Der Erfolg und die Leistungsfähigkeit eines Schulsystems ist nämlich nur sehr vage von seinen äußeren Strukturen abhängig. Also, ich bitte Sie alle, sparen wir uns doch diese Debatte. Konzentrieren wir unsere Kräfte auf die ganz konkreten Verbesserungen. Das sind kleine Schritte, das dauert. Das ist mühsam. Aber das müssen wir in Angriff nehmen.
Die Aufgabe der Bildungspolitik ist es, einen Rahmen zu schaffen. Und ich zitiere jetzt unseren alten und erfreulicherweise auch neuen Bundeskanzler.
Jeder, der lernen will, soll die Möglichkeit dazu haben – entsprechend seiner Fähigkeiten und seiner Leistung, unabhängig von seiner sozialen Herkunft.
Auch das kann er gut. – Das klingt selbstverständlich, was wir da gehört haben. Aber es ist ein anspruchsvolles Vorhaben, das wir leider in Deutschland bis heute noch nicht umgesetzt haben. Denn eben – wir hörten es schon von Herrn Böger – der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg ist in Deutschland nicht aufgelöst. Es gibt ein erschreckendes Qualitätsdefizit an diesem Punkt. Und das Ziel Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit, es kann ja immer nur ein Ziel sein, setzt ein leistungsfähiges staatliches Schulsystem voraus. Gerade die Kinder aus schwierigen, bildungsfernen Milieus, auch mit Migrantenhintergrund häufig, sind eben darauf angewiesen, dass sie die bestmögliche Förderung in der Schule erfahren. Sie haben niemanden zu Hause, der schulische Defizite ausgleichen kann. Und deswegen ist ihr Können, ihr Wissen in der Schule zu erwerben, und die Schule hat die Verantwortung dafür zu tragen.
Ich möchte noch daran erinnern, dass eine Verbesserung der Qualität ohne zusätzliche Anstrengungen auf allen Seiten nicht möglich ist. Ich meine damit die Lehrkräfte, ich meine auch die Schüler, ich meine die Eltern, und ich meine natürlich die Politik, die sich hier auch sehr klar werden muss darüber, was sie leisten kann und was sie leisten muss. Und das hat einen finanziellen Rahmen, aber natürlich auch finanzielle Grenzen.
Eine Schlüsselrolle bei der Qualitätsdebatte spielt engagiertes Lehrpersonal – es wurde bereits gesagt –, das in der Lage ist, auch die Verantwortung für schwache Schüler zu übernehmen, aber allen die Freude am Lernen und am Lernerfolg zu vermitteln. Die Wahrheit sieht nun so aus, dass immer mehr übermüdete, desinteressierte Schüler in den Klassen sitzen. Heute hatten wir einen Artikel in der Zeitung über schuldistanziertes Verhalten, Schulschwänzer hat man früher gesagt – leider eine wachsende Gruppe, auch in Berlin. Damit müssen wir umgehen, und da sind auch die Eltern gefordert, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Es muss uns in Zukunft besser gelingen, den Kontakt zwischen Eltern und Schulen herzustellen, damit gemeinsam Verantwortung übernommen wird.
Insgesamt abschließend: Das Ganze ist ein hochkomplexes Unterfangen. Qualität in der Schule zu verbessern, die Leistungsfähigkeit zu steigern, das geht eben nicht auf Knopfdruck, sondern nur, wenn alle Beteiligten bereit sind, es mitzutragen. Wir wollen höchste Qualität in den Bildungseinrichtungen sicherstellen. – So steht es im SPD-Wahlprogramm. Das ist ernst gemeint. Berlin hat sich auf den langen und mühsamen Weg begeben. Wir brauchen dabei jede Unterstützung. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Harant hat ja eben meine zehnminütigen Ausführungen zur Schulpolitik reduziert auf einen Sachverhalt, der ihr offensichtlich in Erinnerung geblieben ist, nämlich ein Zeitungszitat.
