Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Was bedeutet die Formulierung, die Häuser bleiben künstlerisch eigenständig? Im Gesetz ist die Rede von einem Generaldirektor, so wird er dort höflich genannt – in Wirklichkeit ist es ein Generalintendant, der in der großen Intendanz die Stiftung leiten wird, oder der Wegbereiter der bevorstehenden Fusion werden wird – eine sehr schöne Aufgabe, die er damit innehat. Dieser Generalintendant hat bei allen Entscheidungen das letzte Wort – nur bei den künstlerischen nicht. Gibt es eine künstlerische Entscheidung, die nicht zugleich eine wirtschaftliche Entscheidung ist? Jede Entscheidung hat natürlich Auswirkungen auf Kosten oder Einnahmen und ist damit zwangsläufig eine wirtschaftliche Entscheidung, und insofern wird der Generaldirektor natürlich bei all seinen Entscheidungen von seinem Vetorecht Gebrauch machen können.

Das wird er voraussichtlich nicht ganz alleine tun; auch er wird einen Teil Verwaltung und Bürokratie brauchen. Wir schaffen eine kleine Insel mit einem neuen Personal und unendlich vielen Abstimmungsprozessen. Die drei Intendanten der drei Opern tun mir jetzt schon Leid, denn sie werden lange zusammensitzen, über Wirtschaftspläne verhandeln und Spielpläne abstimmen müssen – vielleicht sollten sie sich ein Photo von ihrem Haus mitnehmen, das werden sie kaum noch von innen sehen.

Als besonderer Vorteil Ihrer Lösung wird die Staatsferne gepriesen. Im Stiftungsrat sitzt der Kultursenator und der Finanzsenator. Die weiteren Mitglieder im Stiftungsrat werden vom Senat bestimmt. Das ist eine Staatsferne, der ich nicht folgen kann. Entweder geht das ganz und gar ohne Staat, oder das Parlament und das Abgeordnetenhaus hat zumindest einen Einfluss und kann die weiteren Mitglieder des Stiftungsrates mitbenennen.

[Beifall bei der FDP]

Schauen wir uns noch einmal die haushaltspolitische Seite an – auch hier sind noch viele Fragen ungeklärt. Es ist immer noch nicht klar, wie die Deutsche Oper und die Komische Oper entschuldet werden sollen, wenn die Stiftung zum 1. Januar 2004 ihre Arbeit beginnen soll. Genauso unklar ist, wie das Geld für den Abfindungsfonds für die Kürzungen beim Personal ausreichen soll. Es wird uns schwerlich gelingen, das Geld, das der Bund dafür zur Verfügung stellen möchte, zwei Mal auszugeben – einmal für die Abfindung von Personal, einmal für die Entschuldung der beiden Opern.

[Beifall bei der FDP]

Jedes Haus muss seinen Wirtschaftsplan nicht mehr mit seinem so genannten befreundeten Mitbewerber absprechen, und das Problem der Querfinanzierung wird erst gar nicht aufkommen.

Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Berlin, das wir ja wollen und das auch in großem Umfang existiert, ist dann viel leichter zu handhaben. Der Bürger möchte doch sein Geld nicht unbedingt einer Stiftung geben, bei der nicht klar ist, bei welchem Haus es ankommt. Vielmehr möchte er sich für ein spezielles Haus engagieren, das er schon seit Jahren besucht.

Wir möchten drei einzelne Stiftungen gründen mit drei einzelnen gemeinnützigen Aktiengesellschaften, die ein Arbeiten frei von Zwängen der öffentlichen Verwaltung ermöglichen. Wir möchten die Opernleitungen dazu

Momentan – das gebe ich gerne zu – kann niemand die Situation nach dem Verfassungsgerichtsurteil richtig einschätzen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die Richter in die Politik hineinregieren und uns vorschreiben wollen, was geht und was nicht.

Ich denke, dass wir gute Chancen haben, eine qualifizierte Begründung vorzulegen, warum Kultur eine Staatsaufgabe ist und warum die kulturelle Vielfalt für Berlin von besonderer Bedeutung ist. In dieser Begründung darf es nicht nur um den Stellenwert der Kultur gehen, sondern es muss auch um die arbeitsmarkt- und konjunkturwirksamen Aspekte gehen. Auch die Opern erbringen ihren Konsolidierungsbeitrag von 16,8 Millionen € bis zum Jahr 2009 so wie der Kulturetat insgesamt.

verpflichten, ihre wirtschaftlichen Kennzahlen einzuhalten, und wir möchten sie danach auch bezahlen, da nur dann eine wirtschaftliche Verantwortung in den Häusern besteht. Natürlich möchten wir auch in den Bereichen, die ich bereits genannt habe, kooperieren und in den einzelnen Häusern mit Haustarifen arbeiten, die genau auf das jeweilige Haus zugeschnitten sind.

