Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

terhaltung der Grünanlagen und dem, was tatsächlich ausgegeben wird, zu beklagen ist. Selbstverständlich gibt es dabei ein krasses Missverhältnis. Aber warum gibt es das? – Nicht, weil die Bezirke unfähig sind oder nur die Senatsverwaltung den Stein des Weisen hat, und auch nicht, weil wir noch nicht die von der FDP-Fraktion vorgeschlagene Gesetzesänderung beschlossen haben!

Die Diskrepanz liegt vielmehr darin begründet, dass es in fast allen Ausgabebereichen unzureichende Mittelzuweisungen an die Bezirke gibt und dass es Sachverhalte gibt, die auf Grund von Landes- und Bundesrecht nicht reduzierbar sind. Die Bezirke bekommen für diese Aufgaben aber nicht etwa 100 % der erforderlichen Mittelzumessung, sondern lediglich 70 % oder 60 % und in Teilbereichen sogar nur 50 %. Sie müssen allerdings, weil sie dazu gesetzlich verpflichtet sind, 100 % auszahlen. Darin liegt die Crux, und deshalb kann man den Bezirken nicht den Vorwurf machen, sie seien nicht in der Lage, ihre Aufgaben zu lösen. Das ist die Crux: Sie können gar nicht anders, als an anderen Stellen – und eben auch an der wichtigen Stelle Grün – Mittel einzusparen.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Also lautet die Frage, wie man an hier zu Veränderungen kommt. Konzepte hin und her – hier geht es ganz einfach um die Mittelzuweisungen. Wenn die tatsächlich in der errechneten Höhe gegeben wären, wären die Bezirke auch ganz anders als heute in der Lage, ihren Verpflichtungen bei der Grünanlagenpflege nachzukommen.

Wie sieht es mit den Lösungsmöglichkeiten aus? – Wir haben uns bereits vor rund 10 Monaten über das Thema Grün unterhalten – in der Sitzung am 10. April 2003. Am liebsten hätte ich einfach auf meinen Redebeitrag von damals verwiesen, denn die Fragen hatte ich dort bereits aufgeworfen, und die Antworten der Regierungskoalition liegen bis heute nicht vor. Das ist leider der Stand: 10 Monate vertan, nicht weitergekommen, und deshalb ist Ihnen, lieber Kollege Buchholz, zwangsweise auch nichts anderes eingefallen, als sich an der FDP abzuarbeiten, statt einmal selber einen brauchbaren Vorschlag zu unterbreiten, wie es einer Regierungsfraktion zukommen würde.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Rabbach (CDU): Kann der doch gar nicht! – Czaja (CDU): Das ist verboten bei Müller!]

Wenden wir uns noch einmal der Antragslage zu, und schauen wir, was die FDP-Fraktion vorschlägt! Sie schlägt zunächst einmal vor – das bedarf wohl noch einer näheren Erläuterung im Ausschuss –, die 10 Paragraphen des derzeitigen Grünanlagengesetzes durch 21 Paragraphen zu ersetzen. Das ist nicht gerade ein Beitrag zur Entbürokratisierung.

Sie wollen die Bezirksgärtnereien abschaffen. Es gibt in der Regel nur noch solche, bei denen mehrere Bezirke gemeinsam eine Gärtnerei betreiben. Ich vermute, dass Sie sich nicht vor Ort damit beschäftigt haben. Wenn Sie sich bei den Bezirksgärtnereien und bei den Bezirken, die

Buchholz

diese noch betreiben, sachkundig machen, stellen Sie fest, dass dort für eine riesige Anzahl kleiner und kleinster Leistungen trotz Ausschreibung niemand gefunden wird, der ein Angebot abgibt. Das heißt, es gibt auch Dinge wie die Pflege von Mittelstreifen, von Straßenbegleitgrün und Ähnliches, für die niemand in der freien Wirtschaft ein Angebot abgibt, weil das völlig unwirtschaftlich ist. Sie werden es also nicht vermeiden können, bestimmte Einheiten, die kleine und kleinste Aufträge erledigen, vorzuhalten. Ob Sie die nun Servicegesellschaften, Bezirksgärtnerei oder wie auch immer nennen, das wird mit eigenem Personal nicht anders gehen.

