Protokoll der Sitzung vom 13.03.2003

Danke schön, Herr Senator! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Kollege Jahnke das Wort. – Bitte schön!

von Kleinstunternehmen auf den Weg gebracht. Mit dem Beschluss zur One-Stop-Agency haben wir die Voraussetzung geschaffen, dass endlich klare Ansprech- und Entscheidungsstrukturen bestehen – eine Aufgabe, meine Damen und Herren von der CDU und Herr Steffel, über die Sie jahrelang schwadroniert haben, die sie aber nicht umgesetzt haben. Wir haben Sie jetzt umgesetzt, und diese Konzeption wird von den Unternehmen, von der Industrie- und Handelskammer, vom Unternehmerverband Berlin und von der Handwerkskammer begrüßt. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir vernünftige Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen wollen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Wir werden in aller Ernsthaftigkeit an das Thema der Entbürokratisierung herangehen – die Vereinfachung von Verfahren, die Stärkung von Eigenverantwortung. Wir werden Verwaltungsvorschriften entschlacken oder gänzlich abschaffen. Ich habe jetzt von Seiten meines Hauses eine Vorlage in den Staatssekretärsausschuss zur Verwaltungsreform eingebracht. Das ist auf den Weg gebracht. Wir werden in diesem Jahr zügig eine Vorlage zur Entbürokratisierung hier beschließen und in die Umsetzung geben können. Das ist auch ein klares Zeichen für die positive Veränderung von Rahmenbedingungen für Unternehmen, gerade auch kleine und mittelständische Unternehmen, die unter diesen bürokratischen Rahmenbedingungen, den Kosten, die damit verbunden sind, und den Verzögerungen von Entscheidungen am stärksten leiden.

Wir werden auch wichtige Infrastrukturvorhaben voranbringen. Wir werden das Thema „Bau des Flughafens“ weiter konsequent verfolgen, sowohl die Finanzierungsseite als auch das Planfeststellungsverfahren.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Wir haben zum Tourismus einen runden Tisch unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters, wo die Akteure aus der Tourismuswirtschaft zusammensitzen

[Niedergesäß (CDU): Was machen die denn da?]

und an einer gemeinsamen Konzeption arbeiten, wie Politik, wie Verwaltung, wie die verschiedenen Marketingorganisationen und wie die einzelnen Akteure aus der Wirtschaft, der Hotel- und Gaststättenverband, die Messe, wie die Wissenschaft usw. die Stärkung des Tourismus in Berlin voranbringen können und wie die Besucherzahlen gesteigert werden können und frisches Geld in die Stadt kommt und damit auch mehr Beschäftigung in der Stadt wieder kreiert werden kann.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Wir werden weiter an der Stärkung der Kompetenzfelder arbeiten. Es hat sich im letzten Jahr gezeigt, dass die Standortbedingungen in Berlin eigentlich besser sind als die Zahlen, die wir zurzeit zu verzeichnen haben. Ich habe das gerade auch heute Morgen bei den Gesprächen, die ich mit Unternehmen am Rande der CeBIT geführt habe, wieder erfahren.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

[Niedergesäß (CDU): Und Spreequell!]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem zum Thema „aktive Arbeitsmarktpolitik und Umsetzung der Hartz-Gesetze“ nun schon sehr viel gesagt wurde, möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Folgerungen für die Wirtschafts- und Strukturpolitik lenken. Denn es kann kein Zweifel bestehen: So unverzichtbar der zweite Arbeitsmarkt gerade für den Osten Deutschlands und damit auch für die Region Berlin-Brandenburg auf mittlere Sicht bleiben wird, so klar ist aber auch, dass eine Trendwende, weg von Arbeitslosenquoten nahe 20 %, hin zu dauerhafter Beschäftigung, nur auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erreichen ist.

