Der Antrag, den alle Parteien gestellt haben, macht dieses deutlich. Um Missverständnissen entgegenzutreten, ist es uns wichtig, deutlich zu machen, dass das, was 1953 begonnen wurde, nie, auch nicht 1989 als beendet im Sinne von nicht mehr notwendig betrachtet werden sollte. Der Kampf um Demokratie und Bürgerrechte gehört immer auf die Tagesordnung.
Natürlich – wenn ich mich diesem Thema aus einer persönlichen Sicht nähere – ist klar, dass ich 1953 nicht dabei war. Ich teile die Auffassung meines Kollegen Carl Wechselberg, dass es ein falscher Weg wäre, Geschichte nur den Zeitzeugen zu überlassen. Ich will auch nicht über die DDR in ihrem vierten, sondern in ihrem 40. Jahr reden, das am Ende auch ihr letztes werden sollte.
Im Jahr 1989 war ich 16 Jahre alt. Ich habe die 10. Klasse einer Polytechnischen Oberschule in Berlin, Hauptstadt der DDR, in Marzahn, besucht. In der 10. Klasse standen in der DDR im Geschichtsunterricht die Gründungsjahre der DDR auf dem Unterrichtsplan. Die Ereignisse im Juni 1953 wurden dabei nicht ignoriert, sondern auf eine Weise behandelt, die mich heute, als ich noch einmal nachlas, erschüttern. Ich zitiere aus dem Geschichtsbuch Klasse 10:
Aber es wurde mit der Macht gespielt. Noch ehe die Streiks beendet waren, noch am 17. Juni wurde ein Flugblatt aus dem Politbüro gesandt. Als Ursache der Aufstände wurde ein westgesteuerter, faschistischer Putsch ausgemacht. Einen Tag später, als man im Politbüro intern beriet und tatsächlich offene Worte fand, konnte man sich auf die tatsächlichen Gründe nicht verständigen. Die Propaganda war also schneller als die Analyse. Als der Justizminister der DDR, Max Fechner, im Neuen Deutschland am 2. Juli 1953 mit dem Hinweis zitiert wurde, dass das Streikrecht in der DDR verfassungsmäßig garantiert sei und Streikleitungen daher nicht bestraft werden dürften, half das vielen der Streikenden wenig und wurde ihm, dem Justizminister, zum Verhängnis. Noch im Juli wurde er wegen Sozialdemokratismus aus der Partei ausgeschlossen, seines Amtes enthoben, verhaftet und saß dann drei Jahre im Gefängnis.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn wir uns für die heutige Arbeitssitzung als Opposition eine andere Aktuelle Stunde gewünscht hätten, ist es gut und wichtig, dass wir als Berliner Parlament uns Rechenschaft über die Bedeutung des 17. Juni 1953 ablegen. Wir waren immer der Meinung, dass eine eigene Feierstunde dieses Abgeordnetenhauses dem Datum angemessen gewesen wäre, zumal der 17. Juni von Berlin ausgegangen und als positives Ereig
nis der Berliner Geschichte mit der deutschen Geschichte verknüpft ist. So viele Beispiele davon haben wir in der Berliner Geschichte wahrlich nicht. So müssen wir der Körber-Stiftung und der Bundesbeauftragten für die StasiUnterlagen dankbar dafür sein, dass gestern Abend eine würdige und gute Veranstaltung in unserem Haus stattgefunden hat.
„Wir sind aus Geschichte gemacht“, sagte Marianne Birthler gestern Abend. Wenn wir über Geschichte nicht nachdenken, können wir uns über uns selbst nicht klar werden. Das aber ist der Auftrag der Debatte heute. Was ist uns also der 17. Juni? Wie wird er erinnert, wie wird er erklärt? – Es betrübt uns, wie wenig präsent der Tag – die Ereignisse – im Osten und Westen unseres Landes heute sind. Zu den Überraschungen dieses 50. Jahrestages gehört aber auch, dass neben der Wiederentdeckung alten Wissens neue Erkenntnisse über den 17. Juni hinzugekommen sind. So bietet der Jahrestag Gelegenheit, mit alten Mythen, Uminterpretierungen und Verfemungen aufzuräumen. Das ist schon jetzt ein Erfolg.
