Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Ich will ein paar Argumente nennen, warum sich die PDS auch nach einer Abwägung und auch nach einer Diskussion entschieden hat, die Position zu unterstützen, dass wir uns für das Jahr 2012 nicht um Olympische Spiele bewerben sollten.

Das Angebot der privaten Wirtschaft, die erste Phase zu finanzieren, ist durchaus ehrenwert. Aber wir wissen, dass diese allererste Phase nur der Tropfen auf den heißen Stein ist und das ganze Ausmaß erst folgen wird. Es hat mir immer noch keiner die Frage beantwortet, wie beispielsweise ein olympisches Dorf mit bis zu 30 000 Wohnungen nicht nur finanziert werden soll.

[Niedergesäß (CDU): Es gibt einen Haufen leer stehender Wohnungen!]

Richtig, Herr Niedergesäß! Wer soll denn nachher darin wohnen! Haben Sie den Eindruck, dass die Menschen massenhaft nach Berlin strömen? Wir haben leer stehende Wohnungen. Jetzt noch eine solche Investition zu leisten – ich glaube, genau das wäre ein absolut falsches Signal!

[Beifall bei der PDS]

Zum Zweiten: Hier ist die Begeisterung in der Stadt angesprochen worden, die Begeisterung für Olympia. Ich hatte vorhin gesagt, es gibt sicherlich Menschen, die das wollen. Es gibt wahrscheinlich viele Menschen, die das wollen. Aber man soll eben nicht außer Acht lassen, dass in Berlin die Begeisterung nie so groß war, wie sie es in Sydney war. Wenn Herr Steffel hier anspricht, dass die Menschen in Sydney darüber glücklich waren, dann wissen Sie auch, dass es beim letzten Mal sehr intensive Diskussionen in der Stadt gegeben hat. Das muss man nicht gut finden, aber leugnen kann man das auch nicht. Es gibt sehr viele Leute, deren Begeisterung eher gedämpft ist. Das ist auch mitverschuldet durch Namen wie Nawrocki, Fuchs. Und

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wenn ich jetzt höre, dass all diese Namen wieder da sind und aktive Beiträge zur nächsten Bewerbung leisten wollen, dann bin ich eher skeptisch, dass das eine gute Idee ist.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

„The winner is Sydney“ – das klingt den Berlinerinnen und Berlinern noch in den Ohren, und ich glaube nicht, dass sie eine erfolglose Bewerbung noch einmal haben wollen. Deshalb verstehe ich auch, dass es etliche gibt, die da sehr zurückhaltend sind.

Ein drittes Argument: Das Land Berlin will, soll und muss mit dem Bund über eine Unterstützung verhandeln. Wenn man das möchte, was denken Sie denn, wie ein Finanzsenator – wer auch immer das sein wird – gegenüber Herrn Eichel oder einem anderen Bundesfinanzminister da steht, wenn er sagt: Wir sind am Rande einer Haushaltsnotlage! Berlin ist bettelarm. Bitte helft uns! –, und auf der anderen Seite bewerben wir uns um die Olympischen Spiele und wissen nicht, wie hinterher die Rechnung aussieht? Das passt nicht zusammen.

[Dr. Rexrodt (FDP): Das gibt doch einen Riesenauftrieb!]

Das vierte Argument, Herr Müller hatte das schon angesprochen: Natürlich, wir müssen jetzt ganz harte Entscheidungen treffen. Ich gehe davon aus, dass die CDU das einhält, was sie immer zugesagt hat, nämlich dass sie bei notwendigen Entscheidungen realistisch mitgehen wird, wenn wir diese Entscheidung treffen. Wenn diese Entscheidung auf Widerstand stößt, dann wird ganz sicher der eine oder andere die Frage stellen: Die kürzen bei den Bädern, die kürzen im öffentlichen Dienst, aber Olympische Spiele können sie sich leisten! – Wenn man diese Frage nicht wirklich plausibel beantworten kann, muss man jetzt auch einmal nein sagen. Das Signal, das die Stadt aussendet, wenn sie diese Entscheidung trifft, wird kein Signal eines Abbruchs sein und auch kein Signal von Sportfeindlichkeit, sondern es ist eine deutliche Abkehr – und das ist auch ein Signal – vom Großprojektewahn der letzten zehn Jahre und damit eine verantwortungsvolle Entscheidung.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Berlin sollte sich selbstbewusst, aber auch realistisch als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland entscheiden und sich deshalb genau nicht um die Olympischen Spiele bewerben. Deshalb werden wir dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen und die anderen Anträge ablehnen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Das Wort für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Matz. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Das Wort für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Matz. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Diskussion dieser Tage in Berlin beobachtet, hat man das Gefühl, dass Sparen das einzige Thema ist, das die Berliner Politik noch zu bieten hat. Und das Thema, das wir heute diskutieren, kommt gerade recht, um auch einmal um ein visionäres Projekt, um ein Zukunftsprojekt zu diskutieren, von dem Herr Müller völlig zu Recht gesagt hat, dass es auf die Begeisterung vieler Berlinerinnen und Berliner stößt.