[Beifall bei der SPD, der PDS und der FDP]

Wenn die Arbeitslosenzahl in Berlin deutlich über 300 000 gestiegen ist, dann hängt dies jetzt kurzfristig zweifelsohne auch mit dem Paradigmenwechsel bei der Bundesanstalt für Arbeit im Bereich der Weiterbildung und aktiven Arbeitsmarktpolitik zusammen. Dass aber die Arbeitslosenzahl überhaupt in einer solchen Größenordnung liegt, hat strukturelle und konjunkturelle Ursachen.

[Zuruf des Abg. Czaja (CDU)]

Es ist bekannt, dass die Weltwirtschaft seit nunmehr fast drei Jahren unter abnehmenden Wachstumsraten leidet, nicht nur in Europa, auch in Amerika, ganz zu schweigen von Japan. Und die wachsende Angst vor einem Irak-Krieg ist alles andere als förderlich für eine wirtschaftliche Erholung.

Nein! – Auf Bundesebene werden glücklicherweise – Frau Grosse hat es erwähnt – die Weichen für ein solches Sonderprogramm gestellt. Das Dilemma des Berliner Haushalts ist bekannt. Doch werden auch hier noch Schwerpunkte gesetzt. Ich erinnere nur an das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm, das auch in Zeiten knapper Kassen fortgesetzt wird.

Wie es nicht geht, zeigt einmal wieder die Berliner CDU mit ihrem so genannten Sofortprogramm. Wahllos werden Aufstockungen staatlicher Aktivitäten gefordert, über deren Gegenfinanzierung nicht nur keine Überlegungen angestellt werden, sondern gleich noch eine Gewerbesteuerkürzung, also Mindereinnahmen, mitgefordert werden.

Wie das alles fiskalisch darstellbar sein soll, kümmert Herrn Steffel und seine Kollegen nicht. Mit diesem Papier hat die Berliner CDU nur einmal mehr ihre Regierungsunfähigkeit unter Beweis gestellt.

Trotz der aus genannten Gründen derzeit erschreckend hohen Arbeitslosenzahl gibt es zuhauf positive Zeichen für die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts BerlinBrandenburg.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Czaja (CDU)]

Nicht nur aus diesem Grund, aber auch deswegen liegt die Friedenspolitik von Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer im Interesse unseres Landes.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Nun zu den strukturellen Ursachen der hohen Arbeitslosigkeit: Zum Teil handelt es sich hierbei gewiss um systembedingte Mängel, die auch schon erwähnt wurden, wie die Finanzierung der sozialen Absicherung ausschließlich über den Faktor Arbeit und die daraus resultierenden hohen Lohnnebenkosten. Hier ist auf Seiten der Bundesebene Abhilfe nötig und in Vorbereitung. Warnen möchte ich hingegen vor einem Argument, gerade auch in diese Richtung, das oft im selben Atemzug genannt wird, demzufolge ein Abbau der Schutzrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu mehr Beschäftigung führe. Hierfür gibt es auch im Ausland keinen überzeugenden Beleg.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Der Standort Deutschland sei angeblich international nicht konkurrenzfähig, so ist zu hören – nur seltsam, dass dann unsere derzeitige Konjunkturschwäche keineswegs an einem negativen Handelsbilanzergebnis liegt, sondern vielmehr an fehlender Binnennachfrage. Der Senator hat es gerade erwähnt.

[Niedergesäß (CDU): Die haben Angst vor Ihnen, die halten ihr Geld fest!]

Auch der liberale Glaubensgrundsatz, dass Steuersenkungen automatisch zu mehr Investitionen führen müssten, und wenn sich der Staat völlig zurückzöge, gar Vollbeschäftigung in Aussicht stünde, ist mehr als zweifelhaft. Ich erinnere bloß daran, welche Schwierigkeiten mittelständische Unternehmen derzeit haben, überhaupt eine Finanzierung durch die Banken zu finden, und dies nicht – das hat auch Herr Steffel gesagt –, weil sich da irgendein Staat einmischte, sondern weil die Banken aus rein betriebswirtschaftlicher Logik heraus kein Interesse daran haben – ein klarer Fall von Marktversagen. Als Krönung des Ganzen ist sich der Chef der Deutschen Bank nicht zu schade, beim Bundeskanzler anzuklopfen, ob der Staat eine Auffanggesellschaft für faule Kredite ins Leben rufen könne. Sieht so die reine Marktwirtschaft aus?