Die offizielle DDR und die SED verweigerten sich einer offenen Auseinandersetzung um die Ursachen des Aufstandes. Sie bestraften kritische Stimmen und hielten bis zu ihrem Ende Akten unter Verschluss. Erst auf dem außerordentlichen Parteitag der SED im Dezember 1989 forderte der inzwischen leider verstorbene Professor Michael Schumann, unwiderruflich mit dem Stalinismus als System zu brechen und gerade deshalb alles aufzuklären, was es über den 17. Juni 1953 aufzuklären gibt. Die Archive waren endlich zugänglich. Die offizielle DDRGeschichtsschreibung brach wie ein Kartenhaus zusammen.
Seitdem ist eine offensive Debatte möglich. Sie wird auch in der PDS geführt. Dass es für viele ein schmerzhafter Prozess ist, ist dabei kein Geheimnis. Wir leisten einen Beitrag zur weiteren Aufklärung. Ich konnte heute Vormittag ein Buch mit dem Titel „Die Klasse in Aufruhr“ vorstellen. Zwei Berliner Historiker veröffentlichen darin Dokumente, die unter anderem deutlich machen, dass nicht eine kleine Minderheit aufbegehrte, sondern die Mehrheit der Ostberliner Arbeiterinnen und Arbeiter der Industriebetriebe gestreikt hat. Für uns von der PDS hat der 17. Juni gezeigt, dass der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft mit diktatorischen Mitteln nicht möglich ist. Menschenrechtsverletzungen im Namen des Sozialismus sind nicht entschuldbar. Für die Partei des demokratischen Sozialismus ist eines selbstverständlich: Sozialismus entsteht in und aus der Gesellschaft oder überhaupt nicht.
Es wird viel von Schuld gesprochen werden in den nächsten Tagen, und manch einer wird sich verleiten lassen, die Schuld bei anderen zu suchen. Aber wie viele werden vortreten und erklären, es hat aber auch an mir gelegen, Genossen, und dann die Konsequenzen ziehen? Das Schlimmste wäre für das eigene Versagen, den Feind verantwortlich machen zu wollen. Wie mächtig wird dadurch der Feind. Doch ist die Schuld nicht nur von heute und gestern. Auch für die Arbeiterbewegung gilt, dass nur der sich der Zukunft zuwenden kann, der die Vergangenheit bewältigt hat.
Vielen Dank, Herr Kollege Liebich! – Für die FDP spricht der Kollege Hahn. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!
Was war an diesem Tag wirklich? – Meine Vorredner haben es beschrieben. Zum gesicherten Wissen gehört der Erweis, dass es sich nicht um einen von Agenten angezettelten Putsch handelte. Wir wissen heute, dass die Geheimdienste im Westen ebenso überrascht wurden wir die im Osten. Der Westen war weitgehend passiv, sieht man davon ab, dass der RIAS die notwendige Kommunikation übernahm. Es gab sogar Appelle zur Beruhigung aus dem Westen.
Der 17. Juni war eine spontane Erhebung, er war ein Volksaufstand im echten Sinne. Er war nicht von Rädelsführern geplant, nicht von Intellektuellen herbei geschrieben worden. Ja schlimmer noch, die Intellektuellen hatten einen sehr geringen Anteil an den Ereignissen. Vielleicht ist es diesem Umstand zu verdanken, dass dieser Tag so wenig populär wurde in Deutschland. Er ist bis heute ein schwieriger Tag für Intellektuelle geblieben, was sich in so manchen befremdlichen Interpretationen zeigt. Weil er so schwierig ist, ist der 17. Juni auch schon früh denunziert worden – gerade von Intellektuellen. Bertolt Brecht fühlte sich noch am Abend des 16. Juni 1953 bemüßigt, zwei Briefe an Ulbricht und Grotewohl zu schreiben. Ich zitiere daraus:
Die Geschichte wird der revolutionären Ungeduld der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ihren Respekt zollen.... Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen in diesem Augenblick meine Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands auszusprechen.
