Danke schön, Herr Senator Böger! – Für die gemeinsame Beratung steht uns nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu zehn Minuten pro Fraktion zur Verfügung.
Der Ältestenrat hat aber darüber diskutiert, und wir werden es hier so halten, dass dies wegen der Vielzahl von Anträgen großzügig ausgelegt wird – was nicht heißt, dass die zehn Minuten nicht die Richtschnur sein sollen.
Wortmeldungen liegen aus allen Fraktionen vor. Es beginnt für die CDU der Kollege Steuer. Ich bitte um Aufmerksamkeit trotz des vorangeschrittenen Abends, auch was die Gespräche anbetrifft. – Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Senator Böger! Eines haben Sie bei Ihren zahlreichen Ankündigen gerade noch vergessen mitzuteilen, nämlich, dass Sie auch die Kitagebühren abschaffen wollen. Das haben Sie auf einer Veranstaltung vor drei Tagen mitgeteilt. Wenn man diese ganzen Ankündigungen zusammennimmt, muss man sich fragen: Wie passt das eigentlich mit der tatsächlichen Politik der letzten Monate zusammen? – Denn mit dem auch von Ihnen verabschiedeten Haushalt verschlechtert der Senat die Betreuung und Bildungsqualität in den Berliner Kitas, indem er vor allem die Personalzumessung für Kitas und Horte reduziert. Dass diese Einsparungen nicht das Ende waren, sehen wir an der Beantwortung meiner Mündlichen Anfrage, in der Sie weitere massive Erhöhungen der Elternbeiträge nicht ausgeschlossen haben. Aber das passt zu Ihrer Politik, Herr Böger: Täglich zahlreiche Ankündigungen – heute haben Sie gesagt, der Maßnahmenkatalog werde demnächst, das werden wir im Protokoll nachlesen können, vorliegen –, eine Flut von Presseerklärungen – man müsste das einmal nachlesen; kein Senator gibt so viele Presseerklärungen heraus wie Sie, der Sie immer nur Vorankündigungen zum Inhalt haben – und dann letztlich kein Ergebnis und keine Umsetzung. Ein Curriculum für die Bildungsinhalte in den Kitas sollte es nach PISA geben. Eine Reform der Erzieherausbildung bereiten Sie seit 2000 vor. Das neue Schulgesetz kündigen Sie ständig an. In Ihrer Koalitionsvereinbarung wollen Sie 66 % der Kitas in freie Trägerschaft überführen. Tatsächlich passiert hier gar nichts.
Viel reden und nichts handeln, das passt auch zu Ihrem neuen Schülerwettbewerb mit der Überschrift: „Fantastische Märchenwelt – Klaus Böger zeichnet Berliner Schulklassen für die schönsten Märchen aus.“ Der Senator lässt sich in der Presseerklärung hierzu zitieren: „Kinder haben viel Fantasie und gehen gern auf Entdeckungsreise.“ – Schön! – Kennen Sie eigentlich das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“? – Darin läuft ein aufgeblasener Kaiser durch das Land und versucht, den Eindruck zu erwecken,
er trage einen teuren neuen Rock, um damit seine Herrlichkeit darzustellen. Tatsächlich aber ist er nackt. Ich kann Ihnen auch sagen, wer den Kaiser auf seine Nacktheit aufmerksam macht – ein Kind.
Herr Senator! Die Kinder in den Kindertagesstätten der Stadt sind die Leidtragenden Ihrer Politik. Sie spüren die Einsparungen, und sie leiden unter Ihren märchenhaften Ankündigungen von der Abschaffung der Kitagebühren.
Aber – das muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen – es sind nicht nur Sie allein. Gleich den Hofschranzen aus dem Märchen haben SPD und PDS nun einen Antrag vorgelegt mit dem schön geschneiderten Titel: „Neuordnung der Kitalandschaft“. Dieser Antrag aber gibt ebenso keinerlei Hinweise auf die Lösung der Probleme. Sie benennen nur die Probleme und stellen Fragen. Diese Fragen, so hoffe ich aber, sind Grundlage der bereits angesprochenen seit Monaten tagenden Arbeitsgruppe in der Senatsverwaltung. Die CDU-Fraktion hat diese Fragen schon am Anfang dieses Jahres vorgelegt und bei den Haushaltsberatungen ständig thematisiert. Sie haben diese Anträge abgelehnt. Nun schreiben Sie mit einem halben Jahr Verzögerung unsere Anträge ab und bringen sie selbst wieder ein.
