Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

[Niedergesäß (CDU): In Auerbachs Keller!]

fahren wir trotzdem fort, Herr Zimmer, in der Reihenfolge der Redebeiträge. Damit hat das Wort für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Spranger – bitte schön! Vielleicht wissen Sie ja, wo er essen geht!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werter Herr Zimmer! Das ist ein ganz schön starker Tobak gewesen, den Sie von sich gegeben haben. Aber es sei Ihnen verziehen, als neuernannter finanzpolitischer Sprecher kann man das in der ersten Rederunde zum Haushalt schon einmal tun.

[Hoff (PDS): Nein, kann man nicht!]

Ich muss Ihnen dennoch sagen, dass das Haushaltsrecht – das steht in Ihrem Antrag – das vornehmste Recht des Parlaments ist, das bleibt unbestritten, das sehen wir auch so. Ich sage Ihnen: Nur allzugern hätten wir bereits im September oder im Oktober einen Haushaltsplan vorgelegt, der auf realistischen Ansätzen beruht,

[Schruoffeneger (Grüne): Au ja!]

der das Land unter Beibehaltung der Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit nachhaltig saniert, der Bildung einen Vorrang einräumt.

[Beifall der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]

Wären wir davon überzeugt gewesen, dass es dem ehemaligen CDU-Finanzsenator gelungen wäre, diese Ansätze ordnungsgemäß zu bilden, dann wäre wahrscheinlich die große Koalition auch nicht geplatzt.

[Niedergesäß (CDU): Das ist ja wohl ein Witz, was Sie da sagen! Eine richtige Witzbude ist das hier!]

Ich entnehme aber Ihrem Antrag, dass Sie bis zum heutigen Tag überhaupt noch nicht begriffen haben, dass es anders kommen musste. Bis heute verweigern Sie sich leider – das merkt man auch an der Rede wieder – der Realität. Fakt ist nun einmal, dass wir am 21. Oktober Neuwahlen hatten. Die Berlinerinnen und Berliner haben uns als Sozialdemokraten einen Regierungsauftrag erteilt

[Niedergesäß (CDU): Mit einem schwachen Ergebnis!]

auch wenn Sie das nicht hören wollen, Sie sind schwächer geworden, es tut mir leid, aber wir haben nun einmal die breite Zustimmung. – Wir sind dabei ein Koalitionsprogramm zu erarbeiten, das sich als vorrangiges Ziel der äußerst schwierigen Haushaltskonsolidierung beherzt annehmen wird. Dass es dabei auch zu unerwarteten Wendungen kam, die den Nebeneffekt hatten, dass wir heute die Regierung nicht wählen, zeigt, dass wir in der Sache hart verhandeln, weil wir es mit der Haushaltssanierung und der damit verbundenen Zukunftsperspektive

für das Land Berlin sehr ernst meinen. Eine Aufgabe, an der die CDU nun einmal gescheitert ist – und das nehmen Sie bitte zur Kenntnis.

[Beifall bei der SPD – Niedergesäß (CDU): Sie wohl nicht, was?]

Selbstverständlich wäre es möglich, zum jetzigen Zeitpunkt einen Nothaushalt zusammenzuschustern, den wir in ein paar Monaten dann wieder nachbessern müssten. Den Sinn eines solchen Handelns und vor allem auch den Gewinn für die Demokratie, der nach Meinung der CDU-Fraktion daraus resultiert, sehen wir freilich nicht. Für Schein- und Zwischenlösungen ist die SPD-Fraktion nicht zu haben.

[Dr. Rexrodt (FDP): Na, na!]

Wenn Sie Ihren Antrag mit „Demokratie erhalten“ betiteln, so treiben Sie leider Schindluder mit dem Demokratiebegriff.

[Zimmer (CDU): Unerhört!]

Die Berlinerinnen und Berliner mussten ja auch nicht zuletzt deshalb an die Wahlurne gerufen werden, weil der damalige Fraktionsvorsitzende der CDU ein etwas merkwürdiges Demokratieverständnis hatte.

