Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Das ist doch gut, dann ändern Sie es endlich!

[Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Was soll das? – Sie sollen das umsetzen. Ich will es Ihnen noch einmal erklären, damit Sie es umsetzen können.

[Doering (PDS): Ich habe es verstanden!]

Nein, Sie haben es eben nicht verstanden, sonst hätten Sie es schon längst gemacht. Das ist das Problem. –

[Beifall bei der FDP]

Die Ursachen der Misere liegen in einer durch Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit gekennzeichneten Nahverkehrspolitik. Gewerkschaftliche Klientelpolitik und verkehrspolitisches Wunschdenken haben sie geprägt und prägen sie weiter. Trotz der jahrelangen Reformverschleppung und der unlösbaren Kostenprobleme ist keine Besserung in Sicht.

Mit der S-Bahn GmbH hat der Senat gerade eine Vereinbarung herbeigeführt, die Berlin für bis zu 15 weitere Jahre an diesen Anbieter kettet. Der überwiegende Teil des S-Bahnnetzes kann erst ab dem Jahr 2018 für den Wettbewerb ausgeschrieben werden.

[Doering (PDS): Das ist ja schlimm!]

Das ist fürwahr, Herr Regierender Bürgermeister, eine tolle Rettungsaktion zu Gunsten Berlins. – Zurzeit ist er beim Schampus mit Prinz Albert. – Vermutlich wird ihn Herr Mehdorn nach dieser Inszenierung zu jeder Champagnerparty der Deutschen Bahn AG einladen.

Der mit der BVG abgeschlossene Unternehmensvertrag ist faktisch gescheitert, denn die Sanierungsziele konnten nicht erreicht werden. Statt nun aber den Vertrag

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Meine Damen und Herren! Geben Sie sich in Sachen Nahverkehr endlich einen Ruck. Denken Sie daran, dass eine Privatperson, ein Unternehmen oder eine Gebietskörperschaft eine Dienstleistung zwar benötigen mag, deswegen aber nicht das dienstleistende Unternehmen betreiben muss. Handeln Sie so, wie es jetzt zum Beispiel das Land Sachsen-Anhalt tut. Es wird den Nahverkehr auf den Schienenstrecken des Nordharznetzes ab Dezember

2005 in die Hände eines privaten Bahnunternehmens geben.

Sachsen-Anhalt hat eine privatrechtliche Nahverkehrsservice GmbH gegründet, die den Schienenpersonennahverkehr öffentlich ausschreibt. Mit der aktuellen Vergabeentscheidung macht das Land einen praktischen Schnitt hin zu mehr Wettbewerb im Nahverkehr. Der Vertrag hat ein hochwertiges Bahnangebot zum Gegenstand, mit modernen Fahrzeugen, Pünktlichkeit, Sauberkeit und einem guten Service. Die Fahrzeuge sind in Sachen Umwelt auf dem höchsten Stand und werden größtenteils in der Region gefertigt. Auch wenn die unterlegene Bahn AG sauer ist, so, und nur so wie in Sachsen-Anhalt hat eine verkehrs-, haushalts- und ordnungspolitisch tragfähige Verkehrspolitik auszusehen. Stimmen Sie also für die FDP-Anträge. – Ich danke Ihnen!

Danke schön, Herr von Lüdeke! – Es folgt die SPD. Das Wort hat Herr Kollege Gaebler – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP ist eine Partei mit drei Punkten: Privatisieren, Zerschlagen und die Menschen sich selbst überlassen. Dies haben Sie heute im Hinblick auf den ÖPNV wieder bewiesen. Was Sie hier vorlegen als Änderungsgesetz zum ÖPNV-Gesetz, ist in Wahrheit ein ÖPNVMinimierungsgesetz, und Sie Herr von Lüdeke, haben eben dazu beigetragen, um das nach außen hin deutlich zu machen.

wegen Nichterfüllung zu kündigen, wird bereits an seiner Neuauflage gebastelt. Der BVG-Chef hat zumindest anlässlich der Beratung der FDP-Anträge im Verkehrsausschuss einen Folgevertrag gefordert. Im Klartext: Berlins Nahverkehrskunden und Steuerzahler sollen weiterhin den Staatsmonopolisten BVG mitsamt seinen Risiken finanzieren. Währenddessen baut die BVG ihr Angebotsspektrum weiter aus. Neuerdings taucht sie auch im Fernreise- und Telebusgeschäft auf, natürlich mit Angeboten, die unternehmensintern quersubventioniert werden. Dass damit der Mittelstand gefährdet wird, ist ein Skandal.

Der BVG steht das Wasser bis zum Hals. Ihre Kreditwürdigkeit ist in Gefahr. Deshalb versucht man, sie mit einem neuen Unternehmensvertrag mit dem Pleiteland Berlin wieder flott zu machen. Dies ist bisher nicht gelungen und wird auch in Zukunft nicht gelingen. Die FDP wird diese Fahrt der BVG nicht mitmachen. Die haushaltspolitisch unverantwortliche Schwarzfahrt muss die Senatskoalition allein unternehmen. Aber wir werden die Kontrolleure sein bei dieser Schwarzfahrt. Wie jeder weiß: Früher oder später erwischt es jeden Schwarzfahrer.