Nein, jetzt ist die Zeit des Fragens und Problemauflistens vorbei, jetzt ist die Zeit des Handelns. Wir brauchen schnell ein Kindertagesstättensanierungsprogramm. Viele Kitas sind in einem desolaten baulichen Zustand. Einige bangen gar, ob sie mit ihren Einrichtungen über den Winter kommen. Wir brauchen eine Reform der Erzieherausbildung, die sich nicht nur auf die drastische Verkürzung der praktischen Ausbildung beschränkt; die Ausbildung muss mehr Integrations- und Sprachförderung zum Inhalt haben, und wir brauchen endlich ausreichend viele Praktikumsplätze, auch bei freien Trägern. Es ist unerträglich, Herr Senator, dass Sie den jungen Auszubildenden sagen, es sei vertretbar, wenn Sie während ihrer Ausbildung ein Dreivierteljahr auf einen Praktikumsplatz warten müssen.
Wir brauchen Verantwortung für das Kindeswohl. Ich kann als Mitglied des Hauptausschusses den Eltern nicht erklären, wie der Hauptausschuss beschließen konnte, eine Sicherheitsverordnung außer Kraft zu setzen, damit mehr Kinder pro Quadratmeter in einer Betreuungseinrichtung aufgenommen werden können.
Wir brauchen keinen landeseigenen Betrieb oder mehrere Betriebe in kommunaler Trägerschaft. Die Finanzverwaltung hat hierzu auch deutlich gesagt, um Kostentransparenz herzustellen, sei es nicht notwendig, solche Träger neu zu gründen.
Wir brauchen Stabilität für die Qualitätssicherung in den Kitas. Schließen Sie einfach aus, dass es – wie in der „Giftliste“ aufgeführt – zu weiteren Kürzungen bei den Kitas kommt! Nehmen Sie den Erzieherinnen und Erziehern damit wenigstens die Sorge, dass ihre Bemühungen, jetzt einen Beitrag zur Qualitätssicherung zu leisten, ins Leere laufen könnten! – Und zu Ihrer Ankündigung, es werde eine Qualitätsoffensive in den Kitas geben: Es ist schwer zu glauben, aber man will immer das Beste meinen. Wir nehmen Sie erst einmal beim Wort. Wir schreiben uns das auf und warten diese Qualitätsoffensive in den nächsten Monaten ab.
Herr Senator! Wir wünschen Ihnen zu Ihrem Märchenwettbewerb, dass Sie dort nicht den ersten Preis gewinnen. Das wäre nämlich eine Fahrt in das Berliner Umland. Wir befürchten, dass Sie sich dort nur die niedrigsten Kitastandards abgucken würden, die es dort gibt. Wir bitten Sie, doch lieber hier zu bleiben und zu handeln.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wie Ihnen sicherlich nicht entgangen ist, haben wir es nun schon mit dem zweiten Scherbenhaufen zu tun. Den ersten hatten wir in der vorigen Anfrage zu diskutieren. Jetzt haben wir laut CDU-Meinung einen zweiten. Auch hier die Anmerkung: Wo ist die CDU, wenn es um Probleme, um ernsthafte fachliche Diskussionen um die Kitabetreuung geht?
Heute hatte ich die Familienverbände zu Gast. Wer war da? – Logischerweise ich, weil ich eingeladen hatte, und Frau Dr. Barth von der PDS.
Das konnte ich als parlamentarische Runde vorstellen. Es war mir sehr peinlich, Herr Steuer. Die Einladung war schon vor einer ganzen Weile verschickt worden. Nach meinem Empfinden war es bisher immer so, dass man sich wenigstens entschuldigt, wenn man nicht kommt. Das ist auch nicht geschehen. Die Tatsachen sprechen für sich. Die Fülle der
Anträge und der vorliegenden Beschlussempfehlungen, die im Zusammenhang mit dieser Großen Anfrage stehen, macht sehr deutlich, welchen Stellenwert die Kitas nicht nur bei der Opposition haben, die meint, sinnhafte Verbesserungsvorschläge einbringen zu können, sondern auf Initiative der Koalition sind eine Vielzahl von Anträgen auf den Weg gebracht worden, die vom Senat Konzepte fordern.
