Und ich kann noch, anders offenbar als die SPD-Fraktion, vorliegende Anträge lesen. Diese Fähigkeit habe ich mir erhalten. Die 98 Millionen Euro stehen völlig in den Sternen – das wissen Sie auch, Herr Hoff – als Einsparsumme. Sie haben gestern der Presse gegenüber gesagt, im Jahr 2030 wäre es so weit. Im Jahr 2030 werden Sie immer noch kein Staatssekretär sein, aber das Universitätsklinikum wäre dann bereits seit 25 Jahren platt. Und das darf nicht geschehen, das wollen wir verhindern.
Sie kamen aus Schwerin zurück mit diesem wirklich merkwürdigen Dokument, das uns heute als Antrag vorliegt. Da wird zunächst mal das Hohe Lied der Universitätsmedizin, des Forschungs- und des Wissenschaftsstandorts gesungen; beeindruckend – flöt, flöt. So weit kennt man das. Aber dann kommt die Wowereit-Passage. Man kann ihm ja alles vorwerfen, man muss ihm vieles vorwerfen, nicht, dass er nicht unverblümt das ausspricht, was er meint und was er will. Und diese Passage lautet: „Hierzu soll die Medizinische Fakultät der Freien Universität aufgegeben werden.“ Ihre Logik zur Hochschulmedizin lautet nicht anders als: Wir müssen sie sichern, indem wir sie aufgeben. Mich erinnert das – sorry – assoziativ an die Logik der US
Militärs im Vietnamkrieg mit dem sprichwörtlichen Satz: Wir mussten das Dorf zerstören, um es zu retten. Mich erinnert das auch assoziativ an die Auseinandersetzung um das SchillerTheater, als gesagt wurde: Wir müssen das Schiller-Theater schließen, um die Theaterlandschaft zu retten. Was ist denn dann gekommen? Ein Theater nach dem anderen wurde geschlossen. Es glaubt Ihnen doch niemand, dass Sie hier retten wollen. Sie wollen liquidieren, das liegt auf dem Tisch. Halten Sie die Bürgerinnen und Bürger nicht für so dumm, dass sie dies nicht merken und verstehen!
Und dann gibt es auch in dieser Resolution, die uns heute vorliegt, eine Klaus-und-Klaus-Passage sozusagen, die Böger-Benneter-Passage. Da wird dann gesagt: Na, eine Expertenkommission in Abstimmung mit dem Wissenschaftsrat, die sollen nun die Alternativen bringen;
wörtlich: „Soweit Alternativen zur Aufgabe der Uniklinik aufgezeigt werden, die zu effektiveren Strukturen führen können, werden diese mit einbezogen.“ Ein wahrlich verquaster Satz, Herr Kollege Böger. Er heißt doch übersetzt in Wowereit-Deutsch: Die Hochschulszene soll ein wenig strampeln, die Sparsumme bringt sie sowieso nicht auf, und dann schließe ich. – Das ist gemeint mit dieser Resolution. Warum wird es nicht so offen und ehrlich gesagt? Die Experten, die Sie wollen – das hat der FU-Präsident klipp und klar ausgeführt –, haben nur die Funktion, die Beerdigungsfeier zu gestalten. Da sagen sie „Nein, danke!“ – dazu sind sie sich zu schade.
Herr Kollege Benneter, damit werden Sie nicht durchkommen. Hier ist ernsthaft gefordert worden, dass Sie Nein sagen. Hier ist nicht gefordert, dass Sie schwammige Formulierungen machen und auf Parteitagen halbherzig Widerstand fordern. Klaus Böger hat es in einem Zeitungsinterview klipp und klar gesagt:
Wir stehen in der Aufklärungspflicht. Es muss geklärt werden: Wie viele Professoren werden abgängig sein? Was wird aus dem Personal? Kommen Rückzahlungsforderungen vom Bund?
Das muss in der Tat geklärt werden – aber bevor ich sage, dass ich das Klinikum schließe. Die Rechnung muss vorher aufgemacht werden.
