Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

Ähnliches gilt für die Schulbildung von Kindern nichtdeutscher Herkunft. Ich verhehle auch nicht, dass dieser Schulgesetzentwurf aus Sicht der PDS-Fraktion weitergehende Konsequenzen hätte berücksichtigen können und müssen. Als wir vor gut einem Jahr mit den intensiven Vorbereitungen zu diesem Gesetz begonnen hatten, waren wir, die Bildungspolitiker der PDS, gerade

Frau Schaub

Die unterschiedliche Verweildauer der Kinder in dieser Phase und der gemeinsame Beginn der Schulpflicht für alle Kinder eines Jahrgangs schaffen die Möglichkeit, die individuellen Voraussetzungen eines jeden Kindes für eine erfolgreiche Schullaufbahn zu entwickeln. Und vom erfolgreichen Lernen hängen ganze Lebensläufe ab, wie auch der pädagogische Laie weiß.

30 Ganztagsschulen werden im Laufe der Legislaturperiode zu den vorhandenen hinzukommen. Die ersten davon sind mit Beginn dieses Schuljahrs eingerichtet. Ganztagsschulen, ob in gebundener oder offener Form, und die flächendeckende Einführung der verlässlichen Halbtagsgrundschulen als wichtiger Abschnitt beim Ausbau der Ganztagsbetreuung fördern ein integratives Konzept von Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten. Sie erleichtern und brauchen zugleich die Öffnung von Schule ins Umfeld, die Kooperation mit anderen Partnern. Sie können eher der Erwartung ihrer Schüler entsprechen, Orientierung für ihr Leben zu finden. Das schließt ein, Wege zu individueller Förderung zu finden. Schule vom Kind, vom Jugendlichen her zu denken, die Stärken jeder Schülerin, jedes Schülers zu entwickeln und sie zugleich zu befähigen, mit ihren Schwächen umzugehen, bleibt eine zentrale Aufgabe in allen Schulstufen und allen Schularten. Vor diesem Hintergrund ist gut erkennbar, dass die Zusammenarbeit Schule und Jugendhilfe eine neue Qualität erhalten muss, was wir ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen haben. Auch über neue Strukturen dafür wird zukünftig nachzudenken sein.

von einer Studienreise aus Finnland zurückgekehrt und voll von Eindrücken von einem Bildungssystem, von dem wir noch weit entfernt sind. Ich nenne drei Ansätze, die dort zusammengehören – es ist nur eine Auswahl –:

Eigenverantwortung der Schulen, die viel weitergeht als das, was wir voraussichtlich beschließen werden;

ein Klima an den Schulen, in dem jede und jeder willkommen ist und dieses auch signalisiert bekommt. Keiner kann an eine andere Schule verwiesen werden, weil

das Schulsystem integrativ ist, ein Schulsystem, in dem gemeinsames Lernen und individuelle Förderung sich nicht ausschließen, sondern einander bedingen.

In Bezug auf den Abbau von Auslesekriterien gibt es zum vorliegenden Entwurf meines Erachtens Nachbesserungsbedarf. Im Bereich der Grundschule fällt die Regelung „Aufsteigen bis Klasse 4“ hinter das geltende Schulgesetz zurück, das Aufsteigen bis Klasse 6 vorsieht. Auch höhere Anforderungen an die Klassen 5 und 6 wegen der Verkürzung der Abiturstufe rechtfertigen das nicht. Zur Erinnerung: Die These, dass mit einem vermeintlich leistungshomogenen Lernmilieu ein hohes Lernniveau erreichbar ist, lässt sich nach Meinung von Schulforschern nicht aufrecht erhalten. Übrigens hat Deutschland mit seinen PISA-Ergebnissen entscheidend zu dieser Erkenntnis beigetragen. – Ich hoffe, dass die bevorstehende Ausschussreise nächste Woche nach Finnland uns allen Erkenntnisgewinn gerade in dieser Hinsicht bringen wird.

[Frau Senftleben (FDP): Das hoffe ich auch!]