[Niedergesäß (CDU): Oh!]

Olympia hätte alle Chancen, ein Identifikationsprojekt auch für die Region Berlin-Brandenburg insgesamt zu sein. Deswegen wäre es sehr schade, wenn das Abgeordnetenhaus heute die Tür zu diesem Projekt zuschlägt. Wir sind davon überzeugt, dass

dieses Projekt die Zustimmung einer breiten Mehrheit dieses Hauses findet, wenn die Bewerbung frei von Berliner öffentlichen Mitteln finanziert werden kann

[Frau Oesterheld (Grüne): Wieso denn?]

und wenn in allen Fraktionen jeder seiner ganz persönlichen Haltung zu diesem Thema heute folgen könnte und folgen würde. Nach 2009, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der PDS, wollen doch auch Sie offensichtlich – wenn man den Koalitionsverhandlungen folgt – den Berliner Haushalt so weit saniert haben, dass eine Netto-Neuverschuldung nicht mehr vorkommt. Was spricht dann eigentlich dagegen, in die Zeit von 2009 bis 2016 in Berlin ein Projekt anzusteuern, dass auch wieder ein Stück Vision und ein Stück Begeisterung in diese Stadt und in diese Region hineinbringt?

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Nun wird die Zeit knapp, und es sind unterschiedliche Zahlen im Umlauf; unterschiedliche Einschätzungen offensichtlich auch zwischen den Senatsverwaltungen. Horrorzahlen, wie man hört, die aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kommen, was den Investitionsbedarf für Olympia angeht. Um hier Klarheit zu schaffen, müsste die Finanzierbarkeit aller Phasen einer Bewerbung noch einmal schnell aber gründlich evaluiert werden. Die Chance dazu ist dank eines großzügigen Angebotes engagierter Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt gegeben, die sowohl die Bewerbungsgebühr zum 31. Dezember als auch diese Evaluation privat finanzieren würden.

[Beifall bei der FDP]

Herr Liebich, ich finde es traurig, wenn SPD und PDS eine solche Initiative, die ausdrücklich auch vor der Perspektive einer Koalition Ihrer beiden Parteien aufrecht erhalten worden ist, hier geblockt wird und ihr keine Chance gegeben wird.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Denn sollte sich herausstellen, dass der Senat bis Ende Januar nicht von diesem Konzept zu überzeugen ist, dann wäre noch nichts verloren. Die vollständigen Bewerbungsunterlagen müssen erst bis Mitte Mai beim Nationalen Olympischen Komitee vorliegen. Alle bis dahin anfallenden Kosten sind abgedeckt. Es geht also lediglich darum, eine Chance für die Bewerbung heute hier wahren zu können. Entschließt sich Berlin nicht dazu, dann ist diese Chance allerdings für eine ganze Generation verloren. Und, Herr Regierender Bürgermeister Wowereit, der Einzige, der sich darüber freuen wird, ist Ihr Kollege Clement aus Nordrhein-Westfalen, Ihr Parteifreund. Der freut sich dann ganz gewiss, denn die Bewerberregion NRW hat erheblich bessere Chancen, wenn Berlin in dieses Rennen erst gar nicht geht. Der reibt sich die Hände.

Eine spätere Bewerbung Berlins – weil Sie wiederholt davon gesprochen haben, es wäre ja noch nicht die Tür dazu zu, auch 2016 oder 2020 gegebenenfalls noch anzusteuern – wäre nicht nur eine Zumutung für andere europäische Bewerber, die man nicht jahrelang zu Platzhaltern Berlins degradieren kann, sondern sie ist auch vom NOK, wie es offiziell erklärt wurde, überhaupt nicht erwünscht. Seiteneinsteiger sind für 2016 oder später, so hat sich der NOK-Präsident geäußert, überhaupt nicht vorgesehen, überhaupt nicht erwünscht.

