Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat hierzu einen Beratungsvorbehalt angemeldet. Die Beratung wird gewünscht. – Herr Mutlu hat für die Grünen das Wort! – Herr Mutlu, bitte sehr!
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Niemand trauert der großen Koalition nach, am wenigsten wir. Wenn ich mir aber die vergangenen Monate dieser rot-roten Regierung angucke,
muss ich sagen, zumindest in einem Punkt könnte diese rot-rote Koalition von der großen Koalition lernen, nämlich bei dem Umgang mit Oppositionsanträgen.
Wir haben – das haben Sie heute sicherlich im „Landespressedienst“ gelesen – im vergangenen Schuljahr erneut einen Anstieg des Unterrichtsausfalls. Der Unterrichtsausfall ist auf knapp zehn Prozent gestiegen. Sieben Prozent des Unterrichtsausfalls mussten durch Vertretungen aufgefangen werden. Wenn man das alles zusammenrechnet, stellt man sich die Frage: Wann wird dieser Senat endlich anfangen, gegen den drohenden Mangel an Lehrkräften vorzugehen? Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode von Herrn Böger mit der Drucksache 14/836 anhand von Zahlen eindrücklich belegt bekommen, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Wir haben hier eine Pensionierungswelle, die wirklich sehr groß ist. Auf der anderen Seite gibt es jedoch keine Neueinstellungen von jüngeren Lehrkräften, die kostengünstiger wären. – Wenn das alles zusammengezählt wird, kann ich nur sagen, dass der Unterrichtsausfall definitiv größer wird. Letztendlich sind wieder die Schülerinnen und Schüler die Leidtragenden.
Anfang der Woche hat – wie Ihnen sicherlich auch zu Ohren gekommen ist – die GEW, der von diesem Haus immer wieder Strukturkonservatismus bescheinigt wird, einen sehr vernünftigen Vorschlag gemacht. Dort heißt es, dass die Lehrkräfte auf fünf Jahre befristet bis zu zwei Stunden weniger arbeiten sollen – bei Gehaltsverzicht –, dafür aber „kostengünstigere“ junge Lehrkräfte eingestellt werden können. – Das ist die Richtung, die wir einschlagen sollten. Dazu dient unser Antrag.
Wir brauchen jüngere Lehrkräfte. Wir brauchen Maßnahmen, die das Burn-out-Syndrom bei der Berliner Lehrerschaft bekämpfen. Wir brauchen aber auch – nicht
Herr Mutlu, Sie haben hier nicht zu Ihrem Antrag geredet, sondern zu Unterrichtsausfall, zu Einstellungsstopp, der fiskalische Gründe hat, wie wir alle wissen, und den wir bildungspolitisch nicht begründen können und der wegen des Scheiterns der Solidarpaktgespräche zu Stande kam. Genau das Gleiche gilt für die geplante Arbeitszeiterhöhung. Herr Dr. Körting hat an dieser Stelle gesagt: Wenn Solidarpaktgespräche wieder aufgenommen werden sollten und zu einem vernünftigen Ende kommen, können auch diese Maßnahmen wieder zurückgenommen werden. In diesem Zusammenhang begrüße ich sehr den Vorschlag der GEW, die sich hier endlich mal bewegt.
Da also der Antrag obsolet ist, bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses zu folgen. – Ich danke Ihnen!
rerschaft bekämpfen. Wir brauchen aber auch – nicht nur wegen PISA – mehr mehrsprachige Lehrkräfte. Das ist im Zuge des zusammenwachsenden Europas sehr wichtig. Auch in diesem Bereich muss es die Möglichkeit für Neueinstellungen geben. – Leider war die rot-rote Koalition nicht bereit, dieses im Ausschuss zu diskutieren. Fünf Minuten reichen nicht aus, um das zu thematisieren. Ich kann nur hoffen und an Ihre Vernunft appellieren: Wenn Sie von der Sache überzeugt sind, aber die Opposition schneller war, sollten Sie wenigstens deren Vorschläge unterstützen. – Hauptsache, die Schülerinnen und Schüler sind nicht wie immer die Leidtragenden!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Mutlu! Das hat die große Koalition auch nicht gemacht, das wird keine vernünftige Regierung machen, nämlich etwas zu beschließen, was schon passiert bzw. was bereits in Gesetzestext gegossen ist.