Ich will auf einige der wichtigen Veränderungen eingehen, die zum Teil auch schon heftig und ausführlich diskutiert wurden und werden. Die flexible Schulanfangsphase: Sie soll frühere Einschulung und einen möglichst problemlosen Übergang aus der Vorschulgruppe des Kindergartens in die Schule gewährleisten sowie den individuellen Voraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder Rechnung tragen. Hier wird soziales Lernen in heterogenen und altersgemischten Lerngruppen gefördert. Ihr Kern ist die Flexibilisierung und Individualisierung von Lernprozessen, die eine qualitative Veränderung des tradierten Unterrichts verlangen.

[Unruhe bei der CDU]

Auf die flexible Schulanfangsphase treffen die Worte von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn in besonderer Weise zu: „Mehr Chancengleichheit ist genauso wichtig wie mehr Unterrichtsqualität.“ – Wissen, Können und Erfahrungen der Vorklassenleiterin werden hier, an der Seite der anderen Pädagogen, unbedingt gebraucht,

[Unruhe bei der CDU]

weil das, was die Vorklasse an der Schule bisher geleistet hat – – Herr Steffel, vielleicht fehlt Ihnen ein Stück Vorklasse. Es wäre aber freundlich, wenn Sie dafür sorgen könnten, dass Ihre Kollegen zuhören.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das, was die Vorklasse an der Schule bisher geleistet hat, wird nunmehr in die Schulanfangsphase integriert.

An diesen Gedanken knüpft der Ausbau der Ganztagsschule an.

[Unruhe bei der CDU]

Mancher ist über die Flegeljahre noch nicht hinausgekommen! –

[Brauer (PDS): Richtig lümmelhaft! Frau Dr. Barth (PDS): Herr Präsident! Können Sie nicht mal einschreiten?]

[Unruhe bei der CDU]

Ein weiterer wichtiger Baustein im neuen Schulgesetz sind die erweiterte Eigenverantwortung und die Eigenständigkeit der einzelnen Schulen. Nicht umsonst haben diese Themen auch in anderen Redebeiträgen einen hohen Stellenwert erhalten. Es handelt sich hier vor allem um Eigenverantwortung in Bezug auf das Schulprogramm und die Umsetzung von Qualitätsstandards in der schulischen Bildung. Wie eingangs zitiert, brauchen wir Chancengleichheit und Bildungsqualität.

[Unruhe bei der CDU und der FDP]

Und dabei handelt es sich nicht schlechthin um mehr Unterricht, sondern um besseren Unterricht, eine höhere Unterrichtsqualität und eine gute Verbindung von unterrichtlichem und außerunterrichtlichem Lernen.

Verzeihen Sie, Frau Kollegin! – Es wäre sehr nett, wenn die Unterhaltungen zwi

Vizepräsident Dr. Stölzl

Mit dem Schulgesetz ist ein zentraler Teil eines ganzen Reformpaketes vorgelegt, vom Kindergarten bis zur Lehrerausbildung. Es soll Chancen eröffnen für dringend notwendige qualitative Verbesserungen des Berliner Schulsystems, zugleich mit dem Blick auf eine künftige Länderfusion Berlin-Brandenburg. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Bevor wir fortfahren, bitte ich die Fraktion der FDP dringlich, die Besprechungen dort zu lokalisieren, wo Besprechungen stattfinden können. Die Redner haben ein Recht auf Aufmerksamkeit.

Darüber werde ich mich jetzt nicht auslassen! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von Nachbesserungsbedarf hat Frau Schaub gesprochen. Das klingt wie Honig. Allerdings frage ich mich, wo Sie bei den entsprechenden Sitzungen waren, als im Koalitionsausschuss über dieses Schulgesetz diskutiert worden ist. Aber keine Sorge, wir werden Ihnen helfen. Wir werden Ihnen im Fachausschuss mit entsprechenden Änderungsanträgen nachhelfen.

schen den Liberalen und der CDU dort geführt werden würden, wo sie geführt werden sollen. – Bitte fahren Sie fort!

