Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

schon ein Problem, ob in ein 2,4-Millionen-Land eine 3,5Millionen-Metropole hineinkommt. Das bringt viele Probleme, aber auch Vorteile für das neue Land mit sich. Es bringt gewissermaßen eine Sogkraft mit sich, und das auszutarieren und darüber nachzudenken, wie eine solche Stadt in einem solchen Land verfasst sein muss – ob es die kreisfreie Großstadt sein muss oder ob es auch andere Modelle gibt, die besser in diese Landesstruktur passen würden –, ist von großer Bedeutung.

[Beifall des Abg. Hoff (PDS)]

Herr Kollege Augstin! Ich stimme Ihnen sehr zu, dass wir über diese Fragen diskutieren bzw. weiter diskutieren müssen. Aber – und das verwundert mich arg, Kollege Augstin – das sind alles Fragen, die die Koalition zu Beginn unserer gemeinsamen Ausschusstätigkeit – und Sie sind der Vorsitzende dieses Ausschusses BerlinBrandenburg – eingereicht hat, die auf unserer ständigen Tagesordnung stehen und die von Anfang an abgearbeitet werden. Und da denke ich, Kollege Augstin, sind wir wahrscheinlich weiter, als Sie jetzt tun. Ich glaube, dass der Kollege Cramer insofern Recht hat, als er sagte, wir werden jetzt eine überflüssige Debatte führen, dass jetzt ein bisschen der Eindruck entstehen muss, Sie müssten die Koalition und möglicherweise auch andere Fraktionen missionieren, dass man für diese Fusion ist. Ich würde sagen, da sind wir schon katholisch, da müssen wir uns nicht gegenseitig missionieren.

[Beifall bei der PDS]

Vielleicht aber, Kollege Augstin, wäre es richtig, es in Ihrer eigenen Fraktion zu tun. Mir liegt zum Beispiel aus der „Jungen Freiheit“, immerhin ein rechtsextremes Organ, vom 10. August 2001 ein ausdrücklich als Kontrastandpunkt zu einer Fusion verfasster Beitrag Ihres Kollegen Axel Hahn vor,

[Hoff (PDS): „Junge Freiheit“ – da haben Sie ja eine super Zeitung, Herr Hahn!]

wo er sagt, die politische Konkurrenz sei Ausdruck des gegenwärtigen Föderalismus, der föderalen Struktur, das belebe das Geschäft, und er warnt außerdem davor, dass ein gemeinsames Land auf Dauer besonders links verfasst sei, und deshalb sei er grundsätzlich dagegen. Vielleicht sollten Sie diesen Eifer, wie Sie hier an uns herantreten und uns missionieren, ein bisschen in die eigenen Reihen lenken.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Dr. Steffel (CDU): Was lesen Sie eigentlich für Zeitungen, ich bin ganz irritiert!]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

Im Übrigen würde ich Ihnen raten: Lesen Sie die „Junge Freiheit“ ruhig. Das Blatt ist nicht rechtsextrem, es ist manchmal ganz anregend.

Zum Thema Berlin und Brandenburg, weil Sie das hier angesprochen haben: Was ich damals sagte, nehme ich heute nicht zurück. Wenn man den Föderalismus als einen Standortvorteil Deutschlands verstehen will, dann muss man die Konkurrenz der Länder wollen. Da aber bei uns in der Verfassungsentwicklung viel zu viel zugeschüttet worden ist, ist das ein Problem unserer Verfassungsstruktur, das heute viele beklagen. Wenn wir den Föderalismus wiederbeleben wollen, brauchen wir die Konkurrenz,

[Hoff (PDS): Aber nicht die der Länder!]

Das ist ganz zentral und entscheidend wichtig. Diesen Punkt möchte ich klarstellen. Auch denke ich, dass das Land Brandenburg im Moment besser als das Land Berlin regiert ist. Die linke Mehrheit, die dieses Land Berlin regiert, ist mir weitaus unsympathischer als die Konstellation in Brandenburg.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Aber wenn man wirklich auf eine Länderfusion hinarbeiten will, muss man die Menschen davon überzeugen, und das nicht mit fadenscheinigen, dummen „Argumenten“, wie sie immer vorgetragen werden, sondern mit echten Argumenten. Dann müssen wir in Berlin hart an uns arbeiten. Wahrscheinlich bleibt uns nichts anderes übrig, als

Genau! – Jetzt kommen auch bei der FDP die Differenzen zum Vorschein. Herrn Apelt von der CDU verstehe ich schon lange nicht mehr. Im Ausschuss hat er immer

darauf hingewiesen: Wir müssen die Finanzierungsprobleme lösen. Ohne eine Aussicht auf deren Lösung wird man die Menschen nicht überzeugen können, in Berlin und Brandenburg für das gemeinsame Land zu stimmen. – Jetzt hat Herr Sarrazin gestern auf meine Nachfrage ein Konzept vorgelegt, wie man die Schulden wenigstens auf gleicher Augenhöhe verhandeln kann. Und man sieht am Horizont eine Aussicht, dass es eine Möglichkeit geben könnte. Aber jetzt macht Herr Apelt das auch noch nieder. Ich glaube, Herr Apelt, ohne dass Sie das merken, haben Sie sich Ihrer Kollegin in Brandenburg, Frau Blechinger, angeschlossen. Sie reden offen für die Fusion, aber faktisch machen Sie alles, um sie zu verhindern. Das finde ich verwerflich, und das sollten wir verurteilen.