Und, bei allem Respekt, aber das scheint mir ein Ergebnis von verfehlter Bildungspolitik zu sein, dass die Lesekompetenz es eben nur möglich macht, bei 10 Minuten sich so eine Sache zu merken und das dann auch noch hier als Redebeitrag tatsächlich in die Debatte einzuführen.
Lassen Sie uns vielleicht mit einigen Dingen aufräumen, die zwar immer wieder gern formuliert werden, aber dadurch nicht wahrer werden. Richtig ist sicherlich, dass als erste Reaktion auf die PISA-Studie jede Interessengruppe mit den Ergebnissen dieser Studie die alten bildungspolitischen Thesen wiederholt hat und zu begründen meinte, die schon seit Jahren vorgetragen wurden; seien es die Gewerkschaften, seien es die Arbeitgeberverbände – und auch die Parteien. Nachdem man dann aber ein bisschen stärker eingestiegen ist in die Daten und Fakten, hat sich doch eins herausgestellt – dass das hier immer noch bestritten wird, finde ich erstaunlich; ich dachte, wir sind bei den ernst zu nehmenden Diskutanten bei der Bildungspolitik darüber hinweg. Bestritten wird nämlich, dass es eine Vielfalt bei den geprüften Ländern gab und dass die einfachen Erklärungsmuster gar nicht hinreichend sind. Überrundet wurde die Bundesrepublik im PISA-Vergleich nämlich von Ländern mit ganz unterschiedlichem Bildungswesen – mal einheitlich, mal gegliedert, staatliches Bildungswesen, auch privates Bildungswesen, mal zentral organisiert und mal dezentral organisiert. Und deswegen ist eben die einfache Schlussfolgerung, dass alles, was in Richtung einer Gesamtschule gehen würde oder einer möglichst langen gemeinsamen Beschulung, positiv sei, diese Schlussfolgerung ist eben reine Ideologie, reine Propaganda, aber hat mit den Ergebnissen nichts zu tun.
Und es ist eindeutig nachgewiesen worden, dass eine ganze Reihe von Ländern vor uns liegen, die deutlich weniger Geld pro Schüler in ihr Schulsystem investieren, in denen es größere Klassen gibt, in denen es schwierigere Verhältnisse gibt, aber bei denen bessere Ergebnisse herausgekommen sind.
Und deswegen müssen wir uns natürlich darüber unterhalten, wie der Ressourceneinsatz sich bei uns vollzieht. Und der Ressourceneinsatz wird eben nicht in wissenschaftlichen Diskursen entschieden, sondern einzig und allein durch organisatorische und fachliche Vorgaben der Senatsschulverwaltung. Und deswegen ist das unser Thema und nicht die ganzen darum herum sich rankenden Ausschweifungen.
Der „Spiegel“ hat in einer umfangreichen Stellungnahme zu PISA vier Thesen aufgestellt. Davon möchte ich ganz kurz vorstellen. Die 1. These lautet, dass zu wenig Integrationsdruck auf nichtdeutsche Schüler ausgeübt wird. Da heißt es:
gemeint sind damit drei Viertel der Kinder, die im Bezirk Wedding – das wird hier als Beispiel angeführt – nicht die Unterrichtssprache verstehen –
in einer abgeschotteten Parallelgesellschaft, bei der alle TV-Schüsseln nach Südosten ausgerichtet sind und heiratswillige Männer fügsame, frisch aus der Türkei eingeflogene Bräute bevorzugen. Die Import-Mütter wiederum sind außerstande, ihren Kindern Deutsch beizubringen. Vier Fünftel aller türkischen Eltern seien – bedauert Verbandschef Özcan –
Soweit lauten die Anmerkungen zu den Eltern. Es gibt dann – darüber haben wir uns vielfach unterhalten – entsprechende Probleme bei den Kindern. Wir müssen uns einfach anschauen, wo die Schwerpunkte dabei liegen und in welcher Weise diese Probleme behoben werden können. Sie werden heute überwiegend mit einem System „Deutsch als Zweitsprache“ behoben. Dieses System ist offensichtlich gescheitert.