Natürlich, Herr Mutlu! – bereits ausführlich im Schulausschuss beraten. Dort haben selbst Sie als Antragsteller eingesehen, dass er obsolet ist, und die Absätze fünf und sieben bei dieser Beratung herausgenommen.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind zwar einerseits ein Sammelsurium, aber andererseits teilweise vernünftig. Sie wurden aber bereits eingeleitet, es bedarf daher keines Antrages mehr. Ich nenne exemplarisch einige Punkte: Mit dem neuen Schulgesetz soll das Einstellungsverfahren schneller, flexibler und schulnäher gestaltet werden.
Wir haben bereits mit dem Schulvorschaltgesetz, wie Sie wissen, Herr Kollege, den Schulen ein Personalbudget von 2 bis höchstens 5 % zugebilligt, um akutem Unterrichtsausfall entgegenzuwirken. Auch wir haben wiederholt, Frau Senftleben, gefordert, dass Personen mit Migrationshintergrund in die Erzieherinnen- und Lehrerberufe gehen sollen, und plädieren ebenfalls für eine Einstellung von native speakers für den Fremdsprachenunterricht, vor allem an den Europaschulen und den bilingualen Zweigen der Oberschulen. Hier muss allerdings, das gebe ich zu, erneut über die unterschiedliche Bezahlung für dieselbe Arbeit nachgedacht werden. Und schließlich werden auch alle Schulformen und -arten aufgefordert, interne und externe Evaluationen vorzunehmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag ist von seinen gewünschten Auswirkungen her in keiner Weise obsolet.
Denn das, was wir auf der einen Seite an theoretischakademischer Betrachtungsweise von meiner Vorrednerin Frau Dr. Tesch hier vernommen haben, korrespondiert in keiner Weise mit den Realitäten an den Berliner Schulen.
Ein solcher Vortrag, vor Lehrerkollegien bestimmter Schulen gehalten, würde, wenn nicht zu brüllendem Gelächter, dann zu massiven Unmutsstürmen führen. Deswegen ist es schon ganz gut, dass wir uns hier mit den Realitäten beschäftigen und auch etwas näher mit dem Antrag der Grünen.
Die Überschrift lautet „Aktionsprogramm gegen Lehrermangel“, und angesichts der Senatsbeschlüsse der letzten Zeit mutet es schon relativ grotesk an, wenn wir auf der einen Seite zur Kenntnis nehmen müssen, dass Lehrerarbeitszeitverlängerungen beschlossen wurden, obwohl es ein Alternativangebot der größten Lehrergewerkschaft, der GEW, gibt, und auf der anderen Seite der Bildungssenator ein Internetportal eröffnet hat, in dem für den Lehrerberuf geworben wird. Unter diesen Voraussetzungen ist es geradezu lächerlich anzunehmen, dass der Lehrerberuf heute noch eine Attraktivität ausübt, die für die Berliner Schule tatsächlich Vorteile bringt. Der Einstellungskorridor für junge Lehrer wird inzwischen so schmal, dass ihn kaum noch jemand findet. Dafür geben wir, ähnlich wie schon bei den Polizisten, gut ausgebildete Lehrer nach Absolvierung ihrer Examina an andere Bundesländer ab. Dort freut man sich über die akademischen Präsente aus der Bundeshauptstadt.
