Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

nachdenken kann. Darüber sollte man auch offen diskutieren.

Auch bei der Drucksache 15/1544, gegen die Herr Buchholz durchaus richtige Argumente genannt hat, sollte man überlegen, ob nicht doch richtige Gedanken enthalten sind. Wenn Straßen nicht gereinigt werden, muss nicht unbedingt die Pflicht des Kunden bestehen, zu zahlen, sondern es müsste die Pflicht der BSR bestehen, zu erklären, warum dies nicht geschieht. Da muss man sich unter Umständen für eine bestimmte Grenze von Zulässigkeit der fehlenden Reinigung entscheiden. Ich finde den Ansatz der Drucksache 15/1544 richtig, und deshalb sollte man darüber auch nachdenken und schauen, in welche Richtung man diskutieren kann. Dazu muss man sich nicht der Begründung der Drucksache anschließen, die besagt, dass man die Privatisierung wolle und deshalb so verfahren müsse. Man kann dies möglicherweise auch ohne Privatisierung. Das muss man aber verhandeln.

Bei dem Gutachten der FDP, das auf meinen Wunsch bzw. den der PDS als Unterlage in den Sonderausschuss überwiesen worden ist, werden wir vermutlich sehr ausführlich über die Frage „Wegfall von Geschäftsgrundlagen“ diskutieren. Ich glaube, dass die Darstellung des Fraktionsvorsitzenden der FDP bezogen auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, im Rechtsausschuss wie auch im Plenum, etwas wenig komplex gewesen ist. Möglicherweise werden wir es hinreichend komplex und angemessen differenziert im Sonderausschuss diskutieren.

Um Eines würde ich insbesondere Herrn von Lüdeke bitten wollen – auch Herr Dr. Lindner hat dies gestern sehr schön gegenüber dem „strammen Marxisten“ Herrn Zimmer im Hauptausschuss, wo es um die Feuersozietät und die linksradikale Abweichung von Herrn Zimmer ging, und auch heute im Plenum noch einmal deutlich gemacht –, nämlich ein bisschen mehr Differenzierung zu Grunde zu legen. Die BSR und die Westberliner Wirtschaft oder die Politik der CDU als quasi sozialistisch zu bezeichnen, wird der Sache nicht gerecht.

[Ritzmann (FDP): Da distanzieren Sie sich!]

Ja, da distanziere ich mich wirklich. Man kann differenzieren zwischen Gemeineigentum im öffentlichen Sektor, zwischen Staatskapitalismus oder eben auch Sozialismus. Man kann auch zwischen real existierendem Sozialismus und Formen von demokratischem Sozialismus oder neuer ökonomischer Politik oder anderen Sachen unterscheiden. Ich würde mir jedenfalls ein bisschen mehr Differenzierung wünschen, weil die marxistische Wirtschaftstheorie und die sozialistische Wirtschaftstheorie etwas umfangreicher sind, als Herr von Lüdeke sie hier darstellt. Vielleicht sehen das andere ja genauso, denn ich habe von Herrn Schimmler vor kurzem einen Aufsatz in einer sehr interessanten Zeitschrift von 1977 gefunden, in dem er auch über demokratischen Sozialismus geschrieben hat. Also auch er wird bestätigen können, dass die sozialistische Wirtschaftstheorie etwas differenzierter ist, als Herr von Lüdeke sie hier darstellt. Diese Differenzierung würde ich mir im Parlament wünschen.

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Herr Hoff! – Nun hat Herr Kollege Goetze für die CDU das Wort – bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die tief schürfende Erörterung des Zusammenhangs zwischen Straßenreinigung durch Handkehren und sozialistischer Wirtschaftstheorie will ich im Parlament nicht so ausführlich behandelt wissen. Deswegen will ich zum Thema zurückkommen.

Der einzige Effekt würde nämlich darin bestehen, dass es einen qualitativen Vorteil bei der Müllentsorgung mit Sicherheit nicht geben würde. Die monetären Vorteile für die Nutzer sind zweifelhaft, weil erhebliche Risiken in diesem Müllbereich stecken, und die Nachteile für das Land Berlin sind ganz massiv, weil alle möglichen zusätzlichen Belastungen auf den Haushalt des Landes einwirken, seien es die Deponiesanierung oder das Zurückfallen von Beschäftigten etc.

Wir glauben aber, dass es im Bereich der Straßenreinigung durchaus Chancen geben könnte, im Interesse aller etwas zu verändern. Wir müssen sehen, was das Ziel der Straßenreinigung ist. In erster Linie soll eine ordnungsgemäße Reinigung qualitativ hochwertig zu einem Entgeld erfolgen, das gegebenenfalls zurückgefordert werden kann, wenn Schlecht- oder Minderleistungen vorliegen. Da haben wir bei der Straßenreinigung im Gegensatz zum Müll Defizite bei der BSR, qualitative Defizite, die auch dadurch nicht kompensiert werden, dass die BSR ein internes Qualitätsmanagement hat. Wenn derjenige, der die Leistungen erbringt, sich selbst kontrolliert, kann das nur einen begrenzten Erfolg haben. In vielen Straßen und ordnerweisen Beschwerden der Bevölkerung kann man nachvollziehen, dass das offensichtlich nicht so funktioniert, wie man sich das vorstellen könnte.

