Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Das habe ich als unredlich bezeichnet, aber niemand will Ihre Initiative, das Thema in Antragsform aufgebracht zu haben, in Frage stellen. – Danke!

[Beifall bei der PDS]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich gemeinsam mit dem geschätzten Kollegen Momper hier zu den Methusalems, zu den dienstältesten Abgeordneten gehöre, bin ich genau der Richtige, diesen bewegenden Streit, wer denn nun ein Erstgeburtsrecht an den Ordnungsämtern hat, ebenso wie die Frage von Herrn Senator Strieder: Warum haben alle über mich gelacht?, zu beantworten.

[Hoffmann (CDU): Geschichten aus dem alten Berlin!]

die Dackel Berlins waren losgelassen, und die CDU warb mit Nilpferden und Dackeln, da erklärte Eberhard Diepgen: So ist es nicht gemeint, es bleibt zwar bei dem Straßenreinigungsgesetz, aber wir werden es nicht durchsetzen, es gibt keine Bußgeldbescheide, es gibt keine Ordnungsmaßnahmen. – Dann hat auch die letzte Oma ihre Plastiktüte und ihr Schäufelchen wieder zu Hause gelassen. Das ist das Typische in Berlin. Es wird geredet und beklagt, aber wenn es ums Umsetzen geht, dann hat die Politik bis dato gekniffen. Das sollte nun anders werden.

Nun zur Frage des Kollegen Strieder: Auch daran erinnere ich mich genau, es war die Wahl im Jahr 1995. Die SPD nahm sich einige Wochen und Monate Auszeit, ob sie die große Koalition überhaupt fortsetzt. Es gab eine Koalitionsvereinbarung, die sehr schlecht für die SPD war. Die Mitglieder meuterten. Sie wurde nachgebessert. Es gab einen Sitz mehr für die SPD und einen weniger für die CDU. Es gab einen Sitz für unser Peterchen Strieder. So wurde er Senator, nachdem er als Bezirksbürgermeister von Kreuzberg sozusagen gerade verfügbar geworden war. Er stand für dieses Amt zur Verfügung, und er ist der einzige, der aus diesem Senat überlebt hat. Das muss man ihm immerhin lassen. Er hat sich sozusagen festgesetzt.

[Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und der CDU]

Wenn im CDU-Antrag steht: Ein Gemeinwesen, das nicht in der Lage ist, das öffentliche Eigentum zu schützen und die Einhaltung der gesetzten Normen durchzusetzen, hat keine Daseinsberechtigung –, was soll das denn heißen? Sollen wir Berlin auflösen, weil zu viel Müll herumliegt, weil wir keine Daseinsberechtigung mehr haben? – Ein bisschen kleiner, lieber Wambach, zielgenau! Da sind die Weichen gestellt. Das hat Herr Zotl alles richtig gesagt. Der Antrag ist doch einstimmig mehrfach beschlossen, es geht in Richtung zentrales Ordnungsamt in den Bezirken. Wir müssen es aber richtig stricken. Das ist klar. Sie wollen immer noch viel zu viel und verzetteln sich in Ihrem Antrag. Die Kritik, die geäußert wurde, teile ich, das wären viele Ordnungsämter und kein zentrales Ordnungsamt. Das soll jetzt gemacht werden. Die Bezirke sind beteiligt. Dann reden wir hoffentlich nicht mehr nur

davon, dass Berlin sauberer wird, sondern dann wird Berlin möglicherweise tatsächlich einmal sauberer.

Wir müssen nun über die Beschlussempfehlung Drucksache 15/1857 abstimmen. Der Innenausschuss empfiehlt einstimmig, der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen die Fraktion der FDP – die Annahme des Antrags Drucksache 15/181 in neuer Fassung. Wer dem so seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit haben wir das einstimmig so beschlossen.

