die Gründung eines neuen landeseigenen Betriebes haben soll. Wir wollen wissen, ob es weitere Einsparungen geben wird, und sagen Sie uns, wann Sie den Maßnahmenkatalog vorlegen werden, und verschonen Sie uns mit reinen Problemauflistungen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Steuer! Ich rechne es Ihrem jugendlichen Temperament zu, dass Sie die Begründung Ihrer Großen Anfrage als Begründungspolemik hier vorgetragen haben.
Ich werde mich bei diesem wichtigen Thema an Sachlichkeit orientieren, und es auch nicht an Klarheit fehlen lassen. Im Übrigen fiel mir bei Ihren Fragen und Behauptungen ein, dass Sie offensichtlich – das kann ja vorkommen, und ich habe dafür Verständnis – bei den letzten Sitzungen des Ausschusses entweder nicht präsent oder geistig abgetreten gewesen sind, sonst könnten Sie nicht so reden, wie Sie dies eben hier getan haben.
Ihre Anfrage ist schon etwas länger her, und ich will nicht Dinge wiederholen, die wir bereits besprochen haben. Ich möchte den Kern der Anfrage aufgreifen, um grundsätzlich die notwendigen und geplanten Veränderungen im Kitabereich darzustellen. Ich will die Antwort in drei Komplexen zusammenfassen. Erstens: den Beitrag des Kitabereichs zur Haushaltskonsolidierung, zweitens: die Umstrukturierung der Kitalandschaft und drittens: die Qualitätsentwicklung.
Zum ersten Komplex: Es ist meines Erachtens Konsens in diesem Haus, dass wir die Personalausgaben in Berlin erheblich reduzieren müssen.
Es ist leider eben auch eine Konsequenz, dass von der Reduzierung der Personalausgaben das pädagogische Personal betroffen ist. Ich bedauere dies. Es ist aber, wer die Zusammensetzung des Personals in Stadtstaaten kennt, meines Erachtens gar nicht anders vorstellbar. Wir haben – und das ist hier im Detail und auch heftig diskutiert worden – ohne Frage haushaltsmäßige Kürzungen bei Kitaleitung und Hortbetreuung vorgenommen und im Haushaltsentlastungsgesetz dann auch verabschiedet.
Dieses Entlastungsgesetz gilt. Es tritt am Ende des Jahres in Kraft, und es steht für uns als Senat nicht zur Disposition und auch nicht zur Diskussion.
Festzuhalten ist, dass damit der Kitabereich mit insgesamt ca. 42 Millionen € an der Haushaltskonsolidierungen in den Jahren 2002 und 2003 beteiligt ist. Eine weitere Einsparung von 30 Millionen € ist durch die Übertragung auf freie Träger vorgesehen. Bis zum Ende der Legislaturperiode ist demnach seitens des Senats eine Einsparung von mehr als 70 Millionen € einkalkuliert. Das bedeutet eine Absenkung der Ausgaben für die Tagesbetreuung von nahezu 10 %. Dies ist ohne Frage ein gravierender Einschnitt. Das kann überhaupt nicht bestritten werden. Nach meiner Auffassung ist dies aber dann auch der Beitrag, den dieser Bereich geleistet hat, an dem sich vielleicht andere Bereiche in der Politik in Berlin etwas orientieren sollten.
Ich komme nun zu dem Komplex, der besonders wichtig ist, wenn man sparen muss, nämlich die Veränderung und Neuordnung der Kitalandschaft, die wir, entgegen den Aussagen des Herrn Abgeordneten, ja bereits eingeleitet und in vielen Bereichen auch bereits beschlossen haben. Es ist das Ziel dieser Neuordnung der Kitalandschaft, eine stärkere Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit der Ausstattungsstandards zu erhalten. Wir wollen eine Umstellung auf eine Gutscheinfinanzierung für alle Leistungen der Tagesbetreuung. Dazu gehören:
1. Die Erhöhung des Anteils der freien Träger bis auf 66 % der belegten Plätze durch Übertragung der Hälfte der städtischen Kitas.
2. Die Überführung der verbleibenden städtischen Kitas in eine neue Rechtsform, nicht in einen einheitlichen zentralen Landesbetrieb – davon hat kein Mensch gesprochen – , sondern in einen kommunalen Betrieb als Voraussetzung für deren Kostensatzfinanzierung, die eben sehr wichtig ist.
3. Die dadurch ermöglichte Einführung der von der Regierungskoalition angestrebten Gutscheinfinanzierung, die so genannte KitaCard, durch die Jugendämter.
