Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

Nein, ich bin fertig. – Vielen Dank!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte darum, dass der Herr Senator Sarrazin in einer Debatte, in der er immer wieder erwähnt wird, aufhört zu telefonieren. Das war vorhin schon beim Kollegen Wambach der Fall und jetzt auch wieder. – Vielen Dank!

Das vom Kollegen Zackenfels verwandte Stichwort lautete:„höhere Gehälter“. Das passt voll in das Bild der heutigen Sitzung: Höhere Gehälter bei Bielka, ja, bei den freien Trägern, die nun wirklich arbeiten, nein. Das ist eine wirklich „soziale Ausrichtung“ der Sozialdemokraten.

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Lehmann (FDP)]

Worum es heute eigentlich geht, sind nicht höhere Gehälter, sondern Kürzungen bei den freien Trägern. Hier fällt immer wieder der Name Sarrazin im Zusammenhang mit unverhältnismäßigen Darstellungen. Wir haben ein klares Rundschreiben von der Senatsverwaltung an die Bezirke mit der Bitte, sie möchten die Etats der freien Träger überprüfen und die 10-prozentige Absenkung aus den Tarifverträgen einarbeiten. Dass dies nach solch einer klaren Weisung auch umgesetzt wird, muss niemanden verwundern. Erst danach, das ist das eigentlich Ärgerliche an dem Vorgang, wachen Sie auf und stellen fest, dass es so nicht sein dürfe. Herr Sarrazin erklärt dazu im Hauptausschuss, das Rundschreiben sei kein Meisterstück deutscher Prosa gewesen. Dazu kann ich nur sagen: Eine bessere Ausrede ist Ihnen offenbar nicht eingefallen. Zuerst wird der Versuch unternommen, bei denjenigen zu streichen und zu kürzen, die wirklich seit Jahren keine Möglichkeit hatten, Gehaltserhöhungen vorzunehmen, und wo es bei den meisten ohnehin schon keine Weihnachts- und Urlaubsgeldzahlungen mehr gibt, gerade bei den Trägern, die in Jugend- und Sozialprojekten arbeiten.

[Brauer (PDS): Was das betrifft, haben Sie Recht: Es war kein Meisterstück deutscher Prosa!]

Der Paritätische Wohlfahrtsverband, Diakonie, Caritas sind nicht nur gequält mit dem Ligavertrag, sondern haben es auch schwer mit den von ihnen betriebenen Projekten. Die freien Träger hatten eine Klage vorbereitet. Wäre dies nicht geschehen, da bin ich mir sicher, hätte der Senator überhaupt nicht reagiert und weiter darauf bestanden, dass dort gekürzt werden muss. Merkwürdigerweise ist man dort, wo es regelmäßige Gehaltserhöhungen gibt, wo man sagen könnte, dort sind die Forderungen berechtigt, bei den großen Eigenbetrieben, ganz ruhig, weil man befürchtet, dass es dort zu Streiks kommt. Deshalb passiert dort nichts. Das ist eine unausgewogene Politik. Dies führt dazu, dass es mit den freien Trägern kein verlässliches Vertragsrecht, keine verlässlichen Beziehungen mehr gibt.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Hoffmann! – Dann erhält das Wort für die PDS-Fraktion der Abgeordnete Herr Krüger – bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Berliner Tarifvertrag ist auf die Beschäftigten der freien Träger und andere Zuwendungsempfänger nicht übertragbar. Er kann aus juristisch offensichtlichen Gründen keine Geltung für die freien Träger entfalten, und er ist auch keine politische Rechtfertigung für ein pauschales Absenken der Personalzuweisung für die Träger, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oftmals seit Jahren keine Gehaltserhöhung bekommen haben. Die tariflichen Spielräume des Landes Berlin, die dazu führten, dass wir den Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst doch recht erhebliche Kompensation in Freizeit und Kündigungsschutz für einen Gehaltsverzicht von acht bis zwölf Prozent bieten konnten, stehen den meisten Zuwendungsempfängern nicht zur Verfügung. Das ist der Konsens der Koalitionsfraktionen, wie er während der Besprechung des Themas in Hauptausschuss formuliert worden ist. Das ist, denke ich zumindest, auch Konsens mit den Oppositionsfraktionen. Den politischen Handlungsbedarf, den es nach dem von uns bereits hinreichend kritisierten, missverständlichen Formulierungen im Rundschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen gegeben hat, haben wir mit dem Beschluss der Koalitionsfraktionen im Hauptausschuss Rechnung getragen.