Wir müssen zum Zweiten die Frage stellen, wie das Verhältnis zwischen Preis und Leistung für den Bürger ist und ob sich bei einer fortschreitenden Privatisierung etwas ändern würde. Auch hier stecken Risiken im Betrieb.

Danke, Herr Kollege Goetze! – Als letzte Rednerin erhält das Wort für die Fraktion der Grünen Frau Kubala. – Bitte schön! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Erscheinungsbild unserer Straßen begeistert wirklich nicht. Alte Möbel und Kühlschränke stehen oft wochenlang auf dem Bürgersteig. In einigen Straßen kann man von einem Hundehaufen zum nächsten treten.

In Marzahn vielleicht nicht, aber in anderen Bezirken. – Bei vielen Bürgern entsteht der Eindruck, dass ihre Straßen wochenlang nicht gereinigt werden. Das ruft Ärger hervor, nicht nur über die BSR, sondern auch über den Senat, der sich dieses Problems nicht aktiv genug annimmt.

Gleichzeitig zahlt das Land Berlin eine horrende Summe an die BSR für die Straßenreinigung. Im Umwelt- und Sportausschuss haben wir über die immensen Zahlungsforderungen für die Straßenreinigung gesprochen, die den Sportvereinen und Bezirken finanziell die Luft abdrehen. Die BSR antwortet darauf jedes Mal ganz lakonisch: „Wenn die Entgelte für die Bürger und die Sportvereine reduziert werden, muss das Land Berlin mehr zahlen.“ Es wird so getan, als ob es sich bei der Gesamtsumme um ein Naturgesetz handelt.

Ein neuer Unternehmer müsste den Wagenpark übernehmen oder mitbringen, müsste massiv investieren. Wir haben Zweifel, dass es dort große signifikante Änderungen gibt, aber das sei einmal dahingestellt.

Wie ist das System im Hinblick auf Leistung und Entgeld? – Das wäre bei einem privatrechtlichen Vertrag deutlich günstiger für denjenigen, der die Leistung einkauft, also den Hauseigentümer. Wenn nicht oder schlecht gereinigt würde, könnte er die Zahlung verweigern oder aber mindern. Das hätte zur Folge, dass qualitativ besser, als es heute in Teilen passiert, gereinigt wird, und wäre damit ein echter Vorteil. Wir haben an dieser Stelle aber auch wieder Nachteile. Das sehen wir etwa bei der privatisierten Schneereinigung. Da haben wir das System, dass man sich einen Privaten aussuchen kann, der gleichzeitig mit Vertragsschluss gegenüber dem Landeseinwohneramt erklärt, dass die Haftung von dem Auftraggeber auf ihn, den Auftragnehmer, übergeht. Was passiert in der Folge? – Sie brauchen überhaupt kein Reinigungsfahrzeug, sondern nur eine gute Versicherung. Denn ob Sie reinigen oder nicht, ist letztlich vollkommen egal, Sie haften bzw. Ihre Versicherung. Die tatsächliche Leistung vor Ort ist beinahe irrelevant. Das ist auch eine Situation, die bei der Privatisierung völlig daneben ist, denn wir wollen doch eine effektive Leistung vor Ort haben und nicht diesen so genannten Freikauf, der uns nicht weiterbringt.

Damit ist klar, dass es verschiedene Gründe gibt, die dafür sprechen, zumindest ansatzweise so zu verfahren, wie im Antrag der FDP vorgeschlagen, das Monopol im Bereich der Straßenreinigung mit einem langen Zeitfenster aufzubrechen, möglicherweise in diesen Teilbereichen auch dazu zu kommen, nach selbstverständlich wohl erwogener Prüfung, die Zielvereinbarung früher zu beenden, teilzukündigen oder wie auch immer zu verfahren. Das wäre eine echte Möglichkeit, die zu prüfen wäre. Sie kommt auch unseren Intentionen nahe.

Wir haben in zahlreichen Debatten in den vergangenen Jahren immer wieder gefordert, dass bei der Straßenreinigung eine solche Teilöffnung möglich sein soll, dass es eine probeweise Ausschreibung für einen Bezirk beispielsweise geben sollte und dass man sich darüber Gedanken machen muss, wie man dort einen sukzessiven Übergang in ein eher wettbewerbliches Verfahren bekommt. Wir haben Vorschläge gemacht für eine Modifizierung des gesamten Entgeldbereiches. Auch das gehört dazu und ist in den Anträgen überhaupt nicht angesprochen worden.