Die Beratungen im Jugendausschuss ließen deutlich erkennen, dass die Senatsverwaltung bereits gute Vorarbeiten geleistet hat, um die Ziele der Koalitionsvereinbarung umzusetzen.
Trotz katastrophaler Haushaltslage ist Berlin das Bundesland mit dem besten Versorgungsgrad an Betreuungsplätzen für Kinder im Vorschul- und Schulbereich. 37 % der bis 3-jährigen Kinder steht ein Krippenplatz zur Verfügung. Kurze Vergleichszahlen: In Nordrhein-Westfalen sind es 2,3 %, in Bayern 3,5 %. Diese Zahlen sprechen für sich. Bei der Hortbetreuung sieht es ähnlich aus: In Kita und Schule liegt Berlin für die 6- bis 10-Jährigen mit 58 % sogar an zweiter Stelle. Natürlich hat das seinen Preis. Die Sicherung dieses umfassenden und anspruchsvollen Angebots bedarf großer Anstrengungen, insbesondere in Zeiten knapper Kassen.
Auch ich stimme mit Ihnen in der Ansicht überein, das die gegenwärtige Situation verbesserungsbedürftig ist, PISA und „Bärenstark“ haben darauf hingewiesen. Auch beim baulichen Zustand der Einrichtungen besteht erheblicher Sanierungsbedarf, keine Frage. Unabhängig davon sind die Ziele in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben. Es geht darum, die Qualität der Vorschulerziehung zu verbessern, die Fortführung der Bildungsoffensive, die Intensivierung der Sprachförderung, und das nicht nur bei Kindern nichtdeutscher Herkunft, die Reform der Erzieherinnenausbildung – dann haben wir das Problem mit dem Praktikanteneinsatz nicht mehr – und die Qualifizierung und Weiterbildung der Erzieher und Erzieherinnen. Die Umsetzung dieser Vorhaben wird konsequent und kontinuierlich verfolgt. An den Wegfall der Kitakostenbeteiligung ist wahrlich nicht gedacht. Wenn Sie die Presse richtig gelesen hätten, wäre Ihnen das aufgegangen.
Man muss das Journalistendeutsch einfach verstehen können. Das ist wohl bei manchen das Problem an dieser Stelle.
Der Ausschuss für Familie, Jugend, Bildung und Sport beschäftigte sich im Oktober und November ausschließlich beziehungsweise vorrangig mit der Thematik Kindertagesstätten. Parallel zur Arbeit der Senatsverwaltung fordern die Koalitionsfraktionen den Senat auf, ein Konzept für die Reform der Erzieherausbildung zu entwickeln, das neben der inhaltlichen und strukturellen Neuorientierung auch einen konkreten Zeitplan zur Umsetzung eines Berliner Modellversuchs beinhaltet. Dieser Modellversuch wurde von der Alice-Salomon-Fachhochschule entwickelt und soll nun erprobt werden. Gleichzeitig ist der Senat aufgefordert zu berichten, welche Maßnahmen zur Qualifizierung und Weiterbildung speziell im Bereich der Sprachförderung eingeleitet beziehungsweise geplant sind. Außerdem ist die Überführung von Kitas in freie Trägerschaft umzusetzen – wir haben es bereits gehört, bis zum Ende der Legislaturperiode sollen Zweidrittel aller Einrichtungen in der Regie freier Träger sein.
[Frau Jantzen (Grüne): Das steht schon im Koalitionsvertrag! – Ja, und wir sind dabei das umzusetzen. Gibt es irgendwelche Zweifel daran? [Frau Jantzen (Grüne): Bei Herrn Böger nicht, nach Ihrem Vortrag schon!]
Wir verstehen Kita als erste Stufe der Bildung. Deshalb ist in Kitas durch Bildung, Erziehung und Betreuung besonderer Wert auf die ganzheitliche Entwicklung der Kinder zu legen. Daraus folgt, dass für die Kindertagesstätten ein Curriculum, wie ein Lehrplan, zu entwickeln ist.
Nein! Für die Kinder angemessen im Kinderalter. Kinder lernen nämlich gern und lernen viel, auch in jüngerem Alter. Nur Lernen muss Spaß machen.
Es ist wenig hilfreich von der Opposition, nur auf die Maßnahmen hinzuweisen, die auf Grund der Haushaltsnotlage notwendig waren, also ausschließlich fiskalische Bedeutung haben, wie die Anpas