Und da nutzt auch – zweitens – der ständige Hinweis, das sei ein Non-Paper, das sozusagen unautorisiert aus den unteren Abteilungen Ihrer Hierarchie per Indiskretion herausgekommen
sei, der Indiskretion wenig – denn es war nicht so. Es war eine von Ihnen eingerichtete Arbeitsgruppe, AG „Haushaltskonsolidierung“, die – herausgezogen aus dem üblichen Betrieb – den Auftrag hatte, diese Sparvorschläge aufzuschreiben, die den Auftrag hatte, Ihnen zu berichten, und Ihnen auch darüber berichtet hat. Sie haben schließlich in der Öffentlichkeit darüber räsoniert, was Sie da haben. Ich zitiere aus der „Berliner Morgenpost“ vom 18. September:
„Sarrazin bringt die Leute zum Jagen“, sagt einer, der die Amtsstuben an der Klosterstraße gut kennt. „Der Mann ist genauso wie seine Giftliste!“
Das Zitat übernehme ich so nicht. Ich würde es anders formulieren: Seine eigenen Parteifreunde haben Jürgen Möllemann lange vor der Antisemitismusdebatte einen „Quartalsirren“ genannt. Bei Herrn Sarrazin habe ich manchmal meine Zweifel, ob das Quartal nicht neun oder zwölf Monate beträgt.
Ich kann doch nicht als verantwortlicher Senator damit kokettieren, dass hier etwas ganz Schreckliches ist, und gleichzeitig sagen: „Wir müssen weitestgehende Maßnahmen in dieser Stadt durchführen, und dann werde ich irgendwann – wenn die Stunde der Wahrheit mal kommt, und dies kann nur nach der Bundestagswahl sein – Klarheit und Wahrheit schaffen und so ehrlich sein, dies vorzulegen.“ – Die politische Gewichtung, die Sie immer wie einen Schutzschild, als noch nicht vollführt, vor sich hertragen, hätten Sie vornehmen müssen! Das wäre Ihre Aufgabe gewesen; das haben Sie nicht getan! Es wurde völlig richtig gesagt, dass hier trotz aller Schwüre wieder die Rasenmähermethode eingesetzt wurde, dass dieser Senat das, was er versprochen hatte – davon wegzukommen und sein Programm auch schon in den Vorschlägen zum Ausdruck zu bringen –, nicht eingehalten hat. Hier gab es offenbar wiederum „nur“ die Vorgabe: Nun schreibt mal alles zusammen, was uns möglich erscheint!
Das ist nicht das, was zu erwarten gewesen wäre. Die Verwaltungsreform stagniert; der Solidarpakt wurde in Arbeitsgruppen „zwischengelagert“ – ab und an hört man von den Gewerkschaften, er sei ganz gestorben –; die Bürokratie wuchert wie eh und je in dieser Stadt. Nur ein Beispiel: Während die Zuwendungsempfänger in diesem Sommer unter der Haushaltssperre leiden mussten, hat der Senat in nur vier Tagen 2 200 Beförderungen in der Hauptverwaltung ausgesprochen und vorgenommen.
Dies ist alter Stil! Dies ist wahrlich nicht der versprochene Mentalitätswechsel! Und dies zeigt, dass sich in den neun Monaten, in denen Sie bisher zusammen regieren, nichts Wesentliches geändert hat!
Dem Regierenden Bürgermeister fällt in dem „Morgenpost“Interview vom heutigen Tage auch nichts anderes ein, als zu behaupten, die Opposition habe keine Vorschläge zum Sparen. Dies ist, was uns Grüne angeht, nachweislich nicht richtig. Gerade erst gestern haben unsere Haushälter Vorschläge gemacht, wie man an die wirklich „dicken Brocken“, die so genannten big points, herangehen könnte, auch an das viele, das aus den Zeiten von Filz und Korruption der 80er und 90er Jahre heute noch den Haushalt und die Steuerzahler belastet. Das ist zum Beispiel ein Verzicht auf die Anschlussförderung im Wohnungsbau; das ist die Minimierung der Verpflichtungen aus den Fonds der Bankgesellschaft; das ist zum Beispiel die Reduzierung der Kapitalzuführung an die BVG – das sagen wir auch ganz bewusst als Grüne –; das ist ein Zurechtstutzen der Entwicklungsgebiete, das nun endlich erfolgen sollte; die Privatisierung der Messegesellschaft; kostendeckender Vertrag mit den Olympiahallen; Reduktion von Bürgschaften und vieles anderes mehr. Wir wollen – anders als der Senat – beim Sparen oben anfangen, bei den Großen, bei den Starken. Wir wollen nicht den
Bürgern, den sozial Schwachen und den Hilfebedürftigen „das letzte Hemd ausziehen“. Das unterscheidet uns von der Senatspolitik. [Beifall bei den Grünen]
Und wir haben auch gesagt: Erst wenn dieser Sparbeitrag erkennbar in Angriff genommen wird, kann mit dem Bund über eine tatsächliche Entschuldungshilfe verhandelt werden. Diese müsste einen Umfang von ca. 30 Milliarden $ betragen. Das ist eine riesige Summe. Unsere Haushälter haben gestern gleichzeitig den Vorschlag gemacht, hierzu die Vermögenswerte des Landes Berlin – jedenfalls teilweise – einzusetzen, vor allem die Immobilien, sofern sie sich im Liegenschaftsfonds befinden und dafür zur Verfügung gestellt werden können. – Auch dies zur Frage, wer eigentlich einmal einen innovativen Vorschlag in diese Debatte einbringt und wer es nicht tut.
