Protokoll der Sitzung vom 07.11.2003

und auch nichts rechtswidrig ist. – Wenn Sie gesagt hätten – Sie waren ja auch als haushaltspolitischer Sprecher schon an einer Reihe von verfassungswidrigen Haushalten beteiligt –: „natürlich verfassungswidrig“, dann hätte das noch Sinn gehabt, aber zu sagen, dass sich dieser Haushalt natürlich im Rahmen der Verfassung bewege, das ist an Dreistigkeit und an Chuzpe kaum mehr zu überbieten gewesen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

[Hahn (FDP): Wiederholungstäter!]

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

[Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU]

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Wissen Sie, meine lieben Kollege der SPD und der PDS,

[Zuruf von der PDS: Bitte nicht!]

die Sie sich schon so sicher sind, dass Sie dem hier nicht zustimmen werden: Sie müssen sich das in aller Ruhe überdenken, dafür haben Sie am Wochenende Zeit, vielleicht das eine oder andere vorweihnachtliche Kerzchen anzuzünden und etwas besinnlich darüber nachzudenken, was denn Ihre Rolle in dieser ganzen Veranstaltung ist, ob Sie einen Rest von Selbstbewusstsein auch als Koalitionsparlamentarier haben oder ob Sie hier nur noch die Schlittenhunde der Macht sind, die Huskys von Herrn Wowereit und Herrn Sarrazin.

Herr Liebich, da können Sie Ihren Kopf schütteln wie Sie wollen, Sie müssen erst einmal einen Leitgedanken entwickeln, identifizieren, wo die großen Kostenblöcke sind,

Nein, das haben Sie nicht gemacht! –, systematisch überlegen, wie Sie die einzelnen Dinge und in welchem Zeitraum beseitigen können.

Frau Spranger, Sie sollten sich Zwischenrufe ersparen! Sie haben im Hauptausschuss gesagt, dass das Urteil keinerlei Auswirkungen für die Etatberatungen 2004/05 hat.

Das Urteil bezieht sich auf den Doppelhaushalt 2002/2003 und kritisiert das Fehlen einer Begründung. Das wird dem jetzt vorgelegten und in der Beratung befindlichen Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2004/2005 so nicht vorgeworfen werden können.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen – Gelächter bei der SPD – Pewestorff (PDS): Jetzt reicht es aber!]

Das müssen Sie sich schon überlegen, wie Sie hier degradiert wurden, mit dem Nasenring durch die Arena gezogen wurden.

[Pewestorff (PDS): Abgeordnete als Hunde zu bezeichnen ist ja der Gipfel!]

Man hat Ihnen von Ihren höchsten Vertretern zugemutet, einen Verfassungsbruch zu begehen. Da sollten Sie sich schon überlegen, ob Sie dieses Spiel weitermachen wollen oder nicht,

[Unruhe]

auch der Kollege Lorenz. Es ist schon etwas anders als solche Donnerstagskreiszettelchen hier auszuteilen, sich einmal zu überlegen, was für ein Selbstbewusstsein man hier als Parlamentarier haben muss.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Kommen wir zum Urteil.

[RBm Wowereit: Jetzt verkündet er das Urteil!]

Das Land, sagt das Verfassungsgericht, darf sich auf die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts berufen, aber dann muss es das präzise darstellen. Das ist der entscheidende Punkt. Sie hatten eine verfassungsmäßige Alternative. Das steht nämlich auch drin. Es war gar nicht so, dass Sie alternativlos waren. Sie hätten die Chance gehabt, sauber darzustellen, sauber zu begründen, Punkt für Punkt darzustellen, wo bundesgesetzliche Verpflichtungen bestehen oder – alternativ – wo Sie Maßnahmen ergreifen und wie Sie sie ergreifen, um die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beseitigen oder aber, wie Sie die extreme Haushaltsnotlage beseitigen möchten – ein bisher in der Verfassung nicht geregelter Tatbestand. Sie hätten die Chance gehabt. Was Sie jedoch gemacht haben, war Schlampigkeit. Ich erspare es mir, hier das Zitat zu wiederholen mit der bruchstückhaften Argumentationskette, die das Gericht sich nicht selbst zusammensetzen wollte. Sie hatten die Gelegenheit, sauber zu arbeiten.

Zum Zweiten hatten Sie die Gelegenheit – und haben sie immer noch theoretisch –, einen Sanierungsplan vorzulegen.

[Dr. Flemming (SPD): Wir haben einen!]