Die Koalition aus SPD und PDS in Berlin wie auch die rot-grüne Koalition im Bundestag bejahen eine aktive Mittelstandspolitik.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Hierzu gehören gerade auch staatliche Infrastrukturinvestitionen im kommunalen Bereich, ohne die große Teile der Bauwirtschaft und des Handwerks nicht existieren können. Mehr als 1 Million Arbeitsplätze bundesweit hängen daran, und auch in unserer Region könnten Zehntausende neu entstehen. Ein riesiger Sanierungsbedarf ist allerorten in Berlin sichtbar.

Herr Kollege Jahnke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hahn?

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Zuruf des Abg. Henkel (CDU)]

Neue Ansiedlungen bedeutender nationaler und internationaler Unternehmen – der Senator hat einige genannt – insbesondere aus der Medienbranche, aber nicht nur, konnten in den letzten Monaten erreicht werden.

[Niedergesäß (CDU): Und wie viele Pleiten haben wir inzwischen?]

Adlershof und Buch werden konsequent zu Standorten für Zukunftstechnologien ausgebaut. Der Tourismus ist ein großer Wachstumsmarkt für Berlin. Wir sind die dritte Stadt im Tourismus in Europa.

[Beifall bei der SPD]

Aber auch die so genannte Old Economy ist hier keineswegs bloß am Schließen oder Abwandern. Ich erinnere nur an die Chemieindustrie, die sich nicht allein auf das Traditionsunternehmen Schering beschränkt, sondern mit Berlin-Chemie im Ostteil der Stadt einen zweiten wichtigen Vertreter hat, wo Arbeitsplätze in großem Umfang bereits entstehen, und zahlreiche kleine Firmen im Umfeld dieser großen profitieren mit.

Es geht um die Pflege und Förderung des Bestehenden und zugleich um die Ansiedlung neuer Unternehmen und Branchen. Nachdem jahrelang nur darüber geredet wurde, nimmt die One-Stop-Agency als zentrale Anlaufstelle für Investoren nun endlich Gestalt an.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wenn Sie darauf so scharf sind, Kollege Liebich, dann können Sie eine Bundesratsinitiative starten. – Wir brauchen ein stärkeres Engagement der Betriebe. Wenn in Berlin nur die Hälfte der ausbildungsberechtigten Betriebe ausbildet, dann stimmt etwas nicht. Das ist zu wenig. Sie brauchen den Nachwuchs schließlich in den Betrieben in Zukunft.

Meine Damen und Herren von Rot-Rot, Sie müssen sich an die eigene Nase fassen. Es reicht in dieser Situation nicht aus, auf die Wirtschaft zu verweisen. Das Land Berlin ist als Arbeitgeber in der Pflicht, selbst auszubilden. Im öffentlichen Dienst wurde im letzten Jahr so wenig wie nie ausgebildet.

Berlin kann weniger als andere Städte und Regionen mit Subventionen locken, aber mit einem Klima der Kreativität und der Investorenfreundlichkeit. In diesem Sinn wird Investoren der rote Teppich ausgerollt.

Die Verbindung zwischen den Unternehmen, der Stadt und ihrer Wissenskultur ist wichtig. MTV wird zum Beispiel gleichzeitig mit der Neuansiedlung Partner für Berlin. Gestern konnte ich miterleben, wie bei BMW in Spandau die Ergebnisse von „Jugend forscht“ unter Beteiligung vieler Berliner Schulen vorgestellt wurden.

Dies alles bringt nicht augenblicklich 300 000 neue Jobs. Doch es schafft für unsere Region, die immer noch unter den Folgen jahrzehntelanger Teilung leidet, eine Grundlage für die Zukunft, für den erfolgreichen Strukturwandel. Dies ist der Weg, auf dem es weitergeht. Die Koalition wird diesen Weg konsequent fortsetzen. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der PDS]