Protokoll der Sitzung vom 21.09.2002

[Beifall bei der SPD]

Herr Steffel, geben Sie mir einen Hinweis, wie ich Ihnen helfen kann, damit Sie am nächsten Dienstag weiterhin Fraktionsvorsitzender der CDU bleiben.

[Henkel (CDU): Er braucht Ihre Hilfe nicht! Er bleibt einfach!]

Geben Sie mir einen Hinweis, denn das macht mich wirklich sorgenvoll, dass Sie hier nicht mehr Fraktionsvorsitzender sein sollen. [Zurufe von der CDU]

Nachdem die „Berliner Zeitung“ das heute berichtet hat, dass Herr Kurth nächsten Dienstag Fraktionsvorsitzender wird, bin ich wirklich in Unruhe. Deshalb habe ich heute Ihre letzte Rede gehört und mich gewundert, warum die Debatte erst am Dienstag kommt und nicht schon lange geführt wird.

Aber zu den Inhalten – und das ist doch genau Ihr Problem als Opposition. Man kann Ihnen doch nicht übel nehmen, wenn durch eine Indiskretion eine nicht autorisierte Liste in die Öffentlichkeit gespielt wird, auch das rein zufällig vor dem 22. September, dass Sie versuchen, das auszuschlachten. Das würde jeder Wahlkämpfer, jede Wahlkämpferin machen, ob Opposition von der CDU, von der FDP oder von den Grünen, das ist legitim, und damit kann man sich auch auseinander setzen.

[Zuruf des Abg. Ratzmann (Grüne)]

Nur kann sich die eigene Glaubwürdigkeit nicht darin erschöpfen, dass man so etwas kritisiert. Sie haben stolz verkündet, alle

(A) (C)

(B) (D)

RBm Wowereit

drei Oppositionsparteien zusammen, wir gehen vor das Landesverfassungsgericht, weil dieser Haushalt angeblich nicht verfassungsgemäß sein soll.

[Zurufe von der CDU und den Grünen]

Das erinnert mich an die Debatte 1993. Da hat der damalige Rechnungshofpräsident dem Finanzsenator Pieroth vorgeworfen, der Haushalt sei nicht verfassungsgemäß. Herr Pieroth hat dann geantwortet: Ich kann nicht mehr einsparen, weil sonst das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Unordnung geraten würde. – 1993, Pieroth, immer noch von der CDU!

[Gram (CDU): Verjährt! – Dr. Lindner (FDP): Ihr schenkt euch auch nichts!]

Und wenn Sie der Meinung sind, dass Sie vor das Verfassungsgericht gehen – auch ein legitimes Recht –, dann gehe ich davon aus, dass Sie erwarten, dass Sie gewinnen.

[Eßer (Grüne): Da müssten Sie doch froh sein!]

Dann müssen Sie doch den Menschen sagen, die Konsequenz aus diesem „Sieg“ ist nicht die Giftliste von Herrn Sarrazin oder sonst jemandem mit 80 oder 400 Punkten,

[Henkel (CDU): Sie haben die Entlassungsurkunde schon dabei?]

sondern das totale Chaos, weil es bedeuten würde, dass wir aus dem Stand 4 Milliarden $ aus dem Haushalt herausstreichen würden.

[Niedergesäß (CDU): Investitionen erhöhen!]

Da würden wir über gar nichts mehr diskutieren, schon gar nicht über Einzelmaßnahmen, weil wir die Gehälter dann nicht mehr bezahlen könnten.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der CDU und den Grünen]

Dieses Maß an Unseriosität wird Ihnen nicht mehr abgenommen, sich dann vor den Tierpark zu stellen und selber in Kauf zu nehmen, wenn das Verfassungsgericht Ihrer Klage stattgibt, dass ich alles einstellen muss, weil ich keinen Kredit mehr aufnehmen kann. Da müssen Sie sich einmal vorstellen, was Ihre Klage bewirken würde. Das gehört zur Wahrheit, die vor dem 22. September gesagt werden kann.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Ratzmann (Grüne): Das sollten Sie besser wissen!]

Und sich dann herumzudrücken und zu sagen, wir würden dann ein bisschen mehr Mittelstandspolitik machen und dann würde alles besser werden, ist illusionär, und das wissen die Menschen auch in der Republik.

[Gram (CDU): Da bricht man mal locker die Verfassung!]

Deshalb scheuen wir die Auseinandersetzung vor dem Verfassungsgericht überhaupt gar nicht.

[Wieland (Grüne): Ruhig bleiben!]

Da bleibe ich ganz ruhig, Herr Kollege Wieland!

[Wieland (Grüne): Eben nicht!]

Denn vielleicht muss so etwas einmal in Berlin passieren, damit einigen der Ernst der Lage klar wird.

