Protokoll der Sitzung vom 30.10.2003

Frau Michels

ist bedauerlich, aber auch unverantwortlich. Denn wenn Herr Lindner sagt, dass es sich hier um eine Lustreise

handelt – und ganz schnell bei diesem Wort war –, ist für mich sehr erstaunlich, dass all die Beweise für diese angebliche Lustreise nur aus Zitaten der „Bild-Zeitung“ gekommen sind. Dass Sie, Herr Lindner, die „BildZeitung“ studieren, ist ja okay, das können Sie gern machen, aber dass Sie das zum Nachplappern auswendig lernen, ist schon doll.

Sie haben nicht gesagt, die Charakterisierung durch die „Bild-Zeitung“ war unpolitisch, Sie haben gesagt diese Reise war unpolitisch. Da frage ich Sie jetzt ernsthaft: Sind das größte lateinamerikanische Kulturfestival mit Schwerpunkt Deutschland oder die Präsentation von Berliner Theatern in Mexiko oder die Umweltproblematik in der größten Metropole, die sich in einem der größten Ballungsgebiete der Welt befindet, unpolitische Dinge? – das können Sie doch wohl nicht ernsthaft behaupten.

Frau Kollegin Michels, Ihre Redezeit ist fast abgelaufen, aber gestatten Sie eine Zwischenfrage?

beit des Regierenden Bürgermeisters in Form der Tagebuchberichterstattung war schlicht und ergreifend katastrophal und unsensibel allemal. Sie unterschätzte zum einen die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung – da haben Sie Recht –, sie unterschätzte aber auch die Rolle und das wohl erhoffte Niveau der Boulevardpresse und verkaufte, Herr Regierender Bürgermeister, diese für uns so wichtige Reise im zehnten Jahr der Städtepartnerschaft Berlin-Mexico weit unter Wert. Das war das Ergebnis.

Ich meine, damit ist es dann nun aber auch genug. Der Regierende Bürgermeister hat inzwischen für alle, die es hören und lesen wollten, dies bereits als Fehler anerkannt und eingeräumt, insofern dürfte dieser Vorgang eigentlich längst unter dem kritischen Auge des Parlaments abschließend und kritisch bewertet worden sein.

[Henkel (CDU): Der soll ja auch nicht seinen Pass abgeben!]

Aber die zweite Richtung, in die die von mir beschriebene Provinzposse zeigt, geht in eine völlig andere Richtung. Weit gefehlt, dass dies in Richtung der Medienschelte sei. Das werde ich nicht tun, denn die „BildZeitung“ ist eben wie sie ist, und ich hatte nichts anderes erwartet. Aber Sie zeigt in dieses Haus, in Richtung der politisch Verantwortlichen dieses Hauses.

Wer hören und lesen wollte, was im Verlauf dieser Reise ernsthaft und wichtig für diese Stadt war, der konnte dies auch tun.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Herr Gaebler hat bereits hinlänglich aus Zeitungen zitiert und einige Ergebnisse genannt. Sie hätten lieber in andere Zeitungen schauen sollen. Es war zum Beispiel in einem sehr umfangreichen Interview, das Senator Flierl gegeben hat, zu lesen – –

[Czaja (CDU): ND!]

Dass Sie, Herr Czaja, die „Bild-Zeitung“ lieber mögen und unter dem Kopfkissen haben, dafür kann ich doch nichts.

[Beifall bei der PDS und der SPD – Unruhe]

Es gibt neben dem „Neuen Deutschland“ auch andere seriöse Berichterstatter, und neben der Tagebuchberichterstattung gab es auch ein sehr umfangreiches Interview mit dem Regierenden Bürgermeister – das haben Sie leider verschlafen –, in dem intensiv zu lesen war, was die Ergebnisse dieser Reise waren. Da sage ich ganz laut: Diese Reise kann sich von den Ergebnissen sehen lassen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Dass Sie, Herr Lindner und auch Herr Zimmer – leider Ihr Urteil ausschließlich auf Kommentare der „BildZeitung“ stützen,

[Frau Senftleben (FDP): Das waren doch seine eigenen!]

[Hoffmann (CDU): Ich möchte mal wissen, wer am meisten das Wort „Bild-Zeitung“ benutzt hat!]

Leider haben auch Sie, Frau Klotz, mich enttäuscht, als ausgerechnet Sie die Reise als „rein unpolitisch“ charakterisierten.

[Zuruf der Abg. Frau Dr. Klotz (Grüne)]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Nein, das habe ich schon gesagt, ich gestatte keine. – Dann lassen Sie mich noch auf dem provozierenden Vergleich mit dem als angeblich so sparsam dargestellten Eberhard Diepgen eingehen.

Also, Frau Klotz, der Haushalt wird hier in diesem Haus beschlossen, und jedes seriöse Mitglied dieses Hauses kann in seinen Unterlagen nachlesen und vergleichen: Der Reisetat des Regierenden Bürgermeisters beträgt 150 000 €. Im Vergleich dazu betrug er bei Diepgen im Jahr 1999 213 000 €. Ist das etwa keine Einsparung?