Man kann nicht erst sagen „Ich schließe!“ und dann bringe ich eine Art Widerrufsvorbehalt. Sollten wider Erwarten die Hochschulen selbst die völlig aus den Wolken gegriffene Sparsumme erbringen, dann verzichten wir möglicherweise auf die Schließung. Noch nicht einmal das steht in Ihrem Entschließungsentwurf. Hier steht drin: Wir schließen, lassen aber über Alternativen mit uns reden – wie auch immer die aussehen. – Das ist 1. ein Täuschungsmanöver und 2. gar nicht als ergebnisoffener Diskussionsprozess angelegt – trotz Ihrer Reden, die Sie hier gehalten habe.
Herr Gaebler, es geht nicht um irgendwelche Steglitzer Kirchturmspolitik. Es befremdet, dass gerade die Lokalheroen Böger und Benneter die Wortführer des Nein-Flügels sind. Es geht nicht um Steglitz, nicht um Bezirke. Es geht um Berlin als Ort für Wissenschaft und Forschung. Es geht schlicht und ergreifend um die Zukunft dieser Stadt.
[Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Gaebler (SPD): Was machen wir stattdessen?]
Wir haben in unserem Antrag etwas vorgeschlagen. Wir können auf das zurückgreifen, was vorigen Sommer gewesen ist. Wir haben mitregiert. Da war es auch der Regierende Bürgermeister, der die Idee hatte, damals noch 180 Millionen DM bei der Hochschulmedizin zu sparen. Es ist mit großen Schwierigkeiten gelungen, sowohl die Hochschulpräsidenten als auch den Regierenden Bürgermeister dazu zu bringen, die Hochschulverträge abzuschließen. Da war schon eine Sparsumme für die
Hochschulmedizin vorgesehen. Da war auch die Expertenkommission zur Umstrukturierung vorgesehen. Es war eine richtige Weichenstellung. Dabei hätten Sie nur bleiben müssen.
Selbstverständlich! Wo ist denn hier bisher die Rolle des Wissenschafts- oder Wirtschaftssenators? Es geht hierbei auch um wirtschaftliche Fragen. Das weiß man. Hier sieht man nichts. Sie spielen die Rolle des Schoßhündchens des Regierenden Bürgermeisters. Mehr ist von der PDS bisher nicht gekommen. Das ist wahrlich wenig.
Sie haben der Stadt noch zusätzlich diese Ost-West-Debatte beschert – zu allem Überfluss. Herr Motzkus erklärt heute schon, was er immer gesagt hat, hat Oberwasser und sagt: Platt machen! – Er wollte die Konkurrenz schon immer los sein. Andere erklären: Die Besten nehmen wir an der Charite´ auf. – Das ist der Spaltpilz, der von diesem Senat durch diese Debatte in die Stadt getragen wurde. Wir können nur hoffen, dass sich die Vernunft der Universitätspräsidenten durchsetzt, die sagen: Wir wollen in dieser Fragen solidarisch sein. – Aber Sie versündigen sich. [Beifall bei den Grünen und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]
Ich gebe zu, dass ich vielleicht naiv bin und von einem neuen Senat – wie wir ihn in dieser Stadt noch nicht hatten, nämlich mit zwei Parteien, die sich dem Sozialen besonders verpflichtet fühlen – erwarte, dass man mal was zur Lage der Patienten und der Beschäftigten an diesem Universitätsklinikum sagt. Alle Rechenkunststücke hin oder her: Durch den Verlust des Status als Uniklinik gehen die Drittmittel verloren, die im Moment ca. 550 Arbeitsplätze in Steglitz finanzieren. Wahrscheinlich würden bis zu 2000 folgen, wenn die Privatisierung noch käme. Davon geht man aus. Man wird wohl mal sagen müssen, dass man Menschen, die großenteils aufopferungsvolle Arbeit am Krankenbett leisten und rund um die Uhr einsatzbereit und konzentriert arbeiten, nicht nur als Kostenfaktor behandeln kann – nach dem Motto: Je lauter er quietscht, desto richtiger ist meine Politik. – Diese wowereitsche Formel ist zynisch gegenüber den Beschäftigten.
Aber es war die Parteitagslogik. Das haben alle vernommen. Die Parteitagslogik: Je mehr protestiert wird, desto richtiger ist unsere Politik. Nach dieser Formel hätte man in den letzten Jahren in Argentinien am besten regiert.
Nichts wissen, niemand fragen, nicht zuhören aber knallhart entscheiden. So lief der Meinungsbildungsprozess in der Spitze der rotroten Koalition bislang ab. Selten hat sich die Arroganz der Macht so unverfroren gezeigt.
