Im Übrigen ist mit dieser Bestimmung auch sichergestellt, dass die CDU-Befürchtung der Entstehung einer öffentlichen Drogenszene im Umfeld nicht Wirklichkeit werden kann. Wenn eine strenge und stetige Kooperation stattfindet, wird man die Anzeichen frühzeitig bemerken und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten können.
Wer glaubt, jetzt immer noch einen ideologischen Kampf gegen Drogenräume führen zu müssen, muss sich fragen lassen, welcher Ziele er eigentlich verfolgt. Er lehnt offensichtlich jede Gesundheitshilfe für Suchtkranke ab und verhindert damit eine Abnahme von Drogentoten. Er lehnt die Verringerung der Belastung und Gefährdung von Kindern auf Kinderspielplätzen und Hausfluren ab. Das ausschließliche Setzen auf polizeiliche Maßnahmen und Strafverfolgung führt ganz offensichtlich nicht zum Ergebnis, denn ansonsten sähe unsere Stadt heute nicht so aus, wie sie ist.
Nur das anfangs beschriebene Gesamtkonzept einer Drogenpolitik, also eine enge Verbindung aus den genannten Feldern, von der Verfolgung bis zum Anbieten von Hilfe, führt zum Erfolg. In diesem Sinne werden wir in unserer Koalition eine Politik frei von Ideologien und orientiert an den tatsächlichen Problemen dieser Stadt fortsetzen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich als drogenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion selbstverständlich, wenn wir heute hier eine drogenpolitische Debatte führen. Das ist ein wichtiges Thema, und deswegen ist es auch gut, wenn es den Weg in eine Aktuelle Stunde findet.
Was mich dabei allerdings stutzig macht, ist, dass wir das Thema der Drogenpolitik heute unter der Überschrift „Drogenkonsumräume“ debattieren. Das weckt in der Tat den Eindruck – und deswegen muss ich auch dem Kollegen Henkel beispringen –, als ob die Koalition einen ganz großen Schwerpunkt ihrer drogenpolitischen Arbeit in dieser Einrichtung von Drogenkonsumräumen sieht. Den selben Eindruck erweckt übrigens auch die Koalitionsvereinbarung, wenn Sie sie sich noch einmal durchlesen wollen.
Ich habe diese Koalitionsvereinbarung sehr genau gelesen. Ehrlich gesagt, ich habe sie in Teilen sogar geschrieben.
[Beifall bei der SPD und der PDS – Heiterkeit – Dr. Steffel (CDU): Wir schreiben die nächste Koalitionsvereinbarung!]
Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass diese Drogenkonsumräume kein Allheilmittel der Drogenpolitik darstellen können. Sie können allerdings sehr wohl – und da unterscheidet sich meine Haltung von der der CDU – zur Linderung der Folgen bei langjährigen schwer Abhängigen führen. Aber trotzdem sollte das nicht dazu führen, dass man diese Einrichtungen so dermaßen „abfeiert“, dass man dadurch den Eindruck bekommt, hier in Berlin sei etwas ganz Großes im Gange. Sie sollten sich als Koalition vielleicht mehr der Daueraufgabe widmen, die Sicherung und Weiterentwicklung von Prävention und Therapie in Berlin zum Schwerpunkt zu machen. Da wäre erheblich mehr zu tun und das ist auch erheblich wichtiger für die Drogenpolitik in dieser Stadt als das, was Sie heute vorschlagen.
So wenig sich Konsumräume eignen, alle Probleme zu lösen, so wenig eignen sie sich auch als Angriffsziel auf eine vermeintlich zu freizügige Drogenpolitik. Ich bin nun einmal der Auffassung, dass sowohl beim Senat, als auch bei der CDU diese Drogenkonsumräume in ihrer Bedeutung überschätzt werden. Denn ob Jugendliche dem Drogenkonsum zu nahe kommen, entscheidet sich nicht daran, ob langjährige Abhängige eine neue Form der Hilfe
Natürlich gibt es in der rechtlichen Regelung auf der Bundesebene ein Erfordernis, bestimmte Dinge in einer Rechtsverordnung auf Landesebene zu regeln. Das wissen wir alle, Frau Dott. Aber niemand sagt, dass Sie in dieser Verordnung nicht auch noch Dinge regeln könnten, die sich nicht zwingend aus dem Bundesbetäubungsmittelgesetz ergeben. Sie hätten hier an einigen Stellen selbstverständlich auch die Sorgen, die sich Menschen in Berlin wegen dieser Maßnahmen machen, aufgreifen und versuchen können, sie zu lindern.
