Protokoll der Sitzung vom 31.10.2002

Ich rufe auf

lfd. Nr. 29, Drucksache 15/861:

Antrag der Fraktion der CDU über Niedergang der Tourismusförderung aufhalten!

Man hat sich darauf geeinigt, keine Beratung zu machen.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. - Ich höre keinen Widerspruch.

Die lfd. Nrn. 30 bis 35 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Nun folgt

lfd. Nr. 36, Drucksache 15/870:

Antrag der Fraktion der CDU über Strukturreformen in der Berliner Hochschulmedizin

Beratung nach Geschäftsordnung mit bis zu 5 Minuten pro Fraktion. Wortmeldungen liegen aus allen Fraktionen vor. - Es beginnt für die CDU Frau Kollegin Prof. Grütters. - Bitte schön, Sie haben das Wort!

Können Sie bitte den W i s s e n s c h a f t s s e n a t o r z u d e r

D e b a t t e b i t t e n ? Ich glaube, er sitzt im Casino.

[Heiterkeit - Hoff (PDS): Er a r b e i t e t im Casino!]

- Das kann ja sein, aber hier wird einer seiner wichtigsten Punkte beraten.

[Gaebler (SPD): Der Regierende Bürgermeister ist da!]

- Der sollte sich darum auch kümmern, das stimmt, aber ich weiß ja nicht, wie intensiv der Gedankenaustausch zwischen beiden ist. Manchmal hat man den Eindruck, er ist nicht so intensiv, wie er sein sollte.

[RBm Wowereit: Wir bemühen uns!]

Wir unterbrechen die Sitzung für einen kurzen Moment. Ich bitte herzlich, den Herrn Wissenschaftssenator zu uns zu bitten, damit wir unter fachkundiger Anwesenheit beraten können.

[Kurze Unterbrechung]

Wir setzen die Sitzung fort und freuen uns, dass wir jetzt komplett sind. - Frau Prof. Grütters hat das Wort. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit wenigen Wochen liegt uns allen das sehnsüchtig erwartete Expertengutachten vor, das der Senat zur Hochschulmedizin hat erstellen lassen. In Zusammenarbeit mit den Betroffenen, lieber Herr Senator, das sind die beiden Großunis, also FU und Humboldt, mit den zwei Unikliniken, Benjamin Franklin und Charité, und natürlich vor allen Dingen mit den Mitarbeitern all dieser Einrichtungen muss unseres Erachtens nun eine seriöse Würdigung der Expertenempfehlungen erfolgen. Dies darf nicht wieder so konzeptionslos und hektisch geschehen, wie es der bisher leider an vielen Punkten sichtbar gewordene Stil dieser rot-roten Koalition ist.

Es war ja gerade diese unüberlegte, hastige und offenbar von einigem Sachverstand eher unbeleckte Forderung aus der Koalitionsvereinbarung von SPD und PDS, das UKBF mal eben zu einem Regionalkrankenhaus herabzustufen, die letztlich auch zu dem jetzigen Gutachten - also zu einer positiven Wendung - geführt hat. Machen Sie also Ihren alten Fehler nicht noch einmal, gehen Sie dieses Mal überlegter und systematischer vor, Herr Wowereit und Herr Flierl! Sie bringen immer wieder

Heerscharen an Mitarbeitern, an Wissenschaftlern aus der gesamten Republik, aber auch an Berlinern gegen sich auf, wenn Sie derart unüberlegt Radikalmaßnahmen wie eben die Regionalisierung des UKBF in die Welt hinausposaunen. Und den Schaden, den Sie damit für die gesamte Wissenschaftswelt anrichten - und damit auch für Berlin -, machen Sie mir halbherzigen Korrekturen jedenfalls nicht wieder wett.

Aber zum Glück hat der öffentliche Druck dann dazu geführt, dass eine Expertenkommission eingesetzt wurde, die Ihre unüberlegten Forderungen begutachtet hat. Dass sie Ihre willkürlichen Einsparziele, Herr Flierl, von 98 Millionen Euro bis 2006 auf die doppelt so lange Zeitschiene gestellt hat, ist ein weiterer Beweis dafür, wie unseriös in Ihren Kreisen gerechnet wird. Dass eine Regionalisierung des Klinikums in Steglitz ebenso wenig bestätigt wurde, gibt ebenfalls den Kritikern Recht, die Ihren Sachverstand, verehrte Regierung, leider erfolglos eingefordert hatte.