Dabei ist der Umgang mit dem Universitätsklinikum Benjamin Franklin nur symptomatisch für die Art und Weise, wie dieser Senat offenbar insgesamt mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst umspringen will. Diese Woche war dafür ein prägnantes Beispiel. Von der Idee des Solidarpakts – einer guten Idee, die wir gerne retten würden – ist nur noch das Diktat übrig geblieben, ist nur noch ein Vorzeigen von Folterwerkzeugen übrig geblieben – bis hin zu so absurden Ideen wie die, die Altersgrenze für Lehrer auf 68 Jahre hoch zu schrauben. Da sage ich mal mit der FDP: Warum nicht gleich ehrgeizig sein und 70 oder 75 sagen? Warum denn nicht?
Jeder weiß, dass es heute schwierig ist, an den Schulen länger als bis 58 zu arbeiten. – Aber Folterwerkzeuge werden erst einmal gezeigt.
Dann lädt man die Gewerkschaften eine halbe Stunde vor Fristende ein. Sie kommen nicht. Es erscheint der Chef des Beamtenbundes. Der trifft noch nicht einmal den Regierenden Bürgermeister, und sein Kommentar ist kurz, bündig, schlüssig: Eine Riesensauerei. – Das hat er gesagt, und da hat er Recht.
Man kann Beschäftigte nicht zum Befehlsempfang antreten lassen. Man kann nicht denken – die Diskussion wurde auch lange diskutiert, als wir nicht Rotgrün hatten –, dass man immer nur mit Drohungen, indem man auflistet – zum Teil völlig irreal, da man das Repertoire gar nicht hat –, was man alles wegnehmen kann, wie man Arbeitszeiten verlängern kann – alles, was im Köcher ist –, erreichen kann, dass das Gegenüber mitmacht, Ja sagt und einwilligt. Das tun sie nicht. Das ist verständlich. Und die gute Idee wir zu Schanden geritten.
Ein Wort zum Finanzsenator, den man auch einmal erwähnen sollte: Man sollte ihn nicht – wie aus Versehen Friedrich Moll – Tilo Stöhr nennen, denn Tilo Stöhr ist ein Werbe- und Kommunikationstalent.
Klaus Wowereit und Herr Sarrazin – da haben sich offenbar zwei Brüder im Geiste gefunden: beratungsresistent und etwas kommunikationsgestört.
Ich zitiere Herrn Sarrazin: Als Finanzsenator muss man Einzelkämpfer sein. – Das lässt er uns per Interview wissen. Natürlich erklärt er, es müsse in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur gespart werden. Überall muss gespart werden. Bei den Koalitionsvereinbarungen war er nicht dabei. Das erleichtert, sie zu Makulatur zu erklären.
Wahlkampfversprechen sind offenbar nur dazu da, gebrochen zu werden – auch und gerade die der PDS. Ich habe noch im Ohr wie Gregor Gysi noch im Juli auf die Aussage, angesichts der schweren Finanzsituation, sei es nicht möglich, bei der Bildung noch etwas finanziell draufzusatteln, reagierte: Ja, doch, das muss man trotz der schweren Finanzsituation tun. – So kurz ist das her. Hier ist alles vergessen. Man setzt sich darüber hinweg. Das Motto des Duos Sarrazin-Wowereit – ich bleibe in der Sprache der Werbung – ist offenbar: Wir können nicht gestalten. Wir haben keine Konzepte. Wir können nur billig.
Der eine will die Stadt zum Quietschen bringen – Klaus Wowereit –, und der andere will sie zum Jaulen bringen – Thilo Sarrazin. Auf dieses Konzert bin ich gespannt. Das wird Ihnen in den Ohren klingen, und wenigstens das ist dann auch gut so.
Vielen Dank, Herr Kollege Wieland! – Unser Gleichgewicht zwischen Hitze und Kühle ist, glaube ich, jetzt erreicht, und das Wort hat der Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Herr Dr. Flierl. – Bitte, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein technischer Hinweis: Ich habe mir erlaubt, die Antworten der Verwaltung auf Ihre Großen Anfragen auszuteilen. Ich will mich also einem zusammenhängenderen Text widmen.