Ich erkenne auch in der heute geführten Debatte eine Schieflage, was die Drogenpolitik insgesamt und die sehr merkwürdige unterschiedliche Behandlung einzelner Drogen betrifft. Wir reden über Tabak, wir reden über Alkohol, wir reden über Cannabis und über die sogenannten harten Drogen. Ich komme dabei manchmal – ehrlich gesagt – nicht mit. Wenn Sie, wofür es durchaus Gründe gibt, bei Cannabis das eine oder andere diskutieren wollen und dieses oder jenes befürworten, aber gleichzeitig Frau Dott dieses Thema heute als sehr dringlich nahelegt und wir am selben Tag von Frau Simon eine kritische Frage zum Tabakwerbeverbot in den Printmedien zu hören bekommen, habe ich den Eindruck, dass Sie die verschiedenen Drogen auf eine sehr merkwürdig unterschiedliche Art und Weise behandeln, indem Sie nämlich einige versuchen zu verharmlosen und bei anderen sehr viel restriktiver vorgehen, als es bisher der Fall ist.
bekommen. Das ist nicht das, wonach sich Jugendliche dieser Stadt ausrichten. Sie richten sich nach ihrer persönlichen Umgebung aus, nach ihren Freunden, nach den Leitbildern, die sie dort, zu Hause und in der Schule vermittelt bekommen. Insoweit wird der Einfluss staatlichen Handelns auf junge Menschen an dieser Stelle chronisch überschätzt, mit der einen Ausnahme, nämlich dessen, was man in der Schule tatsächlich leisten kann. Die Maßnahmen für schwer Abhängige dagegen haben hierfür keinerlei Bedeutung. Deswegen glaube ich auch nicht, dass man diese Diskussion so ideologisch geprägt führen muss, wie sich die Debatte dazu manchmal anhört.
An die Adresse der CDU sei auch noch ergänzt: Ich sehe die Alternative zu dem einen oder anderen Drogenkonsumraum nur sehr restriktiv, eben deshalb weil der Drogenkonsum ansonsten auf der Straße und auf den öffentlichen Plätzen dieser Stadt stattfindet. Das ist es nicht, was wir uns alle gemeinsam wünschen können. Deswegen ist es sinnvoll, dass man sich pragmatisch und vorsichtig diesem Instrument nähert. Aber gerade wenn das so ist, kann ich nach wie vor nicht nachvollziehen, warum die Koalition, warum der Senat sich so sehr dagegen sperren – Herr Kleineidam hat es eben auch noch einmal aufgegriffen –, in die Rechtsverordnung auch ein geordnetes Verfahren zur Beteiligung von Anwohnern und Geschäftsleuten einzuführen.
Sie sind doch sonst immer für Bürgerbeteiligung. Das hat auch nichts mit Bürokratie zu tun, wenn man versucht, eine Bürgerbeteiligung durchzuführen. Warum machen Sie es an dieser Stelle nicht? Sie setzen sich damit einem Verdacht aus, den Sie selbst hätten vermeiden können.
Und, Frau Dott, es ist ja nicht nur so gewesen, dass Bezirksverordnetenversammlungen positiv darüber diskutiert haben, sich in ihrem Bezirk einen Drogenkonsumraum vorstellen zu können, sondern es hat auch Bezirksverordnetenversammlungen gegeben, die aufgeschreckt durch die Pläne des Senats Debatten geführt und Beschlüsse gefasst haben, keinen Drogenkonsumraum in ihrem Bezirk zulassen zu wollen, weil sie Sorge hatten, dass ihnen ohne jegliche Beteiligung der Bezirke oder auch der Bürger etwas vor die Nase gesetzt werden kann. Diesen Eindruck und diese Sorge hätten Sie vermeiden können, insbesondere wenn Sie sich die Verhältnismäßigkeit der Regelungen ansehen, die Sie in dieser Verordnung treffen. Ich zitiere aus § 3 Abs. 4:
Insbesondere muss der Drogenkonsumraum ständig hinreichend belüftet und beleuchtet sein sowie täglich gereinigt werden.
Wenn Sie es für nötig halten, das in einer Verordnung festzulegen, kann ich wirklich nicht nachvollziehen, warum das Wort Anwohner nicht einziges Mal in der Verordnung vorkommt.
Im Übrigen würde ich Ihnen durchaus beipflichten, wenn Sie einwenden würden, dass der heutige Zustand kein optimaler ist. Das ist er nämlich weiß Gott nicht. Wenn ich mir anschaue, wie unterschiedlich heute die Drogen Alkohol und Cannabis behandelt werden, erkenne auch ich, dass es einen Handlungsbedarf gibt, in Zukunft das eine etwas weniger zu verharmlosen
Es ist gesagt, was in der ersten Runde gesagt werden musste. Der Kollege Ritzmann hat noch genügend Gelegenheit, in der zweiten Runde die Bedenken der FDPFraktion im innenpolitischen Bereich im Umgang von Polizei und Justiz mit dieser Frage aufzugreifen. Ich jedenfalls als der drogenpolitische Sprecher der FDPFraktion wünsche Ihnen nach der heutigen Debatte ausdrücklich keine weiße Weihnacht, trotzdem aber schöne Feiertage! – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
An dieser Stelle, Frau Schubert, möchte ich noch einmal das Wort an Sie richten. Wir warten seit dieser
Gesetzesänderung, dass in den Berliner Knästen auch tatsächlich die Spritzen ausgegeben werden und nicht nur in zwei Knästen, dem Frauenknast in Lichtenberg und dem in Plötzensee, wo sicherlich die Drogenproblematik in den Berliner Justizvollzugsanstalten am virulentesten ist.