[Zurufe von der FDP]

Zur Haushaltskonsolidierung, und wenn sie noch so schmerzlich ist oder sein mag, gibt es keine Alternative. Der rot-rote Senat steht zu der Haushaltskonsolidierung.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Die PDS doch nicht! – Weitere Zurufe von rechts]

Wer zu Recht die Hilfe des Bundes und der anderen Länder einfordert, der muss bei sich seine Hausaufgaben zuerst machen.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Wir können es den Menschen in München oder in Rostock nicht zumuten, dass sie ihren Bürgerinnen und Bürgern weiter Einschränkungen machen, damit wir das, was diese Städte schon

längst getan haben, nicht mehr machen wollen oder nicht machen wollen. Dann werden Sie auch keine Solidarität für die Hauptstadt bekommen, und dann werden Sie auch keine Reaktion bekommen, denn das können Sie keinem klarmachen. Wenn wir darüber in dieser Stadt diskutiert haben, dass wir von 70 Bädern zehn Bäder stilllegen, weil wir die Investitionskosten und die Betriebskosten nicht mehr tragen können, dann haben andere Städte nicht mehr 60 Bäder zur Verfügung, sondern noch fünf oder wie Offenbach gar keines mehr.

[Mutlu (Grüne): Soll das die Messlatte sein?]

Da ist die Relation und die Realität in der Bundesrepublik Deutschland. Dies muss in Berlin endlich begriffen werden.

Was auch noch nicht begriffen worden ist im Hinblick auf die Auseinandersetzung vor dem Bundesverfassungsgericht: Herr Bundesfinanzminister Eichel hat dazu einiges gesagt, er hat nämlich noch einmal deutlich gemacht, dass diese Behauptung, Berlin gehe es so viel schlechter als den anderen Ländern, gar nicht zutrifft. Wir haben mehr Geld zur Verfügung pro Kopf der Bevölkerung als Bayern und Baden-Württemberg, als die reichen Länder. Das hat auch noch keiner in dieser Stadt begriffen,

[Zuruf des Abg. Ratzmann (Grüne)]

und zwar einfach aus dem Grund: Wir wären ganz pleite und arm, wenn wir mit unseren eigenen Steuereinnahmen auskommen müssten – das wären ungefähr diese 8 Milliarden, die uns zur Verfügung stehen –, dann wären wirklich richtig arm dran, aber deshalb gibt es das System des Länderfinanzausgleichs. Das bedeutet mit Bundesergänzungszuweisungen zusammen, dass wir noch einmal 4,5 Milliarden $ dazu bekommen. Mit dieser Summe sind wir auf dem Niveau der reichen Länder Bayern und Baden-Württemberg.

[Dr. Steffel (CDU): Das ist ja interessant!]

Und jetzt nehmen wir noch 6,3 Milliarden $ an Krediten auf. Mit dieser Summe haben wir die höchsten Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung in der gesamten Bundesrepublik, mehr als die reichen Länder Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen jemals zur Verfügung hatten.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Und das, Herr Eßer, das müssen Sie endlich begreifen. Das bedeutet de facto, zum Konsolidierungskurs gibt es überhaupt keine Alternative, sonst werden wir beim Bundesverfassungsgericht keine Chance haben, und wir brauchen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

[Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und den Grünen]

Herr Sarrazin hat deutlich gemacht, dass der Schuldenabbau und die damit verbundenen Zinszahlungen von uns nicht zu leisten sind, weil der Rest der Konsolidierung, die wir selber tragen müssen, nämlich das abzubauen, was wir im Gegensatz zu anderen Bundesländern haben, schon solche horrenden Summen sind, dass wir da alle Hände voll zu tun haben und den Rest nicht schaffen können. Aber das eine, nämlich die eigenen Hausaufgaben, haben wir zu leisten. Deshalb gibt es die Verpflichtung eines jeden Finanzsenators oder einer jeden Finanzsenatorin, sich auch Gedanken zu machen, wie man den Haushalt strukturieren kann – und natürlich nicht nur in der Form, dass man die einzelnen Haushaltstitel durchgeht. Vielmehr geht es darum, Strukturen zu verändern. Und das tut der Senat, und zwar mit Strukturveränderungen, die teilweise schon beschlossen sind, jedoch auch weiter erarbeitet werden. Die Arbeit des Senats besteht auch darin, dass wir das Gemeinschaftsaufgabe begreifen und nicht als alleinige Zuständigkeit des Finanz- oder Innensenators. Jede Senatorin und jeder Senator muss von diesen Grundsätzen überzeugt sein. Deshalb haben wir die Arbeitsklausuren eingeführt, um das gründlich vorzubereiten.

Natürlich wird man verunsichern – das ist der Sinn der Sache –, wenn man Papiere einer Verwaltung ans Licht der Öffentlichkeit bringt. Herr Wieland, es ist keine Vernachlässigung des Respekts vor dem Parlament, Arbeitspapiere nicht als Parlamentsbeschluss vorzulegen. Ihnen werden die Beschlüsse