Dafür brauchen wir eine vernünftige Bestandsaufnahme, ein politisches Setzen von Prioritäten und ein Festlegen von Stärken und Schwächen in dieser Kulturlandschaft. Wir müssen uns gerade in diesen Zeiten fragen, wo wir im Kulturbereich wichtige Zukunftsfelder sehen, die wir weiter fördern und unterstützen wollen, und wo es Möglichkeiten gibt, Synergieeffekte so zu nutzen, dass wir zu einem sparsameren Umgang mit finanziellen Mitteln kommen. Nur auf den Bund zu hoffen, ist zu wenig zukunftsgerichtet.
Nun zu unserem Lieblingsthema: Die Diskussion über unsere Berliner Opernhäuser ist nicht schön. Wenn wir es genau betrachten, gibt es eigentlich fünf Opern. Das würde sich für eine geschickte Vermarktung dieses Vorteils von Berlin gut ausnutzen lassen. Glücklicherweise sind aber die Zeitgenössische Oper und die Neuköllner Oper so klein, dass diese beiden bei dem alljährlichen Spiel: „Wer hat die Lösung für die Opern, und wie finanzieren wir sie weiter?“ gar nicht mitspielen dürfen. Es geht demnach nur um die großen drei Opern. Diesbezüglich fragen wir uns: Dürfen wir? Können wir? Sollen wir? – Keiner fragt: Wollen wir? – Berlin muss seine drei großen Opernhäuser wollen, und wir brauchen sie auch – für ein Berlin der Zukunft, in dem die Kultur weiterhin eine wichtige Rolle als Standortfaktor spielt und in dem die Kultur eines der wenigen Pfunde sein wird, mit dem Berlin noch wuchern kann.
Was wir bezüglich der Opernhäuser auf jeden Fall brauchen sind Strukturreformen. Frau Lange, Sie müssen uns gründlich missverstanden haben: Wir wollen nicht die Opern privatisieren, sondern beispielsweise die Feuersozietät. Dann müssten wir solchen Betrieben nicht so furchtbar viel Geld hinterherwerfen. Diese Mittel könnten wir auch anders einsetzen.
Wir brauchen bei den Opern den Erhalt der Eigenständigkeit der drei Häuser, denn nur so werden wir Wettbewerb und Konkurrenz untereinander haben. Beides ist
ist zur eigenen Profilbildung wichtig. Eine Fusion der beiden großen Häuser führt unweigerlich dazu, dass eines auf der Strecke bleibt. Machen wir uns nichts vor! Nur wenn wir die Häuser als einzelne Profitcenter – unter Profit verstehe ich in diesem Fall herausragende Inszenierungen – betrachten, werden wir zu einem effizienteren Umgang mit knappen finanziellen Ressourcen kommen.
Ich bin durchaus Ihrer Meinung, Frau Grütters: Natürlich müssen die Opern über die nächsten Jahre eine gewisse Planungssicherheit haben. Da sind wir einer Meinung. Denn sonst kann keiner vernünftige Verträge abschließen oder mit seinem Budget haushalten.
Wir werden uns über Anreizsysteme noch einmal genauer unterhalten müssen. In Ihrem Koalitionsvertrag steht das zwar drin, aber der Begriff ist nicht erklärt. Wenn wir ganz ehrlich sind, können wir unter einem wirkungsvollen Anreizsystem nur eine leistungsorientierte Bezahlung verstehen. Es gilt gemeinhin als das wirkungsvollste System, Entscheidungsträger in ihrer Eigenverantwortung zu einem effizienten Umgang mit den Mitteln zu motivieren und dafür zu belohnen.
Dafür muss es natürlich vom Senator vorgegebene Kriterien geben, mit denen man das auch messen kann, sonst kann das nicht funktionieren. Es muss Kriterien geben, wie z. B. die Einhaltung des Kostenrahmens, Auslastung, Anzahl der Neuproduktionen und vieles mehr. Zwingend folgen muss, wenn ich Kriterien aufstelle, eine Kontrolle der Einhaltung, inwieweit ich meine vorher vereinbarten Ziele überhaupt erreicht habe.
