abgesehen davon, dass man natürlich auch Lautstärke als Waffe einsetzen kann – wie der Ausdruck „Lümmel“ an die Adresse eines Abgeordneten, Sie haben das mehrfach in den Mund genommen, nicht unsere Sprache sein sollte. Ich rüge dies ausdrücklich noch einmal von hier oben.
In der Sache selber würde ich gerne wie ein Anwalt sagen: Man kann es so sehen, man kann es so sehen, beides ist vertretbar. Man kann sagen, es gibt eine Regel, wir hatten schon drei Ausnahmen – es sind drei, Herr Kollege Müller, weil Heinrich Zille auch dazu gehört. Er wurde im Ostteil dieser Stadt posthum, wie auch Bersarin posthum, zunächst auf die Ehrenbürgerliste gesetzt, Bersarin wurde dann gestrichen, wir haben ihn wieder heraufgesetzt. Aber es sind zwei Posthum-Fälle, und Marlene Dietrich ist der dritte. Nun kann man es natürlich auch vier Mal tun, oder man kann sagen, nein, es war mit Marlene Dietrich möglicherweise bereits ein Fehler, wir machen das nicht noch einmal. Darüber hätte man – wie wir es immer getan haben – einvernehmlich, konsensual mit den Fraktionen reden können und müssen.
Was wir nicht akzeptieren, ist dieser permanente Versuch, Ernst Reuter gegen seine eigene Partei in Stellung zu bringen und geradezu eine Rot-Rot-Auseinandersetzung, eine Volksfrontauseinandersetzung zu führen, wie Sie, Herr Henkel, es gerade wieder getan haben. Das ist schäbig, um das ganz deutlich zu sagen.
Wir als Grüne haben bei Ehrenbürgerbenennungen mehrfach geschluckt: Helmut Kohl! Frau Laurien hat mich geradezu bearbeitet, ich habe die Fraktion bearbeitet, und dann sagten wir – wie auch bei dem einen oder anderen amerikanischen Präsidenten –, wenn es denn der geschichtlichen Wahrheitsfindung nutzt und wenn der
Wir haben seinerzeit diese Linie, dass derartige Ehrungen konsensual vorgenommen werden sollen, auch im Übrigen bei Daniela Dahn vertreten und sind von dieser linken Seite mächtig dafür gescholten worden, von Herrn Gysi bis in seine merkwürdigen Memoiren hinein – „Wie es Deutschland geht und wie es mir geht“ –. Das verfolgt ihn offenbar noch, dass die Grünen nicht gesehen haben, was für ein toller Vorschlag Daniela Dahn gewesen ist.
Auch damals haben wir gesagt: Die CDU hat Gründe, weshalb sie nicht mitmacht. Egal, ob wir sie teilen oder nicht, wir meinen, eine solche Ehrung muss vom ganzen Haus kommen. Darüber muss man sich einigen, ohne es auf dem Marktplatz zu zerreden. Das ist auch eine Verpflichtung eines Parlaments, dazu in der Lage zu sein.
Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Nun wird die Überweisung beider Anträge an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten empfohlen. Der FDP-Antrag sollte zusätzlich zur Mitberatung auch an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz überwiesen werden.
Was gibt es da? – Ach, es war sozusagen nur Murren. – Es gibt aber – darauf hatte ich bereits verwiesen – einen Antrag auf Sofortabstimmung. Demzufolge lasse ich zuerst über die Ausschussüberweisung abstimmen. Wer sich also für die Ausschussüberweisungen aussprechen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag auf Ausschussüberweisung abgelehnt.
Konsens gewünscht wird, dann soll es an uns nicht scheitern. Das ist doch aber vorher passiert, bevor man kontroverse Debatten geführt hat und bevor man Persönlichkeiten zerredet und sie sich um die Ohren gehauen hat. Das sollten Sie sich mal hinter den Spiegel schreiben, welchen Stil Sie mit Ihrem Vorgehen während des Sommers und mit den beiden Anträgen, die Sie vorgelegt haben, einreißen lassen!
Das wurde auch schon gesagt: Nun ist „herzlos“, wer nicht für die Ehrenbürgerwürde von Ernst Reuter antritt. Ich sage Ihnen mal: 50 Jahre lang hat es schlicht niemand gemerkt, dass Ernst Reuter nicht Ehrenbürger ist. Fast 20 Jahre haben Sie den Regierenden Bürgermeister gestellt, und er lebte gut mit dieser „Herzlosigkeit“.