Herr Hahn hat die Föderalismusdebatte wieder aufgeworfen. Natürlich brauchen wir eine Konkurrenz der Bundesländer. Das ist ja auch gelaufen. Aber wollen Sie denn im Ernst, um diese Konkurrenz zu befördern, Baden und Württemberg wieder aufspalten? Wollen Sie Nordrhein-Westfalen in drei Bezirke aufteilen, Rheinland, Westfalen und vielleicht noch einen dritten, damit Sie Konkurrenzen haben? Ich will Ihnen sagen, BadenWürttemberg ist ein Erfolgsmodell, weil aus einem reichen und einem armen Bundesland ein florierendes Bundesland geworden ist, das nicht mehr vom Bund abhängig ist.

irgendwann eine andere Regierung in diesem Land zu wählen.

[Hoff (PDS): Eine, die von der „Jungen Freiheit“ hochgehoben wurde!]

Dann wird es für die Brandenburger vielleicht attraktiv, sich mit Berlin zu vereinigen. So ist es das nicht. – Schönen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Kollege Hahn! – Herr Kollege Zotl antwortet. – Bitte schön, Sie haben das Wort.

Kollege Hahn! Dass Sie für die „Junge Welt“ ein Interview gegeben haben, legitimiert nicht unbedingt, dass Sie das auch für die „Junge Freiheit“ tun.

[Beifall bei der PDS]

Das ist keine Legitimation.

Was Sie inhaltlich gesagt haben, bedarf einer Debatte. In der breiten Föderalismusdiskussion, die seit Jahren in der Bundesrepublik läuft, gibt es sehr seriöse Erkenntnisse. Eine der entscheidenden Erkenntnisse besteht darin, dass nicht die Konkurrenz zwischen den einzelnen Ländern das Problem des Föderalismus ausmacht, und wenn es eine Konkurrenz gibt, muss es zwischen gleichwertigen Ländern passieren. Das ist eine stehende Erkenntnis.

Aber ich will auf die Frage hinaus, dass sich das Föderalismusproblem im Lichte der europäischen Entwicklung in neuer Dimension darstellt. Die europäische Regionalisierung, die immer mehr in den Blickpunkt rückt und eine große Chance ist, also regionale, übergreifende Zusammenarbeit, da muss man abprüfen, inwieweit die bestehenden föderalen Strukturen und auch die Kompetenzen der föderalen Strukturen diese grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit behindern. Insofern ist es ziemlich schlicht, das wichtige Problem des Föderalismus und einer Föderalismusreform auf diese etwas billige Frage der Konkurrenz und auf die noch billigere Frage aktueller politischer sse zu reduzieren. Machtverhältni

[Beifall bei der PDS und der SPD – Hahn (FDP): Das ist doch nur ein Aspekt des Artikels! Dann lesen Sie den Artikel doch mal ganz vor!]

Danke schön, Herr Dr. Zotl! – Nun hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Herr Kollege Cramer, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Augstin! So hatten Sie sich die Debatte wahrscheinlich nicht vorgestellt. Eigentlich sind wir in diesem Haus doch alle der Meinung, dass die Fusion etwas Sinnvolles ist.

[Ritzmann (FDP): Niemand hat die Absicht...!]

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

[Niedergesäß (CDU): Ja, weil in Baden-Württemberg die CDU regiert!]

Die Zukunftsperspektive für Berlin und Brandenburg besteht darin, dass wir durch die Fusion so stark werden, dass wir vom Bund nicht mehr abhängig sind.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Apelt?

Nein, ich habe zu wenig Zeit, außerdem kenne ich seine Argumente.

Dann wird im FDP-Antrag formuliert, man soll all das ohne Fusion machen, was man auch mit Fusion machen kann. Wenn das möglich ist, Herr Augstin, fragen uns doch die Leute: Warum brauchen wir dann eine Fusion? – Wenn wir das Geld alles einsparen und so tun können, als ob, ist das ein bisschen gefährlich. Da stimme ich dem Finanzsenator zu, der gestern im Ausschuss gesagt hat: Bestimme Dinge kann man nicht machen, wenn es nicht von oben, zentral gesteuert wird, weil Sie die widerstreitenden Kräfte nicht zusammenbekommen. Und, Herr Apelt, Sie mit Ihrem Religionsunterricht. Versuchen Sie doch mal, Ihre Position zum Religionsunterricht in Brandenburg salonfähig und mehrheitsfähig zu machen.

