Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Meyer – acht Minuten!

den Teilansätzen 11 und 18 wird der Betrag jeweils um 120 000 € gesenkt. Bei 11 handelt es sich um die verbandlichen Jugendpflegestätten. Dann muss man das auch so sagen. Bei 18 geht es um ausgewählte Jugendprojekte, unter anderem den UFA-Kinderzirkus, das Kindermuseum Labyrinth oder das Jugendzentrum Schlesische Straße. Sagen Sie doch gleich, welche Einrichtungen Sie schließen wollen. Oder wollen Sie wie beim Rasenmäher 120 000 € gleichmäßig verteilen? – was den Institutionen auch nicht hilft.

Wenn man die eigenen Maßstäbe erfüllen will, sollte man an einer solchen Stelle das auch sagen. Das ist dann in Ordnung. Das Haus für Natur und Umwelt wollen Sie erhalten. Dafür soll das andere vom Netz genommen werden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sie sollten das auch klar sagen. Vielleicht sind Sie auch bereit, im Zusammenhang mit der von Ihnen geforderten namentlichen Abstimmung dies auch zu verdeutlichen.

Wir haben in diesem Haushalt versucht – die Kollegin Spranger hat dies vorhin ausgeführt –, einen kleinen Akzent im Hinblick auf beschäftigungswirksame Maßnahmen zu setzen. Ich möchte an dieser Stelle einmal einen Bezug auf die Bauwirtschaft nehmen und einige Zahlen nennen. Die Auftragseingänge fielen im Januar 2003 noch einmal um 45,9 % geringer aus als im vergleichbaren Monat des Vorjahres, insbesondere im Hochbau, der davon mit fast 60 % betroffen ist. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Bausektor ist nach wie vor dramatisch. Am 31. März 2003 waren in Berlin 34 000 Bauarbeiter ohne Arbeit. Das sind 42,9 % aller verfügbaren Arbeitskräfte in diesem Bereich. Ich sage das auch deshalb, weil wir uns bei den Diskussionen, die wir nicht nur im Hauptausschuss, sondern in anderen Ausschüssen führen – sei es um Stellenpool, sei es um irgendwelche Richtlinien, sei es um Beihilfen –, auch einmal deutlich machen sollten: Es gibt auch eine Welt außerhalb es öffentlichen Dienstes, und die Bauwirtschaft, die Bauarbeiter in dieser Stadt wären froh, wenn es so etwas wie einen zentralen Stellenpool gäbe

[Beifall bei der SPD und der PDS]

anstatt das, was sie erleben müssen: Arbeitslosigkeit.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Zurufe von den Grünen]

Entschuldigung, Herr Meyer, das ist jetzt meine Schuld. Es war eine Kurzintervention angemeldet. Die drei Minuten haben Sie sicherlich noch Zeit. Herr Schruoffeneger hat das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wieland! Sie haben am Anfang Bezug genommen auf die Frage Wer ist Ihre Klientel? – Als Ihre Klientel haben Sie dann gerne auch den Bereich Sozialhilfe definiert und sich damit gegenüber der FDP abgegrenzt. Aber nun wundert man sich natürlich schon, wenn man sieht, was in den letzten Tagen aus der Finanzverwaltung kommt, aus dem Haus, das von Ihrer Partei geführt wird. Da kommt dann der Vorschlag einer Absenkung der Sozialhilfe um 10 %, einer Absenkung der Wohngeldzahlung um 20 % als Bundesratsinitiativen. Nun erinnere ich einmal daran, was wir hier als Fraktion seit einem Jahr hoch- und runterpredigen: Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen, um flexibler zu werden. Und was fällt Ihnen als ein als Öffnungsklausel? – Die Bundesratsinitiative für die Sozialhilfe und für das Wohngeld! Ihnen fällt nicht ein die Öffnungsklausel zum Beispiel in verschiedenen Baunormen, die Öffnungsklausel bei Gebührensätzen etc. Das macht es dann schon sehr fragwürdig, wo eigentlich Ihre Klientel ist. Wenn man es nicht auf den bösen Punkt Klientel bringen will, kann man auch sagen: Dann macht es sehr fragwürdig, wo Ihre Schwerpunkte sind.

