Ja! Auch das, Frau Jantzen! – Es ist von wesentlicher Bedeutung für das, was dann in der Schule an Persönlichkeitsentwicklung stattfindet.
Es geht uns darum, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass jedes Kind die bestmöglichen Voraussetzungen vorfindet, um sich, ausgehend von seinen individuellen Besonderheiten, optimal geistig und körperlich, aber auch in seinen sozialen Kompetenzen zu entwickeln. Wie ist die Situation in der vorschulischen Förderung? Berlin hat diesbezüglich keine einheitliche Struktur. Es gibt zum einen die vorschulische Förderung im Kindergarten und zum anderen die Vorklassen an den Grundschulen. Beide Angebote haben kein einheitliches und auf die Bedürfnisse der Grundschule abgestimmtes Rahmenprogramm. Das eine Angebot ist auf ein Jahr beschränkt; es ist kostenlos und auf den Vormittag begrenzt. Das andere Angebot kann kostenpflichtig als Ganztagsangebot vom 3. Lebensjahr an genutzt werden. Wir sind der Meinung, dass beide Angebote daraufhin geprüft werden müssen, ob sie den aktuellen Erfordernissen entsprechen, vor allem inhaltlich, aber auch dahin gehend, ob die Doppelstruktur in der vorhandenen Konstellation noch zeitgemäß ist. Unser Antrag fordert den Senat auf, diese Prüfung vorzunehmen und ein Konzept zu entwickeln, das auch die Berliner Finanzlage berücksichtigt, aber in erster Linie auf die Erfordernisse der Kinder und der Familien ausgerichtet ist. In diesem Zusammenhang werden wir uns sicherlich auch mit den beiden anderen Anträgen, die bereits eingereicht sind, weiter befassen.
Das zweite Problem ist bundesweit bedeutsam. Es betrifft die Ganztagsbetreuung und die Ganztagsangebote. Berlin hat gute Angebote für die Förderung und Betreuung der Grundschulkinder. Allerdings wissen wir auch, dass nicht nur die Platzkapazitäten in der Stadt sehr verschieden verteilt sind, sondern dass sich auch die inhaltlichen Strukturen in der Stadt unterschiedlich herausgebildet haben. Es ist an der Zeit, das Vorhandene auf den Prüfstand zu setzen, Vorurteile beiseite zu stellen und ein Gesamtkonzept für diese Stadt zu entwickeln.
Ich möchte an dieser Stelle betonen – das geht auch an Ihre Fraktion –, dass ein grundsätzlich neues Herangehen notwendig ist. [Frau Jantzen (Grüne): Ja!]
Dazu müssen Schule und Jugendhilfe an einen Tisch gebracht werden. „Das Angebot des offenen Ganztagsbetriebes an den Grundschulen wird erhalten bleiben“ – wie es auch der Senator in der Beantwortung der Großen Anfrage ausgeführt hat – „und, soweit es möglich ist, erweitert werden“.
Deshalb sage ich Ihnen jetzt, dass es Zeit ist, die Deckelungszahlen für den offenen Ganztagsbetrieb abzuschaffen.
Es ist höchste Zeit, denn es drohen die vorhandenen Strukturen gerade an dieser Stelle wegzubrechen. Ich nehme es zur Kenntnis, Frau Jantzen, dass Sie die gleiche Meinung haben. Bislang haben nur wir uns um den offenen Ganztagsbetrieb gekümmert. Das wollen wir doch einmal festhalten.
Bis 2006 sollen 30 Ganztagsschulen eingerichtet werden, und nicht bis zum Ende des Jahres 2002, Herr Mutlu! Insofern haben wir uns auch vorgenommen, die verlässliche Halbtagsgrundschule flächendeckend einzuführen. Dabei soll die verlässliche Halbtagsgrundschule dort als Grundmodul für die ganztägige Betreuung eingeführt werden, wo es ganztägige Angebote bisher nicht gibt. Das trifft vor allem für den Westteil der Stadt zu. Es muss Schluss sein mit punkturellen Überlegungen, ein bisschen hier oder ein wenig dort zu tun. Nein, wir wollen ein Konzept haben und wollen wissen, wie die Ressourcen insgesamt eingesetzt werden. So soll es nach unserer Meinung möglichst schnell
und nicht erst in späterer Zeit wirksam werden. Damit hätten wir sicherlich dann auch die Möglichkeit, den Bundeskanzler beim Wort zu nehmen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Senator Böger! Vielleicht eine Bitte: Sie haben eben einen abwesenden Stadtrat der FDP kritisiert. Ich bitte darum, dass wir dies unterlassen. [Brauer (PDS): Wenn er Recht hat!]