[Beifall bei der SPD – Niedergesäß (CD): Na, nun lassen Sie einmal!]

Jetzt wird zügig, aber weiterhin mit der notwendigen Sorgfalt eine Koalitionsvereinbarung verhandelt, die Hand und Fuß hat, dann wird die Regierung gebildet. Diese neue Regierung wird dem Parlament, da können Sie sich sehr sicher sein, einen soliden Haushaltsentwurf zur Beratung vorlegen.

[Niedergesäß (CDU): Sehr witzig!]

Dieses Verfahren ist weder in Berlin noch in anderen demokratischen Gemeinwesen etwas Besonderes. Ich bin seit 1999 im Parlament. Dieses Vorgehen unterscheidet sich nicht von dem Verfahren, das vor zwei Jahren bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus auch von der CDU-Fraktion mitgetragen wurde. Damit wir uns nicht falsch verstehen, natürlich bedauern auch wir, dass es in den letzten drei Jahren keinen Haushalt gegeben hat, der nicht entweder im laufenden Haushaltsjahr beschlossen wurde oder aber im laufenden Haushaltsjahr bereits wieder hinfällig war, aber wir haben auch nicht das Finanzressort gehabt.

[Niedergesäß (CDU): Ha, Ihr habt ja Frau Fugmann-Heesing abgeschossen!]

Um genau das in Zukunft zu vermeiden, wird die neue Koalition unter sozialdemokratischer Führung einen Haushalt erarbeiten, der realistisch ist, der Bestand hat. Dazu braucht es Sorgfalt und nicht überhasteter Entwürfe. Das, was wir an Strukturen – –

Frau Abgeordnete! Achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!

Ja, ich bin fast fertig. – Der politische Neuanfang, liebe Damen und Herren von der CDU, findet bereits statt. Wenn Sie sich in Ihrem Antrag darüber beschweren, dass der kurthsche Ansatz von 5,6 Milliarden DM bei der Vermögensaktivierung in diesem Jahr nicht erbracht worden ist, dann muss ich Ihnen sagen, die Lüge, über die Sie sich hier empören, war Ihre eigene.

[Schruoffeneger (Grüne): Ihr habt doch immer die Hand dafür gehoben!]

Deshalb wird der Antrag der CDU-Fraktion, darum bitte ich Sie, abgelehnt.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion der PDS hat nunmehr das Wort der Abgeordnete Hoff – bitte schön!

Herr Niedergesäß! Ihre Zwischenfrage konnten wir leider nicht mehr berücksichtigen, die Redezeit war nämlich schon beendet. Ich hoffe sehr, Sie haben dafür Verständnis.

[Niedergesäß (CDU): Nee, habe ich nicht!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Spranger hat ihren Redebeitrag mit den Worten eingeleitet, weil es die erste Rede des Kollegen Zimmer als haushaltspolitischer Sprecher war, könne man ihm manches verzeihen. Ich würde ihm diese Rede verzeihen, wenn es die letzte Rede nach den Haushaltsberatungen wäre, das ist ja immer solch eine Juxrunde. Dort könnte man solch eine Rede halten, wie Sie eben. Wenn das jetzt unter dem Motto läuft, wir halten jüngere, frischere Reden, dann war der Anspruch ganz gut, aber inhaltlich ist es leider daneben gegangen. Ich habe, meine Kolleginnen und Kollegen, etwas zweifelnd angesehen so nach dem Motto, was erzählt der Mann da eigentlich. Meine Kolleginnen und Kollegen haben dazu gesagt: Das ist ein guter Mann, der hat wirklich Vernunft in der CDU-Fraktion, und im Untersuchungsausschuss hat er wirklich gute Arbeit gemacht. – Gut, gestehe ich Ihnen zu, bei der Rede haben sie daneben gehauen. Sie haben es insofern wirklich verdorben, weil Sie hier zu einem eigentlich richtig spannenden Thema, nämlich der Frage des Nothaushaltsrechts des Parlaments, versucht haben zu sprechen. Sie haben aber diese haushaltsrechtlich wirklich spannende Fragestellung – wie verhalten sich Legislative und Exekutive zueinander in einer quasi haushaltslosen Zeit, wozu ich mir von Ihnen als Jurist mehr erwartet hätte – zu Jux und Polemik genutzt, und dass finde ich nicht richtig.