Kommen wir zu dieser Servicegesellschaft: Das ist ein Begriff, den wir z. B. auch aus der Arbeitsförderung und anderen Gebieten kennen. Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass die FDP solchen Servicegesellschaften, die zwar scheinbar privat agieren, aber mehrheitlich – so schreiben Sie es selber im Gesetz – im Eigentum des Landes stehen und selbstverständlich, falls sie einen Aufsichtsrat haben sollten, überwiegend vom Land Berlin kontrolliert werden, gar nicht so positiv gegenüber steht, weil es eigentlich nichts anderes ist als öffentlicher Dienst in anderer Organisationsform. Es wundert mich jetzt also, dass dieser Vorschlag kommt, und es wird sicherlich ein interessantes Vergnügen sein, im Ausschuss zu hören, wie Sie die Effektivität einer solchen Servicegesellschaft, für die wir viele Beispiele im Land haben, nun plötzlich im Bereich Grünanlagen positiv begründen. Darauf freue ich mich schon. Sie haben bei diesen Servicegesellschaften das Problem, dass Sie einen gut dotierten Geschäftsführer haben. Sie müssen Wirtschaftsprüfer zusätzlich bezahlen. Sie haben eine aufwändige Buchführung und so weiter und so fort. Also zunächst einmal verursachen diese Gesellschaften eine Menge Kosten.

Dann fordern Sie einen neuen Grünanlagenbericht. Da hatte ich im Hinterkopf, dass es einige Gesetzesinitiativen in der Vergangenheit gab, das Berichtswesen zu reduzieren. Jetzt kommen wir aber zu einem neuen Bericht dank dieses Gesetzentwurfs der FDP.

Und Sie fordern für bestimmte Anlagen, das ist schon angesprochen worden, die Möglichkeit, Eintrittsgelder nehmen zu können. Gucken wir uns einmal die Grün Park und Garten GmbH an. Was ist denn da der Fall? Decken denn die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern tatsächlich die Unterhaltung der entsprechenden Anlagen? – Sie decken sie nicht. Sie decken sie nur zu einem kleinen Prozentsatz. Im Grunde genommen hieß es in der Vergangenheit immer: Die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern haben eigentlich nur steuernden Charakter, damit eine bestimmte Klientel draußen bleibt.

[Frau Oesterheld (Grüne): Wer sagt das?]

Ansonsten dienen die Einnahmen dazu, das Kassieren der Eintrittsgelder an den Eingängen zu organisieren, also die Personal- und die Abrechnungskosten zu bezahlen. Viel mehr bleibt nicht übrig. Und wenn Sie sich den Haushaltsplanentwurf des Landes Berlin anschauen, da steht die Grün Park und Garten GmbH an zwei Stellen drin:

Einmal gibt es 5 Millionen € Zuschuss, an anderer Stelle gut 1 Million € Zuschuss. Das spricht alles nicht gerade dafür, dass es eine selbst tragende Veranstaltung ist, die irgendwelche zusätzlichen finanziellen Effekte zur Grünanlagenpflege mit sich bringt, sondern es ist ein dickes Zuschussgeschäft, weil man so etwas nicht kostenneutral organisieren kann. Das Eintrittsgeld müsste dann Dimensionen von 6, 7, 8 € haben, was natürlich absurd ist.

Und was nützt uns das für das Gros der Grünanlagen? – Nehmen wir tatsächlich an, von den 2 500 sind 10, 15, vielleicht auch 20 bei einer solchen Servicegesellschaft gelandet. Es bleiben 2 480, die weiterhin in der Verantwortung der Bezirke bleiben. Was machen die da? – Die kriegen kein zusätzliches Geld. Sie haben keine Bezirksgärtnereien mehr, sie kriegen geringere Mittelzuweisungen, weil die großen Parkanlagen weg sind, und sie haben die übrig gebliebenen 2 480 Parkanlagen nach wie vor an der Backe – mit weniger Geld und ohne Organisation. Das soll die Situation in den Parkanlagen verbessern? – Recht unwahrscheinlich. Hier wird es dann eher noch dramatischer werden, der Erhaltungsgrad wird weiter darniederliegen, und Sie werden zusätzlich und immer mehr Beschwerden der Bürger bekommen.