All dies, verehrter Herr Abgeordneter Steuer, steht übrigens in einem Gutachten, gemeinhin bekannt als Scholz-Kommission – man kann auch sagen, eine Regierungskommission, an deren Zustandekommen ich in anderer Funktion erheblich beteiligt war. Wir wollen uns an dieser ScholzKommission orientieren, und zwar nicht so orientieren, wie manche in diesem Haus, die nur einen Teil nehmen und den anderen Teil wegdrücken. Ich sage das ganz deutlich: Es ist absolut notwendig, dass wir im Bereich der städtischen Kitas, um das einmal
plastisch zu sagen, eben nicht so verfahren können, indem schlicht plafondiert wird und dann sollen sie einmal sehen, wie sie zurechtkommen, sondern sie brauchen eine solide Kostensatzfinanzierung. Das ist das eigentliche Ziel, um die Vergleichbarkeit herzustellen.
Dazu, das haben Sie erwähnt, Herr Abgeordneter, gibt es eine Arbeitsgruppe in meinem Haus. Diese Arbeitsgruppe – ich weiß nicht, ob Sie dort als Agent beteiligt sind – arbeitet in der Tat. Sie ist auch nicht zögerlich. Sie wirft alle Probleme und Fragen auf und gibt auch sehr klare Kriterien. Allerdings, das ist wahr, braucht diese Arbeitsgruppe die Mitarbeit von 12 Bezirksämtern bzw. Jugendämtern. Sie muss auch beispielsweise sehen, dass nicht nur 12 Stadträtinnen und Stadträte dabei sind, sondern mehr, weil die Dezernate ganz unterschiedlich aufgeteilt sind, und da kann es zu Friktionen kommen. Das bestreite ich nicht.
Der Abgeordnete Steuer hat hier gesagt, dass die Arbeitsgruppe nichts mache und nichts zu Stande bekomme. Deswegen frage ich mich, ob er dort am Tisch dabei sitzt. Ich jedenfalls sitze nicht immer dabei – das ist vielleicht auch gut so –, sondern ich gebe zeitliche Vorgaben und sage, wann die Ergebnisse vorliegen müssen. Ich glaube, die Gruppe ist schon in vielen Dingen sehr weit.
Ich habe gesagt, was das Ziel ist: Wir wollen eine regionale Angebots- und Trägervielfalt, und wir wollen eine Vergleichbarkeit in der Finanzierung. Nun kommt ein weiterer wichtiger Grund hinzu, in dem die Kitapolitik mit den Strukturveränderungen, die wir im Bereich der Schule – insbesondere dem der Grundschule – in dieser Legislaturperiode vorhaben, zusammenläuft. Wir wollen in dieser Legislaturperiode die flächendeckende Einführung der verlässlichen Halbtagsgrundschule und die Schaffung von 30 zusätzlichen Ganztagsgrundschulen. Dadurch, dass wir zukünftig in der Grundschule eine verlässliche Betreuung bis 13.30 Uhr haben, würde der erforderliche Nachmittagsbetreuung in Kitahorten von derzeit durchschnittlich 7 Stunden auf durchschnittlich 3 Stunden reduziert.
Da stellt sich die Frage – wir haben sie strukturell als gedanklichen Ansatz auch beantwortet –, ob ein institutionelles Doppelangebot für die gleiche Zielgruppe der Grundschulkinder noch pädagogisch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar ist. Wir glauben, dass dort eine ganz große Chance liegt, indem die Kitahorte mit der Schule und der Ganztagsschule organisch verbunden werden. Wir würden im übrigen – um auch das etwas zugespitzt zu sagen – in der ganzen Stadt im Grundsatz ein Modell der Betreuung finden, ähnlich dem offenen Ganztagsbe
trieb, den es gegenwärtig nur in einem Teil der beiden Stadthälften gibt. Eine offene oder gebundene Form ist das Ziel.
Wir wollen, dass endlich auch in der alten Bundesrepublik die Trennung organisatorisch zwischen dem, was Jugendhilfe verantwortet und Kita sowie Schule tatsächlich an einem Punkt aufgehoben wird, indem die Hortbetreuung an der Grundschule vorgenommen wird, weil die Kinder bereits am Vormittag in der Grundschule sind. Es ist sinnvoll, sie nachmittags an dieser Grundschule zu betreuen. Das ist die Philosophie, die dahintersteht!