Wir haben hier gemeinsam Edzard Reuter als Sohn die Ehrenbürgerwürde verliehen. Wir haben – ich war wirklich fast jedes Mal dabei – das Bild aufgehängt, das er hat malen lassen, und niemand kam auf die Idee, auch Edzard Reuter nicht, zu fragen: Was ist eigentlich mit meinem Papa? – Die ganze Stadt weiß, dass Ernst Reuter in angemessener und vielfältiger Weise in dieser Stadt gewürdigt wird, von der Ernst-Reuter-Medaille – was ja wohl die höchste Form der Anerkennung ist, wenn ich ein Ehrenzeichen nach einer Person benenne – über die ErnstReuter-Schule bis zum Ernst-Reuter-Platz. Herr Lindner, ich freue mich, dass Sie inzwischen wissen, dass es den gibt, dass Sie das immerhin – aus Grünwald im Isartal – jetzt in Ihr Großhirn aufgenommen haben.
Aber nun eine Verdoppelung zu fordern mit der Begründung, zwei Mal Niederkirchner – da geht es im Übrigen um Mutter und Tochter, um zwei verschiedene Personen – ist zu viel, deswegen will ich zwei Mal Ernst Reuter haben, das verstößt auch noch eklatant gegen jedes Gesetz der Logik. Aber darauf kommt es bei Ihnen ja bekanntlich nie an.
Zwischen „Ernst Thälmann zersägen“ und „Badeverbot für Dicke“ wird mal schnell die Ernst-Reuter-Nummer und die Niederkirchner-Nummer von Ihnen im Sommerloch geritten. So beliebig sind die Anlässe, wie sie sein wollen. Ihr Peinlichkeitsfaktor hat inzwischen die Skala 10 erreicht. Das ist kaum noch auszuhalten. Das muss Ihnen auch mal gesagt werden.
Was hier heute geboten wurde, ist ein relativ großer Chor der Heuchler gewesen. In einem solchen Chor wollen wir jedenfalls nicht mitsingen.
Wir stimmen daher sofort über die einzelnen Anträge ab. Zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU über Verleihung der Berliner Ehrenbürgerwürde für Ernst Reuter. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Antrag gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt.
Wer den dringlichen Antrag der Fraktion der FDP über Ernst Reuter als neue Adresse des Abgeordnetenhauses von Berlin in der Drucksache 15/1975 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist auch dieser Antrag in der gleichen Zusammensetzung abgelehnt worden.
Die „Kunstwerke“ sind in diesem Sinne kein Geschichtsinstitut, und niemand kann ihnen vorwerfen, dass sie nicht den wissenschaftlichen Apparat haben, den man
braucht, um sich heiklen, heikelsten, schmerzlichsten Dingen zu nähern. Wenn sie dennoch ein Konzept eingebracht haben, um über die Baader-Meinhof-Bande, die sich selbst Rote-Armee-Fraktion genannt hat, eine Ausstellung zu machen, dann hätte man verlangen müssen, dass sie tatsächlich auf dem großen, breiten Fundament der Wissenschaft steht. Die Behauptung, es gebe keine Vorarbeiten und hier sei etwas aufzuarbeiten, ist Unsinn. Ich habe heute meine Maus im Internet bewegt und allein bei den letzten zwei Jahren 365 Publikationen gefunden. Der Gang in die Staatsbibliothek wäre der in ein Bergwerk, in eine gewaltige Publikationsmenge zu diesem Phänomen. Aufzuarbeiten, historisch, politisch, wissenschaftlich, ist daran höchstens etwas von der sehr strengen Sozialforschung, aber nicht von dem „Omnibusunternehmen“ der Ausstellung.
Die Ausstellung ist, das können wir als Ausstellungsmacher beklagen, immer etwas, wo das Bild den Text dominiert. Niemand kann die vielen erklärenden, entschuldigenden, relativierenden Texte lesen, die in Ausstellungen geschrieben werden. Das heißt, ich sage erstens, Schuster bleib bei deinem Leisten. Die „Kunstwerke“, von uns mit einer halben Million Euro finanziert, um die junge Kunst von diesseits und jenseits des Atlantiks ins Haus zu bringen, soll dies tun. Da gibt es Verdienste, und da können sie sich bewähren. Und dort, wo sie nichts mitbringen an Professionalität, da sollen sie es auch bleiben lassen und dem Haus der Geschichte in Bonn und den hiesigen Geschichtsinstituten dies überlassen. Wie wackelig, wie dünn, wie missraten das war, geht schon daraus hervor, dass niemand das Konzept veröffentlicht hat. Was da gefaselt wurde von weiter bleibenden Idealen, von dem Schwabbelbegriff des Mythos, da kann man nur schamhaft sein Haupt verhüllen.