[Beifall der Frau Abg. Paus (Grüne)]

st nicht der Maßstab, den wir uns setzen sollten.

Diese Art von Diskussion halte ich manchmal auch für etwas provinziell nach außen hin. Berlin hat eine ganze Menge zu bieten, Berlin leistet sich auch nach wie vor eine ganze Menge. Berlin setzt auch Schwerpunkte, und

es macht überhaupt keine Sinn, sie dauernd selber schlechtzureden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Herr Schruoffeneger hat jetzt seine Redezeit noch ausnutzen können, die Herr Eßer ihm in der ersten Runde gestohlen hat.

Der Nachtragshaushalt ist eine weitere vertane Chance, endlich mit dem strukturellen Sparen in Berlin zu beginnen. Schauen wir uns zunächst die Kernpunkte Ihres so genannten Einsparvolumens von 219 Millionen € an. Sie finden ein Flickwerk aus verschiedenen Einzelmaßnahmen. Förmlich das Herzstück Ihrer Sparbemühungen ist dabei das niedrige Zinsniveau. Fast 80 Millionen €, mehr als ein Drittel des Gesamtvolumens, werden so eingespart. Das ist ein glücklicher Umstand, aber bestimmt kein Sparverdienst. Dann haben wir den Bereich bauliche Unterhaltung, aus dem Sie Einzelplan übergreifend mehr als 10 Millionen € herausschneiden. Unter den Erläuterungen finden wir dann Erklärungen wie: Weniger wegen Bedarfsrückstellung. Fragt sich nur, ob aus weniger nicht später mehr Kosten werden, denn je länger die Unterhaltung von Gebäuden aufgeschoben wird, desto höher werden der Instandsetzungsrückstau und damit die Folgekosten sein.

Schwerpunkte – das ist das, was schon in dieser Diskussion mehrfach auch von Ihnen angesprochen wurde: Wo setzen wir die Schwerpunkte? – Es wurde eingefordert: Wenn es Schwerpunkte gibt, muss es auch andere Bereiche geben, die keine Schwerpunkte sind. Ich nenne ein Beispiel: In der Diskussion beim „Tagesspiegel“ vor 14 Tagen habe ich Herrn Sarrazin gefragt, wie er denn die Metropole definiert, die Berlin so gerne sein möchte und woraus die sich konstituiert. Aus der Wirtschaftskraft erwächst sie nicht, aus der Touristenzahl erwächst sie nicht. Man muss sie anders definieren. – Herr Sarrazin hat darauf geantwortet – und das fand ich erschreckend, weil es Sie selber dementiert mit Ihrer Schwerpunktdiskussion –: Die Metropole Berlin entsteht von alleine, allein auf Grund der hohen Einwohnerzahl und der vielen historischen Gebäude und Standorte, die wir haben. – Und wenn man so an die Schwerpunktdiskussion herangeht – und auch in Ihrem Beitrag hatte ich eben den Eindruck –, dann gibt es keinen Schwerpunkt mehr in der Politik, dann ist das hier alles ein Selbstläufer, und dann wird diese Metropole nicht entstehen, sondern es wird das geschehen, was der Kollege Eßer beschrieben hat: Die langweilige, dörfliche Provinz Berlin kommt irgendwann dabei heraus, die dörfliche Provinz im europäischen Maßstab, nicht im deutschen. Ab er das i

[Beifall bei den Grünen]

Herr Wieland zur Erwiderung – bitte!

Herr Kollege Schruoffeneger! Entscheidend ist doch nicht, welche Ideen im Einzelnen angesprochen werden, sondern das, was der Senat dazu beschlossen hat. Natürlich werden wir auch noch weitere Öffnungsklauseln in den von Ihnen angesprochenen Bereichen prüfen müssen und durchsetzen müssen.

