Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

[Liebich (PDS): Was ist denn drastisch? Wo fängt denn drastisch an?]

Das ist falsch, meine Damen und Herren von der PDS und von der SPD!

Es gibt sehr wohl Alternativen. Auch die Behauptung von Peter Strieder, Berlin würde faktisch vom Bund regelrecht gezwungen, erheblich mehr Geld zu verlangen, weil seine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sonst scheitert, ist vorgeschoben und unwahr!

[Liebich (PDS): 450 Millionen € Steuermindereinnahmen!]

Berlin muss zwar eine restriktive Haushaltspolitik führen, das ist richtig. Aber wo gespart wird, entscheidet nicht

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde zum Thema Familienpolitik fand ich sehr bemerkenswert. Manchmal wünschte ich mir, dass die vielen starken Worte nicht nur der Opposition, sondern auch Regierungsseiten gelten, in nächtlichen Koalitionsrunden, in Haushaltsrunden zur Nacht, die man dort spricht. Mich muss niemand überzeugen, wie wichtig und bedeutsam Familie in unserem Land ist.

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Die ganze Wahrheit liegt darin, dass Familienpolitik, Kinder- und Bildungspolitik in Wahrheit eine investive Politik ist. Sie hat fiskalisch sehr große nachhaltige Wirkungen. Insofern halte ich es für gerechtfertig, auch über Zahlen zu sprechen und darf dieses nicht als Vorwurf anführen.

das Bundesverfassungsgericht. Das entscheidet auch nicht Herr Eichel. Das entscheidet das Parlament, weil dieses Parlament hier der Haushaltsgesetzgeber ist. Deswegen beschwert sich inzwischen auch schon der Bund über die eigenartige Berliner Schwerpunktsetzung.

[Liebich (PDS): Ihr entlastet die Reichen und streicht uns das Geld!]

Wer schreit, hat Unrecht, Herr Liebich! Hören Sie lieber auf, sich endlich hinter dieser Klage zu verstecken. Das ist wirklich nicht zu glauben.

[Gaebler (SPD): Wer schreit denn?]

So verwundert es auch nicht, wenn die Haushaltsnotlagenländer Saarland und Bremen ganz anders verfahren bei – das muss man natürlich sagen – einer anderen quantitativen Betreuungsdichte, als es in Berlin der Fall ist. Das Saarland stellt das Jahr vor der Grundschule, vor der Einschulung, kostenfrei. Bei einem Ganztagsbetrieb sind es 106 €, ansonsten ist der Besuch kostenfrei.

[Liebich (PDS): Was kostet das?]

Das ist ein bildungspolitisch richtiger Schritt. Der Weg, den Sie gehen, ist absurd. Er ist bildungspolitisch falsch und ist auch, was den Weg der Haushaltskonsolidierung betrifft, nicht notwendig. Deshalb wird er von uns abgelehnt.

[Liebich (PDS): Schauen Sie einmal wie viele Frauen dort arbeiten!]

Es gehört zur Wahrheit dazu zu sagen, dass andere Alternativen, die es durchaus gegeben hätte, von dieser Koalition ignoriert wurden, beispielsweise die Übertragung von Kitas in freie Trägerschaft.

Frau Abgeordnete! Achten Sie bitte auch auf Ihre Redezeit! Sie ist längst um.

Das blockieren insbesondere die Stadträte der PDS bis heute.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Frau Senftleben (FDP): Richtig! – Liebich (PDS): Das ist doch Quatsch. Das machen wir doch! Das wissen Sie doch genau!]

Wir legen Ihnen hier heute einen Antrag vor für eine Initiative die auch in Berlin das letzte Jahr vor der Einschulung kostenfrei stellt. Wir haben auch einen Gegenfinanzierungsvorschlag.

[Klemm (PDS): Marke Schruoffeneger!]

Frau Klotz! Ich bitte Sie jetzt wirklich um den Schlusssatz!

Das ist mein letzter Satz, Frau Präsidentin! – Die 96 Millionen € für den Stellenpool sind völlig überdimensioniert. Sie haben nicht einmal das Drittel abgezogen, das die normale Fluktuation ohne Stellenpool bringt. An der Stelle schlage ich vor, lieber beim Stellenpool zu sparen als bei den Berliner Kindern.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön! – Das Wort für den Senat hat Senator Böger. – Bitte schön!

Dabei gab es einen fatalen Fehler, liebe Frau Klotz. Sie haben beklagt, dass eine Vorrednerin, Frau Dr. Barth, jugendpolitisch und fiskalisch gesprochen hat.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Nur fiskalisch!]

Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass dies eine sehr kurze Sicht ist. Es ist sehr gefährlich, wenn Jugend- und Bildungspolitiker immer nur als gute Menschen reden wollen. Es wollen alle nur das Beste.

[Beifall bei der SPD und der PDS Zuruf der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

Ja, darüber sprechen wir gleich. Noch etwas möchte ich anführen, wehrte Frau Dr. Klotz: Wir stehen hier manchmal nicht in Frontal-, aber doch in Teilopposition. Ich freue mich auch über die Bundesregierung, zwar nicht jeden Tag, aber im Prinzip schon.

[Rabbach (CDU): Einmal alle 10 Jahre!]

