Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

[Zuruf von der PDS: Zum Thema, bitte! – Dr. Lindner (FDP): Das Thema ist Versagen Ihres Senators, verstehen Sie?]

Bisher kennen wir da auch noch nichts.

An dem Studienkontenmodell, das schon im Haushalt eingepreist ist, ist nach meinen Informationen noch nicht mal angefangen worden, zu arbeiten.

Das sind alles Punkte, die eine Missbilligung rechtfertigen würden. Aber das, was in Ihrem Antrag vorgeworfen wird, findet unsere Unterstützung nicht. Es gibt – wie gesagt – genug Gründe dafür, einen Missbilligungsantrag zu unterstützen, aber nicht diesen, wie er hier gestellt ist. Deshalb werden wir uns bei dem Antrag enthalten.

[Beifall bei der FDP]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das Thema ist hier nicht „Der Senat und seine Staatssekretäre“, womit Sie eingeleitet haben. Das Thema ist auch nicht „Was uns sonst noch zu Herrn Flierl einfällt“, sondern wir haben einen Antrag mit einer Drucksachennummer und eine Begründung zu einem Antrag. Das ist der Inhalt der Missbilligung – so, wie es bei jeder anderen Missbilligung in diesem Haus bisher der Fall gewesen ist. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, mir in der Bibliothek die vergangenen Missbilligungen anzuschauen – einfach, um noch einmal die Themen Revue passieren zu lassen. Wenn man sich ansieht, welches Thema hier mit welcher Begründung für eine Missbilligung gewählt wurde, merkt man, was mittlerweile in diesem Haus bereits als Missbilligungsgrund zu werten ist. Ich finde, das ist ein Abfall in der Qualität der Oppositionsarbeit. Das ist ein Problem, wenn man mal darüber nachdenkt, dass jede Fraktion in diesem Haus möglicherweise irgendwann einmal in der Opposition sein kann. Dann will man auch, solange man an der Regierung ist, dass die Opposition hier nicht jede Form von Oppositionsarbeit delegitimiert.

[Gram (CDU): Sehr vorausschauend, Herr Hoff!]

Insofern sage ich es gleich am Anfang: Wir werden dem Antrag hier nicht zustimmen – nicht, weil wir finden, dass Missbilligungsanträge Klamauk seien. Sie sind das absolute Recht jeder Oppositionsfraktion. Wir stimmen auch nicht dagegen, weil es der ungeschriebene Grundsatz ist, dass eine Regierungskoalition Ihre Senatoren immer noch selbst missbilligt, sondern dieser Antrag ist von seiner Begründung her einfach nicht zustimmungsfähig.

Ich beziehe mich hier auf den Kollegen Flemming und spare damit auch ein wenig Zeit, weil er das Protokoll der Plenarsitzung bereits ausführlich zitiert hat. Es ist aus meiner Sicht nicht zu viel verlangt, Herr Goetze, wenn Sie, anstatt bei einer Kurzintervention zu Herrn Flemming zu irgendetwas zu reden, einfach sagen: Wir haben in der Begründung unseres Missbilligungsantrags bewusst oder unbewusst die Unwahrheit in zwei Punkten gesagt, und dafür entschuldigen wir uns und ziehen entweder den Antrag zurück oder wir schreiben bis zur nächsten Plenarsitzung einen Antrag mit einer besseren Begründung.

[Unruhe]

Hier aber zu versuchen, einen Antrag zu begründen – ich versuche nur, der Opposition eine Hilfestellung zu geben –,

[Rabbach (CDU): Ach Gottchen! – Beifall bei der PDS und der SPD]

der inhaltlich offensichtlich in zwei Punkten die Unwahrheit sagt, ist ein politisches Problem. Es hat nämlich in der genannten Plenarsitzung weder von Frau Grütters, noch von einem anderen Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses die Frage gegeben, ob staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Herrn Professor Krausz die Ursachen seines verspäteten Amtsantritts seien.

[Rabbach (CDU): Oberlehrer!]

