Zu einer Systematisierung gehört jedoch die gesamte Kulturlandschaft, und wirkliche Sorgen müssen wir uns meiner Meinung nach um die freie Szene machen, die ja für die so genannte Hochkultur wesentliche künstlerische Impulse liefert. Ich verwende diesen Begriff der „Hochkultur“ wirklich ungern, weil ich der Meinung bin, dass es keine Hochkultur gibt, sondern nur viel Künste nebeneinander, die gleichberechtigt sind.
Ich behaupte sogar: Kürzungen im nichtinstitutionalisierten Bereich sind existenzbedrohend, und hier müssen wir gegensteuern.
Ja! – Aber auch die kulturelle Bildung ist für unsere Gesellschaft unverzichtbar, deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass der Bildungsauftrag unserer Theater und Opern auch für die Kindergärten und Schulen, für schulische und vorschulische Ganztagseinrichtungen gilt.
Wenn wir in die ästhetische Erziehung unserer Kinder nicht mehr investieren, dann wird später das Publikum für unsere teueren Opern fehlen. In diesem Sinne ist Kultur im besten Sinne des Wortes eine Zukunftsaufgabe.
In so einer Situation kommt der geplanten Opernreform natürlich eine zentrale Rolle zu, weil ihr Zuschuss
immerhin ein Drittel des gesamten Kulturetats ausmacht. Da ist interessant zu sehen, wie der PDS-Mann Flierl gegen die Vorbehalte des eigenen Koalitionspartners ankämpft. Sarrazin, Strieder und Frau Dunger-Löper haben immerhin öffentlich erklärt, dass ihnen die Fusion mindestens eines der drei Häuser mit einem anderem oder besser mit zwei Häusern unter dem Dach der GmbH lieber wäre als die derzeitige Stiftungsholding. – Frau Lange, vielleicht sollten Sie die Vernunftehe bei sich zu Hause ein bisschen üben, statt sie mit der Opposition heraufzubeschwören.
Dabei ist der Vorteil einer Stiftung Oper in Berlin die dort implizite Möglichkeit, dass wir auf diese Weise drei eigenständige Häuser erhalten. Nur, Herr Flierl, bei aller Überzeugung für eine Stiftungsholding, die auch wir im Prinzip teilen, wissen Sie um die massiven Mängel Ihres vorliegenden Gesetzentwurfs. Den hält Ihnen immerhin Frau Weiss auch immer deutlich vor. Eine Stiftung könnte staatsfern sein. Sie dagegen lieben das politische Gängelband. Sie wissen – jetzt kommt die Kritik –, dass da nicht zwei Senatoren, sondern maximal einer, nämlich Sie, hineingehören. Wenn zwei drinsitzen, dann nur deshalb, weil Sie sich nicht einig sind. Der Finanzsenator wird unter diesen Umständen sicher niemals die Position der Opern vertreten. Er gehört unseres Erachtens nicht in den Stiftungsrat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ein wenig traurige Bild auf der Regierungsbank kennen wir bereits, aber dazu passt ein Leitartikel des „Tagesspiegels“, in dem es kürzlich hieß: „Die Zukunft gehört den Zynikern“. Im Untertitel hieß es weiter: „Seit Jahren wird am Kulturhaushalt gekürzt und gesägt und gestrichen, ein gutes Ende ist jedenfalls nicht in Sicht“. Das ist leider aktueller denn je.
Frau Fugmann-Heesing, damit Sie uns nicht wieder über den Stolz belehren müssen, den wir eigentlich in Bezug auf Wissenschaft und Kultur hier zu demonstrieren hätten: Heute drehen wir den Spieß so herum, wie er gehört. Der Senat – und dort vor allem die SPD in ihrer bekannten Kulturfeindlichkeit – sollte sich die Zahlen wenigstens einmal anhören, um zu einer angemessenen Einstellung zur Kultur in der Hauptstadt zu gelangen: Berlin gibt nicht einmal 2,5 % seines Haushalts für Kultur aus. Die Pro-Kopf-Ausgaben liegen mit 230 € auf einem mittleren Platz hinter Frankfurt, Stuttgart und München. Hinzu kommt, dass bei uns ein Drittel davon vom Bund finanziert wird. Die Einnahmen, die die bis zu 65 000 Beschäftigten in der Kultur – Frau Lange hat darauf hingewiesen, dass das ein Wirtschaftsfaktor ist – erwirtschaften, liegen bei 1,6 Milliarden €. Das sind immerhin 2,2 % der gesamten Wirtschaftsleistung Berlins.