Aber dieser neue Senat, der sich dann endlich gebildet hatte, mit dem General Schönbohm – das war das Bonbon für die CDU, ein Senator weniger, aber dafür kommt der General. Damit hat Diepgen seine Mitgliederversammlung wieder hinter sich gebracht: Der General räumt auf. – Er nannte sich gleich Meister Proper – der Titel stammte von uns, aber er hat ihn gerne genommen –, und Frau Peschel-Gutzeit meinte: Dann bin ich Klementine, wenn das Meister Proper ist.

[Heiterkeit bei der CDU und der PDS]

Dieser Senat erkannte, Berlin ist zu dreckig. Wohl wahr! Januar 1996: Wir müssen als Senat das Putzen zur Kernaufgabe des Staates erklären. – Niemand tat das so gut wie Peter Strieder, kommunitäres Bewusstsein usw. Man wollte Ostern loslegen. Da war der Müllberg noch vereist, frei nach Goethe. Man musste also warten, bis das Eis geschmolzen war, legte dann einige Wochen später los. Und als Highlight flog der gerade gekürte Senator Strieder nach Paris, um zu sehen, wie die Franzosen ihre Champs-Elysées von Kaugummi befreien. Das war diese Art, da sagte ich immer – ich habe es wirklich gesagt und sage es noch heute –: Nur gut, dass meine Großmutter selig das nicht noch erleben musste, dass ein deutsches Regierungsmitglied ausgerechnet in Paris nachsieht, wie man richtig putzt!

[Allgemeine Heiterkeit und Beifall]

Das ist ihr erspart geblieben. Sie hat Kriege erlebt, Währungsreformen und hatte nur eine Gewissheit: Nirgends wird so geputzt wie in Deutschland. – Deswegen fuhr sie auch sonst nirgendwohin, weil sie diese Gewissheit hatte. Und nun steht alles auf dem Kopf.

[Allgemeine Heiterkeit]

Es sind keine Griller vom Balkan oder aus dem Kaukasus – Herr Ritzmann, dies hieße, das Problem vereinfachen –, die uns diese Mülllawine beschert haben. Daran ist ein Gutteil der Bevölkerung beteiligt. Da muss es eine Änderung geben – das sagen wir, ohne je Ordnungsfanatiker gewesen zu sein –, aber mit dem Beispiel des Senats, der putzend vorangeht, hat es nun wirklich nicht geklappt. Deswegen muss man mit Ordnungsbehörden unterbauen, ohne hier in Alarmismus oder sonst was zu verfallen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Wieland! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Verwaltungsreform – federführend –, an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch höre ich nicht.

Zu dem Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 15/1856 wird die Überweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht.

Die lfd. Nrn. 7 und 8 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 9:

a) I. Lesung

Mehr Liberalität in Berlin (I) – die Schleierfahndung abschaffen

Antrag der Grünen Drs 15/1818

b) I. Lesung

Mehr Liberalität in Berlin (II) – die Kennzeichnung der Polizei durchführen

Antrag der Grünen Drs 15/1819

c) Antrag

Mehr Liberalität in Berlin (III) – Demonstrationsrecht auch bei Staatsbesuchen

Antrag der Grünen Drs 15/1820

d) I. Lesung

Mehr Liberalität in Berlin (IV) – Rasterfahndung eingrenzen

Antrag der Grünen Drs 15/1833

e) Antrag

Mehr Liberalität in Berlin V – keine Fahndung mit verdeckten SMS

Antrag der Grünen Drs 15/1834

Für die gemeinsame Beratung steht nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Frak

Wir erinnern uns, Herr Henkel, dass es die CDU war, die extra eine Klausur in Bayern machte und mit glänzenden Augen – Sie waren noch nicht dabei, aber es gab schon Vorläufer von Ihnen, die gleichen Geistes waren – zurückkehrte und sagte, klasse, die Schleierfahndung funktioniert. – Genau so, als wären sie selbst kontrolliert worden. So verwegen ist Ihr Aussehen ja nun noch nicht. Was heißt denn Schleierfahndung? – Schleierfahndung soll ein Fahndungsinstrument, das Suchen nach der Nadel im Heuhaufen sein, das ungezählte Menschen betrifft, das in Berlin, seitdem es 1999 eingeführt wurde, mehrfach gemacht wurde mit einem Ergebnis, das der Datenschutz