Wir haben massive Probleme bei der Einstellung für Lehrkräfte in der Berliner Schule. Wir haben den Einstellungsstopp, die Erhöhung der Stundentafel wirkt sich mit 1 600 gestrichenen Lehrerstellen aus. Wir haben die vernichteten Einstellungschancen für junge, gut ausgebildete Lehrkräfte. Von den 1 000 zusätzlichen Lehrstellen für pädagogische Verbesserungen bleibt relativ wenig übrig. Statt Qualitätsverbesserungen in der Schule haben wir Überlastung der Lehrkräfte und statt Motivation Demotivation. Das bringt uns nicht voran, und deswegen wäre es
auch wünschenswert, dass der auch von Frau Dr. Tesch von der SPD hier befürwortete Vorschlag der GEW einmal ernsthaft geprüft und aufgenommen worden wäre. Und die Beratung des Antrags der Grünen hätte dazu Gelegenheit geboten, diese sich geradezu aufdrängende, diese fast automatische Alternative dankbar anzunehmen und nicht an einer Grundsatzentscheidung festzuhalten, die sich als negativ für den Schulbetrieb auszuwirken scheint und die letztlich auch die Qualitätsanforderungen in der Berliner Schule nicht bewältigen wird. Deshalb ist es sehr schade, dass dieser Antrag mit formalen Begründungen, mit einem Einbringungsdatum vom Februar und mit der Tatsache, dass die Grünen zwei Absätze zurückgezogen haben, hier von Ihnen, von der Koalition, abgebürstet worden ist. Sie hätten gut daran getan, das ernsthaft aufzunehmen, Alternativen gegebenenfalls zu entwickeln und hier zu präsentieren. So haben Sie das lediglich formal abgelehnt. Das ist nicht das, was wir von einer vernünftigen Bildungspolitik von Ihnen erwarten. Das lässt uns gruseln im Hinblick auf die Beratungen für das neue Schulgesetz.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich habe den unbestimmten Eindruck, dass das, was bisher über den Antrag gesagt wurde,den Antrag nicht wirklich trifft. Und das bezeichnet vielleicht auch sogar das Problem. Zum einen ist der Antrag, Herr Goetze, da bin ich auch anderer Auffassung als Sie, dadurch überholt, weil ein großer Teil der dort geforderten Maßnahmen bereits im Gang oder zumindest im Gesetz formuliert ist.
Die Situation ist die, dass nach den Beschlüssen des Senats uns der Finanzsenator vorrechnen wird, dass Mehrarbeit der Lehrkräfte zu Überhängen von einem Faktor xy führt und somit 0,7, 1,5 oder vielleicht 2,3 Stellenpositionen in jeder Schule frei werden. Nun korrespondieren allerdings diese rechnerischen Positionen in keiner Weise mit den Realitäten an der Schule. Diejenigen Lehrer, die dort arbeiten, lassen sich nicht in Zehntelteilern differenzieren, und die Auswirkung dieser Beschlüsse berücksichtigt auch nicht die Tatsache, dass Fachlehrer in bestimmten Bereichen fehlen und nicht ersetzt werden. Das heißt, hier leidet Qualität massiv, und alle Aussagen zur Qualitätssteigerung, auch in Bezug auf ein möglicherweise neues Schulgesetz, sind schon längst ad absurdum geführt.
Man darf sich auch an diesem neuen Schulgesetz nicht immer festhalten. Das ist sozusagen die Chimäre, die man seit anderthalb Jahren vor sich her trägt, indem man immer wieder formuliert, wir machen dies, wir machen jenes. Und das „berühmte“ Vorschaltgesetz, bei dem sich die Koalition vom Wissenschaftlichen Parlamentsdienst belehren lassen musste, dass es dies gar nicht ist, sondern eine simple Änderung des Schulgesetzes, das hat natürlich auch nicht die Revolution ausgerufen, sondern es hat einfache Änderungen herbeigeführt, bei denen wir uns dann auch noch anhören mussten, dass Schulen, die den Antrag gestellt haben, tatsächlich Personalmittel selbst verwalten zu wollen, über Monate hinweg keine Bescheide erhielten.
