Protokoll der Sitzung vom 25.09.2003

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Matz! Ich schätze Sie ja, aber ich muss Ihnen sagen: Wenn Sie hier den Stiftungsrat der Lottostiftung mit Berliner Filz gleichsetzen und von Lottofilz sprechen, fehlt Ihnen an dieser Stelle Augenmaß und das nötige Verantwortungsbewusstsein.

Ich möchte ein paar Dinge klarstellen. Berlin besitzt die Lottostiftung seit 1975, das sind fast 30 Jahre. Der Stiftungsrat entscheidet über die Verwendung und Verteilung der Zweckabgabe und des Bilanzgewinns der Klassenlotterie. Der Stiftungsrat ist zur Hälfte vom Senat bestellt und zur anderen Hälfte vom Abgeordnetenhaus gewählt. Im Stiftungsrat sind der Regierende Bürgermeister, drei Fraktionsvorsitzende und die Opposition beteiligt. Bevor man den Vorwurf von Filz erhebt, muss man sich auch einmal vergegenwärtigen, dass die ein hohes Maß an Repräsentativität und demokratischer Legitimation bedeutet, im Gegensatz zu den Behauptungen in Ihrem Antrag.

[Beifall bei der SPD]

Im Übrigen ist die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin kein Einzelfall in der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 1993 hat die Landesregierung von Niedersachsen unter dem Ministerpräsidenten Gerhard Schröder in einer Rot-Grün-Koalition die niedersächsische Lottostiftung mit einer ähnlichen Struktur wie die Berliner Stiftung gegründet. Das war 20 Jahre nach unserer Gründung in Berlin. Wenn es stimmen würde, was die FDP in ihrem Antrag behauptet, dass die Berliner Lottostiftung andauernd in öffentlicher Kritik steht, dann wäre es sicherlich 20 Jahre später in Niedersachsen nicht so geschehen.

Die Stiftung Deutsche Klassenlotterie verfolgt gemäß Gesetz und Satzung gemeinnützige Zwecke. Sie fördert soziale, karitative, dem Umweltschutz dienliche, kulturelle, staatsbürgerliche und sportliche Vorhaben. Je ein Viertel – darauf wies Herr Matz schon hin – der Zweckabgabe ist seit dem Jahr 2000 für Zwecke der Jugendarbeit und für sportliche Zwecke gebunden. Ich habe damals auch in Haushaltsreden gesagt, ich halte es für gut, dass in Berlin die Entscheidung getroffen worden ist, in schwieriger Haushaltssituation auch die Mittel der Lottostiftung für Jugendarbeit und sportliche Zwecke zur Verfügung zu stellen und eine Zweckbindung über Jahre im Voraus vorzunehmen. Dies soll auch so bleiben, es hat sich bewährt.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matz?

Ja, bitte!

Im Übrigen sage ich noch einmal, Herr Matz, und werde darauf auch noch einmal zurückkommen: Ich halte die Festlegung des Viertels für Jugendarbeit und für sportliche Zwecke für ausgesprochen sinnvoll. Und der von Ihnen vorgeschlagene Weg birgt die Gefahr, dass die Mittel der Stiftung Lotto längerfristig im Haushaltsloch des Landes Berlin versinken.

Über die Verteilung der Mittel der Stiftung erhält das Abgeordnetenhaus vierteljährlich einen Bericht. Deshalb halte ich auch Ihre Behauptung für falsch, dass die Arbeit der Stiftung Lotto der parlamentarischen Kontrolle entzogen sei. Das ist nicht der Fall.

Die FDP schlägt nun etwas Neues vor: Die Lottostiftung und der Stiftungsrat sollen abgeschafft werden, und die Lottomittel sollen künftig durch den Hauptausschuss verteilt werden. Ich halte das für abwegig.

Es ist zu begrüßen, wenn auch die FDP in ihrem Antrag schreibt, dass Zweckabgabe und Bilanzgewinn der Klassenlotterie nicht im Haushaltsloch verschwinden sollen, wobei ich Ihnen noch einmal sage: Wenn man den Weg, den Sie vorschlagen, erst einmal geht, ist die Gefahr des Verschwindens der Mittel sofort gegeben. Der bisher von der Lottostiftung verfolgte Zweck soll erhalten bleiben. An der Stelle sind wir uns einig.