Was Sie aber hier noch einmal zur Metropole gesagt haben: Da kritisieren Sie auch nur. Eine richtige Idee haben Sie nicht. Wenn man danach geht, was Sie zukünftig alles als Schwerpunkte abgesichert haben wollen, dann ist das wieder für alle Bereiche, von der Kultur bis sonstwo hin: Dann sind wir genauso schlau wie vorher, weil wir uns alle Bereiche als politische Schwerpunkte werden nicht leisten können. Also: Wenn man einen Schwerpunkt setzt, muss man woanders Abstriche machen.

Wir dürfen nicht so tun, als würden 21 Milliarden € in diesem Land für Nichts oder nur für Unfug ausgegeben werden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Damit müssen wir endlich aufhören.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Aber jetzt hat Herr Meyer für die FDP das Wort. – Bitte schön!

[Dr. Lindner (FDP): Und jetzt spitzt die Ohren, Freunde!]

[Beifall bei der FDP]

Dann das Thema: Strecken von Baumaßnahmen. Ein Volumen von mehr als 10 Millionen €, vor allem bei der Verkehrsinfrastruktur und im Krankenhausbereich, verschieben Sie in die nächsten Jahre. Von Einsparungen kann daher auch hier keine Rede sein. Eine Luftbuchung machen Sie auch bei den Opern. Wenn man jetzt die Rücklagen einzieht, fehlen sie später bei der Entschuldung für die Häuser. Auch das Abschöpfen der Tarifvorsorge bei den Hochschulen halten wir für unsolide. Sie stellt eine Verletzung der Hochschulverträge dar.

Zwei Maßnahmen gehen allerdings in die richtige Richtung: Zum einen die Erhöhung der Feuerwehrbenutzungsgebühren. Die FDP vertritt hier die Auffassung, dass Gebühren grundsätzlich kostendeckend erhoben werden sollten. Dies gilt sowohl für Anpassung nach oben wie nach unten.

[Beifall bei der FDP]

Ähnlich verhält es sich auch mit der Abschaffung der Lernmittelfreiheit – wir begrüßen dies. Es kann doch nicht angehen, dass wir während der gesamten Ausschussberatungen auf Grund des Unvermögens der Koalition, sich auf ein Modell zu einigen, ohne eine seriöse Unterlegung des Titels diskutieren mussten.

Hier werden Chancen vertan, da Rot-Rot immer noch zu zögerlich vorgeht. Ähnlich liegt es auch mit der Nichtveräußerung der Bank. Über Monate hinweg wurde jedem in dieser Stadt klar, dass die Bankgesellschaft jedenfalls nicht im Jahr 2003 veräußert wird. Nur die Regierungskoalition wachte als letzte auf, genauer: am Tag der letzten Lesung im Hauptausschuss. Per Tischvorlage wurden dann die Ansätze Privatisierungserlöse um 300 Millionen € reduziert, Gegenfinanzierung ganz einfach:

250 Millionen € neue Schulden und noch eine kleine Zinsspekulation, nämlich weitere 50 Millionen € weniger in den Zinsausgabenansatz.

Der Geräuschpegel im Saal steigt doch erheblich. Um dem Redner die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen, bitte ich darum, die Gespräche, die im Moment im Saal geführt werden, draußen zu führen oder einzustellen. – Sie haben das Wort, bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin! – Das ist wirklich unseriös an Ihrer Politik. Auf der einen Seite wird zwei Monate über ein Einsparvolumen von 219 Millionen € debattiert und gestritten, auf der anderen Seite gönnen Sie sich innerhalb weniger Stunden eine viertel Milliarde € mehr – Schulden! Geht schneller, ist einfacher, ist die Devise.

Wie wenig Vertrauen Sie in Ihr eigenes Zahlenwerk haben, dokumentiert am besten die Erhöhung der Kassenkreditermächtigungen. Die Erhöhung von 10 % auf 13 % spricht eine deutliche Sprache. Begründet haben Sie dies mit Einnahmerisiken. Nachdem Sie ein Einnahmerisiko von 300 Millionen €, nämlich die Vermögensaktivierung, bereits gelöst haben, hätten Sie die Kassenkredite auch wieder herunterfahren können. Sie haben es nicht getan. Dies lässt Schlimmes für die laufende Haushaltsbewirtschaftung erwarten.