Und da müssen Sie einfach einmal die Frage beantworten: Wozu zahlt denn der Bürger eigentlich dann noch seine Steuern? Hat er nicht ein Anrecht darauf, wenigstens wohnortnahes Umgebungsgrün kostenlos und in einem durchschnittlichen Erhaltungsgrad vorzufinden? – Wir meinen, die vorgelegten Gesetzentwürfe der FDP tragen nicht dazu bei, die Situation in der Stadt großräumig zu verbessern. Aber wir hoffen, dass nach über einem Jahr, wo wir nichts von der Koalition und dem Senat gehört haben, diese Gesetzesinitiative vielleicht ein Anlass ist, uns mit dem zu beschäftigen, was die Regierung zu verantworten hat, und vielleicht dann doch etwas Positives für die Bürger erreichen zu können.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Goetze! – Für die Fraktion der PDS hat nun Frau Hinz das Wort. – Bitte schön, Frau Hinz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Debatten über Potentiale der Stadt und Standortfaktoren für Berlin haben hier in der letzten Zeit sehr häufig stattgefunden, Beispiel Wissenschaft, Bildung, Kultur. Ein wichtiges Potential und ein Standortfaktor ganz anderer Art ist das Berliner Grün. Darauf wurde auch schon in der Berlinstudie hingewiesen. Dort wurde ausgeführt: Die Sicherung von Grün stellt eine besondere Herausforderung dar. Sie sollte auf alle Fälle trotz komplizierter Finanzlage weiter verfolgt werden.

Über das Berliner Grün wird viel zu selten gesprochen. Heute haben wir hier die Gelegenheit. Mein Dank an die FDP hält sich da sehr in Grenzen, aber wir werden die Möglichkeit nutzen, uns hier und auch dann im Ausschuss über das Grün zu unterhalten.

Goetze

Die Zahlen in der Beantwortung der Großen Anfrage weisen das Potential an Grün sehr gut aus. Es grünt so grün nicht nur in Grün- und Erholungsanlagen, sondern auch in den Berliner Wäldern, auf den Berliner Friedhöfen,

[Dr. Lindner (FDP): Sehr interessant!]

in den Kleingartenanlagen, auf Sportanlagen, auf Schulhöfen, Spielplätzen und auch an den Berliner Straßen entlang an und mit den weit über 400 000 Bäumen der Stadt. Wir betrachten das gesamte Berliner Grün. Es ist wichtig, das Potential insgesamt zu betrachten. Die FDP konzentriert sich heute auf die Grünanlagen, dann werden wir uns also heute mit den Grünanlagen beschäftigen.

Wenn man die Fragen in der Anfrage der FDP liest, dann besteht zunächst ein Wunsch nach statistischen Daten. Das kann man ja machen, und das ist gut so, wenn man das immer wieder einmal aufruft. Wenn man aber z. B. die Frage 5 etwas intensiver betrachtet – so habe ich das jedenfalls getan –, dann muss ich zu dem Schluss kommen, dass Sie eigentlich mehr oder weniger nach den Abräumpotentialen fragen und nicht so sehr nach den Grünpotentialen.

[Brauer (PDS): Genau! – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Ich denke, dass der Senator sehr eindeutig dargestellt hat, dass es einen Bedarf für Grün uneingeschränkt gibt, dass das Grün ausreichend genutzt wird und dass Berlinerinnen und Berliner dem Grün eine hohe Bedeutung beimessen. Das ist sehr deutlich zum Ausdruck gekommen. Es kann ja sein, dass die Mitglieder der FDP-Fraktion einen nicht so hohen Grünbedarf haben. Ich habe das in der Vergangenheit so wahrgenommen, dass es da ein reduziertes Interesse gibt. Ich darf z. B. einmal an Kleingärten erinnern, an den Antrag der FDP „Mentalitätswechsel in der Kleingartenpolitik“,

[Beifall bei der PDS]

in dem Sie die Freiräumung von Kleingartenflächen verlangt haben. Aber diese gehören eben auch mit zu dem Stadtgrün. Sie haben gefordert, dass man die Kleingärtner an den Stadtrand verdrängt, dass man sie auch nach Brandenburg schickt. Das alles ist Gott sei Dank mit der großen Mehrheit dieses Hauses abgelehnt worden. Auch gestern hatte ich wieder den Eindruck. Als wir über die Ausgleichskonzeption und die Ausgleichsmaßnahmen zum Landschafts- und Artenschutzprogramm diskutiert haben, hat Herr Hahn die Auffassung geäußert, wozu Ausgleichsmaßnahmen, es könne doch das Grün in Brandenburg genutzt werden. – Also das sehen wir ganz anders. Wir wollen das Berliner Grün nutzen, wir wollen es pflegen, und wir wollen es geschützt wissen.

Gerade im Zusammenhang mit der großen Flächenversiegelung, die auch in dieser Stadt stattfindet, ist die Erhaltung und die Pflege von Grün zwingend geboten. Damit ist auch verbunden, dass in einem begrenzten Maß Grünflächen und Grünanlagen hergestellt werden. Die Entwicklungsgebiete sind auf den Weg gebracht worden,

sie sind bebaut worden, und da wollen wir nicht nur Beton, sondern wir wollen auch Aufenthaltsqualität, und das heißt für uns eben auch sehr deutlich Grün.