Für die Olympiabewerbung Berlins liegen ungleich bessere Bedingungen vor als vor einem Jahrzehnt. Die Sportinfrastruktur ist zu einem großen Teil vorhanden, und das öffentliche Klima ist positiv, ganz anders als damals. Das öffentliche Klima war damals schließlich ein Hauptproblem. Heute sind es zwei Drittel der Bevölkerung, die schon jetzt für dieses Projekt sind und nicht – wie damals – dagegen. Und Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen insbesondere auch bei den Fraktionen von SPD und PDS, müssten sich nicht heute endgültig auf die Seite der Befürworter schlagen, aber Sie hätten die Chance, die Tür zu Olympia noch nicht endgültig zuzumachen. Und deswegen möchte ich Sie hier bitten, dass Sie Ihre Haltung noch einmal überdenken und vor

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diesem Hintergrund wenn nicht dem Antrag der CDU, dann vielleicht dem Antrag der FDP noch einmal näher zu treten. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Matz! Das Wort hat jetzt für die Fraktion der Grünen Frau Dr. Klotz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn heute das Berliner Abgeordnetenhaus eine Entscheidung gegen eine erneute Olympiabewerbung Berlins trifft, so ist dies eine richtige und im Gesamtinteresse der Stadt verantwortliche Entscheidung.

[Beifall bei den Grünen]

Wie bereits in den Ampelgesprächen von uns klar vertreten, halten auch wir eine Bewerbung Berlins für unrealistisch, und deswegen unterstützen wir als Noch-Regierungsfraktion

[Niedergesäß (CDU) und Wansner (CDU): Oh!]

und künftige Oppositionsfraktion die Entscheidung von SPD und PDS, auf eine Bewerbung um die Austragung Olympischer Spiele zu verzichten. Ich sage auch ganz klar, dieser Verzicht ist kein Ausdruck fehlender Visionen, sondern vielmehr ein wichtiges Signal dafür, dass nicht nur die Berliner Bevölkerung, sondern endlich auch die Berliner Politik in der Realität angekommen ist.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Rexrodt (FDP): Kindertagesstätte!]

Eine Bemerkung zur interessanten Oppositionsstrategie von Herrn Steffel: Ich will mal ganz klar und deutlich für uns Grüne sagen, dass uns eine rot-rote Regierung in dieser Stadt überhaupt nicht gefällt, dass wir nicht glauben, dass rot-rot wirklich eine Reformalternative für diese Stadt bringt, weil sich zwei strukturkonservative Parteien aufeinander einlassen, aber: Verantwortungsbewusste Opposition bedeutet für uns auch, Entscheidungen mitzutragen, die wir für richtig halten. Ich bin fest davon überzeugt, dass auch wir als Grüne in der Zukunft ausreichend Möglichkeiten für das Ausagieren unserer Oppositionsrolle gegenüber Rot-Rot bekommen werden.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Die Berliner Realität wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ganz wesentlich durch die Haushaltsnotlage, in der Berlin sich befindet, gekennzeichnet sein. Diese Notlage wird der Berliner Bevölkerung, wird den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aber auch der Wirtschaft herbe Einschnitte abverlangen. Für ein solches Notstandsprogramm braucht man eine möglichst breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Gürtel enger schnallen auf der einen Seite und öffentliche Gelder für Olympische Spiele auf der anderen Seite – das passt nicht zusammen. Es passt nicht zum Berliner Schuldenloch und schon gar nicht zur Stimmung in der Berliner Bevölkerung. Die will nämlich lieber bessere Kitas und Schulen

[Gelächter des Abg. Rexrodt (FDP)]

als das Anhäufen noch weiterer Schulden auf Kosten der nächsten Generation.

[Beifall bei den Grünen]

Immerhin 80 % der Berlinerinnen und Berliner lehnen es ab, Olympische Spiele mit Steuermitteln zu bezahlen. Bei einer „Tagesspiegel“-Umfrage von gestern waren 55 % überhaupt gegen eine Bewerbung.