Darüber hinaus hat der Senat und insbesondere der Senator zu keinem Zeitpunkt von privaten Gründen gesprochen, die ausschlaggebend für diesen verspäteten Amtsantritt seien. Im Gegenteil: Der Senator hat in der von Herrn Schmidt bereits zitierten jüngsten Sitzung des Wissenschaftsausschusses noch einmal erläuternd ausgeführt:

Ich frage mich auch, Frau Paus, welches Rechtsverständnis Sie zu der Auffassung bringt, ich hätte dem Parlament am vergangenen Donnerstag die Gründe offen legen müssen, warum Herr Krausz nicht zum 1. Oktober ernannt worden ist. Hierfür waren zwei Gründe maßgebend: Erstens weil es bis zu diesem Zeitpunkt im Interesse der Hamburger Staatsanwaltschaft war, die Ermittlungen nicht öffentlich zu machen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu veröffentlichen und dadurch zu beeinflussen. Und zweitens, weil in der Abwägung das Rechtsgut der Fürsorge gegenüber Herrn Krausz und des Schutzes seiner Persönlichkeit höher zu bewerten ist als das Informationsbedürfnis des Parlaments zu jenem Zeitpunkt, zumal in einer Angelegenheit wie dieser, nämlich der Ernennung von Staatssekretären, die dem Senat obliegt und nicht dem Parlament, zumal im Falle eines Kandidaten, nicht eines Staatssekretärs im Amt. Meine Bemerkung, dass Herr Krausz aus persönlichen Gründen sein Amt nicht angetreten habe, ist zweifellos nicht erschöpfend, aber keineswegs falsch. Denn es sind allein die Gründe, die in der derzeitigen persönlichen Situation von Herrn Krausz liegen, keine Gründe, die

in Berlin liegen oder die mit dem Amt zu tun haben, das er hier antreten soll. Ich habe absichtlich nicht gesagt „aus privaten Gründen“. Dies können Sie im Protokoll nachlesen, und dass „persönlich“ im Zusammenhang mit der Ernennung von Herrn Krausz zum Staatssekretär Sachverhalte einschließt, die sich aus seiner beruflichen Tätigkeit ergeben, dürfte einsichtig sein.

Insofern hat der Wissenschaftssenator – die Begründung des CDU-Antrags zu Grunde legend – hier vollkommen korrekt gehandelt. Er hat eine Güterabwägung zwischen dem Informationsrecht des Parlaments auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf der anderen Seite vorgenommen.

Ich könnte jetzt – wenn es die Zeit noch hergäbe – die entsprechenden Kriterien aus dem Bundesdatenschutzgesetz zitieren.

[Rabbach (CDU): Nee!]

Aber ich denke, Sie können sich diese selbst anschauen. Das ist § 28 Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz. Insbesondere der Rechtsausschussvorsitzende, der besonders laut krakeelt, sollte sich diese Vorschrift anschauen und zur Grundlage seiner Abstimmung machen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Allein die dort genannten Aspekte reichen aus, um das Verhalten des Wissenschaftssenators ausreichend zu begründen.

Trotz der weichgespülten Begründung von Herrn Goetze mit Blick auf die vergangenen Tage komme ich zu dem abschließenden Aspekt: Die Grünen in Berlin haben bislang schwarz-grüne Bündnisse verschämt mit der bürgerrechtlichen Differenz zwischen CDU und Grünen abgelehnt. Diese Scham scheint die wissenschaftspolitische Sprecherin mittlerweile verloren zu haben. CDU und Grüne haben dem Sinn nach gesagt: Selbst wenn sich die Unschuld von Herrn Krausz herausstellen sollte – Herr Goetze hat das heute noch einmal wiederholt –, selbst wenn die Ermittlungen eingestellt werden, weil sich die Vorwürfe als unbegründet erweisen, bleibe ein Rest an Misstrauen hängen. Herr Krausz sei verbrannt und deshalb nicht geeignet für das Amt.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Wer hat das gesagt?]

Das ist ein wirklich starkes Stück, gerade bei den Grünen, die ihre Stiftung ja nach Heinrich Böll benannt haben. Aus diesem Grund empfehle ich den Antragstellern von der CDU – und auch den Grünen –, von Heinrich Böll „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ zu lesen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion der Grünen hat das Wort Frau Abgeordnete Paus!