Ich bitte Sie, Herr Flierl, noch einmal unser Konzept zu prüfen. Überdenken Sie noch einmal, ob es nicht wirklich Alternativen geben könnte. Geben Sie den Opern diese Chance, und geben Sie der Stadt Berlin diese Chance. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr Frau Abgeordnete Lange das Wort. – Bitte schön, Frau Lange!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Erstaunen habe ich heute Morgen die dringlichen Änderungsanträge der Opposition zur Kenntnis genommen. Ich finde es erstaunlich, welch harter Konkurrenzkampf zwischen der Opposition deutlich wird – in allen Politikfeldern und nun auch noch in der Kulturpolitik. Von der Opernlandschaft zur Seifenoper, kann ich dazu nur sagen. Die Vorschläge gehen von mehreren Stiftungen, zwei, drei Stiftungen, mit AG darunter, aus, eine konzeptionelle Verbesserung des vorgelegten Opernkonzeptes kann ich darin nicht erkennen.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Brauer (PDS)]

Ganz verrückt ist es, die Idee aufzuwärmen, die Staatsoper dem Bund zu übergeben – jetzt, nachdem viele Monate um ein Modell gerungen wurde, das von allen getragen werden kann, finde ich es unseriös und populistisch, in der Öffentlichkeit zu vermitteln, der Bund könnte die Staatsoper übernehmen. Frau Weiß hat in harten Kämpfen mit Herrn Eichel darum gerungen, 22 Millionen € für die Opernstiftung zu erhalten. Die Staatsoper kostet 44 Millionen €, plus einer Summe x für den Sanierungsbedarf. Dieses Geld ist beim Bund schlicht und einfach nicht vorhanden, das muss auch die Opposition hier und im Bund zur Kenntnis nehmen.

[Beifall bei der SPD]

„Sammelsurium statt Systematik – Senat hat kein Konzept für die Hauptstadtkultur“ oder „Fällt die Kulturmetropole in ein Haushaltsloch“? Allein schon die Vorstellung ist grausig. Ein Haushaltsloch ist eine elende Behausung für eine Metropole.

Wie man sieht, hat Kassandra Konjunktur: Die Zahl der Schwarzmaler steigt täglich. Ist das Glas halb voll oder halb leer? Ist die Stadt am Ende? – Da fragen wir uns doch lieber, welche Stärken und welche Zukunftschancen unsere Stadt hat.

Wir haben nicht nur ein interessantes kulturelles Angebot, wir haben auch ausreichende und preiswerte Wohnungen,

gute Bildungsangebote und ausreichende Kitaplätze, die immer noch im Verhältnis zu anderen Kommunen bezahlbar sind. Berlin zählt zudem mit seiner Historie, seiner kulturellen Vielfalt und seiner geographischen Lage zu einer der interessantesten europäischen Hauptstädte.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Auf jeden Fall hat das Urteil eines bewirkt: Wir alle sind in der politischen Verantwortung. Darum sind auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, aufgefordert, mitzutun.

[Frau Ströver (Grüne): Das machen wir doch alle!]

Konfrontation bringt uns nichts.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist doch albern!]

Wir bieten die Zusammenarbeit an. Es wird keine Liebesheirat sein, die wir Ihnen anbieten. –

[Dr. Lindner (FDP): Schade!]

Das finde ich auch, aber es geht nicht anders, Herr Lindner! – Dass Sie als einzige Mitgift das Verfassungsurteil mitbringen, ist ein bisschen wenig für eine Liebesheirat, und so kann es nur eine Vernunftehe auf Zeit sein.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Nebenbei gesagt: Wir Kulturpolitikerinnen und -politiker haben es nicht so schwer, miteinander zu arbeiten, da wir in allen Fraktionen als Paradiesvögel gelten, sehr oft gegen Windmühlen kämpfen und gemeinsame Interessen haben. Also, meine Damen und Herren: Unser Angebot steht.

[Dr. Lindner (FDP): Sie müssen nur unserem Gesetzesänderungsvorschlag zustimmen!]

Das Motto ist: Alles bleibt anders. Karl Valentin hatte Recht, als er sagte: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. – Es hat viel Arbeit gemacht, unsere drei Opernhäuser in Berlin zu erhalten, und eines will ich an dieser Stelle sehr klar sagen: Berlin leistet sich nicht drei Opernhäuser, sondern Berlin hat drei Opernhäuser.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS – Ratzmann (Grüne): Wie lange noch?]