Ich will hier noch einmal wiederholen, was wir dort beschlossen haben, woran sich hier einige Kollegen der Opposition nicht mehr zu erinnern scheinen: Pauschale Absenkungen sind nicht statthaft. Es darf keine Benachteiligungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der freien Träger bei der Prüfung der Gehaltsdifferenz geben, das heißt, unterschiedliche tarifliche Regelungen im Ar

K rüger, Marian

Lieber Herr Krüger! Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass wir da zugestimmt haben, weil es auch richtig war, zu sagen: Dem Senat ist Einhalt zu gebieten! – Das war richtig.

Ich habe Ihnen hier vorgeworfen, da haben Sie offensichtlich nicht richtig zugehört, dass Sie das erst getan haben, nachdem klar gewesen ist, dass hier eine große Aufregung entsteht und dass der Senat eine Klage zu befürchten hat, die er womöglich verliert. Erst danach haben Sie angefangen, zu handeln und nicht bereits im Vorfeld darauf geachtet, dass der Senat in Person von Senator Sarrazin erst gar nicht vorschlägt, wieder Kürzungen vorzunehmen bei Trägern, die es wirklich nicht verdient haben. Das war der Knackpunkt, den wir hier diskutiert haben.

Ich will einen zweiten hinzufügen, und Sie daran erinnern, dass wir dazu auch im Hauptausschuss deutlich Positionen bezogen haben. Wir haben gesagt: Es kann nicht sein, dass so ein Vorgehen völlig ohne Wirkung bleibt. Deswegen haben wir gefordert – das haben Sie in Ihrem Antrag nicht berücksichtigt –, dass dieses Rundschreiben sofort rückgängig gemacht wird und dass die Bezirke darüber informiert werden, damit die freien Träger aus diesem völlig unsicheren Zustand befreit werden.

beitszeit-, Urlaubs- und Kündigungsschutzbereich sind bei der Anwendung des Besserstellungsverbots im Land Berlin zu berücksichtigen. – Was Sie mit Ihren Anträgen versuchen, ist eine rückwirkende Trittbrettfahrerei in einem gelösten und bewältigten Konflikt.

Kollege Hoffmann! Noch ein Satz zu Ihnen: Dass Sie mitunter nicht wissen, worüber Sie sprechen, das haben wir hier schon häufiger beobachtet. Aber dass Sie sich nicht mehr an die Position Ihrer Fraktion im Hauptausschuss erinnern können, das ist ein starkes Stück. Ich trage Ihnen einmal vor, was der Abgeordnete Hoffmann von der CDU zur Debatte dieses Tagesordnungspunktes im Hauptausschuss gesagt hat:

Abg. Hoffmann (CDU) begrüßt den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag zum Umgang mit dem Berliner Tarifvertrag im Bereich der Zuwendungsempfänger. Allerdings vermisse er die Forderung, dass die Bezirke zu informieren seien.

Das haben wir gemacht, indem der Finanzsenator mitgeteilt hat, er werde die Bezirke informieren. Dass Sie hier jetzt so tun, als könnten Sie sich daran nicht mehr erinnern, Kollege Hoffmann, das ist sehr traurig für das Niveau dieses Hauses. – Danke!

[Beifall bei der PDS]

Sie haben noch Redezeit, ich frage Sie deshalb, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hoffmann gestatten.

Wenn ich dem Kollegen Hoffmann damit einen Gefallen tun kann, gern.

Der Kollege Hoffmann möchte eine Kurzintervention machen. Moment, bleiben Sie hier. Wir haben noch eine zweite Frage. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zackenfels?

Ja, gerne.

Bitte, Herr Zackenfels!

Ich frage Sie, ob vor dem Hintergrund Ihres eben vorgetragenen Zitats über das Verhalten der CDU nicht auch nachvollziehbar wird, dass die CDU dem Koalitionsantrag laut Protokoll im Hauptausschuss zugestimmt hat.

Ja, unter Führung des Abgeordneten Hoffmann, wie wir uns erinnern.

Gut, das war es. Sie hatten noch zwei Minuten Redezeit,

[Ritzmann (FDP): Es muss aber niemand die Redezeit voll ausschöpfen!]

aber wir sind dankbar über jede Zeitersparnis. – Jetzt erhält der Abgeordnete Hoffmann das Wort für eine Kurzintervention von bis zu drei Minuten – bitte!

Denn in der Formulierung der roten Nummer 1633 im Hauptausschuss heißt es so schön – wie auch hier wieder von Sarrazin formuliert –:

Die Kürzungen bei freien Trägern sind im Doppelhaushalt 04/05 weiter zu verfolgen und durchzuführen.

Das hat auch der Kollege von den Grünen hier noch einmal deutlich gemacht.