[Beifall bei der PDS und der SPD – Liebich (PDS): Geht doch in die Kneipe, wenn’s euch nicht interessiert!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Mit bundeseinheitlichen Bildungsstandards, der Entwicklung von Kerncurricula beziehungsweise gründlich überarbeiteten Rahmenplänen werden Rahmenbedingungen geschaffen für neues Lernen, für neues Lehren, fächerübergreifend, projektorientiert, auf Kompetenzerwerb gerichtet. Solche Anforderungen an modernes Lernen brauchen Schulen mit hoher Eigenverantwortung. Sie zu verwirklichen ist eine zentrale Aufgabe bei der Reform des Berliner Schulsystems: wenige, dafür klare Vorgaben, aber Verantwortung für das Ausschreiten pädagogischer, personeller, organisatorischer und finanzieller Möglichkeiten. Die Schulkonferenz als höchstes demokratisches Gremium trifft alle wesentlichen Entscheidungen. Ob sie ein Mitglied aus dem Umfeld der Schule zusätzlich und mit Stimmrecht aufnehmen will, sollte sie selbst entscheiden dürfen, statt es per Gesetz vorzuschreiben.

Das Schulgesetz schafft einen Rahmen für mehr Eigenständigkeit, für mehr Qualität – nicht mehr. Der Rahmen muss ausgefüllt werden von den Lehrerinnen und Lehrern, von den Schülerinnen und Schülern, von den Eltern und Kooperationspartnern. Das wird kein Selbstlauf sein, und wir wissen auch um die schwierigen finanziellen und personellen Bedingungen, mit denen die Schulen vielfach zurecht kommen müssen.

[Unruhe bei der FDP]

Trotzdem liegt hier eine Chance für qualitative Schulentwicklung. Es gibt eigentlich keine andere Alternative, als diese zu nutzen.

[Frau Simon (PDS): Die FDP kann auch ihre Beratung woanders abhalten!]

Trägerinnen und Träger so grundlegender Veränderungen in der Berliner Schule sind Lehrerinnen und Lehrer. Sie müssen den Veränderungsprozess meistern und dabei sich selbst verändern. Es geht um nicht weniger als um das Überbordwerfen des immer noch verbreiteten Berufsverständnisses „Tür zu!“ – und: “In meiner Klasse lebe und sterbe ich für 45 Minuten ganz allein.“

Bitte kommen Sie zum Ende, Frau Kollegin! Sie sind schon weit drüber!

Ich bin einige Male durch undisziplinierte Abgeordnete unterbrochen worden.

[Frau Simon (PDS): Die FDP möchte sich bitte hinsetzen! Pewestorff (PDS): Unglaublich! Fünf große Lümmel!]

Alle Schülerinnen und Schüler zum Erfolg zu führen, ist eine Aufgabe, die die ganze Gesellschaft begleiten muss. Dazu brauchen Lehrerinnen und Lehrer auch die Unterstützung der gesamten Gesellschaft.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

[Liebich (PDS): Benimmunterricht für die FDP: Disziplin! Aufmerksamkeit!]

Nun kommen wir zur letzten Meldung. Für die Grünen hat Herr Mutlu das Wort und hoffentlich die volle Aufmerksamkeit des Hauses. – Bitte schön!

Für uns Grüne ist dieser Schulgesetzentwurf insofern eine Genugtuung, als er in zentralen Punkten schulische Autonomie, pädagogische Schulentwicklung, Verbesserung von Mitbestimmung und Stärkung der Kompetenzen der Schulkonferenz viele Forderungen der Grünen bereits aufnimmt. Zunächst und vor allem begrüße ich außerordentlich die Richtungsentscheidung zu mehr Autonomie und Eigenverantwortung für die Schulen, die mit diesem Schulgesetz getroffen wurden.

Erfreulich ist auch, dass die Entwicklung von Schulprogrammen und die Verpflichtung zur Evaluation als notwendiges Gegenstück zur autonomen Schule verbindlich festgeschrieben wurden. Allerdings muss ich an dieser Stelle auch anmerken, dass es Eigenverantwortung und Evaluation nicht zum Nulltarif gibt.

[Beifall bei den Grünen]

Ein weiterer Punkt, der Forderungen der Grünen einlöst, ist die Entscheidung, parallel zur Einrichtung einer flexiblen Eingangsstufe in der Grundschule die vorschulische Erziehung und Bildung bei den Kitas anzusiedeln und so Doppelstrukturen abzuschaffen. Das ist eine mutige und zukunftsweisende Entscheidung, wenn es tatsächlich mit einer Weiterentwicklung und Qualifizierung der Kitas zu Bildungseinrichtungen einhergeht.