Die Briefe wurden wenig später im „Neuen Deutschland“ abgedruckt. Brecht hatte sie aus eigener, tiefer Überzeugung geschrieben. Auch er hat dabei mitgeholfen, diesen Volksaufstand gegen die Unterdrückung in einen faschistischen Aufstand umzulügen. Zusammen mit anderen
Wenn im Rahmen eines Wettbewerbs der KörberStiftung zum 17. Juni ein Student bei seiner empirischen Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, je jünger die Befragten seien, desto weniger Interesse bestehe an der
Geschichte, dann haben wir allen Anlass, uns Sorgen zu machen. Können wir den 17. Juni für die Bildung des Bewusstseins nutzen? Ich glaube, wir haben den Aspekt des 17. Juni 1953 als ein „Tag der Freiheit“ viel zu wenig gewürdigt in der Vergangenheit. Wir haben ihn oft übersehen. Selbst die Bürgerrechtler geben zu, dass sie ein gespaltenes oder kaum ein Verhältnis zum 17. Juni entwickelt haben, was auch an der Interpretation durch die Intellektuellen gelegen haben mag. Aber auch wir im Westen haben übersehen, dass es im Osten immer ein elementares Freiheitsgefühl gab, das einfacher, anarchischer und ungequälter war als das der Bürgerrechtler. Wir haben uns über die Zufriedenheit im Osten getäuscht.
Dieser Gedenktag muss daher Anlass sein, auch über Fehler und Versäumnisse unserer Deutschlandpolitik nachzudenken, er wäre sonst verschenkt. Alle Parteien – ich nehme dabei meine eigene nicht aus – auch die Intellektuellen müssen sich fragen lassen: Was haben wir aus diesem Datum, aus diesem Ereignis gemacht? – Wir haben es zugelassen – ich habe es erwähnt –, dass der 17. Juni zu einem Tag verordneter Betroffenheit gemacht und von vielen verlacht wurde. Wir haben das Ziel der Einheit der Nation aus den Augen verloren, haben uns getäuscht und uns betrügen lassen über die wahren Verhältnisse in der DDR.
Intellektuellen nahm er eine wenig rühmliche Rolle wahr. Dieser Tag, die Erinnerung an die Opfer ist so von Intellektuellen beschmutzt wie die Freiheit verraten worden. Das gehört auch zur Wahrheit über den 17. Juni.
Bis heute wird ebenso kritisiert, es sei an jenem Tag nur um die Rücknahme von Normerhöhungen gegangen. Diese Kritik übersieht, dass jede Revolution eines Anlasses bedarf. Vergleichen wir den 17. Juni 1953 einmal mit dem 14. Juli 1789, dem Sturm auf die Bastille, so werden wir feststellen, dass der 17. Juni den Vergleich ganz würdig besteht. Auch damals, 1789, ging es um eine symbolische Handlung. In der Bastille war kein einziger politischer Gefangener mehr zu befreien, aber sie war ein Symbol des Despotismus. Auch den Franzosen hätten sich andere Tage des nationalen Gedenkens angeboten: Interessanterweise der 17. Juni 1789, der Tag, an dem sich die Generalstände zur Nationalversammlung erklärten – die eigentlich revolutionäre Handlung. Oder der 20. Juni 1789, als es zum berühmten Ballhausschwur kam, die Nationalversammlung sich darauf verständigte, nicht eher auseinander zu gehen, bis man sich eine Verfassung gegeben habe. Dennoch sind die Franzosen beim 14. Juli geblieben, weil es der Tag des Volkes war.
Uns hingegen ist ein Volksaufstand stets suspekt. Nach marxistischer Terminologie hat es ihn im Sozialismus nicht geben können. Aber auch im Westen fand sich wenig Begeisterung. Wir haben den 17. Juni im Westen zum „Tag der deutschen Einheit“ erklärt, ihn damit zugleich aber auch ein wenig gezähmt. Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Der 17. Juni war ein Tag der deutschen Einheit. Er brachte ein klares, eindeutiges und spontanes Bekenntnis zur Zusammengehörigkeit der Nation. Dieses kam aus dem Osten, aber es wurde auch im Westen verstanden.