Den Antrag der FDP, den Hauptausschuss an die Stelle des Stiftungsrats zu setzen, halte ich im Ergebnis allerdings nicht für zielführend. Ich will einmal daran erin

Ich will einmal mit dem eher formalen ordnungspolitischen Aspekt beginnen. Öffentliche Aufgaben sind im Wesentlichen aus den Steuereinnahmen zu finanzieren. Die Finanzierung ist in den Haushalten des Bundes, der Länder und der Gemeinden nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften transparent darzustellen. Die Kontrolle der Finanzplanung und Mittelverwendung obliegt dem Parlament. Die Regierung oder, um konkreter zu werden, der Senat von Berlin, hat die Aufgabe, die öffentlichen Finanzen so zu ordnen und zu planen, dass die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben aus den ordentlichen Einnahmen gesichert ist und langfristig möglich bleibt. Voraussetzung dafür ist die Setzung von politischen Prioritäten und genügend Augenmaß, um für alle gesellschaftlichen Gruppen eine Infrastruktur zu schaffen, die für die Stabilität und den Fortbestand unseres Gemeinwesens erforderlich ist. Dass dies derzeit nicht gelingt, ist eine bekannte Tatsache, die auch Gegenstand kontroverser politischer Auseinandersetzungen ist. Diese sind jedoch nicht an diesem Punkt auszutragen, sondern dort, wo sie hingehören, nämlich in den Haushaltsberatungen. Was aber nicht sein kann, ist, dass der Staat die Finanzierung öffentlicher Aufgaben nicht ordnungsgemäß bearbeitet und stattdessen zumindest zu einem Teil den Haushalt aus Glücksspiel finanzieren will, nach dem Motto: Ich habe mich mit meinen Einnahmen verplant, machen wir doch mal eine Lotterie, damit es nicht auffällt. – Das kann doch niemand wollen. Natürlich sollen die Erlöse aus Glücksspielen auch der Allgemeinheit zugute kommen. Aber bei diesen Erlösen handelt es sich nun einmal um außerordentliche Einnahmen, und die eignen sich eben nicht zur Finanzierung staatlicher Aufgaben, vielleicht noch verbunden mit der Vorstellung, den Haushalt möglicherweise über das Glücksspiel sanieren zu wollen.

nern, dass wir etwas Ähnliches auf Bezirksebene haben, wo die Sondermittel von der Bezirksverordnetenversammlung verteilt werden. Das ist regelmäßig von Verteilungskämpfen um diese Mittel begleitet. Ihr Vorschlag würde bedeuten, dass wir ein ähnliches Verfahren auf Landesebene einführen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses nicht zu einer Verbesserung und zu einer Zielgenauigkeit des Mitteleinsatzes führen würde, auch nicht zu einer höheren Transparenz. Die Gefahr, die Ihr Verfahren birgt, ist, dass Konflikte, die bisher im Stiftungsrat vertraulich behandelt werden können, hier offen im Hauptausschuss ausgetragen werden würden. Dass dieses den Antragstellern und den Trägern, die Mittel beantragen, wirklich hilft, wage ich sehr zu bezweifeln. Deshalb sprechen wir uns für die Beibehaltung des über fast 30 Jahre bewährten Verfahrens der Lottostiftung aus.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei CDU]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Hoffmann!

[Matz (FDP): Die große Koalition funktioniert noch!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der FDP über ein Gesetz über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Berlin und die dazu vorgeschlagenen haushaltsrechtlichen Regelungen verdienen zunächst Respekt. Denn sie sind in sich ein schlüssiges Regelwerk, das will ich mal sagen, und zwar im Gegensatz zu denen, die wir in letzter Zeit vorgelegt bekommen haben von der linken Hälfte dieses Parlaments.

[Frau Ströver (Grüne): Was ist denn daran schlüssig?]

Ich will Ihnen mal sagen, was Sie nicht einmal selbst mittragen: Kitakostenbeteiligung, Stellenpool sind Gesetzentwürfe, die vom Senat kommen, die nicht einmal die volle Unterstützung von SPD und PDS finden,

[Doering (PDS): Inzwischen ja!]

und insofern gibt es da schon einen Unterschied.