Nein, der Senator hat nämlich Unrecht. Wir haben uns erkundigt. Es geht darum: Stadtrat Schrader hat diese Mittel zu 100 % der Schule zugewiesen. Die Entscheidung lag im Handlungsspielraum der Schule. So ist es abgelaufen. Eines kann ich aber zur Beruhigung sagen, weil dieses Thema Kreise zieht: Klopapier ist inzwischen gespendet worden, und zwar eine große Menge.
Aber nun, Herr Böger, zu Ihnen und Ihrer Rede. Sie haben völlig Recht: Die Bildungschancen werden durch die Herkunft bestimmt, das sagt PISA. Das ist richtig, und deswegen müssen wir früh anfangen, dieses auszugleichen. Chancengleichheit beginnt am Start, aber deswegen brauchen wir vorher Bildungseinrichtungen, die Chancengleichheit am Start ermöglichen. Das heißt, wir müssen vorher Defizite erkennen und ausgleichen. Deswegen brauchen wir Sprachstandserhebungen, wozu Sie sich auch geäußert haben. Sie haben allerdings vor, diese – siehe „Bärenstark“ – vor Beginn des 1. Schuljahrs durchzuführen. Dazu sagen wir, das ist zu spät. Wir brauchen die Sprachstandserhebung früher, damit rechtzeitig die Konsequenzen in den Kitas ergriffen werden können. Wir werden in der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses den Vorschlag unterbreiten, dass wir gleichzeitig mit der U 8 bzw. U 9 eine Sprachstandserhebung durchführen wollen. Das wäre ein pragmatischer Vorschlag. Das Ziel muss sein, dass die Kinder bei Schulbeginn die Voraussetzungen erfüllen, denn alles andere trägt dazu bei, dass sich die ungleichen Chancen verfestigen. Da sind wir einer Meinung, dass wir das nicht wollen. Das heißt aber auch, dass Erzieherinnen und Erzieher jetzt ausgebildet und jetzt auch in Fortbildungsmaßnahmen eingeführt werden müssen. Wir haben schon einmal den Vorschlag gemacht, ein Mentorenprogramm einzuführen, eben „learning by doing“, Lernen vor Ort, eine zeitlich begrenzte Fortbildung.
Ich komme nun zum nächsten Punkt, die verlässliche Halbtagsschule. Auch die unterstützen wir. Dieses Konzept liegt noch nicht vor, sodass wir leider nur im Trüben fischen können. Mich hat Folgendes erstaunt: Gestern vor 14 Tagen las ich in der „Morgenpost“ zur Einführung der verlässlichen Halbtagsschule:
Wir brauchen keine zusätzlichen Lehrkräfte bei der Einrichtung von verlässlicher Halbtags- und Ganztagsschule. Es wird ja nicht mehr Unterricht erteilt.
Ich muss fragen, ob wir da von allen guten Geistern verlassen sind. Machen wir die verlässliche Halbtagsschule dadurch zu einer besseren Aufbewahrungsanstalt? Müssen wir nicht auch Schlüsse aus PISA ziehen und diese endlich umsetzen, dass nämlich mehr Unterricht durchaus vernünftig ist, weil die Köpfe
mehr wissen wollen? Brauchen wir nicht mehr individuelle Förderung? Brauchen wir nicht ein breiteres Angebot von Arbeitsgemeinschaften, beispielsweise in Sport, Musik und Kunst?
Es geht darum: Lernen wollen die Kinder. Alle, die selbst Kinder großgezogen haben, haben diese Erkenntnis bereits.
Schul- und Sportstättensanierungsprogramm: 50 Millionen $, das wissen wir alle, sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Es muss doch gerade dann das Ziel sein, dass mit den knappen Mitteln das Optimale herauskommt. Ich bezweifele die augenblickliche Vorgehensweise und fordere Sie kurz und bündig auf, endlich ein zentrales Gebäudemanagement einzurichten.