beauftragte in seinen Jahresberichten jeweils als wenig beeindruckend bezeichnete. Jede normale Verkehrskontrolle hat relevantere Ergebnisse als diese Schleierfahndung, die in Berlin gemacht wurde. Wir waren seinerzeit zusammen mit der PDS-Fraktion strikt gegen die Einführung dieses Instruments. Die SPD sagte, wir müssen uns unserem Koalitionspartner beugen. Die Zeiten haben sich geändert, es gäbe jetzt eine satte Mehrheit, diese Schleierfahndung wieder zu streichen. Geben Sie sich einen Ruck, reißen sie den Schleier weg, der sich über die Stadt gelegt hat.

Die Rasterfahndung ruhte bis zum 11. September 2001 in der Mottenkiste. Für sie gilt Ähnliches. Sie wurde im großen Stil gemacht, trug zu einer Verunsicherung insbesondere des arabischen, orientalischen Bevölkerungsteils bei, weil sie so grenzenlos und maßlos angewandt wurde. Auch sie hat keinerlei Fahndungserfolg gebracht. Die Berliner Polizei ist regelrecht hineingestolpert, hat das Gesetz nicht beachtet, hat Gesetzesverstöße begangen. Wir wollen mit dem, was wir vorgelegt haben, gesetzlich eine klare Eingrenzung dieser Rasterfahndung.

Wir fragen auch, wie es mit der Demonstrationsfreiheit bei Staatsbesuchen aussieht, ob, z. B. wenn der chinesische Ministerpräsident nach Berlin kommt, man nun demonstrantenfreie Zonen wie in Peking zu schaffen hat, ob man sozusagen die Zustände des Herkunftslandes, Diktaturen aller Schattierungen, bei uns in Berlin zu installieren hat. Da gab es wirklich Übertreibungen. Insgesamt ist die Berliner Polizei hauptstadtfähig, das wollen wir nicht in Abrede stellen. Aber diese Frage, dass es auch möglich sein muss, als Nichtjubler, als Protestierer, als jemand, der dagegen ist, seine Ansicht auszudrücken, selbst wenn ein hoher Staatsgast da ist, wollen wir deutlich geklärt haben.

tion zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Herrn Wieland. Er hat das Wort. – Bitte schön!

[Pewestorff (PDS): Hat lange nicht gesprochen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie erkennen mich wieder, schön so!

[Reppert (CDU): Schwer!]

Wir haben fünf Anträge mit der Überschrift „Mehr Liberalität in Berlin“ eingebracht, die sich im Wesentlichen darauf richten, das Berliner Polizeigesetz, das ASOG, zu evaluieren, wie man auf Neudeutsch sagt. Das ist keine originäre Idee von uns, spielte schon in den Ampelverhandlungen eine Rolle – da waren wir uns einig, dass dies zu geschehen habe –, ist auch in die Koalitionsvereinbarung von SPD und PDS eingeflossen, und ein Satz ist sogar ist den Richtlinien der Regierungspolitik gelandet. Ich zitiere:

Zur Förderung von Bürgernähe und Transparenz werden Berliner Polizeibeamte eine individualisierbare Kennung gut sichtbar an ihrer Uniform tragen.

Nun sind wir nicht unbescheiden und auch nicht ungeduldig. Wir haben die ersten 100 Tage dieses Senats abgewartet, die zweiten 100 Tage. Wir haben 300 Tage abgewartet. Nun sind wir so zwischen 400 und 500 Tagen und waren irgendwie der Ansicht, nun solle das einmal kommen. Wir geben Ihnen, geschätzte Kollegin Seelig, hier etwas Hilfestellung. Seien Sie bitte nicht beleidigt, sondern nehmen Sie dieses Angebot einfach an!

[Beifall bei den Grünen – Frau Dott (PDS): Wo er schon eine „Großmutter selig“ hat!]