Aber ich will jetzt nicht weiter über die technischen Fragen reden, sondern über den Umgang mit den Lottogeldern. Nach der geltenden Gesetzeslage entscheidet ein unabhängiger Stiftungsrat über die Verteilung der Überschüsse aus der Klassenlotterie. Die FDP-Fraktion will nun erreichen, dass sich dies ändert. Sie will die Überschüsse aus der Deutschen Klassenlotterie in den Haushalt überführen. Die Verteilung der Überschüsse soll nicht durch ein eigenes, dafür gewähltes Gremium, sondern durch den parlamentarischen Hauptausschuss erfolgen, der bekanntlich über die vielen Sparvorschläge des Finanzsenators berät und beschließen muss. Damit steht die FDP in der Tradition einiger Fraktionen dieses Hauses und fast aller Finanzsenatoren. Meines Wissens steht ein solcher Vorschlag auch noch immer in den Giftlisten des Finanzsenators. Gleichwohl, auch diesmal ist zu erwarten, dass die Initiative scheitern wird, und es gibt gute Gründe dafür.

[Beifall der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Sie eignen sich – diese Möglichkeit sollten wir nicht leichtfertig aus der Hand geben – zur Finanzierung der Sahnehäubchen, für die Steuergelder eben nicht gedacht sind. Und wenn man sich die Anträge der FDP-Fraktion genauer ansieht, dann erkennt man, dass sie diesen Grundsatz erkannt hat und ihn im Kern auch gar nicht verändern will. Was gewollt ist, ist die Zuständigkeit der Verteilung der Mittel aus dem Gremium des Stiftungsrats herauszuholen. Dann ist aber die Übertragung der Kompetenzen vom Stiftungsrat auf den Hauptausschuss der falsche Weg.

Wir leben in einer Zeit, in der die Partizipation der Bürger an öffentlichen Entscheidungen immer stärker eingefordert wird. Wir erleben in diesem Zusammenhang in den Ausschüssen dieses Parlaments Diskussionen über Agenda und über Bürgerhaushalte. Die Emanzipation der bürgerlichen Gesellschaft vom Staat ist eben noch nicht abgeschlossen und wird von der Politik auch offensiv eingefordert, wenn ich jetzt einmal an die Diskussionen über Selbstbeteiligung bei Gesundheitsversicherung und Altersvorsorge erinnern darf – und dieser Gedanke ist im Kern kein falscher Gedanke. Er ist ein richtiger Gedanke, und er ist auch von Ihnen von der FDP mit initiiert worden. Vor diesem Hintergrund passen aber Ihre Anträge für

Nur, Herr Matz, einen Vorwurf müssen Sie zurücknehmen: Dass in dem Lottostiftungsrat nur graumelierte Herren saßen, das muss ich zum Schutz unserer Kollegin Frau Freundl zunächst auf das Schärfste zurückweisen. Ich finde und auch die PDS findet, dass in den Entscheidungen über die Lottomittel dringend mehr Transparenz nötig ist. Und es ist auch ausgesprochen schwer erklärbar, warum neben dem klammen Landeshaushalt ein süßes Töpfchen existieren soll – die Lottostiftung. Ich glaube, dass alle Überlegungen richtig sind, die das Ziel haben, dass das Geld in den Landeshaushalt gehört.

Die Lottostiftung hat festgelegt, dass für Jugend 20 % verwendet werden sollen und für Sport – das finde ich auch richtig mit Blick auf die ursprünglichen Zwecke von Sportstiftungen – auch 20 %. Das soll auch so bleiben, und das kann auch im Haushalt so bleiben. Der Rest, die verbleibenden 60 %, werden zu ca. 70 bis 90 % für Kultur und Wissenschaft ausgegeben. Das fehlt bei Ihnen. Ich glaube, dass es sinnvoll wäre, auch dort noch eine Regelung zu treffen.

Dann bleiben aber immer noch ca. 40 Millionen € zur Verfügung, die uns im Haushalt 2002 sehr geholfen hätten. Deshalb – ganz richtig, Herr Matz – haben wir das im Rahmen der Haushaltsberatung angesprochen. Denn in Zeiten, in denen wir darüber diskutieren müssen, dass sich die Eltern an der Schulbuchfinanzierung beteiligen, dass wir die Kitagebühren für Besserverdienende erhöhen müssen, gehört eine Debatte, ob man im Zoo ein Affendschungelhaus für 2 Millionen € bauen möchte, ins Parlament.

mich nicht mehr ins Bild. Die Kernaussage Ihrer Anträge heißt: Entscheidungskompetenz von einem demokratisch gewählten Bürgergremium wegnehmen und in den staatlichen Bereich verlagern. Was dort passieren wird, ist klar. Das will ich nicht weiter ausführen. Wir können deswegen Ihrem Antrag nicht folgen. Sicher hat die eine oder andere Entscheidung des Stiftungsrats bei dem einen oder anderen Anlass zur Kritik gegeben, aber das kann kein Grund sein, alles in Frage zu stellen.