Und noch etwas zum Thema Stolz: Selbst in schwierigen Zeiten gehören 30 % aller Berliner zu den regelmäßigen Kulturnutzern, und 70 % stehen der Kultur positiv gegenüber. Das sind im Zweifelsfall sogar Wähler der SPD.
Aber wir haben ein ganz anderes als ein Ausgabenproblem. In Deutschland steht es seit Jahren nicht gut um Wissenschaft und Kultur, weil wir an Heute und nicht an Morgen denken. Es wird nicht gefragt, was wir für die Kultur tun können, sondern danach, wo man bei Kultur noch weiter sparen kann. Diese Relationen sollten auch die Finanzpolitiker kennen: Wir geben nur ein Zehntel des Landeshaushalts für Wissenschaft und Kultur zusammen aus. Seit der Wende ist der Kulturetat halbiert worden. Das Angebot hat sich hingegen glatt verdoppelt.
Wenigstens in diesem Ressort hat sich etwas zum Guten geändert. Auf der Giftliste dagegen stehen ganz lapidar der Wegfall von 25 000 weiteren Studienplätzen, die Streichung der Zuschüsse an das BE, die Schaubühne, die Berliner Symphoniker und an zwei von drei Opernhäusern – das ist die große Vorliebe des Finanzsenators – und die Vereinnahmung der Lottomittel. Ganz zu schweigen von den anerkannten Risiken, die wir bei Grips, Gorki und anderen bisher noch geförderten Häusern kennen.
Sie könnten mit einer Stiftung weit von der Kameralistik und den Tarifstrukturen im Land wegkommen. Bisher sind bei Ihnen aber keinerlei Ansätze zu erkennen, dass Sie sich an den mühsamen Tarifvertrag für Orchestermusiker oder Bühnenangehörige heranmachen. Das wäre ein bundespolitisches Signal, das Frau Weiss sehr gerne anlässlich der Stiftungsholding und der Bundesfinanzmittel sähe.
Geben Sie den Opern endlich – wie den Universitäten – mehrjährige Verträge, aber tun Sie es ehrlich, und schreiben Sie den Haushaltsvorbehalt heraus. Mit Haushaltsvorbehalt ist das Ganze absurd. Unter dieser Voraussetzung brauchen wir keine mehrjährigen Verträge. Sie könnten sie zudem mit Zielvereinbarungen über weniger Schließtage, regelmäßige Opernvorstellungen, ein ausgewogenes Repertoire, Ensemblepflege, Nachwuchsförderung und ein gemeinsames Marketing koppeln. Sie nehmen sich diese Chancen, wenn Sie sich nicht die Mühe machen, an diesen zentralen Punkten in der Stiftungsholding noch einmal nachzuarbeiten.
Das gilt auch für die berühmte Quersubventionierung. Statt die Häuser gegeneinander zu hetzen, sollten Sie sie mit Leistungsanreizen ausstatten. Das Vorbild der Unis kennen Sie auch hierbei. Dort werden 10 % der nicht personalgebundenen Mittel dafür verwendet, gegen Leistung Gelder zu verteilen. Auch das wäre hier problemlos möglich, statt die Gelder zweckentfremdet in defizitäre Kanäle anderer Häuser zu lenken, was auch Sponsoren abschreckt.
Er liegt paraphiert vor und soll als Verwaltungsvereinbarung mal eben hergeholt werden. Dann brauchen Sie über Ihr Stiftungsgesetz auch keine Diskussionen mehr zu führen.