Von hier führt eine direkte Linie zu den Montagsdemonstrationen von Leipzig und anderen Orten der DDR. „Wir sind ein Volk“ – mit diesem Satz kündigte sich 1953 wie 1989 das Ende der Legitimität der DDR an. So war richtig, dass dieser Tag zum Nationalfeiertag erklärt worden ist, auch wenn wir uns ihm im Westen später als wenig würdig erwiesen haben.
Zunächst aber gehört zur Würdigung des Volksaufstands die Tatsache, dass er an über 700 Orten stattfand – mit Demonstrationen und Streiks. Das sprengte den Anlass der Normerhöhung und wies über ihn hinaus. „Wir wollen freie Menschen sein“, diese Forderung einte und elektrisierte alle. Der Ruf nach Freiheit macht diesen Tag auch heute so bedeutsam und aktuell. Welche Stellung nimmt denn „Freiheit“ heute in unserem Wertesystem ein? – Wir haben Grund, ihren Wert wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken.
An dieser Stelle ist jedoch zunächst ein Wort an die PDS zu richten. Meine Damen und Herren! Auch wenn ich anerkenne, dass es manchen von Ihnen ernst ist um die Aufarbeitung der Vergangenheit,
auch wenn ich einräume, dass es einen Platz links von der SPD geben mag, auch in Zukunft, muss ich an diesem Tag zuerst an die Verantwortung ihrer Partei für die Ereignisse des 17. Juni 1953 erinnern. Durch die Wahrung der organisatorischen Kontinuität zur SED haben Sie dieses Erbe mit übernommen. Deswegen kann ich Sie aus der Verantwortung dafür nicht entlassen.
An diesem Tag stellt sich so auch unweigerlich erneut die Frage der moralischen Legitimität des rot-roten Bündnisses hier in Berlin. Auch die Parteien der Bundesrepublik haben es offenbar schwer, sich an die geschichtliche Verantwortung zu erinnern.
Auch daran: Wir haben das Ziel der Einheit aus den Augen verloren – ich habe es schon gesagt. Auch die SPD hatte ihren Anteil daran. Sie ist in den 70er und 80er Jahren am weitesten dabei gegangen, wenn man das bilanziert, sich vom Ziel der Vereinigung zu verabschieden. Auch meine eigene Partei ist sehr weit gegangen. Auch wir haben früh damit begonnen, uns Forderungen der DDR anzupassen, uns zu gewöhnen an die Situation.
Über 2 000 Menschen sind von sowjetischen und ostdeutschen Gerichten verurteilt worden. Sowjetische Standgerichte erschossen 18 Menschen, 2 wurden von ostdeutschen Gerichten zum Tode verurteilt, mehr als 60 Personen kamen ums Leben. Wir gedenken dieser Opfer in solidarischer Anerkennung. Erwähnt werden muss auch, dass mehr als 10 SED-Funktionäre und Mitarbeiter der DDR-Polizei den Tod fanden.
Entzündet hatte sich der Aufstand an den von der Regierung beschlossenen Normerhöhungen. Die zentralen Forderungen aber waren hochpolitisch und für die Verhältnisse in der DDR revolutionär: freie und geheime Wahlen in ganz Deutschland, Aufhebung der Zonengrenzen und Friedensvertrag für ganz Deutschland, Freiheit für alle politischen Gefangenen.
Die Unzufriedenheit in der DDR hatte insbesondere nach der zweiten SED-Parteikonferenz vom Juli 1952 zugenommen, auf der der „Aufbau des Sozialismus“ beschlossen wurde. Das bedeutete zum einen die Konzentration der finanziellen und ökonomischen Ressourcen auf die Schwerindustrie zu Lasten der alltäglichen Versorgung der Bevölkerung, zum anderen die aus ideologischen Gründen forcierte Übertragung des sowjetischen Systems auf die DDR.