Begleitend – aber wirklich nur begleitend, wir dürfen diese Diskussion nicht in den Mittelpunkt stellen – müssen die Häuser die Möglichkeit haben, eine Rechtsform zu wählen, die ihnen rechtlich und wirtschaftlich die größten Freiheiten bietet. Natürlich muss hier noch einmal über Haustarife nachgedacht werden. Jedes Haus muss die Möglichkeit haben, für sich die richtigen Haustarife zu finden. Eine gemeinsame Stiftung aller drei Opern, so wie Sie es vorschlagen, schafft zwar durchaus ein paar neue Stellen im Kulturbereich, ich würde von hochdotierten ausgehen, verschiebt aber leider die Probleme nur auf eine zusätzliche Ebene. Sollte der Bund dann zu einer finanziellen Unterstützung bereit sein – das ist ja gar nicht so von der Hand zu weisen und wäre auch ganz schön –, kann ich die Gelder auch gleich nach einem entsprechenden Verteilerschlüssel den Häusern zukommen lassen.
Diskussionen um Dubletten und spielfreie Tage in dieser Stadt gehen am Ernst der Situation vorbei und sind Scheingefechte. Nur das eigenverantwortliche Leiten eines Hauses, und zwar mit allen Konsequenzen, wird auf die Dauer zu einer besseren Profilierung untereinander und zu einer zukunftsweisenden Zusammenarbeit auch in einem Marketingverbund führen. Es muss im eigenen Interesse der Opernleitungen liegen, Kosten zu dämpfen
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute verglich eine größere Berliner Tageszeitung die zahlreichen Opernreformschläge, Verzeihung, Reformvorschläge
mit dem plötzlichen Auftauchen der Boviste in den märkischen Wäldern. Der Vergleich ist insofern stimmig, als in den letzten Wochen eine erstaunliche Vielzahl von Leuten sich als Kenner und Retter der Berliner Opern bekannte.
Er ist insofern nicht stimmig, dass man, wenn man von diesen vielen Pilzen ein Ragout bereiten wollte, dieses Gemisch auch seinem schlimmsten Feind nicht vorsetzen sollte, es sind dann doch zu viele Giftpilze und ungenießbares Zeug darunter. Ich will den Inhalt dieses Pilzkorbs jetzt nicht bewerten. Man findet die üblichen Verdächtigen. Auch einige Sammler, Frau Kollegin Grütters, fielen in den letzten Jahren immer wieder zumindest durch eine gewisse Artenunkenntnis auf. Und bei mindestens einem, um im Bilde zu bleiben, hat erst die medizinische Nothilfe in Gestalt der Deutschen Opernkonferenz am 4. Dezember 2000 den unbeabsichtigten kulturpolitischen Suizid verhindern können. Aber das ist nicht das Problem.
Das Kernproblem besteht meines Erachtens in einer äußerst verengten Wirklichkeitswahrnehmung. Jedes Mal, und das ist seit Jahren der Fall, wenn dem Land Berlin etatmäßige Unbill droht, wurde und wird, leider Gottes, das Sparpotential der Berliner Kulturlandschaft beschworen. Und jedes Mal werden die Opernhäuser als überfettete Gans herbeizitiert, die man nur gehörig rupfen müsse und alles werde schon gut werden. Das Copyright für dieses Mystizismus gebührt übrigens der CDU.