Das ist ein merkwürdiges Politikverständnis. Die Kultur hier im Land braucht im öffentlichen Bewusstsein wieder einen anderen Stellenwert als den, den Herr Sarrazin immer propagiert: Sie sei mittelmäßig, und wir hätten zu viel davon. – Stattdessen sollten Sie auf die Stärken Berlins setzen, die mit Sicherheit bei Wissenschaft und Kultur liegen. Sie sollten das private Engagement fördern und Sponsoren und die Fördervereinsprominenz aktivieren, statt mit Vattenfall unprofessionelle Verträge zu machen. Sie sollten vernünftige Rechtsformänderungen auf den Weg bringen und sie nicht zum Alibi für geistige Abwicklungsszenarien verkommen lassen.
Mehrjährige Verträge müssen eingehalten und dürfen nicht wie bei den Unis einseitig gebrochen werden. Und sie dürfen nicht mit einem Haushaltsvorbehalt versehen werden. Das Lottogeld gehört natürlich in die Kultur und nicht in den Landeshaushalt. Den rettet das Lottogeld auch nicht. Stattdessen killen Sie jedes Kulturprojekt, das jetzt noch die Vielfalt der Szene ausmacht.
Den Abfindungsfonds, Herr Flierl, wollen nicht nur die Opern, sondern den brauchen auch die Sprechbühnen. Für den Abbau der angelaufenen Defizite an der Deutschen und der Komischen Oper wollen Sie das Geld auch. Adam Riese belehrt Sie da eines Besseren. Sie müssen sich schon überlegen, wofür die 6 Millionen € gut sind. Sie werden sich nicht beliebig vermehren. Zumal die Zuschussabsenkung für die Opernstiftung fast genau dem derzeitigen Zuschuss an die Komische Oper entspricht. Sie müssen uns nachvollziehbar erklären, dass Sie allen Ernstes an die Existenz von drei Häusern glauben und nicht der SPD hinterherlaufen, die lieber zwei als eines durch Fusion eliminieren würde.
Und Sie müssen uns erklären, wie Sie die Deutsche Oper vor dem Start der Stiftung wieder wettbewerbfähig machen wollen. Wir alle wissen, dass dort ein Intendant, ein funktionierendes Ballett und das nötige Geld fehlen.
Die CDU hat immer für die Stiftung plädiert und viele auf den Weg gebracht, weil wir von den Vorteilen für die Kultureinrichtungen überzeugt sind. Voraussetzung ist aber, dass man die Vorteile sieht, sie will und im Gesetz umsetzt. Das ist bei Ihnen bisher leider nicht geschehen.
Ihr Gesetzentwurf wirkt wie ein Alibi für die Fusion zweier Opernhäuser, und das am engen Gängelband der Politik.
Da ist es nicht verwunderlich, dass man sich in der Staatsoper – und übrigens auch auf Bundesebene – über Alternativen Gedanken macht. Zwar halte ich die Übernahme der Staatsoper durch den Bund zum gegenwärtigen Zeitpunkt für weniger realistisch als eine Lösung im Land Berlin, aber wenn Ihr Stiftungsentwurf nicht vernünftig korrigiert wird – was Ihnen Frau Weiss öffentlich vorschreibt – und der unehrlichen Variante von Fusion und Abwicklung eines Opernhauses das Wort geredet wird, dann sollte Berlin lieber schnell dafür sorgen, dass auf Bundesebene Geld für die Sanierung des Hauses Unter den Linden bereitgestellt wird.
Stattdessen wird in den Hinterzimmern von Flierl und Weiss der Hauptstadtkulturvertrag neu gezimmert, ohne das Parlament einzubeziehen. Was ist das für ein Selbstverständnis? – Der Hauptstadtkulturvertrag als Verwaltungsvereinbarung ist doch eine blamable Geschichte, mit der Sie sich, Herr Flierl, zum simplen Befehlsempfänger der Bundespolitik machen. Die schreibt Ihnen als Conditio sine qua non vor, wie Sie diese Opernstiftung zu machen haben. Ansonsten gibt es gar kein Geld. Und Sie nehmen noch nicht einmal die Chance wahr, das im Parlament und auf Bundesebene zu diskutieren.