Trotz aller Kritik sollten wir uns freuen, dass die Stiftung endlich auf den Weg gebracht wurde. Die destruktive Debatte der letzten Jahre hat der Opernlandschaft in Berlin und damit der Kultur insgesamt geschadet. Jahrelang haben sich alle Kultursenatoren an der so genannten Bühnenstrukturreform versucht. Offensichtlich nicht ins Gelingen verliebt, ließen sie meterlange Studien ausarbeiten, unzählige Kommissionen zusammentreten und blieben immer erfolglos.

Kultur ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden. Kultur schafft Arbeitsplätze, und das gilt gerade für Berlin. Deshalb sollten wir dringend überlegen, wie Existenzgründung und Beschäftigungsprogramme auf die Belange und Bedingungen der Kulturwirtschaft zugeschnitten werden können. Unsere Kultureinrichtungen kosten nicht nur, sie erwirtschaften auch einiges. Kulturwirtschaft in Berlin, privat oder öffentlich, ist ein ökonomischer Schlüsselsektor.

Wir tragen die Verantwortung für dieses kulturelle historische Erbe, gemeinsam mit der Unterstützung des Bundes.

Dennoch kann nichts so bleiben, wie es ist. Das gilt nicht nur für die Opern, sondern auch für die Theater. Wir müssen die Weichen für die Zukunft stellen. Für die Beteiligten heißt das, dass sie sich auf veränderte Bedingungen einstellen müssen. Dies beinhaltet Kostensenkung durch Synergien und Einnahmesteigerungen durch entsprechende Marketingsteigerungen.

Durch die Stiftungsgründung sollen ökonomische und kulturelle Voraussetzungen für eine hochwertige und qualifizierte Profilbildung der Häuser geschaffen werden. Die Vorteile liegen in der Reduzierung der Aufgaben, vereinfachten Betriebsabläufen, einheitlichen Tarifverträgen und Zentralisierung von Serviceaufgaben.

Mit dieser Senatsvorlage stehen wir alle am Anfang eines langen Weges. Viele Fragen sind noch zu klären. Herr Senator Flierl, das Parlament erwartet von Ihnen noch ergänzende Informationen. Wir erwarten ein Modell, welches Quersubventionierungen ausschließt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

In den Wirtschaftsplänen muss für das Parlament schlüssig dargelegt werden, wie die geforderten Einsparungen umgesetzt werden. Wie werden zum Beispiel die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt, zum Beispiel in Fragen der betrieblichen Mitbestimmung oder der Personalrückkehrrechte? Wie sieht das Konzept für die Service GmbH aus? Wie werden die Werkstätten die geforderten Einsparungen erbringen?

Und wie sieht das künstlerische Konzept der Ballett GmbH aus? Die vorgesehenen 88 Tänzer/-innenstellen müssen zwei Häuser bespielen. Hier stellt sich die Frage, ob eine eigene Ballett GmbH überhaupt erforderlich ist und ob es nicht sinnvoll ist, das Ballett an ein Haus zu binden und mittels Kooperationsverträgen an die anderen Häuser zu verpflichten. Sehr geehrter Herr Senator, wir brauchen diese ergänzenden Unterlagen, um dem Parlament eine qualifizierte Beratung zu ermöglichen und Änderungsvorschläge einzubringen.

Um den Kritikern die Sorge zu nehmen, dass eine Stiftungsgründung auf ewig sein muss, sei darauf hingewiesen, dass extra im Gesetz festgeschrieben wurde, dass diese Stiftung per Gesetz aufgelöst werden kann, und auch der Stiftungszweck kann per Gesetz geändert werden. Ich finde es auch gut und richtig, dass in diesen Fällen das Parlament mitredet.

Wir haben in Berlin drei Opern. Dies ist ein Faktor, den wir international einsetzen müssen. Das bedeutet, weltweit für Besuch in unseren Opern zu werben. Für die Opernlandschaft heißt dies aber wiederum, jeden Tag in der Woche und das ganze Jahr hindurch muss eines der drei Häuser bespielt werden.

[Brauer (PDS): Genau!]

Von dieser Koalition wird diese längst überfällige Reform systematisch vorangebracht.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Zu einer Systematisierung gehört jedoch die gesamte Kulturlandschaft, und wirkliche Sorgen müssen wir uns meiner Meinung nach um die freie Szene machen, die ja für die so genannte Hochkultur wesentliche künstlerische Impulse liefert. Ich verwende diesen Begriff der „Hochkultur“ wirklich ungern, weil ich der Meinung bin, dass es keine Hochkultur gibt, sondern nur viel Künste nebeneinander, die gleichberechtigt sind.