Richtig ist: Die Opernhäuser verbrauchen tatsächlich circa ein Drittel des zur Verfügung stehenden Kulturplafonds. Genauso richtig ist aber auch, dass der Kulturhaushalt zumindest in den letzten sechs Jahren um gut 100 Millionen DM, als noch die Deutsche Mark galt, abgeschmolzen wurde, dieser abgeschmolzene Haushalt eine Vielzahl neuer Einrichtungen bedienen musste und muss, und sich dementsprechend die Proportionalitäten verschoben haben. Diesen Zustand den quasi übriggebliebenen Einrichtungen anzulasten ist ein im hohen Maße unsauberes Verfahren, genauso unsauber die primitivpopulistische Methode, Theater gegen Krankenhausbetten oder Jugendclubs oder meinethalben Kitaplätze hochzurechnen. Das ist unsauber, aber leider wirksam. –
Das ist übrigens genauso unsauber wie das permanent versuchte Ausspielen der so genannten Hochkultur gegen die so genannte Off-Szene. Wer dies denn tut, hat einfach keine Ahnung von dem, um im Eingangsbild zu bleiben, Mycel, das die Lebensfähigkeit einer hochkomplexen Kulturlandschaft wie der Berliner sichert. Wer hier blindwütig mit den Messern an einem Teil herumschnippelt, wird auch einigermaßen blind den anderen zerstören.
Reden wir über die Zahlen: In dieser gebeutelten Stadt sind ca. 40 000 Menschen im Kulturbereich beschäftigt. Das entspricht etwa der Anzahl der Beschäftigten im Banken- und Versicherungsgewerbe. Berücksichtigt man dabei noch die Anzahl der durch den Kulturtourismus, der vorhin schon erwähnt wurde, in Lohn und Brot stehenden Menschen, kommt man auf etwa 65 000 Arbeitsplätze. Eben dieser Kulturtourismus bewegte allein im Jahr 2000 18 Millionen Menschen in diese Stadt hinein. Diese 18 Millionen Menschen haben hier immerhin 1,1 Milliarden € ausgegeben. 33 % der Zuschauer in den Berliner Theatern sind Touristen gewesen. Und die Musiktheater, sprich die Opernhäuser, haben hier genrebedingt einen überproportionalen hohen Anteil. Zum Bruttoinlandsprodukt trug die Berliner Kultur im Jahr 2000 immerhin 1,64 Milliarden € bei, das sind 2,2 % der Wirtschaftsleistung dieser Stadt, ist also absolut nicht zu unterschätzen. Dem standen seinerzeit knapp 558 Millionen € öffentlicher Aufwand gegenüber. Man muss das nicht weiter kommentieren.
Einverstanden, auch im Kulturbereich kann und muss gespart werden, aber weitere dramatische – ich betone: dramatische – Kürzungen vornehmen zu wollen, hieße einem Langstreckenläufer das linke Bein abzuhacken, bevor er auch nur an den Start gehen kann. Wir werden eben dieses nicht tun, auch wenn Kollegin Ströver nicht müde wird zu betonen, dass, ich zitiere: „Rot-Rot alles tut, um die Berliner Kultur zu demontieren.“
Wir werden dies nicht tun, auch wenn die CDU-Kolleginnen gebetsmühlenartig von Scherbenhaufen und Konzeptionslosigkeit schwadronieren. Der Scherbenhaufen christdemokratischer Kulturpolitik lässt sich nicht in wenigen Monaten wegräumen, noch dazu, wenn er von einem Mont Klamott einer beispiellos ruinösen Haushaltspolitik zugedeckt ist.
Zur sprachlichen Phantasielosigkeit, das muss ich hier doch noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, kommt bei Ihnen inzwischen eine fast klinisch zu klassifizierende Gedächtnisschwäche.