Insofern kann ich nur sagen: Seien Sie vorsichtig mit den Äußerungen, die Sie hier machen. Wir werden Sie daran messen, ob Sie 2004/2005 das umsetzen, was der Senat schon wieder in den Planungen hat, nämlich weitere Kürzungen bei den freien Trägern. Das wird es mit uns, der Union, hier nicht geben.

[Beifall bei der CDU]

Herr Abgeordneter Krüger, möchten Sie erwidern? – Nein! – Dann hat das Wort für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Dr. Augstin – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Absicht der Finanzverwaltung und damit von Herr Sarrazin, den Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes auf die freien Träger zu übertragen, ist ordnungspolitisch absurd. Eigenverantwortliches Handeln der freien Träger darf aus liberaler Sicht nicht zur Disposition stehen.

Auch die Begründung mit dem Besserstellungsverbot, d. h., dass Beschäftigte von Zuwendungsempfängern nicht besser bezahlt werden dürfen als Personal in Lan

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Hauptausschuss empfiehlt zum Antrag der Fraktion der Grünen, Drucksache 15/1969, mehrheitlich gegen die CDU, FDP und Grüne die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zum Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/1974, empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen von FDP und Grünen bei Enthaltung der CDU ebenfalls die Ablehnung. Wer dem Antrag jedoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? Damit ist dieser Antrag ebenfalls abgelehnt.

desverwaltung, trägt nicht vor verfassungsrechtlicher Norm. Auch die rechtlichen Grundlagen für ein Besserstellungsverbot sind nicht gegeben, denn der Tarifvertrag ist ein Gesamtpaket: geringerer Lohn, dafür Verringerung der Arbeitszeit auf 37 Stunden die Woche und keine Kündigung bis zum Jahr 2009. Das kann in Gänze nicht auf die freien Träger übertragen werden, zumal diese nicht verpflichtet werden können, bis zum Jahr 2009 keine Kündigungen auszusprechen. So kann nur ein Teil des Pakets auf die freien Träger übertragen werden. Damit wird es rechtlich äußerst fraglich, ob das Besserstellungsverbot überhaupt noch verletzt wird.

Freie Träger haben eigene Tarifverträge in Tarifautonomie abgeschlossen, oftmals in den letzten Jahren auf Tariferhöhungen, auf Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld verzichtet. Sie haben deshalb auf ihre Weise bereits getätigt, was der Senat jetzt mit dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst erst erreichen will. Jetzt bei den Zuwendungsempfängern de facto zu kürzen, würde diese richtigen Bemühungen der letzten Jahre nur bestrafen.

Auch haben freie Träger keine Überhangskräfte, das wurde bereits gesagt. Sie können auf keinen Stellenpool zurückgreifen. Eine Absenkung der Arbeitszeit würde zwangsläufig dazu führen, dass die Aufgaben nicht mehr erledigt werden können. Somit käme es zu einer Reduzierung des Leistungsangebots.

Das Rundschreiben der Finanzverwaltung ist fast schon dreist. Ich darf mit der Erlaubnis des Präsidenten aus der roten Nummer 1633 zitieren:

Falls bei verringerten Arbeitszeiten im Einzelfall der mit der Zuwendung verfolgte Zweck nicht mehr oder nicht im vollen Umfang zu erreichen ist, ist es Aufgabe der Bewilligungsbehörde zu prüfen, ob eine Einstellung des Vorhabens in Betracht kommen kann.

Mit anderen Worten: Wenn die freien Träger den Tarifvertrag nicht übernehmen, werden ihnen kurzerhand die Mittel gekürzt. Das ist der Eingriff in die verfassungsmäßig garantierte Tarifautonomie. Die Liberalen stimmen derartigen Angriffen auf das Grundgesetz der Bundesrepublik nicht zu.

[Wieland (Grüne): Oho!]

Wenn auch durch Vorgaben an die freien Träger kein tarifrechtlicher Spielraum bleibt, stellt sich auf Grund der gesamten Regelungsdichte bei Standards, nicht nur bei der Betreuung, sondern auch bei der Ausstattung, bei der Bauausführung von Kitas und Vorgaben im tarifrechtlichen Bereich schließlich die Frage, ob die rot-rote Koalition überhaupt eine Überführung der Kitas in frei Trägerschaft beabsichtigt. Die erhofften Effekte eines Qualitätswettbewerbs werden vielmehr durch strangulierte und nicht mehr frei Träger unmöglich.

Herr Zackenfels, eine kleine Anmerkung zu Ihren Ausführungen: Ihre Lippenbekenntnisse zu Gunsten der