Auch wenn noch 20 oder 50 zusätzliche Lehrer eingestellt werden, ist bei diesem Ressourceneinsatz und diesen unwiderlegbar festgestellten und hier noch einmal zitierten Ergebnissen das System gescheitert. Das Schlimme an dieser bildungspolitischen Debatte ist, dass der Diskurs darüber, wie man es besser machen kann, gar nicht zugelassen wird. Es wird nicht zugelassen, sich darüber zu streiten. Es wird vielmehr gesagt: Das ist gut. Das machen wir weiter so. Damit ist Ende der Debatte. – So kann es nicht weiter gehen!
Die 2. hier vorgestellte These lautet: Kindergartenplätze für alle, und zwar im Hinblick darauf, dass das Spielen und das Aufbewahren in Kindertagesstätten ohne einen konkreten Bildungsauftrag nicht länger geduldet werden sollte.
Die 3. These lautet, dass auch Disziplin eine Schlüsselqualifikation ist. So sagt es der „Spiegel“ in seiner Analyse und geht damit darauf ein, dass viele Bildungspolitiker – manche sagen auch Ideologen – aus der 68er Bewegung Basisqualifikationen wie Disziplin, bestimmte Formen, wie man dem Unterricht folgt usw., immer wieder verteufelt haben.
Der „Spiegel“ ist doch nun unverdächtig, nicht Ihrer Richtung zu entstammen. Bleiben Sie doch ganz ruhig!
Die 4. These betrifft die Ganztagsschulen. Der „Spiegel“ sagt: Mit Ganztagsschulen gegen Elternversagen. Es wird uns etwas vorgemacht, wenn gesagt wird, dass durch die Initiative der Bundesregierung massiv in Ganztagsschulen investiert werden könnte. Bei 10 Millionen Schülern und 10 000 Ganztagsschulen, die die Bundesregierung mit 1 Milliarde $ jährlich finanzieren will, kommen 100 000 $ auf eine Ganztagsschule pro Jahr. Was können Sie daraus finanzieren? Mehr als 2 Lehrkräfte sind nicht drin. Deswegen wird uns etwas als Lösung vorgegaukelt, was wirklich auch nur reine Propaganda ist. So kann man nicht ernsthaft mit den Leuten, die auf Geld und auf Umsetzung an dieser Stelle warten, umgehen!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Goetze! Sie können davon ausgehen, dass wir den „Spiegel“ auch sehr gründlich lesen. Ich finde es aber schon sehr gut, Sie haben deutlich gemacht, dass Bildungspolitik von CDU und von SPD und PDS nicht im Konsens erfolgen kann. Das ist ganz klar. Ihre grundsätzlich unterschiedlichen Ansatzpunkte, die Sie hier deutlich gemacht haben, waren uns aber vorher schon bekannt.
Ich möchte mich zu zwei inhaltlichen Schwerpunkten heute noch einmal äußern, die auch aus dem Beitrag von Herrn Böger hervorgegangen sind. Wir haben gleichermaßen zwei Anträge zu diesem Thema eingebracht. Das betrifft zum einen den gesamten Bereich der vorschulischen Bildung. Alles, was vor dem Schuleintritt in der Entwicklung des Kindes stattfindet, hat natürlich wesentlichen Einfluss auf die Qualität in der Schule, insbesondere auf die Qualität der Grundschule, und damit natürlich auch Einfluss auf die Chancengleichheit von Kindern.
Zweitens geht es uns um den Bereich der außerunterrichtlichen Förderung und Betreuung der Schüler. Wir wissen, das hat PISA deutlich gemacht, dass Bildungsprozesse bei den Kindern bereits vor dem Eintritt in die Schule beginnen.