Deswegen glaube ich, dass es sehr umfangreicher Beratungen bedarf, um dort eine vernünftige Lösung hinzubekommen. Wir sind offen dafür. Wir würden uns freuen, wenn wir eine Verbesserung für die Bürger und für die konkrete Leistung vor Ort erhalten würden. Wir halten diese Anträge in unserem Sinne für eine Initialzündung, das Thema erneut aufzunehmen – wie wir es in den letzten Jahren immer wieder getan haben. Wir sind aber ziemlich sicher, dass es in dieser Form, wie es hier vorge

schlagen worden ist, mit Sicherheit auch nicht das Ergebnis sein wird. Es wird sicher eine sehr moderate Form von Veränderung geben können, aber nach unserer Auffassung auch geben müssen.

[Beifall bei der CDU]

[Zuruf: In Marzahn nicht!]

Gleichzeitig fehlen die Mittel für die Pflege und Unterhaltung von Grünflächen, für die Unterhaltung von Spielplätzen und Sportplätzen. Das kann so nicht bleiben. Hier muss umgehend etwas geschehen, sonst sehen unsere Grünanlagen bald alle so aus wie so manche vermüllte Straße in Berlin.

[Beifall bei den Grünen]

Die Entgeltberechnung der BSR für die Straßenreinigung ist zurzeit eine große Blackbox. Keiner weiß, wie die Summe entsteht; keiner weiß, auf welche Leistung ein Anspruch besteht, aber alle sind unzufrieden. Preis und Leistung befinden sich offensichtlich nicht in Übereinstimmung. Der Skandal über die Gebührenberechnung der BSR für die Straßenreinigungskosten bestätigte zudem nachdrücklich, dass auch der zuständige Wirtschaftssenator und seine Verwaltung keinen Durchblick mehr bei der Gebührenberechnung haben.

Die jahrelangen Debatten um die Rechtmäßigkeit der von der BSR in Rechnung gestellten Kosten müssen ein Ende haben. Wir Grünen haben daher im letzten Jahr ein Gesetz zur Änderung des Straßenreinigungsgesetzes eingebracht. Wir haben gefordert, das Straßenreinigungsge

Die Fraktion der CDU bittet zum Antrag unter dem Buchstaben b) Drucksache 15/47 auch noch um die mitberatende Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz. – Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist dies gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

bittet nun die Fraktion der Grünen um Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

setz so zu ändern, dass die Möglichkeit einer Ausschreibung besteht. In diesem Sinne bin ich verwundert, dass die FDP nicht schon damals mit uns gestimmt hat. Der Antrag, den sie heute vorlegt, ist in diesem Sinne. Sie sind damit grundsätzlich auch – wie wir meinen – auf dem richtigen Weg. In Ihrer grenzenlosen Abneigung gegen die BSR sind sie aber leider über das Ziel hinausgeschossen.

Die FDP will die BSR gleich ganz abschaffen. Das geht wohl an der Realität vorbei und übersieht die in den letzten Jahren gewachsenen Strukturen. Schrittweise müssen wir diese Strukturen verändern und für diese Übergangszeit auch die Rahmenbedingungen schaffen. Wir können daher den FDP-Antrag, so, wie er heute vorliegt, nicht mittragen.

Unser aller Ziel muss die Steigerung der Qualität und die Transparenz der Kosten sein. Die Reinigung der Berliner Straßen soll bei vorgegebenen Qualitätsstandards ausgeschrieben werden. Die Leistung kann dann von der BSR oder Drittbeauftragten durchgeführt werden, damit Berlins Straßen sauberer werden und die BSR endlich so gut wird wie ihre Werbung.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Kubala! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Sowohl zum Antrag zur Änderung des Berliner Straßenreinigungsgesetzes als auch zum Antrag Drucksache 15/1544 – Auch bei der BSR muss gelten: „Cash“ nur für Leistung – empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie sowie mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 8:

a) I. Lesung

Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes

Antrag der Grünen Drs 15/1546

b) Antrag

Beihilfen der Beamt(inn)en und Versorgungsempfänger/-innen auf das Maß der gesetzlichen Krankenversorgung reduzieren

Antrag der Grünen Drs 15/1547

c) Antrag

Keine weiteren Verbeamtungen

Antrag der Grünen Drs 15/1548

Ich eröffne die I. Lesung hinsichtlich des Landesbeamtengesetzes. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es bestand jedoch noch Klärungsbedarf hinsichtlich der Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung aller drei Anträge an den Ausschuss für Inneres,

Sicherheit und Ordnung sowie an den Hauptausschuss. – Gibt es dazu Widerspruch? – Dies ist nicht der Fall.