Herr Abgeordneter, eine weitere Zwischenfrage von Herrn Hahn!

Nein, ich lasse keine Zwischenfragen mehr zu! – Oder anders herum: Herr Apelt, LER möchte ich gern haben, das hat in diesem Haus eine

Vielen Dank, Herr Kollege Cramer! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung beider Anträge an den Ausschuss für Berlin-Brandenburg. Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Für die Beratung steht den Fraktionen nach der Geschäftsordnung jeweils 5 Minuten Redezeit zur Verfügung. Ich mache Sie bereits jetzt darauf aufmerksam, dass die Fraktion der CDU im Anschluss an die Besprechung um namentliche Abstimmung gebeten hat, also bitte nach den Karten fahnden. – Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Herr Zimmer hat das Wort. – Bitte schön!

Mehrheit. Wie würden Sie sich denn dazu stellen? Da würden Sie dann die Fusion wieder in Frage stellen. So einfach ist es doch alles nicht.

Was die Aufgaben sind, da ist der Senat zum Teil kontraproduktiv. Wenn die Verkehrsverwaltung sagt, Regionalverkehr ist Brandenburger Sache, S-Bahnverkehr ist unsere, und die Züge, die von Westen nach Berlin kommen, enden in Spandau und dürfen dann in Lichtenberg nach Osten weiterfahren – das ist allerdings kontraproduktiv. Da brauchen wir eine Gesamtsicht in der Verkehrsproblematik. Auch bei den Gerichten, die Sie angesprochen haben, oder bei der Krankenhausplanung, die notwendig ist, und bei der Hochschulplanung. Da gehe ich jetzt noch weiter. In der Hochschullandschaft brauchen wir im erweiterten Europa eine Region von Stettin bis Breslau und Berlin, Potsdam und Cottbus zusammen.

Und jetzt noch mal zu den aktuellen Problemen. Herr Sarrazin, ich war Ihnen gestern außerordentlich dankbar. Denn die ersten Vorträge von Ihnen und Ihrer Kollegin Ziegler waren auf dem Niveau, das Herr Augstin hier vorgetragen hat: Allgemeine Floskeln, warum die Fusion notwendig ist. Damit überzeugen wir keinen Menschen und keinen Kritiker. Wir fangen doch nicht von vorne an. Wir haben die Erfahrung der gescheiterten Volksabstimmung und müssen den Leuten konkrete Perspektiven bieten. Deshalb bin ich Ihnen zunächst einmal außerordentlich dankbar, dass Sie gesagt haben: So und so könnte es aussehen. Die Einsparvorgaben könnten wir so weit reduzieren, dass wir dann auf gleicher Augenhöhe verhandeln. Das hätte ich mir auch von Frau Ziegler gewünscht. Und jetzt ist unsere Aufgabe, die Zielkonzeption, diese 30-Milliarden-Einsparung – die zweifeln Sie sofort schon wieder an, Herr Apelt –, konkret zu unterlegen. Die Bürger wollen wissen: Wenn es eine gemeinsame Landesregierung gibt, wie viel sparen wir? Wir sparen eine, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, wenn es die Fusion gibt. Wenn es nur ein Parlament gibt, wie viel sparen wir? Wenn wir so und so viele Obergerichte einsparen, wie viel sparen wir, wenn wir die Krankenhausplanung abstimmen? – Und diese Sachen müssen konkret mit Zahlen unterlegt werden. Damit möchte ich in die öffentliche Debatte gehen. Oder, was haben die Außenregionen, was haben die Prignitz und die Uckermark vom gemeinsamen Land? – Das sind die Fragen, die wir beantworten müssen. Wir haben nur noch drei Jahre Zeit bis zur Fusionsabstimmung. Ich möchte deshalb gern in die Konkretion einsteigen. Die eigentliche Debatte – Fusion, ja oder nein? – ist von gestern; sondern: Wie können wir die Menschen überzeugen? – Ihr Antrag hilft uns da keinen Schritt weiter; vielleicht die Debatte im Ausschuss. Ich möchte alle aufrufen, sich daran zu beteiligen, in den konkreten Projekten. Wir müssen die Menschen überzeugen, vor allen Dingen die Skeptiker in Brandenburg. Wenn uns das nicht gelingt, brauchen wir 2006 nicht anzutreten und ein paar Jahre später auch nicht. Denn wenn die nächste Abstimmung nicht gelingt, ist die Fusion für die nächsten 20 Jahre verloren. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Die lfd. Nrn. 24 und 25 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Lfd. Nr. 25 A:

Dringlicher Antrag

Missbilligung des Senators für Finanzen