Wir jedenfalls begrüßen, dass Wissenschaft, Forschung und Lehre an beiden Standorten erhalten bleiben, dass der Verbund mit beiden Universitäten erhalten bleibt, dass sie auch beide ihren Status als Volluniversität behalten, dass die Medizin somit als ein vernetztes Fach verstanden wird, dass nicht das Modell eines Satelliten "Medizinische Hochschule" propagiert wird, dass eher eine historische Standortbetrachtung den Ausschlag gegeben hat und dass die Experten einzelne Disziplinen, übrigens nach Qualitätskriterien, beurteilt und gewichtet haben. Wir hoffen, Sie sind nun in wesentlichen Punkten eines Besseren belehrt worden.

Aber wie geht es weiter? - Die innovative Idee, das alles unter dem Dach einer Fakultät an zwei Universitäten zu machen, fordert uns heraus, über die Umsetzung genau nachzudenken, nicht hektisch und nicht mit Zeitdruck. Die CDUFraktion hat im Zuge der Einsetzung der Kommission übrigens immer wieder gefordert, dass ihr ausreichend betriebswirtschaftlicher Sachverstand an die Seite gestellt wird, denn dann hätten wir schon begleitend die Maßnahmen in Zeit- und Maßnahmenpläne umsetzen können, und man hätte sie seriös kalkuliert. Dieser Forderung haben sich weder die Regierungskoalition noch die zwei dazugehörigen Fraktionen angeschlossen, einmal abgesehen von einigermaßen unverschämten Senatsantworten auf parlamentarische Anfragen aus unseren Reihen. Herr Flierl, ich glaube, Sie wären heute ein Stück weiter, wenn Sie über unsere Vorschläge wenigstens nachgedacht hätten.

[Beifall bei der CDU]

Stattdessen war die SPD bereits einen Tag, nachdem das Gutachten vorlag, wieder mit der schrillen Drohung zu hören, Herr Müller, wenn die Einsparungen von 98 Millionen Euro nicht binnen kürzester Zeit umgesetzt würden, werde man doch die alte Idee wieder aufgreifen und das UKBF degradieren. So etwas ist in der Stadt und im Hinblick auf die Leistung der Wissenschaft, wie wir meinen, einfach unverantwortlich,

[Beifall des Abg. Gram (CDU)]

und das zwei Tage, nachdem das Gutachten Sie erheblich relativiert hat.

[Müller (SPD): Sie drücken sich um die Einsparungen!]

Und weil wir fürchten, dass Sie Ihren hektischen Stil weiter pflegen werden, weil Sie dabei wieder die Betroffenen nicht zu Gehör kommen lassen wollen und weil der Imageschaden schon jetzt immens ist, fordern wir Sie auf, besonnen auf das Gutachten zu reagieren. Das sind Sie uns allen schuldig, Herr Wowereit.

Warten Sie also, Herr Flierl, das Votum des Wissenschaftsrats ab, das schon im Januar abgegeben werden soll. Beziehen Sie die Überlegungen mit in Ihr Handeln ein und reagieren Sie nicht reflexhaft ablehnend, wenn Ihre teilweise willkürlichen Einsparideen von den Fachleuten relativiert werden. Beziehen Sie die Betroffenen mit ein, auch damit die Bevölkerung nicht wieder öffentlich protestieren muss. Wir fordern Sie also auf, bis zum Juni kommenden Jahres in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten einen Zeit- und Maßnahmenplan vorzulegen. Und Herr Flierl, weil Sie uns ja inzwischen lauter Kommissionen andienen, zurzeit viele auch in der Kultur, sage ich Ihnen nur: Hier gibt es ein Muster, machen Sie etwas daraus. Die Wissenschaft, die Medizin und auch Berlin hätten es verdient. - Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Grütters! - Für die SPD erhält das Wort Herr Dr. Flemming. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Grütters! In der Überschrift Ihres Antrags steht "Strukturreformen in der Berliner Hochschulmedizin". Darüber hätte ich gerne diskutiert, aber Ihr Antrag sagt etwas anderes. Er

sagt als erstes: Wir empfehlen, dass unverzüglich ein Zeit- und Maßnahmeplan zu erstellen ist. Die Koalition hat das natürlich sofort umgesetzt, der Maßnahmenplan und der Zeitplan stehen schon lange Zeit, und wir haben am 14. Oktober begonnen. Das war das Erste.