Herr Senator Strieder forderte vorhin in der Fragestunde dazu auf, die Stadt nicht in Permanenz kaputtzureden,
sondern mit dem zu werben, was sie hat. Hier erlaube ich mir, den Wirtschaftssenator zu zitieren, der nach seiner Chinareise erklärte:
Kultur ist mittlerweile auch für den Wirtschaftsstandort Berlin ein wichtiger Faktor. Überall, wo ich hinkam,
Und das muss an dieser Stelle ergänzt werden: Mittelmäßige Institute dürften in Fernost kaum registriert werden. Der Chef des Max-Delbrück-Zentrums, Prof. Ganten, sekundiert hier Herrn Wolf nachdrücklich:
Wenn wir Wissenschaftler nach Berlin berufen wollen, zeigen wir ihnen nicht die Labore, wir gehen mit ihnen und ihren Ehepartnern in die Philharmonie und in die Alte Nationalgalerie, denn das Kulturangebot
Diese positiven Wahrnehmungen der Kulturlandschaft Berlin zu ignorieren mag zwar eine ungute Berliner Tradition sein – das ist übrigens nicht nur eine Leistung Berliner Politik, mancher Feuilletonist reiht sich in diese Bemühungen um den Ruppigkeitspreis ein –, diese ungute Tradition gehört aber endlich aufgegeben. Um es noch einmal zu betonen: Berlin hat drei Opernhäuser. Sie sind historisch gewachsen. Sie haben alle drei ihr sehr spezifisches Profil. Sie haben ihr spezifisches Publikum und sie leisten ihren Beitrag zum geistigen Selbstverständnis dieser Stadt. Sie liefern durchaus künstlerische Qualität, man muss diese Qualität nur zur Kenntnis nehmen wollen und es auch tun. Das strengt an und kostet Zeit. Die Stimme dieser drei Institute ist im Konzert der Kultureinrichtungen unverzichtbar. Sie muss erhalten und gepflegt werden.
Genau aus diesem Grund ist eine wirksame Opernstrukturreform überfällig. Wir stehen dabei vor dem Grundproblem, dass eben dieses seit Jahren von den Vorgängerregierungen aufgeschoben wurde, dazu ist bereits etwas gesagt worden. Wir stehen vor dem Problem, dass eine wirksame Reform, wenn man dieses Wort nicht mit Begriffen wie „kann weg“ oder „plattmachen“ synonym gebrauchen will, nicht nur Mühe, Arbeit und Zeit, sondern auch Geld kostet. Der finanzielle Effekt, der sich einstellt und einstellen muss, wird allerdings nicht unbedingt im selben Haushaltsjahr kassenwirksam. Das muss man auch wissen.
Damit komme ich nun doch noch zu den Bestandteilen des vorhin beschriebenen Ragouts. Wir wollen drei gute Opern und nicht ein oder zwei mittelmäßige. Ein bloßes Delegieren an den Bund ist weder machbar noch hilfreich – auch nicht das Abschieben eines großen Hauses beispielsweise an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das ist denn doch schon eine putzige Vorstellung, diesem
Museumskonzern nun noch eine Abteilung Oper und Theater überzuhängen – vielleicht noch mit einem jüngst aus Wien nach Berlin berufenen Direktor eines dortigen musealen Institutes.
Ebenso merkwürdig ist auch das Modell – Frau Kollegin Lange hat es beschrieben – des jüngst auch wieder auf das Tableau geratenen Stiftungsprojektes Friedericianum oder meinetwegen Friedericeum. Man riecht hier die Absicht und ist verstimmt.
Der Vorschlag der Fraktion der FDP – von Frau Meister sehr gründlich dargestellt – geht leider auch über bloße Korrekturen nicht hinaus: Gut gemeint, aber zu kurz gefasst!
Zum Fusionsmodell, das immer wieder durch die Gegend geistert, nur so viel: Es wäre tatsächlich die komplette Abwicklung eines ganzen Institutes – wahrscheinlich des Ensembles der Deutschen Oper. Ergebnis wäre – man sollte die Konsequenzen überdenken – ein neuer Großtanker mit dann zwei nur sehr schwer einigermaßen solide zu betreibenden Spielstätten. Daneben bliebe die kleine Komische Oper, die dann in der Folge jährlich existenzgefährdet wäre.