Aber das betrifft ebenso die anderen Parteien. Auch die CDU trifft es, die sich zwar am längsten wehrte gegen die Aufweichung der Position, aber 1988 mit Heiner Geißler fing es dann doch an. Und als der CDUBundestagsabgeordnete Bernhard Friedmann eine Wiedervereinigungspolitik verlangte, sagte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl dazu: „Blühender Unsinn!“ – Die Grünen haben auch nicht an die deutschlandpolitischen Positionen Petra Kellys angeknüpft, sondern Dirk Schneider in ihren Reihen wirken lassen, wir alle hatten uns von dem Gedanken der Wiedervereinigung verabschiedet. Ich meine daher, dass wir uns von dem Mythos trennen sollten, unsere Deutschlandpolitik sei ein direkter Vorläufer der Wiedervereinigung gewesen. An einem solchen Gedenktag gehört es zur Wahrheit, daran zu erinnern, dass es anderes war.
Der 17. Juni hält viele überraschende Lehren bereit. Er sollte uns als Tag der Einheit so wertvoll sein wie als Tag der Freiheit. Was wir an der Nation haben, nehmen wir meist nur beiläufig war. Wenn wir von der Solidargemeinschaft sprechen, dann ist das die Nation. Wenn wir von Grundrechten, Freiheiten, demokratischer Kontrolle sprechen, dann werden sie vom Nationalstaat garantiert.
Und einen Tag der Freiheit, Sandra Maischberger fragte dies gestern, gibt es den? – Es gibt ihn nicht, aber wir haben ihn bitter nötig. Der 17. Juni sollte uns gerade deshalb wertvoll sein. Wir verschwenden Ressourcen, wenn wir diesen Tag nicht stärker ins Bewusstsein rufen. Kann Erinnerung gefördert werden? – Sie muss. Wozu sonst hätten wir Geschichtsunterricht.
Ich will hier ganz bewusst nicht auf andere Feiertage eingehen, aber – zum Schluß – die Frage stellen, ob wir in dem 17. Juni nicht einen würdigen nationalen Gedenktag, um nicht zu sagen Feiertag, hätten, der uns allen – in vielfältiger Weise – gut täte. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Kollege Hahn! – Als letzter in der ersten Rederunde erhält das Wort der Abgeordnete Cramer von der Fraktion der Grünen – bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 17. Juni war zunächst ein klassischer Arbeiteraufstand, dem sich schnell weite Teile der Bevölkerung anschlossen. Er war der erste Aufstand im sowjetischen Machtbereich nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihm folgten die Revolution in Ungarn, der Prager Frühling in der Tschechoslowakei und die Solidarnosz-Bewegung in Polen. Sie alle wurden gewaltsam niedergeschlagen.
Die Kollektivierung der Landwirtschaft, der Kirchenkampf und die Aktionen gegen selbstständige Unternehmer führten nicht nur zu einer starken Versorgungskrise, sondern auch zu einer wachsenden Zahl von politischen Häftlingen und einer vehement ansteigenden Fluchtbewegung. Die Situation in der DDR war so dramatisch, dass selbst die sowjetische Führung nach dem Tod Stalins im März 1953 die SED-Spitze aufforderte, den eingeschlagenen Weg nicht fortzusetzen.
Die Männer und Frauen des 17. Juni hatten schon früh Mut und Zivilcourage bewiesen und sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt. Einer von ihnen war Heinz Brandt. Der Kommunist und KZ-Häftling war 1953 SED-Sekretär der Ostberliner Bezirksleitung und unterstützte die streikenden Arbeiter von Bergmann-Borsig. Im August 1953 wurde er deshalb aller Parteiämter enthoben und floh 1958 in die Bundesrepublik. 1961 wurde er vom Staatssicherheitsdienst entführt und zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach internationalen Protesten wurde Heinz Brandt 1964 freigelassen und schrieb das Buch „Ein Traum, der nicht entführbar ist“.