Zur Erinnerung für die heutigen Abstimmungen unser unverändert geltender ÖPNV-Tarif: Erstens: Kündigung des mit der BVG im September 1999 abgeschlossenen Unternehmensvertrages wegen Nichteinhaltung der Sanierungsziele und Auflösung der BVG mit folgender Ausrichtung: Gründung eigenständiger, privatrechtlicher Nahverkehrsunternehmen für den U-Bahn-, Straßenbahn- und Busverkehr. Gründung einer eigenständigen, landeseigenen Betriebsgesellschaft für die Fahrwege für U-Bahn und Tram. Umwandlung der BVG in eine Personalauffanggesellschaft.

Zweitens: Spätestens ab dem 1. Januar 2008 weitestgehende Ausschreibung der Berliner ÖPNV-Leistungen nach folgenden Grundsätzen: Ausschreibung durch den Verkehrsverbund, Ausschreibung auf der Grundlage des vom Abgeordnetenhaus zu verabschiedenden Nahverkehrsplanes, Ausschreibung für Teilräume und Teilnetze – das heißt in möglichst kleinen Losen –,

[Klemm (PDS): Genau! Am besten jede Station einzeln!]

Abrechnung bestellter Verkehrsleistungen durch den Verkehrsverbund, Subventionen werden dann nicht mehr gewährt.

Drittens: Entsprechende Änderungen des Berliner Betriebegesetzes und des ÖPNV-Gesetzes.

[Klemm (PDS): Sachsen-Anhalt ist genau wie Berlin, was?]

[Beifall bei der FDP]

[Dr. Lindner (FDP): Der Apostel der Monopole!]

[Cramer (Grüne): Zur ÖPNV-Minimierung braucht ihr nicht die FDP, das schafft ihr auch allein!]

Bemerkenswert ist, was Sie in diesem Gesetz streichen wollen. Das ist dieser Satz:

Dem öffentlichen Personennahverkehr soll Vorrang vor dem motorisierten, individuellen Straßenverkehr eingeräumt werden, so weit das Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Interessen des notwendigen Verkehrs dem nicht entgegenstehen.

Das zeigt, dass es Ihnen gar nicht um den ÖPNV geht, sondern zum ersten um freie Fahrt für freie Bürger und zum zweiten darum, möglichst viel von im Moment in öffentlicher Hand erbrachter Leistung in private Hände zu geben, um anschließend Profitmaximierung vor Ort betreiben zu können. Drittens sagen Sie, dass der ÖPNV ein Restgröße ist, er ist für diejenigen, die sich kein Auto leisten können. Damit haben Sie erneut Ihre drei Punkte zusammen bekommen. Ihr Sammelsurium an Anträgen zeigt, dass Sie sich nicht ernsthaft mit dem Thema beschäftigen. Ihnen geht es um billige Effekthascherei. Das zeigen auch die Widersprüche und Doppelungen in Ihren Anträgen. Sie fragen, weshalb wir die Verkehrsunternehmen an der Erstellung des Nahverkehrsplans beteiligen wollen. Sie wollen das Know-how der Verkehrsunter

Wenn Sie das gesamte Netz ausschreiben, Herr Dr. Lindner, dann finden Sie kein Unternehmen, das das Netz in Gänze betreiben kann. Zeigen Sie mir das mal! Außerdem haben wir einen Unternehmensvertrag mit der BVG, den Sie vorhin schon ansprachen. Wir haben rechtsverbindliche Konzessionen. Insofern ist alles, über

das wir uns unterhalten, Zukunftsmusik ab 2007. Dann werden wir sehen, wie wir weiter mit Ausschreibungen und Wettbewerb umgehen.

Sie haben Recht. Wir wollen keinen Wettbewerb um jeden Preis. Wir haben ein kostengünstiges, leistungsfähiges Verkehrsangebot. Da ist Wettbewerb ein Mittel zum Zweck, aber nicht der eigentliche Zweck. Es ist mir klar, dass der Wettbewerb bei ihnen Selbstzweck ist. Wir haben aber eine andere Logik. Für uns stehen die Fahrgäste und die Verkehrsleistung im Mittelpunkt und nicht die Anbieter, die Ihre Klientel sind.