Als einen der wichtigen Punkte hatten Sie die Lehrerbedarfsplanung genannt. Wir brauchen eine verlässliche Lehrerbedarfsplanung. Nun möchte ich ein paar Zahlen nennen, denn Sie sprachen eben nach dem Motto „Alles wird gut“, aber ich finde, und nichts wird gut. Ein Beispiel: Wir haben 109 Schulen mit einem Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunft über 40 %; 42 davon über 70 % und 4 über 90 %. Es gilt im Prinzip, dass bei Schulen mit einem Anteil von über 40 % Schülern nichtdeutscher Herkunft geprüft wird, ob es zu einer Frequenzabsenkung kommen kann – um 2 Kinder, wohlgemerkt. Dies ist nur eine Absichtserklärung. Da wir jetzt wissen, dass wir über Klassen mit 30 Schülern reden, ist eine Frequenzabsenkung um 2 Kinder völlig unzureichend. Im Schuljahr 2002/2003 stellen Sie 30 zusätzliche Lehrer gerade für diese Schulen in sozialen Brennpunkten ein. Das heißt – wer rechnen kann, weiß es –, eine Drittel-Lehrerstelle pro Schule mehr. Auch Sie, Herr Böger, betonen immer wieder, Priorität muss das Erlernen der deutschen Sprache haben; nur so ist eine erfolgreiche Schullaufbahn gesichert. Dazu sage ich: Die von Ihnen getroffenen Maßnahmen bezüglich der Lehrerbedarfsplanung sind völlig unzureichend. Anspruch und Wirklichkeit widersprechen sich hier einmal mehr.
Jetzt lassen Sie mich zur Lehrerbedarfsplanung noch eines sagen, und da will ich Sie nur aus einer Mitteilung – zur Kenntnisnahme – zitieren:
In den kommenden 10 Jahren, November 2001 bis November 2011, müssen im Umfang von insgesamt über 9 600 Stellen Lehrkräfte eingestellt werden, um den prognostizierten Bedarf decken zu können. Dabei sei an dieser Stelle daran erinnert, dass in den vorliegenden Berechnungen keine pädagogische Verbesserung berücksichtigt ist.
Das sind Zahlen, die wir einmal Revue passieren lassen sollten. In diesen Zahlen ist keine pädagogische Verbesserung enthalten. Ich sehe nicht, Herr Böger, dass Sie diese Zahlen in irgendeiner Weise realistisch und nachhaltig berücksichtigen.
Jetzt noch etwas Kurzes zu Ihrer Antwort auf die Große Anfrage der PDS und der SPD: Hier geht es um die aktuellen Fortbildungsangebote des Landesinstituts für Schule und Medien. Unter anderem gibt es eine Fortbildung, die da lautet:
Das LISUM wird Schulen durch Moderatoren über die PISA-Ergebnisse informieren, zum Beispiel im Rahmen von Studientagen und Gesamtkonferenzen. Beginn: September 2002.
Seit einem Jahr, seit November 2001, reden wir über PISA, und jetzt werden die Kolleginnen und Kollegen fortgebildet. Lächerlich!
In einer Veranstaltungsreihe werden Möglichkeiten aufgezeigt, Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Mathematikunterricht zu diagnostizieren. Das heißt: Wie stelle ich fest, was meine Schüler wissen?
Ich muss Ihnen sagen, dieses als Schwerpunkt und Fortbildungsmaßnahmen zu sehen – ich frage mich, wie weit wir in Berlin eigentlich gekommen sind. Dieses Fortbildungsprogramm, zumindest hinsichtlich der zwei genannten Punkte, entsetzt mich ziemlich.
Abschließend: Herr Böger, Sie haben eben sieben Punkte genannt: Qualifizierung der Vorschule, der Grundschule, systematische Förderung von Bildungsbenachteiligten, Eigenverantwortung usw. Wir können zu allen sieben Punkten zunächst Ja sagen. Ich sage bewusst: zunächst, denn diese Punkte müssen nun mit Inhalten gefüllt werden. Ich fordere Sie auf, endlich das Schulgesetz vorzulegen, damit wir darüber, wo es um Inhalte geht, diskutieren. Eigentlich sollte es im Oktober vorliegen. Ich bin gespannt, ob Sie es in diesem Jahr noch hinbekommen. – Vielen Dank! [Beifall bei der FDP]