Haben Sie doch den Mut, Herr Brauer, den Hauptstadtkulturvertrag im Abgeordnetenhaus und auf Bundesebene zu diskutieren!
Den Spardruck kennen wir alle. Strieders Spielwiesen, wie Architekturwerkstatt, Planwerk Innenstadt, das Verwaltungsarbeitsamt Stellenpool, die Berliner Forsten und die OFD mit dreistelligen Millionenbeträgen sind sicher ebenso verzichtbar wie manch anderes Projekt. Die zwei Prozent Kulturhaushalt sind es mit Sicherheit nicht. Dieser bringt noch einen echten Ertrag. Und ganz nebenbei: Kultur ist nicht nur ein Standortvorteil, sondern auch immer Ausdruck von Humanität. Seien Sie nicht zynisch, sondern sorgen Sie lieber für eine echte Zukunft der Kulturhauptstadt Berlin! – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist tatsächlich – um an eine meiner Vorrednerinnen anzuknüpfen – ein ziemlich übles Schmierenstück, das uns hier von Vertreterinnen und Vertretern der Oppositionsparteien zugemutet wird.
Versuchen wir, es in den Zusammenhang zu stellen: Nachdem Sie mit Blick auf den Gesamtetat vermeinten feststellen zu müssen, dass dieser Senat zu wirklich strukturellen Einsparungen unfähig ist, nehmen Sie sich die Einzelressorts vor und stellen fest, dass diese durch absolut unzulässige strukturelle Einschnitte so ausgehungert werden, dass der Zusammenbruch der Stadt unmittelbar
Die Kulturlandschaft Berlins ist eine höchst lebendige. Sie ist äußerst differenziert und reagiert mit großer Sensibilität auf die diversen Entwicklungsprozesse dieser Gesellschaft. Dies schließt sowohl Gelingen als auch Scheitern ein. Das ist ganz natürlich. In der Konsequenz bedeutet dies auch, sich gelegentlich von zwar liebgewordenen, aber auch mitunter überlebten Strukturen verabschieden zu müssen. Kulturpolitik kann und muss Rahmenbedingungen setzen und zwar nicht solche von der Qualität des unter den Vorgängerregierungen gehandhabten Rasenmähers. Frau Grütters, ich komme auf Ihre Zahlen zurück, die bedürfen einer Erklärung. In knapp fünf Jahren CDUgeführter Kulturpolitik haben Sie es geschafft, den Kulturetat um immerhin 10 % abzusenken, bei gleichzeitiger Installierung neuer, sehr teurer Institute, die zudem auf der Basis dilettantischster Vertragswerke installiert wurden. Ich verweise nur auf das Lieblingsprojekt des Herrn Regierenden Bürgermeisters a. D. Diepgen, die Deutsche Mediathek. Dafür wurde immerhin ein Mietvertrag mit einer zwanzigjährigen Laufzeit für eine unfertige Immobilie mit einer noch nicht existenten Einrichtung abgeschlossen, tolle Leistung. Wir wollen dagegen Rahmen
bedingungen für die hauptstädtische Kulturlandschaft schaffen, die dieser in der Zeit der Not das Überleben und die nötigen Freiräume für kreatives Arbeiten sichern können und die dazu führen, dass sich für Kulturpolitik in Berlin wieder Gestaltungsspielräume öffnen.
Die kulturpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, ich muss darauf zu sprechen kommen, auch wenn sie noch nichts gesagt hat, versucht sich stattdessen an schwerem Geschütz, ich zitiere:
Geradezu ignorant ist der Vorwurf, ein stärkeres Engagement des Bundes für die hauptstädtische Kulturpolitik bedeute einen Berliner Ausverkauf. Getoppt wird das nur noch vom im selben Text unternommenen Versuch, die Freunde der Deutschen Kinemathek auf den Status von Betreibern eines x-beliebigen kommunalen Flohkinos herabzuwürdigen.
bevorstehe. Das ist tatsächlich, um im Bilde des Theaters zu bleiben, so ähnlich wie beim Chor in der „Antigone“ des Sophokles, je nach Großwetterlage ändert er die Meinung, und bei Ihnen ändert sich ständig die Großwetterlage.