[Matz (FDP): Transparenz fehlt!]

Es ist kein Geheimnis, dass die CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin bei den letzten Haushaltsberatungen versucht hat, bei den Entscheidungen des Stiftungsrats dem Umweltschutz beispielsweise, der bisher sicher zu kurz gekommen ist, zu seinem im Gesetz verbrieften Recht zu verhelfen. Das wollen wir auch noch erreichen, da können Sie sich ganz sicher sein. Aber das sind Einzelaspekte, die mit verantwortungsvoller Gewichtung und Augenmaß zu regeln sind und nicht mit staatlicher Omnipotenz. Insgesamt gehe ich deswegen davon aus, dass die Mehrheit dieses Hauses sich wohl einig sein und diesen Antrag ablehnen wird, denn es gibt einen wesentlichen Grund dafür. Ihre Anträge führen nicht, und das ganz deutlich, zur Verbesserung und zur stärkeren Transparenz und mehr Bürgerbeteiligung, sondern sie ändern am System nichts. –

[Matz (FDP): Sie wollen nichts anderes!]

Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Liebich!

[Matz (FDP): Er wollte im Sommer das Geld noch im Haushalt haben!]

Und das, Herr Matz, wollen wir auch immer noch. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Hoffmann, auf die CDU ist immer Verlass in dieser Frage. Insofern kann ich meine Argumentation im Großen und Ganzen beibehalten. Aber wie Sie darauf kommen, dass der Lottostiftungsrat ein Bürgergremium sein soll, das müssen Sie mir einmal erklären. Die Vertretung von Senatoren und Parlament als Bürgergremium zu bezeichnen, finde ich schon einigermaßen gewagt.

[Beifall des Abg. Matz (FDP)]

Die Lottostiftung ist in Berlin seit vielen Jahren in der Diskussion, und das ist sie auch zu Recht. In der Vergangenheit haben Regierung und Regierungsfraktionen allein entschieden, ob z. B. Landowsky mehr Geld für seinen Tennisclub bekommt, und deshalb finde ich das Misstrauen, das von Seiten der Opposition, aber auch von der Öffentlichkeit, die CDU mal ausgenommen, geäußert wird, absolut berechtigt.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Beifall des Abg. Dr. Flemming (SPD)]

[Müller (SPD): Machen wir nicht!]

Das Argument vom Kollegen Nolte, dass das nicht so gut wäre, weil man Angst haben müsste, dass das Geld im „schwarzen Loch“ verschwindet, spricht von einem gering ausgeprägten Vertrauen in die eigene Mehrheit. Diese Angst muss man nicht haben, insbesondere nicht als Regierungsmehrheit; denn dann hat man auch die Mehrheit im Hauptausschuss.

Nun fragen Sie sich, was ich mit der ganzen schönen Argumentation mache. Ich sage Ihnen: Wir haben in der Koalition – während der Koalitionsverhandlungen und jetzt auch noch einmal aktuell bei den Haushaltsberatungen – sehr ernsthaft und lange darum gestritten, dass wir zu einer anderen Regelung kommen, als wir sie gegenwärtig in Berlin haben. Sie haben der Presse entnommen und auch ansonsten gehört, dass es uns nicht gelungen ist, unseren Koalitionspartner davon zu überzeugen.

[Czaja (CDU): Wie immer!]

Ich bin es leid, mir an solchen Stellen windige Argumentationen einfallen zu lassen, warum ich es eigentlich doch gut finde. Ich finde es nicht gut. Ich finde es schade, dass wir uns mit der SPD in dieser Hinsicht nicht verständigen konnten, aber das ist die Realität.

Ein Aber: Es gab in gewisser Weise auch im Lottostiftungsrat einen Paradigmenwechsel. Er wird nicht mehr so

Aber damit hat es sich schon, Herr Matz. Es tut mir Leid. Alles Weitere, was Sie vorschlagen, ist auch aus meiner Sicht ein recht aberwitziges Modell. Die Lottomittel sind – und das ist der einzig richtige Satz, den Herr Hoffmann gesagt hat –