Als Zweites fordern Sie parallel dazu, dass eine Begutachtung über die Kosten und die notwendigen Investitionen stattfindet. Auch dieses ist auf dem Weg.

Was macht man mit einem solchen Antrag, der Dinge vorschlägt, die man selbst schon tut? - Da kann man zwei Dinge tun: Man kann ihn ablehnen, weil er unsinnig ist. Aber er ist ja inhaltlich nicht unsinnig, deswegen wird meine Fraktion folgenden Vorschlag machen: Wir beantragen Sofortabstimmung und stimmen Ihrem Antragstext vollkommen zu. - Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Herr Kollege Flemming! - Für die FDP hat das Wort Herr Schmidt. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor knapp einem Jahr vereinbarten SPD und PDS in ihren Koalitionsverhandlungen die Schließung der medizinischen Fakultät an der Freien Universität. Darauf regte sich nicht nur unter den Betroffenen der Entscheidung an der FU Widerspruch, sondern auch in breiten Kreisen der Bevölkerung. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass nicht die Qualität von Wissenschaft und Zukunftsperspektiven für Berlin ausschlaggebend waren, sondern nur Aspekte, die den Haushalt betrafen.

Nach der Entscheidung von SPD und PDS zum UKBF hat sich die FDP hier für eine sachgerechte Lösung eingesetzt: Nicht Politiker sollten entscheiden, wie es mit der Hochschulmedizin in Berlin weitergeht, sondern dies sollten Experten aus dem Bereich der Wissenschaft tun. Die Entscheidung des Senats, die Expertenkommission in Absprache mit dem Wissenschaftsrat einzusetzen, und vor allem unter Beteiligung der betroffenen Universitäten, war der richtige Ansatz. Besondere Beachtung verdiente auch, dass sich die Universitäten auf dieses Prozedere eingelassen haben.

Das Gutachten der Experten liegt nun vor. Es bietet eine gute Arbeitsgrundlage sowie interessante Vorschläge für die weiteren Beratungen. Ich glaube, wir können uns alle bei den Kommissionsmitgliedern bedanken, die keine leichte Aufgabe hatten. Die Aufgabe war sehr

herausfordernd und unter schwierigen Rahmenbedingungen zu absolvieren. Der Vorschlag, eine gemeinsame Fakultät für Freie Universität und Humboldt-Universität einzurichten, erfüllt eine wichtige Forderung meiner Fraktion, und zwar dass keine Universität in ihrem Fächerspektrum und damit als Volluniversität beschnitten werden sollte.

[Beifall des Abg. von Lüdeke (FDP)]

Wie gesagt, die Ergebnisse liegen vor, nun geht es um die Umsetzung der Vorschläge. Dazu muss der Senat - und ich finde es gut, wenn er schon auf dem Weg ist - eine Planung vorlegen, in welchen Schritten die Empfehlungen umgesetzt werden sollen. Zusätzlich brauchen wir für eine sachgerechte Entscheidung Informationen, was das alles kostet. Das wird im Ausschuss und auch hier im Plenum geschehen. Auch müssen die gemachten Vorschläge in puncto zum Beispiel Abbau von Betten der Universitätsmedizin noch mit der Gesundheitsverwaltung und mit dem zuständigen Ausschuss abgestimmt werden. Hier lässt das Gutachten viele Fragen offen, weil es nur wissenschaftliche Aspekte zu begutachten hatte und nicht die Fragen der Gesundheitspolitik. Das muss noch geschehen.

Die Zielsetzung des Antrags der CDU teilen wir. Wir werden ihm deshalb in der folgenden Abstimmung auch zustimmen. Es gibt viel zu tun, packen wir es also an.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! Nun spricht für die PDS Herr Kollege Hoff. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Kollege Flemming hat bereits dargestellt, wie man mit einem Antrag umgeht, der einen politisch richtigen Sachverhalt aufgreift. Es ist gesagt worden, dass ein Zeitplan erstellt und eine betriebswirtschaftliche Untersuchung gemacht werden soll.