Es waren dann die Großstädte mit den großen offenen Drogenszenen wie Hamburg und Frankfurt, die als erste die Schritte gegangen sind und Anfang der 90er Jahre sogenannte Konsumräume nach schweizer Vorbild eingerichtet haben. Seitdem tobt die Diskussion um diese Einrichtungen. Und wie alle Diskussionen im drogenpolitischen Bereich ist sie eher ideologisch geprägt und meist bar jeglicher Kenntnis von wissenschaftlichen Grundlagen.
Das, was Sie hier abgeliefert haben, ist wirklich bar jeder Kenntnis dessen, was in der letzten Zeit in diesem Bereich auf wissenschaftlicher Grundlage diskutiert worden ist. Selbst die Apologeten der Marktwirtschaft, Herr Henkel, fordern mittlerweile, dass es nicht mehr notwendig ist, mit Repressionen die Schwarzmärkte auszutrocknen, sondern dass es den Effekt der Austrocknung haben würde, wenn man den Weg der Legalisierung auch in diesem Bereich endlich gehen würde.
nachten sind ja auch nicht schlecht. Dabei drückt sich vielleicht eher eine andere Assoziation aus als diejenige, die Sie mit Ihrem Vergleich zu „weiß“ haben wollen. Sie wissen, dass wir diesbezüglich weit fortgeschritten sind, was das Fördern von grünen Assoziationen angeht. Sie kommen uns also durchaus entgegen, wenn Sie sagen, dass Sie keine weiße Weihnacht wünschen.
In dem Drogenbericht 2000 der Senatsverwaltung für Gesundheit heißt es: In der Großstadt Berlin, 3,33 Millionen Einwohner, wird gegenwärtig die Suchtproblematik folgendermaßen eingeschätzt: 900 000 Raucher, 250 000 Alkoholmissbraucher und -abhängige, 50 000 bis 80 000 Medikamentenabhängige, 7 000 bis 8 000 Opiatabhängige. 10 % der Letztgenannten werden als schwerstabhängig bezeichnet und sind gesundheitlich besonders schwer beeinträchtigt. Im Jahr 2000 starben 225 Menschen in Folge des Genusses illegaler Drogen. 746 starben in Folge Alkoholgenusses. Allein 2 795 der Verkehrsunfälle mit Personen- und schwerwiegenden Sachschäden waren alkoholbedingt. Der Beschluss des Senats, endlich die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung der Konsumräume zu schaffen, ist angesichts der oben skizzierten Situation sicherlich ein kleiner Schritt für die Menschheit, drogenpolitisch allerdings ein sehr großer.
Es war eine harte und mühsame Diskussion und viel, viel Arbeit, die Akzeptanz dafür zu schaffen, dass nicht mehr nur – muss man wohl sagen – mit Strafandrohungen, Strafvollzug und Repressionen dem Drogenproblem zu Leibe gerückt wird. Das Problem, das sich hier mit der Einrichtung von Drogenkonsumräumen verbindet, ist in erster Linie, dass denjenigen, die Hilfestellung leisten wollen, unter Anerkennung der Suchtproblematik und unter Anerkennung der Akzeptanz, dass aus dieser Suchtproblematik nicht von heute auf morgen ausgestiegen werden kann, nicht der Staatsanwalt im Nacken sitzt, sondern sie die notwendigen Schritte und Hilfeleistungen tatsächlich auch gehen und geben können.
Es war, wie gesagt, ein sehr schwerer Weg. Vor 15 Jahren, 1987, hat Generalbundesanwalt Rebmann noch einen eigenen Mitarbeiter, den Bundesanwalt Bruns – der hier vielleicht auch allgemein bekannt ist – als Mitglied der Aids-Enquetekommission des Bundestags angezeigt, weil er öffentlich die Vergabe von Einmalspritzen an Drogenabhängige als strafrechtlich unbedenklich bewertet hat. Es bedurfte zur Hochzeit der Aufklärung über die Ansteckungsgefahren des Aids-Virus einer Gesetzesänderung, um klarzustellen, dass man saubere Spritzen an diejenigen ausgeben darf, die ständig in der Gefahr sind, sich durch den Konsum von Rauschmitteln unter Benutzung von Spritzen selbst zu infizieren und damit natürlich auch die notwendigen Folgekosten für die Gesellschaft auszulösen. Es geht darum, dass diejenigen, die helfen wollen, um Schlimmeres zu vermeiden, nicht selbst strafbar werden.