Ihre Vorstellungen zur Abwicklung der BVG sind rechtswidrig. Wir haben einen Vertrag geschlossen. Es gibt Verträge mit den Beschäftigten, die auch bestimmte Zahlungen beinhalten. Sie wollen die Kündigung des Unternehmensvertrags. Einmal wollen Sie sie vorbereiten, dann sagen Sie, es soll gleich gekündigt werden. Sie wollen das Ganze aufgliedern. Das läuft darauf hinaus, dass wir dann das Personal in einer Restgesellschaft haben. Sie verscherbeln dann vermutlich die Fahrzeuge, versuchen, die Leistungen an andere zu vergeben, und wir können dann sehen, was mit den 13 000 Mitarbeitern passiert. Das ist Ihnen aber egal, weil Sie denen sowieso betriebsbedingt kündigen wollen. – So kann man mit den Beschäftigten, die seit 1990 hier wahnsinnige Leistungen für die Stadt erbracht haben und die Personalzahl schon halbiert haben – das sollten andere mal nachmachen, auch FDP-geführte Unternehmen schaffen das nicht –, nicht umgehen, Herr Dr. Lindner. Das kann man nicht machen.

nehmen in der Region nicht einbeziehen, weil Sie denken, Sie wüssten ohnehin alles besser. Dieses Verhalten spricht Bände.

Sie sagen, der ÖPNV solle keine Subventionen mehr erhalten. Wie sieht Ihr ÖPNV der Zukunft aus? Gibt es dann nur noch zehn Buslinien, die die Hauptachsen befahren, und ein Restnetz mit ein paar S-Bahnlinien, weil zu Ihrem Ärger ein Vertrag über 15 Jahre abgeschlossen wird? – Alles andere finanziert sich selbst oder wird nicht mehr gefahren. Das ist die schlichte Logik, die aus Ihren Worten spricht. Mit dieser Einstellung können Sie noch lange versuchen zu kontrollieren. Sie werden nicht als Lokführer vorne sitzen und den Zug in Ihre Richtung fahren. Wir werden dagegenhalten. Und das werden auch die Wählerinnen und Wähler tun.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Der nächste Punkt ist die Abwicklung der BVG. Die ist eines Ihrer Lieblingshassobjekte. Sie kommt bei Herrn Dr. Lindner gleich nach der BSR. Die BVG ist ein Unternehmen mit 13 000 Beschäftigten. Wir haben das hier schon ausgiebig diskutiert. Sie gewährleistet ein beispielloses Verkehrsangebot für Berlin, das einer Metropole angemessen ist. Wir wollen das soweit wie möglich erhalten. Dass im Moment kein anderes Verkehrsunternehmen – und auch keine Zusammenschluss mehrerer Verkehrsunternehmen – in der Lage wäre, ein Angebot in dieser Qualität zu gewährleisten, ist Ihnen sicher klar. Insofern sind Ihre Sprüche – Unternehmensvertrag kündigen, alles zerschlagen, sofort ausschreiben – leere Hülsen, weil Sie keine Wettbewerber finden werden,

[Dr. Lindner (FDP): Aber selbstverständlich!]

die ein integriertes Verkehrsangebot in dieser Größenordnung schultern. Sie können vielleicht eine, zwei, zehn oder zwanzig Buslinien ausschreiben. Dafür werden Sie Interessenten finden. Am besten nach dem Motto: jede Buslinie einzeln. Dann können sich die Rosinenpicker, die zu Ihrer Klientel gehören, die Linien heraussuchen, die besonders lukrativ sind. Auf dem Rest bleibt die Allgemeinheit sitzen. Man darf aber nach Ihrer Logik keine Subventionen mehr bezahlen. Das bedeutet, dass dann in den Außenbezirken keine Busse mehr fahren.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist doch ganz abwegig!]

Das ist nicht abwegig, sondern die Folge aus dem, was Sie schlicht, aber nachlesbar aufgelistet haben. Sie können es ja noch einmal durchlesen, wenn Sie es nicht glauben. Sie haben das als Fraktionsvorsitzender unterschrieben.

[Dr. Lindner (FDP): Dann schreiben Sie doch das gesamte Netz aus!]

[Dr. Lindner (FDP): Sie wollen keinen Wettbewerb!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Beifall bei der SPD]

Deshalb sind Sie auch in der Opposition und nicht in der Regierung.

Der Senat hat ein klares Konzept für die Verkehrsentwicklung in dieser Stadt – das haben Sie leider nicht; das zeigt Ihr heutiges Antragsammelsurium –, nämlich den Stadtentwicklungsplan Verkehr. Den werden wir in den nächsten Monaten hier im Parlament diskutieren. Dann müssen Sie Farbe bekennen, was Ihr Gesamtkonzept ist. Da reichen Ihre schlichten Bekenntnisse: „Wir wollen Autorennen auf der Avus, aber keine Straßenbahn in Mitte!“ nicht. Das ist die billige FDP-Logik, die einer Metropole unwürdig ist und den Bürgern nichts bringt.

Noch einmal zu Ihren Anträgen: Das Beste ist, dass Sie nach wie vor zwei Anträge vorlegen, die eine völlig widersprüchliche Botschaft haben. In einem Antrag fordern sie die Einrichtung von Zugangssperren an allen Bahnhöfen im Zusammenhang mit dem elektronischen Ticketing.