Wir sollten uns bei all dem tatsächlich nicht zu schade sein zu sagen, dass man dieses vernünftige Modell eben auch von der ehemaligen DDR als Strukturreform lernen und es auch übernehmen kann. Es geht nicht um die Inhalte, sondern um Strukturen.
Das muss man auch mal sagen dürfen. Ich sage dies nicht wegen des jetzigen Koalitionspartners, sondern habe dies auch schon vorher gesagt, wenn Sie genau zugehört haben.
Sehen Sie, es sind nicht alle so schnell wie Sie, Frau Kollegin. Es gibt also ein Lob der Langsamkeit. Wenn wir gemeinsam an das Ziel kommen, haben wir schon etwas erreicht.
Nun komme ich, Herr Kollege Steuer, zu einem heiklen Punkt. Wenn dieses Konstrukt unser Ziel ist, kann dies im übrigen natürlich nicht mit Datum per 31. 12. geschehe. Sie brauchen dazu vielmehr eine organisatorische Überleitung des Personals. Auch die räumlichen Gegebenheiten werden benötigt. Das kann nur vor Ort und nicht zentral geschehen. Das muss die Jugendhilfeplanung vor Ort regeln. Wir können dies dann schrittweise zusammenführen.
Nun komme ich zu einem anderen Punkt – ich sehe auch den Kollegen Vorsitzenden des Ausschusses –, der heftig diskutiert wird, die Frage, was aus den Vorklassen wird. Mein Haus steht der Strukturüberlegung nahe – ich persönlich vertrete sie auch, sie steht aber dann auch zur Diskussion –, dass wir im Zuge dieser Zusammenfassung auf einem klaren Schnitt- und Trennungmachen zwischen vorschulischer und schulischer Ausbildung bestehen. Das heißt, dass wir die Vorklassen aufheben wollen. Die Vorklassenleiterinnen sollen an dieser Ganztagsschule bleiben. Das ist pädagogisch
sinnvoll und vernünftig. Wir wollen die vorschulische Erziehung zu dem Kernprogramm der Kita insgesamt machen.
Nach unserer Vorstellung ist vorschulische Erziehung wirklich falsch, wenn sie nur ein Jahr dauern würde. Vorschulische Erziehung ist essentieller Bestandteil einer Kita, die sich als Bildungseinrichtung versteht. Das ist der Kern der Dinge, der hinter der Frage steht, die in Westberlin eingeführten Vorklassen mit dieser Strukturreform aufzugeben. Dies ist unser Vorschlag. Den werden wir gemäß dem Berichtsauftrag auch dem Ausschuss exakt vorlegen. Ich weiß, dass es darüber Diskussionen gibt. Ich bestreite auch nicht, dass sehr viele Kinder diese Vorklassen besucht haben.
Ein Strukturproblem der Vorklasse war immer, dass nur ein gewisser Zeitraum der Betreuung zur Verfügung stand. Das ist ein Problem. Sie wissen, dass die Doppelbetreuung dann schwierig ist. Ein weiteres Problem liegt in dem gedanklichen Ansatz, die bildungsmäßige Vorbereitung auf Schule exakt nur ein Jahr vor der Schule zu ermöglichen. Das ist falsch. Das geben auch neuere Erkenntnisse nicht her. Das muss schon früher geschehen.
Ich komme nun damit auch zum dritten, vielleicht wichtigsten Punkt. Wir haben über Strukturen gesprochen. Ich habe das umrissen. Es ging um Personaltransfer und Schwierigkeiten der Infrastruktur. Das wirklich Entscheidende ist aber auch das, was tatsächlich in den Einrichtungen der Kita passiert. Es geht in der Tat um eine Qualitätsoffensive und eine Verbesserung der Qualität.
Meine Möglichkeit zur Frage kommt leider etwas spät. Ich beziehe mich noch einmal auf Ihre Aussage, dass Sie eine Ganztagsgrundschule erwägen. Damit ist Ihr Argument, dass Sie hier ein Problem mit der nach- und vorschulischen Betreuung in der Vorschule auftaucht, obsolet. Wenn Sie eine Ganztagsschule haben, so ist die Nachmittagsbetreuung vorhanden. Teilen Sie diesbezüglich meine Meinung? Erklären Sie bitte, warum das ein Argument sein sollte, die einzige gut funktionierende Institution, die Vorschule, in Bezug auf Schule schließen zu wollen. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Doch, Herr Abgeordneter. Das kann man nachvollziehen. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass die geplante Aufgabe der Vorklasse nicht ein
Verdikt oder ein Schlechturteil über die Leistung der Vorklassenleiterinnen bedeutet. Ich rede auch nicht über das, worüber viele nur reden. Dies betrifft die unterschiedliche Eingruppierung. Die in der Kita Beschäftigten haben nur die normale Anzahl von Urlaubstagen, die anderen unterliegen der Ferienregelung. Das ist nicht mein Punkt.