Ich bin mit der von mir geschätzten Frau Renate Schmidt, die übrigens heute Morgen in Berliner Schulen gelesen hat – da sollten Sie alle mit und tun es auch –, sehr einig, dass man mehr Mittel in die Betreuungsmöglichkeiten einsetzen muss, dass man auch nach Hartz Milliarden Euro verwendet, um sie dort auch wieder einzuspielen. Nur, verehrte Frau Dr. Klotz, da, wo die Bundesregierung für die Bundesrepublik Deutschland einmal hinkommen will mit Mitteln, die noch gar nicht vorhanden sind, ist Berlin längst schon drüber. Das muss man auch einmal sagen dürfen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ich kann es auch anders formulieren. Wenn in der Bundesrepublik Deutschland überall in der Kinderbetreuung Berliner Verhältnisse herrschten, wäre dieses Land viel weiter, als es bislang ist. Das muss man auch einmal sagen dürfen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sen Böger

Der Kollege Steuer hatte phasenweise einen großartigen Einstieg, dann war er bei den Galapagoseiern, das ist aber wieder etwas anderes, aber er hat etwas Richtiges gesagt. Natürlich haben Sie Recht, es ist wahr: Ohne Kinder hat unsere Gesellschaft, hat dieses Land keine Zukunft.

Ach Gott! Herr Exstadtrat, Sie sind doch auch im gesetzten Alter. – Diese Aussage ist richtig, Sie hat politisch aber derartige Konsequenzen, Herr Steuer. Sie wissen, wir können es gar nicht mehr aufholen, was dort bereits versäumt ist. Dann kommen Sie aber nicht in einer Aktuellen Stunde in einem Landesparlament auf die Eier auf den Galapagosinseln, sondern bleiben Sie bei dem Niveau.

Es ist wahr, es handelt sich um eine der gravierendsten Fragen der Gesellschaft, das Thema ist rentenpolitisch nicht durchbuchstabiert, es weiß niemand, was das für unser Land ökonomisch bedeutet, und wir werden es auch gar nicht mehr aufholen können. Insofern bin ich gern bereit, über dieses Thema nachzudenken und zu diskutieren, dann aber nicht auf niedrigstem Niveau.

Was die Prioritätensetzung betrifft, kann ich nur sagen, dass Bildung Priorität hat! Ich gebe gerne zu, Frau Dr. Klotz, auch wenn ich mich dabei wiederhole, dass ich wünschte, wenn dies alle Politiker auf allen Seiten, in allen Ressorts nicht nur am Sonntag, sondern auch noch am Montag in der Haushaltsrunde sowie im Senat sagten und nicht mehr einer gegen alle spielt. Dafür wäre ich sehr dankbar. Das sage ich ganz freimütig.

Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen. Ich gehöre nur dann einem Senat an, wenn er eine Gesamtpolitik tragen kann. Ich bin nicht so borniert. In einer Pressekonferenz, in der Kollege Sarrazin erklärt, das Land Berlin müsse nach Karlsruhe gehen, schreiben die Journalisten das auf, zwei Drittel gehen danach weg, nur noch ein Drittel verbleibt, während ich erkläre, dass die Kitakosten erhöht werden. In der Zeitung können sie das trennen. Die einen schreiben: Zu wenig gespart, Ihr macht zu wenig! –, die anderen brüllen und sagen, es sei alles unglaublich. Nur in Wahrheit müssen wir es zusammenbinden. Wir haben alle den Auftrag, wenn wir dauerhaft Geld von den anderen haben wollen, egal ob vom Bund oder den Steuerzahlern, das, was wir tun, mit dem anderer Bundesländer zu vergleichen. Dazu sage ich: Die Prioritätsentscheidung erkennen Sie daran, dass Berlin vorher, bisher und auch in Zukunft mehr tun wird für Kinderbetreuung als jedes andere deutsche Bundesland!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Da Sie gern über Pressekonferenzen reden, bei denen Sie nicht waren – ich kann nicht noch darüber schreiben, ich finde das bemerkenswert –: Normalerweise soll eine Überschrift einer Zeitung das wiedergeben, was im Text steht, zumindest habe ich das so gelernt. Wenn Sie heute auf Seite 1 der „Berliner Morgenpost“ sehen, dann finden Sie dort eine Überschrift, die mit dem Text nicht übereinstimmt und im Übrigen auch noch falsch ist, wie Herr Catenhusen mir gesagt hat. Mitnichten hat Herr Catenhusen gesagt, es sei schlimm, was in Berlin passiert. Vielmehr hat er gesagt, er wolle darauf hinweisen, dass in Nordrhein-Westfalen die Eltern schon immer 30 % Kostenbeteiligung an den Kitas haben.

[Niedergesäß (CDU): Da regieren auch Sozialdemokraten seit 30 Jahren!]

Als ich erklärt habe, wir wollten das in Berlin auf 13 % steigern, war er verwundert. Das sei zwar nicht schön, aber notwendig, sagte er. – Das ist die Realität. Mir gefällt das auch nicht, das kann ich Ihnen sagen, aber es ist leider notwendig. Das wissen Sie, Frau Dr. Klotz, insbesondere wenn Sie auf das Saarland hinweisen. Sie wissen, dass dort nur Krippenplätze für 2 % der Kinder angeboten werden

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Ja!]

und ein Krippenplatz bei freien Trägern rund 10 000 € und beim Staat rund 12 000 € kostet, dann ist klar, wenn wir für 45 % der Kinder Krippenplätze anbieten, dass wir bei einem Kostendeckungsgrad von 13 % viel Geld investieren – mehr als das Saarland –, ich finde, gut investieren, wenn es den Familien, den Kindern und vor allem

dazu hilft, dass unser Land zumindest teilweise familienfreundlicher wird.