Das ist nicht das, was wir brauchen, sondern wir müssen – das muss meiner Ansicht nach auch verankert werden – dafür sorgen, dass, um beim Thema der Lehrerausbildung zu bleiben, z. B. Lehramtsbewerber, die nach ihrem Examen Erfahrungen im praktischen Leben sammeln und nicht direkt von der Schule über die Hochschule wieder in die Schule gehen, wesentlich stärker in den Bewerberkreis einbezogen werden. Zu dieser alten Gepflogenheit sollte man zurückkehren. Sie ist unnötigerweise von SPD-Bildungssenatoren aufgegeben worden. So blieben viele junge Lehrer auf der Strecke. Erst wurde ihnen nahe gelegt, Berufserfahrung außerhalb der Schule zu sammeln; und wenn sie das dann erfolgreich taten, dann mussten sie einige Jahre später feststellen, dass sie im Schuldienst als Bewerber so gut wie aus dem Rennen waren. Welche Frustration verursacht das, und welche Konsequenzen hat das dafür, dass sich potentielle Lehrer sich in dieser Form noch für den Schuldienst bewerben?
[Frau Dr. Tesch (SPD): Hab´ ich doch gesagt! – Goetze (CDU): Für welche denn? Wir kennen das Gesetz ja nicht!]
Das ist einfach Tatsache, das kann man auch nicht wegreden. Das ist so. Zum anderen ist aber auch in allen Redebeiträgen klar geworden: Alles, was wir insgesamt zur Verbesserung der Arbeit an den Schulen erreicht wollen, steht unter dem Vorbehalt – man könnte beinahe sagen: Damoklesschwert – des Zu-Stande-Kommens eines Solidarpaktes. Das ist auch ein überall spürbares Problem. Die Maßnahmen, die eingeleitet bzw. aufgeschrieben und vereinbart sind, können eventuell nicht umgesetzt werden, wenn es nicht zum Solidarpakt kommt. Das ist noch einmal der dringliche Appell an uns alle, alles dafür zu tun, dass es zu einem Solidarpakt kommt. Ich bin sehr froh darüber, dass die GEW – gestern übrigens, nicht schon wochenlang – diesen Vorschlag vorgestellt hat. Ich denke, dass er so, wie er nun von der GEW zu hören ist, für die Berliner Schule Sinn hat. Ich hoffe sehr, dass es zu konstruktiven Gesprächen kommt, damit klar wird – nur dieser eine Gesichtspunkt ist heute herauszugreifen –, dass sich der Lehrerberuf in Berlin lohnt.
Aber offensichtlich hatte die Opposition Recht, die Situation ist verfahren! Die Gewerkschaften spielen beim Solidarpakt nicht mit. Sie haben jetzt den ersten Vorschlag gemacht, und auch wir als FDP begrüßen diesen Vorschlag. Und wie reagierte Rot-Rot? – Erstens mit Einstellungsstopp, ziemlich einfache Sache, finde ich. Zweitens mit der pauschalen Verlängerung der zu leistenden Unterrichtszeit, völlig undifferenziert. Genau das ist es, was die Lehrkräfte enorm frustriert. Es beweist außerdem die Einfallslosigkeit und Mutlosigkeit des Senats, neue Wege zu beschreiten. Es gibt Lehrkräfte mit höherer Belastung, allein schon durch die Vor- und Nachbereitungen, aber auch altersbedingt. Die tragen die Mehrarbeit doppelt. Von Fairness kann hier keine Rede sein.
Nur durch eine Flexibilisierung des Lehrkräfteeinsatzes können Probleme, mit denen sich die Berliner Schulen konfrontiert sehen, auf Dauer bewältigt werden. Hierzu brauchen wir mittelfristige Rahmenbedingungen. Ziel muss es letztlich sein, dass die Schulen an der Ausgestaltung des Lehrereinsatzes unmittelbar mitwirken, die so genannte schulscharfe Ausschreibung, mindestens das.