Ich sehe die Ausführungen von der FDP teilweise als Scheingefechte an. Ich meine, dass Ihr Ziel eigentlich ein ganz anders ist: Sie wollen in Zukunft auf Grün in der Stadt verzichten.

[Dr. Lindner (FDP): Hier kann Hinz und Kunz jeden Unsinn erzählen!]

Sie tun das in jeder Veranstaltung hier.

[Brauer (PDS): Genau!]

Ich kann Ihnen aber vielleicht noch eine Empfehlung geben, weil vorhin hier auch gefragt wurde, was wir uns denn vorstellen können. Liebe Kollegen von der FDP, aber vielleicht auch von der CDU! Sie sollten sich mit Ihren Kollegen im Bundestag in Verbindung setzen und sollten mit ihnen einmal über Kostenreduzierung diskutieren, z. B. im Bezirk Mitte. Die Kosten für die Pflege und die Entwicklung von Freiflächen, die unmittelbar eine Hauptstadtfunktion erfüllen, sollten künftig vom Bund übernommen werden. Das wäre eine erhebliche Entlastung für den Bezirk Mitte.

Wir haben in unserer Koalitionsvereinbarung auch Positionen zu Grün formuliert, die wir schrittweise umsetzen werden. Wir haben formuliert, dass wir stärker das bürgerschaftliche Engagement fördern wollen, um im Bereich Grün mehr Qualität zu schaffen.

Ich komme jetzt zu den beiden Anträgen der FDP, zunächst zum Antrag, der sich mit dem Großen Tiergarten befasst. In diesem Antrag fahren Sie fort mit der Privatisierungsarie, die Sie hier immer wieder vortragen. Der Große Tiergarten ist für uns zu wertvoll, als dass wir ihn in dieser Art genutzt haben wollten, wie Sie es vorschlagen. Sie haben beschrieben, dass es ein stadtpolitisch herausragendes Projekt sei, und das soll es auch bleiben. Es ist die große Frage, ob durch einen Betrieb und die Bewirtschaftung durch Dritte der Große Tiergarten aufpoliert und attraktiver wird. Ich wage das zu bezweifeln. Wir wollen keine Biergärten im Großen Tiergarten, wir wollen, dass man den Tiergarten so, wie er ist, benutzen kann. Wir wollen keine Zäune – dass Sie das wollen, kann man aus Ihren Anträgen entnehmen –, und wir wollen an dieser Stelle kein Eintrittsgeld nehmen.

[Dr. Lindner (FDP): Sagen Sie doch mal, was Sie wollen, und nicht, was Sie nicht wollen!]

Wir wollen, wie es der Senator in der Antwort zu Frage 11 ausgeführt hat,

[Dr. Lindner (FDP): Was wollen Sie denn?]

hören Sie mir doch mal zu –, dass es eine Neuordnungsagenda 2006 gibt, die sich mit Änderungen in der Verwaltung und mit Strukturänderungen befasst, die in den Bezirken andere Prioritäten setzen und die eine differenzierte Zuweisung von Finanzmitteln zum Inhalt hat. Das alles

sind Möglichkeiten, die wir, wenn wir von der Verwaltung etwas vorgelegt bekommen, intensiv prüfen werden.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist ja großartig!]

Was die Mittelzuweisung anbelangt: Es muss ja nicht immer die schön herausgeputzte Gartenanlage sein. Man kann sich auch einmal eine extensiv gepflegte Anlage ansehen.

[Dr. Lindner (FDP): An Kreativität nicht zu übertreffen!]

Das ist auch einmal ganz interessant. Vielleicht sollten Sie mal mit Ihren Kindern in solch eine Anlage gehen, Herr Dr. Lindner.

Zum Antrag zur Neuordnung des Grünanlagenwesens: Auch hier steht wieder Privatisierung im Vordergrund. Ich sage nur: Stichwort Servicegesellschaft. Ich stimme hier mit Herrn Goetze überein. Wenn er von den Kosten und dem Aufwand gesprochen hat, kann ich dem nur zustimmen. Sie haben in keiner Weise ausgewiesen, welchen Umfang diese Leistungen haben. Kostenmäßig ist das besonders zu bewerten.

Wir fragen uns, welche Grünanlagen Sie aufheben wollen.