Für die Beratung steht uns nach der Geschäftsordnung eine Beratungszeit von bis zu 5 Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Es beginnt wieder die antragstellende Fraktion, das ist die CDU. Prof. Stölzl hat das Wort – bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir trotz der Siedehitze des vorangegangenen Tagesordnungspunktes einige Kühle bei der Betrachtung des Problems, das wir haben, einkehren lassen. Darum will ich gleich sagen, worum es nicht geht. Es geht nicht um Zensur, selbstverständlich. Es geht auch nicht um politischen Eingriff in die Autonomie der Künste. Es geht nicht darum, dass Parlamente mit dem goldenen Griffel die Programme von Kunstanstalten schreiben dürfen. Der Artikel 5 des Grundgesetzes breitet einen riesig weiten Mantel aus über das wissenschaftlich-kulturell Notwendige, über das Überflüssige, über das Ärgerliche, über das Anstößige, ja sogar über das Skandalöse. Jeder kann Bücher schreiben, Filme machen, Reden halten über die Themen, die ihm oder ihr am Herzen liegen. Wir werden aus Parlamentskreisen aus gutem Grunde privat eine Meinung dazu haben, sie aber nicht hier von diesem Pult aus äußern.
Hier ist etwas anderes der Fall. Die Demokratie, die öffentliche Hand, die Kultur und Kunst fördert, muss nicht alles fördern. Im Kampf um die kargen Mittel sind wir gehalten, das Notwendige, das Großartige und das Wichtige zu tun und das Missratene, Ungeratene, Ungegorene, Anstößige eben nicht zu fördern. Das ist hier der Fall. Darüber wollen wir reden.
Was ist hier passiert? – Es geht um eine Geschichtsausstellung. Die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, damals Alternative Liste, erinnern sich an die heftigen Kämpfe der 80er Jahre über die Frage, wie darf man Geschichte ausstellen, wie muss das geschehen,
gibt es da ein Staatsverständnis oder nicht, oder machen das nur die Geschichtswerkstätten oder die Initiativen ganz von unten. Diese damals heftige Diskussion, in der wir an vielen Podien saßen, hat ein Gutes hervorgebracht, nämlich dass Geschichte auszustellen eben doch etwas anderes ist, als diese oder jene bemalte Leinwand im Museum aufzuhängen, weil der ideologische Anteil, der Schauwert, das Ästhetische, das Überwältigende, das Missverständliche an den Geschichtsobjekten dringend danach ruft, dass vor jeder Geschichtsausstellung die Wissenschaft das Wort erhält. Berlin ist vorbildlich bei der Topographie des Terrors und beim Deutschen Historischen Museum. All dies ist nach schwerem Ringen errungen, dass die Wissenschaft das erste Wort hat.
Was war die RAF? Eine Mörderbande, die sich aus der Wirklichkeit von Rechtsstaat, Demokratie, Sozialstaat verabschiedet hatte in ein menschenfeindliches Wahnsystem und die sozialliberale Bundesrepublik mit einem präfaschistischen südamerikanischen Staat, Diktatur zumindest, verwechselt hat. Nichts und nichts an der Diskussion wird das Übergewicht an Mord, Totschlag und Leid, das verursacht ist, für die Opfer irgendwie in Balance bringen zu dem jammervollen, wirklich zu vernachlässigenden so genannten Beitrag zur politischen Diskussion der Bundesrepublik.
Das Ganze ist deswegen so ärgerlich, denn Verbrechen ist – da sind wir uns einig – zunächst auch eine Sache des Blicks auf die Opfer. Das ist hier unterblieben. Deswegen kann an diesem Konzept einfach nichts daran gewesen sein.
Ich beklage, dass der Hauptstadtkulturfonds, den ich einst als postillon d’amour der Berliner Kunstszene der damaligen Bundesregierung herausgelockt habe, hier so schlecht kontrolliert hat. Und ich sage: Noch mal an
Reden wir über diese Ausstellung. Sie wird Bilder vermitteln, auch Bilder. Und, da knüpfe ich an das an, Herr Stölzl, was Sie im „Tagesspiegel“ gesagt haben: Dürfen wir es uns in Deutschland nicht erlauben, Bilder von Tätern zu zeigen, weil sie – das war Ihre Argumentation – den Opfern nicht zuzumuten sind? – Ich habe mit meinen Kindern über die RAF gesprochen. Der Begriff sagte ihnen nichts, obwohl sie politisch sehr interessiert sind. Ich weiß, wie schwierig es für die Angehörigen der Opfer ist, den Tätern ins Gesicht zu sehen, und ich komme da auf Ihr Bild zurück. Es wäre auch vermessen, die Angehörigen der Opfer dazu einzuladen. Aber sowohl die Unkenntnis der jungen Generation wie auch – das zeigt gerade die Debatte der letzten Wochen – die nicht ausge