Ich empfehle Ihnen, die jüngste Ausgabe der „Zeitschrift für Parlamentsfragen“ zu lesen. Dort gibt es einen Beitrag zu der Frage Nothaushaltsrecht anhand eines Urteils des Bremischen Staatsgerichtshofs, in Beziehung gesetzt zu der Fragestellung Notausgaberecht der Regierung und Nothaushaltsrecht des Parlaments – auch am Beispiel der umstrittenen Verfahren zu der Zeit, als Helmut Schmidt Finanzminister gewesen ist und das Notausgaberecht der Regierung zu weit gefasst hat. Sie haben von 80 Milliarden DM Schulden gesprochen, eine für dieses Parlament wirklich ausgesprochen neue Feststellung. Oder die Feststellung, dass das Land am Ende eines Haushaltsjahres schon von den Krediten des nächsten Jahres lebt, auch ein für Ihre Fraktion gänzlich unbekannter Sachverhalt, aus dem die Forderung abgeleitet wird, jetzt müsse unbedingt ein Etat vorgelegt werden. Ich frage Sie, Sie sind inzwischen in die erste Reihe Ihrer Fraktion gerückt, wie stellen Sie sich das eigentlich technisch vor. Wie stellen Sie sich das als neuer haushaltspolitischer Sprecher vor – ich denke, dass der ehemalige finanzpolitische Sprecher, Herr Kaczmarek, den man sich an dieser Stelle, nur zurückwünschen kann, solch eine Rede nicht gehalten hätte.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Er hätte gefragt, was bringt die Vorlage eines Etats bei einer unklaren Regierungskonstellation, bei einer Verwaltung, die sich gerade zusammenfügt und in einer Situation, in der wir keine festgelegte Koalition haben. Wie hätten Sie 1995 oder 1999 gehandelt, wo genau so agiert wurde – mit vorläufiger Haushaltsführung, ganz logisch, in einer haushaltslosen Zeit? Wie hätten Sie reagiert, wenn wir als PDS-Fraktion – wir hätten es nicht gemacht, weil wir es als stillos empfunden hätten – solch einen Antrag eingereicht hätten? Sie hätten uns ausgelacht und gesagt, so könne man keine Haushaltsverhandlungen führen. Es sollen Haushaltsberatungen sein, in denen das Parlament eine klar festgelegte Exekutive zu ihrer politischen Leitlinie, zu ihrer politischen Finanzplanung fragt und daran die haushaltspolitischen Richtlinien für das laufende Haushaltsjahr – in diesem Fall 2002 – und die mittelfristige Finanzplanung abfragt. Sie haben hier aus unserer Sicht als Oppositionsfraktion – und uns als langjährige Oppositionsfraktion ärgert das regelrecht, wenn der Status der Opposition hier so heruntergemacht wird – gerade nicht realisiert, wie man als Opposition in einem Parlament, in dem es einen Regierungsblock und einen Oppositionsblock gibt, die Rechte des Parlaments gegenüber der Exekutive hochhält, gerade in so einem sensiblen Punkt wie dem Haushalts