Wenn Sie eine Ganztagsgrundschule haben, sei es in offener oder gebundener Form, ist es sinnvoll, die an den Kitas vorhandenen Hortbetreuungen – beim Hort geht es von schulpflichtigen Kindern bis zum 10. Lebensjahr – organisch tatsächlich an die Schule zu bringen und nicht an zwei verschiedenen Orten anzubieten. Insofern ist es auf der anderen Seite auch wichtig und logisch, der Kita insgesamt als Bildungseinrichtung eben dann die vorschulische Erziehung insgesamt anheim zu geben und die Schule in der Funktion beginnen zu lassen, wie ich es geschildert habe.
Qualität ist entscheidend. Wir haben uns an einer nationalen Qualitätsinitiative im System der Tageseinrichtungen für Kinder beteiligt. Wir beteiligen uns an Modellversuchen für eine Neuformulierung der Ausbildung der Erzieherinnen. Auch hier gibt es erhebliche Widerstände, die meines Erachtens bei den Ländern nicht inhaltlich, sondern fiskalisch begründet sind. Dafür habe ich viel Verständnis. Es besteht die große Sorge, dass eine qualitative Verbesserung der Erzieherausbildung eine höhere Vergütung und Rangordnung im BAT nach sich zieht. Das kann nach den gegenwärtigen Gesichtspunkten nicht nur nicht Berlin bezahlen, sondern auch andere Städte und Gemeinden nicht bezahlen.
Dessen ungeachtet bin ich felsenfest davon überzeugt, dass wir – gemessen an der Bedeutung der Kitas – die Ausbildungsinhalte qualitativ verändern müssen. Im übrigen tun wir das auch nicht so, indem wir sagen, wir würden alles neu machen. Es geht selbstverständlich darum, die gegenwärtig arbeitenden Erzieherinnen auch durch eine Fortbildung zu begleiten.
Weil Sie vorhin, Herr Abgeordneter, gesagt haben, es geschehe rein gar nichts, möchte ich darauf hinweisen, dass das Landesjugendamt einer politischen Bitte entsprochen hat, die wir hier auch diskutiert haben, die Fortbildungskapazitäten insbesondere im Bereich Sprache, Bildung und Übergang in die Grundschule von 1 000 Plätzen auf 2 000 Plätze zu steigern. Das geschieht nicht dadurch, dass wir mehr Geld bekommen haben, sondern Geld umgeschichtet haben. Ich finde, dass es ein sehr notwendiger richtiger und wichtiger Schritt ist, um Qualität in der Kita zu verbessern.
Wir brauchen auch ein ausgebautes System von Fachberatern, die diesen Prozess begleiten, die als Multiplikatoren tätig werden. Bevor die Damen und Herren von der Opposition und wahrscheinlich auch von den Regierungsfraktionen das zumindest denken, will ich auch hier ehrlicherweise sagen: Die Reduzierung der Freistellung ist der pädagogischen Qualifikation im Kitabereich mit Sicherheit nicht förderlich, sondern dies ist – ich gebe das freimütig zu – eine besondere Herausforderung, die wir angesichts der schweren fiskalischen Lage den Kitaleiterinnen haben zu muten müssen. Es gibt nach wie vor eine Freistellung, aber nicht mehr in dem Ausmaß. Mein Appell an die Kitaleiterinnen ist, diese bittere Pille einerseits zu schlucken und andererseits auch dabei zu sein und weiter in dem schwierigen Test der Verbesserung der Qualität in den Kitas mitzuarbeiten.
Ein letzter Punkt: Wir sind nach unserer Verfassung nicht unmittelbar zuständig für die Infrastruktur, das heißt die Ausstattungsstandards für die Kitas in unserem Lande, in der Stadt Berlin. Aber wir sollten allen Wert darauf legen, dass es in diesem Land nicht dahin kommt, dass Einrichtungen, die für das Wertvollste in dieser Gesellschaft, nämlich für die Kinder, da sind, in einem hundsmiserablen Zustand sind, während andere Gebäude, die sozusagen repräsentativen Charakter haben, in einem optimalen Zustand sind.