Die PDS tut tatsächlich so, als ginge sie das alles wenig an, als könne sie sich irgendwie hinausflüchten. Es wurde hier schon gesagt: Volksbegehren hier, Volksbegehren da. Frau Lötzsch geht hin und führt es durch: ein Bürgerbegehren gegen die Schließung des Tierparks.
Diese angewandte Schizophrenie muss man sich einmal vor Augen führen: Sie will die Bürger gegen das eigene Regierungshandeln mobilisieren. Dann machen Sie doch gleich eine Demonstration gegen sich selbst, geschätzte Frau Dr. Lötzsch,
frei nach dem Gysi-Motto: „Vorsicht, Bürger, ich erkenne mich selbst nicht wieder; mir graut vor mir!“
Nein! So können Sie aus Ihrer Verantwortung für eine unsoziale Sparpolitik nicht heraus! Sie tragen sie bereits jetzt mit. Und auch Herr Liebich hat nicht gesagt, wie die PDS tatsächlich zu diesen Vorschlägen steht.
Entschuldigung, Herr Kollege! Es gibt eine Demonstration. – Würden Sie bitte den Raum verlassen? – Würden die Ordnungskräfte bitte einschreiten? Wenn Sie die Personen bitte hinausbegleiten!
Gut! – Zum Schluss richte ich den Blick nach vorne, und da ist zunächst der morgige Tag. Wir vertrauen darauf, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr genau wissen, worauf es morgen ankommt. Da stehen nämlich nicht Thilo Sarrazin oder Thomas Flierl zur Wahl, sondern Gerhard Schröder und Joschka Fischer.
Danke schön, Herr Kollege Wieland! – Das Wort für den Senat hat nunmehr der Herr Regierende Bürgermeister. – Bitte schön, Herr Wowereit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wehe dem, der Böses dabei denkt, dass man heute, einen Tag vor der Wahl, zu dieser Sitzung zusammenkommt. Aber ich finde es gut, Herr Kollege Wieland, dass man die Chance hat, noch einmal die erfolgreiche Politik der Bundesregierung darzustellen. Wir sind der CDU dafür dankbar.
Und wir werden das auch nutzen. Da Sie uns die Möglichkeit genommen haben, alle miteinander an den Infoständen mit den Menschen in der Stadt direkt zu reden, werden wir das von dieser Stelle auch machen müssen.
[Czaja (CDU): Sie hätten doch jetzt sowieso noch geschlafen! – Zuruf: Sie sind noch müde von Hamburg!]
Aber stellen Sie sich vor, da erfährt man vieles in der Republik. Es wäre ganz gut, wenn Sie Ihren Horizont erweitern, aus Ihrem Westberlin herauskommen und über den Tellerrand hinausschauen würden.
Ich setze mich eigentlich seit über einem Jahr nicht mehr mit Herrn Steffel auseinander, weil es sich im Prinzip gar nicht lohnt.
Aber er hat aus Zeitungen zitiert und sich Sorgen gemacht, Sorgen um Berlin, um die Welt, um die Völker, die auf diese Stadt schauen, und noch viel mehr. Und er hat Recht, wenn man Zeitungen liest, muss man sich Sorgen machen. Ich bin ein Mensch, der nicht so schnell in Unruhe zu versetzen ist, aber heute und in den letzten Wochen bin ich wirklich unruhig geworden, denn heute die letzte Rede von Herrn Steffel als Fraktionsvorsitzender zu hören, das macht mich unruhig.