recht. Deshalb sagen wir: Da die Begründung von Ihnen noch hinter den Antrag zurückfällt, können wir dem Antrag – gerade auch mit der Begründung – erst recht nicht zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat der Abgeordnete Schruoffeneger das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Zimmer! Auch ich war, ehrlich gesagt, etwas enttäuscht, dass Sie diesen Antrag, den wir sehr sympathisch finden, mit Ihrer Rede so verschenkt haben. Es ist schon ein bisschen verschenkt, wenn Sie darauf hinweisen, dass nun immer noch kein Haushalt vorliegt und dass alles ganz fürchterlich ist. Wenn man sich daran erinnert, warum wir einen so späten Wahltermin hatten, der es fast unmöglich gemacht hat, noch im laufenden Jahr einen Haushalt vorzulegen, dann sind Sie daran nicht ganz unbeteiligt.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS – Beifall des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Und wenn man sich daran erinnert, wie oft es in den letzten Jahren Haushalte gab, die erst sehr spät im Jahr kamen, dann gab es dafür nicht einmal einen Wahltermin als Entschuldigung. Ich glaube, das ist eine ernsthafte Entschuldigung, weil es keinen Sinn hat, vor Wahlen einen Haushaltsentwurf vorzulegen.

Aber – und damit wende ich mich der anderen Seite zu – ich hätte erwartet, dass es Eckpunkte für einen solchen Haushalt gibt. Es war im Übergangssenat auch verabredet, dass es diese Eckpunkte vor der Wahl geben sollte. Das hat nicht funktioniert. Ich bedauere jetzt ein bisschen, dass die Finanzsenatorin dieser Debatte nicht lauscht, denn ganz unbeteiligt daran war sie natürlich nicht. Diese Eckpunkte hat es nicht gegeben, und nach den Gesprächen der letzten vier Wochen erahne ich auch, warum das so schwierig war. Eckpunkte und Haushaltsansätze müssen mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden, die realisierbar sind. Frau Spranger hat uns hier einen Haushaltsentwurf versprochen, der realistisch ist. Nachdem, was ich so in den letzten Wochen erlebt habe, bin ich sehr gespannt, was da kommt. Da müssen Sie noch viel springen – schnell springen, weit springen, hoch springen –, damit etwas Realistisches herauskommt.

Zu diesen Eckpunkten, die man hier vorlegen muss – das muss meiner Ansicht nach im Januar passieren –, gehört sicherlich die Frage, bis wann das Land Berlin seinen Haushalt realistischerweise sanieren kann. Da gucke ich insbesondere die Sozialdemokraten an und sage: Da müssen Sie sich noch von einigen Aussagen des Wahlkampfs und der letzten Wochen verabschieden, denn dass das Land Berlin das aus eigener Kraft bis zum Jahr 2009 schafft, das glauben Sie selber mittlerweile nicht mehr. Das ist eine Schimäre. Davon müssen Sie weg. Dann wird es auch möglich sein, hier seriös über einen Haushalt zu reden. In Richtung PDS kann man nur sagen: Wenn Sie sich auf dieses Spiel einlassen, Haushaltskosmetik statt Haushaltssanierung zu betreiben, dann ist die Glaubwürdigkeit gleich am Anfang weg und angekratzt. Das sollten Sie nicht tun – das sozusagen als Rat aus der alten gemeinsamen Oppositionszeit –, dazu sollten Sie sich zu schade sein.

Es kommt darauf an, dass Berlin sehr schnell erkennt und das auch öffentlich sagt, dass wir in der Haushaltsnotlage sind, nicht nur fast, wie es ein Kollege der PDS vorhin gesagt hat, sondern wir sind in der Haushaltsnotlage. Daraus müssen auch die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Die richtige Konsequenz ist es sicherlich, diesen Haushalt umgehend, möglichst schnell vorzulegen, denn nur dann kann man auch noch steuern. Ich habe bis gestern gedacht, dass die Zeitplanung Februar heißt, denn ich bin davon ausgegangen, dass die Vorarbeiten in der Finanzverwaltung fertig sind. Ich habe nun gestern gelernt, dass der Senatsbeschluss irgendwann um Ostern herum fallen soll und wir im Parlament dann zwischen Ostern und der Sommerpause den Haushalt beraten. Gelinde gesagt, finde ich das nicht