Sie haben in der letzten Plenarsitzung wissentlich die Öffentlichkeit in die Irre geleitet. Ich verstehe zwar und akzeptiere, dass Sie in öffentlicher Sitzung nicht über laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sprechen wollen. Dann hätten Sie aber bei Ihrer Aussage bleiben müssen, dass Sie über Personalangelegenheiten öffentlich keine Auskunft geben. Sie hätten auch noch sagen können, dass Sie zu Herrn Krausz aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nichts sagen.

Ihre Aussage aber, es seien ausschließlich persönliche Gründe, die Sie respektieren – ich gehe davon aus, dass Sie staatsanwaltschaftliche Ermittlungen respektieren –, hat bewusst etwas anderes suggeriert. Das war eine bewusste Irreleitung der Öffentlichkeit. Daran ändert auch Ihre nachgeschobene Sophisterei im Wissenschaftsausschuss nichts, wo Sie zwischen „persönlich“ und „privat“ unterschieden wissen wollten.

Außerdem – darauf hat Herr Goetze zu Recht hingewiesen – hat Ihre Erklärung im Wissenschaftsausschuss auch noch eher neue Fragen aufgeworfen als die Sachlage erhellt. Da erklären Sie nämlich am 3. November in der „Berliner Morgenpost“ – so wurden Sie zumindest zitiert –:

[Czaja (CDU): Der Hoff ist so ein Schlaumeier! – Doering (PDS): Das ist ja offensichtlich auch notwendig!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden dem Missbilligungsantrag der CDU zustimmen,

[Beifall bei der CDU – Gaebler (SPD): Das haben wir uns gedacht!]

wiewohl wir ausdrücklich der Begründung der CDU zu diesem Antrag definitiv nicht folgen können. Herr Goetze, Sie haben zwar heute noch versucht, etwas zu korrigieren, aber es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die hier zu Recht angemerkt worden sind,

[Unruhe]

sowohl von der FDP als auch von der SPD und der PDS. Wir stimmen Ihrer Begründung nicht zu, nicht nur weil Frau Grütters oder Herr Zimmer oder wer auch immer sich prophetischer geben, als sie tatsächlich waren – von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen haben sie zum nämlichen Zeitpunkt ihrer Frage noch nichts gewusst –, sondern auch definitiv, weil wir Ihre Auffassung eben nicht teilen, dass, selbst wenn Krausz unschuldig sei, ein Restmisstrauen hängen bleibe und Krausz damit politisch beschädigt und als Staatssekretär nicht haltbar sei.

[Hoff (PDS): Sie haben dem zugestimmt!]

So wurde jedenfalls Frau Grütters in der „Berliner Morgenpost“ vom 4. November zitiert. Davon distanzieren wir uns ausdrücklich.

[Hoff (PDS): Ach, jetzt!]

Entschuldigung, Frau Grütters, aber die Unschuldsvermutung ist ein hohes Gut, die durch die Einstellung der Ermittlungen bestätigte Unschuld zumal. Es kann deshalb überhaupt nicht die Frage sein, ob Herr Krausz, wenn die Ermittlungen eingestellt werden, dadurch in seiner Geeignetheit als Person für das Amt eines Staatssekretärs irgendwie beeinträchtigt ist. Das, Herr Hoff, habe ich im Übrigen auch durchgängig so vertreten. Sie werden von mir keine einzige Äußerung finden, wo ich je etwas anderes behauptet habe.

[Beifall bei den Grünen]

Deswegen haben Sie hier falsche Behauptungen aufgestellt und nicht ich.

[Unruhe – Brauer (PDS): Das ist das Sankt-Florians-Prinzip!]

Deswegen verwahre ich mich auch gegen diese – von Ihnen hier noch einmal zitierten, aber nicht von mir stammenden Worte – falschen Anschuldigungen gegen meine Person durch Sie, Herr Flierl. Das müssen Sie mit Ihrem Gewissen vereinbaren. Ich finde sie nicht nur unredlich, sondern unter diesen Umständen auch infam.

[Beifall bei den Grünen und der CDU – [Pewestorff (PDS): Das ist ja eine Personalfehde!]

Hier in Rede steht aus unserer Sicht allein das Verhalten von Ihnen, Herr Flierl, und Ihr Umgang mit der Personalie Krausz, und der ist zu missbilligen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]