[Zuruf von der CDU: Nein! Sie vermischen Mark und Euro! – Unruhe]

Da sage ich: Sie hätten es besser wissen können, und Sie haben trotzdem nachgeplappert. Da mache ich mir große Sorgen um die politische Kultur und frage dieses Haus ernsthaft: Beurteilen wir als verantwortliche Politikerinnen und Politiker den Wert und Nutzen von politischen Aktivitäten nach dem „Bild-Zeitungs“-Niveau? – Das ist Provinz! Das ist tiefste Provinz!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Frau Kollegin Michels, bitte kommen Sie zum Schluss!

Ja, mein letzter Satz: Wir bestärken den Regierenden Bürgermeister: Ja, Herr Regierender Bürgermeister, bitte gehen Sie und Ihre Senatoren den Weg zum Ausbau der internationalen Kontakte kon

Sie schießen zurück und behaupten wieder dasselbe, was ich eigentlich schon ausgeräumt habe. Sie haben eben nicht in der Zeitung gesagt, dass es ich bei der Darstellung um die Darstellung der „Bild-Zeitung“ handelt, die unpolitisch war. Sie haben auch nicht gesagt – ich habe es jedenfalls nicht gelesen –, dass es andere Berichte gibt. Wenn Herr Henkel dann auch noch berechtigterweise fordert, dass dieses Parlament die Regierung nicht „wohlfeil unterstützen, sondern kontrollieren“ soll, sage ich: Bravo, das hätten Sie auch machen können, Frau Klotz.

Wir haben z. B. seit zwei Wochen einen Bericht als Mitteilung – zur Kenntnisnahme – auf dem Tisch, bei dem es um Dienstreisen, das internationale Wirken des Senats und die Ergebnisse des Ausbaus der Beziehungen mit den baltischen Staaten geht. Keine einzige Fraktion außer den Regierungsfraktionen haben diese Mitteilung zur Kenntnis genommen. Es waren die Fraktionen von SPD und PDS, die gesagt haben: Wir wollen wissen, was die Reisen gebracht haben. Nun liegen fünf Seiten ganz realer Ergebnisse vor, die wir im Ausschuss besprochen haben.

Sie sagen: Ist doch okay. Doch wer hier Kontrolle eingefordert hat, muss auch Kontrolle wahrnehmen. Die Möglichkeiten hätten Sie gehabt. Die haben Sie aber auch an der Stelle nicht genutzt.

sequent weiter, denn Städtepartnerschaften lassen sich nicht zwischen Aktendeckeln festklopfen. Sie leben von der menschlichen Begegnung. Da sind Sie auf dem besten Weg. Machen Sie weiter so zum Wohle unserer Stadt!

Danke schön, Frau Kollegin Michels. – Frau Klotz bittet um eine Kurzintervention und hat dazu das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Michels! Das „Nachplappern“ weise ich zurück. Ich habe nichts nachgeplappert und finde diese Unterstellung eine Unverschämtheit.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Zum zweiten sage ich Ihnen: Auch wir haben geglaubt, als wir das Reisetagebuch in den ersten zwei Tagen in der „Bild-Zeitung“ gelesen haben, dies sei eine Glosse, und wollten es nicht glauben, dass es autorisiert ist. Es kam ja noch viel schöner: Als in der „Berliner Zeitung“ eine Berichterstattung enthalten war, die eine Glosse war, war diese Zeitung damit konfrontiert, dass die Leserinnen und Leser dachten, das sei echt, und die Zeitung musste das dann richtig stellen.

[Heiterkeit bei der CDU]

Das zeigt doch, was die Reflektion des Regierenden Bürgermeisters in der „Bild-Zeitung“ zur Folge hatte. Ich sage Ihnen ehrlich: Ich fand die Sprache in diesem Reisetagebuch „gaga“ – das ist durch den Vortrag von Herrn Hahn, den ich mir hätte sparen können nochmals deutlich geworden. Ich bin dagegen gewesen, diese Debatte heute hier zu führen, da ich befürchtete, dass sie genau so geführt würde, wie dies geschehen ist –. Die Sprache in diesem Tagebuch war einfach „gaga“, anders kann man das nicht bezeichnen. Ich habe nicht gesagt, die Reise war unpolitisch, aber: Was in dem Tagebuch berichtet wurde, war von vorne bis hinten unpolitisch, unpolitisch bis zum Gehtnichtmehr.

Befragt, ob ich mich erinnere, dass es über Reisen des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen solche Debatten gab, habe ich gesagt: Ich kann mich an die eine oder andere Debatte über Dienstreisen von Eberhard Diepgen sehr wohl erinnern, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Mit Verlaub: So etwas habe ich noch nicht erlebt, und ich finde, es ist mein gutes Recht, das zu sagen, und das sollten Sie auch respektieren.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Danke schön, Frau Klotz! – Zur Entgegnung: Frau Michels!

[Dr. Lindner (FDP): Seid doch nicht so ernst!]

Ich weiß gar nicht, warum Sie so empfindlich sind.

[Heiterkeit – Dr. Lindner (FDP): Zwei Kampfhennen!]

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Ist doch okay!]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Herr Ratzmann von der Fraktion der Grünen hat nunmehr das Wort – bitte schön!

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Viel Spaß!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Debatte heute Abend anguckt, kann man nur von Glück sagen, dass wir sie nicht vor laufenden Fernsehkameras geführt haben.