[Beifall bei der FDP]

Das gefundene Modell lehnen wir ab – das als Antwort –, weil wir das Modell aus Rheinland-Pfalz präferieren – ganz einfach.

[Krüger (PDS): Warum?]

Herr Krüger, Sie sollten mal den Schulausschuss besuchen!

Was als Gesamtbild bleibt, sind kleinteilige Kürzungen über den gesamten Etat, keine Prioritätensetzung. Haushaltskonsolidierung, strukturelles Sparen: Fehlanzeige. Die Koalition begründet dies mit der Natur des Nachtragshaushaltes. Frau Spranger sagte es heute wieder: Es wäre nicht die Aufgabe, hier strukturell zu sparen. – Wenn man sich das Wegbrechen der Einnahmenseite, die Explosion der Sozialkosten und ihre Erhöhungen in der Netto-Neuverschuldung ansieht, fragt man sich: Wann, wenn nicht jetzt, ist der Zeitpunkt für zielgerichtetes Sparen?

[Beifall bei der FDP]

Besonders ärgerlich ist dies, da auch Ihnen seit dem Herbst 2002 klar war, dass ein Nachtrag kommen wird – Sie hatten also genügend Vorbereitungszeit. Hier hätten Sie, Herr Sarrazin, die Chance ergreifen können, die Schlussfolgerungen aus Ihren berüchtigten Folienvorträgen in die Tat umzusetzen. Ihre so genannten Giftlisten müssten doch mittlerweile ganze Aktenschränke füllen. Sie hätten nur eine herausgreifen müssen, vorausgesetzt natürlich, der politische Wille ist vorhanden. Wenn Sie z. B. festgestellt haben, dass die Berliner Sozialverwaltung so ziemlich die ineffizienteste im Bundesgebiet ist, und Sie ferner feststellen, dass es keine vernünftige Begründung für die Personal- und Vorschriftenintensität in dieser Verwaltung gibt, hätten Sie sich doch auf dieses Ressort konzentrieren können. Alternativ hätten Sie die ausführlich in der I. Lesung des Hauptausschusses diskutierten Fettpolster in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angehen können. Da waren wir bei einem Volumen von 50 Millionen €. Eine dritte Möglichkeit wäre die Beschleunigung der von Ihnen eingeleiteten Maßnahmen, auf die Herr Wechselberg immer wieder hinweist. Warum haben Sie im Gebäudemanagement nur 95 Gebäude eingestellt? Warum versuchen Sie nicht gleich die größte Lösung und nehmen Bezirke oder Feuerwehr mit auf? Warum läuft der Stellenpool immer noch nicht? Was ist mit dem Controlling bei der Bank und dem Beteiligungsmanagement?

[Frau Oesterheld (Grüne): Grausam!]

[Beifall bei der FDP]

Damit am Ende noch ein Wort zu den Risiken Ihres Haushaltes. Es sind die gleichen, die auch den Haushalt 2002 aus dem Ruder laufen ließen. Sie haben 180 Millionen € mehr für die Bezirke bereitgestellt, nach einer Überschreitung von 288 Millionen € im letzten Jahr. Glauben Sie wirklich, dass bei der derzeitigen konjunkturellen Entwicklung die Sozialtransfers sinken werden? Herr Sarrazin jedenfalls glaubt das anscheinend nicht mehr. Und was ist mit den Steuereinnahmen? Sie, Herr Wechselberg, verweisen auf die Maischätzungen. Der Februar war bereits schwach, ein Wunder wird es bis Mai nicht geben. Haushaltsrisiken in dreistelligem Millionenbereich sind hier evident.

Sie sind von dem Ansatz einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung mittlerweile weiter entfernt als noch vor einem Jahr. Ihre Haushaltssanierung ist bisher gescheitert. Wir werden diesen Nachtrag daher nicht mittragen. – Vielen Dank!