Herr Sarrazin, wenn Sie mir im Hauptausschuss erklären, ich müsse nur ein wenig lesen und Ihren Finanzplan bis 2006 hochheben

[Zurufe von der SPD und der PDS: 2007!]

2007, ja. –

[Doering (PDS): Sie haben wirklich nicht gelesen!]

Sie haben immer noch nicht begriffen, was ein Sanierungsplan ist, wie ein Sanierungsplan aufgebaut sein muss. Das ist etwas anderes als das Aneinanderreihen von bunten Bildern und Zahlenkolonnen.

[Liebich (PDS): Sie hätten es einmal lesen müssen!]

[Liebich (PDS): Alles gemacht, Sie müssen reingucken!]

[Zuruf der Frau Abg. Spranger (SPD)]

[Gelächter bei der CDU]

Ich zitiere das einmal:

Für Sie kann es jetzt einfach weitergehen.

[Frau Spranger (SPD): Lesen Sie weiter!]

Sie müssen sich in Ruhe überlegen, wie ein Sanierungsplan aussieht. Wir werden Ihnen dazu gleich dezidiert Vorschläge machen, wie man das Land Berlin sanieren kann.

[Ah! von der PDS – Zuruf von der SPD: Raus mit dem Knüppel, Herr Lindner!– Doering (PDS): Wo ist denn nun Ihr Sanierungsplan, Herr Lindner?]

Ich komme jetzt zu den einzelnen Anträgen. Die Enquete-Kommissions-Idee der CDU halten wir zumindest für überlegens- und unterstützenswert, unter der Maßgabe, Herr Kollege Zimmer – wir haben es auch schon erörtert –, dass ein klarer Zeitrahmen fixiert wird und dass einzelne Elemente hinreichend konkretisiert werden. Es ist beispielsweise zur Erstellung des Sanierungsplans dringend erforderlich, gemeinsam mit der Wirtschaft, dem BDI, mit einzelnen Unternehmen, aber auch mit ausländischen potentiellen Investoren zu überlegen,

[Liebich (PDS): Seit wann machen denn Unternehmen den Haushaltsplan?]

was für einzelne Unternehmen relevant ist, um eine Standortentscheidung zu Gunsten Berlins zu treffen oder nicht. Es muss, Herr Wolf, auch die Zeit geben, dass man über Ad-hoc-Förderung und Einzelsubventionen, die vielleicht im Einzelfall – das sehe ich anders als mein Hamburger Kollege – durchaus zum Wohle des Landes Berlin sein können, hinaus geht. Es muss ein sauberer, ordnungspolitischer Rahmen geschaffen werden, damit

Der zweite große Kostenblock ist Soziales. Damit meine ich nicht nur die unmittelbaren Transferleistungen nach Bundessozialhilfegesetz, sondern alles, was in diesem Rahmen mit dazu gehört, das sich ergibt aus der wirtschaftlichen Schwäche Berlins. Das sind alle Mindereinnahmen beispielsweise in den Kindertagesstätten auf

Grund der enormen Anzahl von Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen.

Das dritte sind die Zinsen im Land Berlin. Das ist der einfachste Bereich, hier gehen Sie nach Karlsruhe, das ist richtig und vernünftig. Dieses Problem ist auch gar nicht anders lösbar, als hier die Solidarität der anderen Bundesländer einzufordern. Aber die anderen beiden Blöcke, das Primärdefizit zu schließen, das ist Aufgabe des Landes Berlin. Dafür können Sie nicht den Bund und die anderen Länder heranziehen, dieser Aufgabe muss man sich selbst stellen.

Im Bereich Verwaltung haben wir bislang keinerlei vernünftige Ansätze, um das Problem langfristig zu lösen. Wir haben doch – in dieser Frage sind wir in der Opposition unterschiedlicher Auffassung – zu Ihnen gestanden, als Sie den Austritt aus den Arbeitgeberverbänden beschlossen haben, wir haben Sie unterstützt, als Sie für eine begrenzte Zeit die Minderung der Gehälter und Bezüge wollten. Aber das ist keine langfristige Lösung des Problems. Langfristig bekommen Sie die Sache nur in den Griff, wenn Sie in einem Dreiklang Verwaltungsreform, Deregulierung und Stellenabbau betreiben. Anders ist es nicht lösbar.

Im Sozialbereich gibt es in einem gewissen Umfang Ausstattungsvorsprünge. Dazu haben wir Ihnen bereits konkrete Vorschläge gemacht, bis hin zur Öffnungsklausel Wohngeld, wie man die Ausstattungsvorsprünge absenkt.

Unternehmen nicht nur bruchstückhaft oder vereinzelt nach Berlin ziehen,