hierbei liegt natürlich die Befürchtung nahe, dass die Kaufkraft von den anderen Bereichen abgezogen wird, die sich jetzt gerade noch so einigermaßen über Wasser halten können.

Wenn man sich die Planung für den Alexanderplatz anschaut, ist Eines klar: Soll diese Planung erfolgreich werden und nicht zu Lasten anderer Bereiche in der Stadt gehen, muss die wirtschaftliche Entwicklung vorankommen. Doch wie sieht es hier aus? – Auf die One-Stop-Agency warten wir bereits sehr lange. Ausländische Investoren sind auf den neuen Flughafen angewiesen. Den will jedoch der andere Koalitionspartner gar nicht. In den nächsten Jahren wird in dem wichtigen Bereich Wissenschaft gespart, wo doch gerade hier die Zukunft der Stadt liegt. Hier gibt es viele Fragen, die Antworten bleibt der Senat aber bislang schuldig. Deshalb kann man zu recht annehmen, dass die Kaufkraft für den Alexanderplatz von Einzelhändlern abgezogen wird, die bis jetzt gerade noch so überleben konnten.

[Czaja (CDU): Landsberger Allee!]

Wie sieht es nun im Bereich Büroflächen aus? Auch hier ist fraglich, wie die Entwicklung weitergehen wird. Was das Wirtschaftswachstum angeht, ist Deutschland Schlusslicht in Europa. Wir haben hausgemachte strukturelle Probleme, die den Arbeitsmarkt belasten. Die New Economy steckt in der Krise. Diese hat gerade auch in Berlin zum Absatz von Büroflächen beigetragen. Hier ist der Auszug der Volksbank am Potsdamer Platz doch ein deutliches Signal für die Krise. Nun ist bei vielen Unternehmen Konsolidierung angesagt und nicht die Expansion mit neuen, repräsentativen Zentralen, wie sie gewiss auch am Alexanderplatz gut unterkommen könnten. Berlin kann als Einziges den Standortfaktor – günstige Gewerbemieten – nutzen mit dem ganzen Angebot, das hier dazukommen wird. Jedoch sind die Äußerungen von Herrn Senator Strieder, wie z. B. DaimlerChrysler ist nicht der Nabel der Welt, sicherlich keine investorenfreundliche Politik. Aber Investoren müssen gerade nach Berlin kommen, um die 440 000 qm Gewerbe am Alexanderplatz vermieten zu können, ohne dass andere Standorte in der Stadt Probleme bekommen.

[Beifall bei der FDP]

Der Verweis auf die bessere Situation Berlins als in Magdeburg oder Leipzig zeigt den Anspruch, den der Senat an die deutsche Hauptstadt hat – sehr traurig. Im Bereich Wohnen werden 140 000 qm an Wohnfläche neu errichtet. Hier gibt es einen gewissen Bedarf an hochqualitativem Wohnen, besonders in der Innenstadt. Deshalb ist es hier sinnvoll, Angebote zu schaffen,

die aus dem Bereich der leer stehenden Wohnungen zumindest nicht befriedigt werden können. Jedoch bleiben etliche Fragen auch in den Antworten des Senats auf die Große Anfrage der Grünen unbeantwortet. Z. B.: Wie sieht es aus mit der Wirtschaftlichkeit des Konzepts? – Hier drängt sich der Verdacht auf, dass nur durch geschickte Verkehrswertermittlung der Wirtschaftlichkeit auf die Sprünge geholfen werden konnte. Genauere Aussagen zum Verhältnis der Verkehrswerte zu den Bodenrichtwerten fehlen in der Antwort. Und der nachträgliche Verkauf der so genannten Arrondierungsflächen lässt ebenfalls vermuten, dass es um die Tragfähigkeit des Konzepts nicht so gut bestellt war.

Nun noch zu einem Kritikpunkt an dem Konzept: Was für den Alexanderplatz ganz fehlt, ist ein tragfähiges Verkehrskonzept. Der Platz ist aus dem Ostteil der Stadt gut zu erreichen, aus dem Westteil der Stadt wird es zusehends schwieriger werden, wenn die Grunerstraße/Leipziger Straße zurückgebaut wird, wenn die Straßenbahn in die Leipziger Straße eingebaut wird. Das sind alles keine tragfähigen Konzepte. Hier muss dringend nachgearbeitet werden. Die Zuschüttung des Tunnels am Alexanderplatz wird den Durchgangsverkehr zusätzlich behindern und wird von uns daher abgelehnt. Das Verkehrskonzept ist in Gänze überhaupt nicht schlüssig.

[Beifall bei der FDP]

Die Absicht der Grünen jedoch mit der Großen Anfrage, jegliche Bautätigkeit in der Stadt für die nächsten 30 Jahre zu verhindern, bis die Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft ausgelaufen ist, wird von uns abgelehnt. Dies kann und darf kein Grund sein, die Entwicklung Berlins zu behindern.

Nun haben wir heute die erneute Debatte über den Alexanderplatz gehabt. Man kann sich schon zu Recht fragen, warum eigentlich jetzt. Wir haben bereits vor der Sommerpause im Stadtentwicklungsausschuss ausführlich darüber debattiert. Im April 2000 ist im Abgeordnetenhaus der Bebauungsplan für den Alexanderplatz verabschiedet worden. Dabei wurde die Gelegenheit von den Grünen nicht genutzt, eine Diskussion zu führen. Nach Abschluss der städtebaulichen Verträge für den Alexanderplatz ist es nach unserer Meinung nun wirklich zu spät, das ganze Konzept noch mal in Frage zu stellen. Wir sehen eine gute Chance, dass die Planung so, wie sie mit den Investoren vereinbart ist, auch realisiert werden kann. Wir werden den Prozess von unserer Seite aus kritisch, aber konstruktiv begleiten.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.